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Transportsteuern - Trapa.

bewegt sich in der Richtung, daß das durch die eine Öffnung eingeführte Material allmählich ans andre Ende des Kastens befördert wird. Die T. wird namentlich in Mühlen zum Transportieren von Getreide, Mehl und Grieß, in Pulver- und Ölmühlen, Aufbereitungsanstalten etc. angewandt, um das Material von einer Maschine zur andern zu führen.

Transportsteuern (Transportverkehrsteuern), Abgaben, welche in Gebührenform (Konzessionsgebühr, Stempelabgaben, Tonnengelder etc.) als echte Gewerbesteuer (s. d.) oder als Aufwandsteuer in Form von Zuschlägen zum Transportpreis erhoben werden. Vgl. Eisenbahnsteuer.

Transportversicherung soll dem Versicherten Ersatz bieten für den Verlust oder Schaden, welchen der versicherte Gegenstand auf dem Transport erleidet. Man unterscheidet See-, Fluß- (Strom-) und Landtransportversicherung. Die Seetransportversicherung ist die wichtigste der drei und zugleich diejenige Versicherungsart, welche zuerst rationeller ausgebildet und (in Italien bereits im 14. Jahrh.) gesetzlich geregelt worden ist. Auch die neuere Gesetzgebung, so das deutsche Handelsgesetzbuch (Artikel 782-905), wandte ihr eine eingehende Aufmerksamkeit zu. Die Seeversicherung hat vorzüglich deswegen mit großen Schwierigkeiten zu kämpfen, weil bei vorkommenden Unfällen ein Nachweis der Verschuldung schwer oder überhaupt nicht zu erbringen ist und die Gefahr, nach welcher die Prämie sich zu richten hat, nicht allein von Naturereignissen und von der Route, sondern auch von der Ladung (Art, Menge), Bemannung (Zahl, Brauchbarkeit), von der Seetüchtigkeit der Schiffe etc. abhängig ist. Über die letztern werden unter andern vom Germanischen Lloyd in Hamburg, vom Büreau Veritas in Paris eigne Register (Lloydregister) geführt. Die meisten Gesellschaften, welche die Seetransportversicherung betreiben, befassen sich ausschließlich mit diesem Versicherungszweig und haben naturgemäß ihren Sitz in den großen Seeplätzen; in Hamburg, wo allein 14 Gesellschaften mit einer Anzahl Einzelversicherer und auswärtiger Anstalten einen Versicherungsbestand von etwa 2000 Mill. Mk. haben, Bremen, Stettin, Danzig etc. befindet sich eine große Anzahl derartiger Institute. Es gibt indes auch Transportversicherungsanstalten, welche neben der Seeversicherung noch andre Zweige der T., und ebenso allgemeine Transportversicherungsgesellschaften, welche auch andre Zweige der Versicherung, namentlich die Feuerversicherung, betreiben. Allgemeine deutsche Transportgesellschaften gibt es in Deutschland über 30; von ihnen sind der Rheinisch-Westfälische Lloyd, die Vaterländische, die Transatlantische, die Dresdener Allgemeine, die Düsseldorfer Allgemeine, die Berliner Deutsche, der Deutsche Lloyd, die Niederrheinische und die Aachen-Leipziger die bedeutendsten. An der Ostseeküste haben sich viele Vereine (Kompakten) zu gegenseitiger Versicherung der Schiffe auf Küstenfahrten gebildet (vgl. Seeversicherung). Der Seeversicherung wird gewöhnlich die Versicherung von Transportmitteln, Güter- und Wertsendungen auf dem Transport zu Land (auf der Achse, Eisenbahn) und auf Flüssen als T. im engern Sinn gegenübergestellt. Eine hohe Bedeutung hat heute die Eisenbahnversicherung gewonnen. Eine besondere Art derselben ist die Lieferfristversicherung, d. h. die Versicherung rechtzeitiger Ankunft aufgegebener Güter am Ablieferungsort (vgl. Lieferungszeit). Der Umstand, daß die Post für Verlust deklarierter Wertsendungen nicht immer genügenden Ersatz leistet, gab Veranlassung zur Entstehung der Valoren- (Wert-) Versicherung, d. h. der Versicherung von Geld- und sonstigen Wertsendungen gegen die Gefahren des Transports. Dieselbe ist nur zulässig bis zur Höhe des Wertes der Sendung. Sie erfolgt oft auf Grund einer ausgestellten Generalpolice, indem jeweilig der Versicherungsgesellschaft über aufgegebene Sendungen Mitteilung gemacht wird. Auch die deutschen Postanstalten erheben für solche deklarierte Sendungen Portozuschläge, welche sie als Versicherungsgebühren bezeichnen; doch ist dieser Ausdruck nur insoweit zutreffend, als die Post etwa über ihre allgemeine Haftpflicht als einer Transportanstalt hinausgehende Haftverbindlichkeiten gegen eine dann ungenau "Gebühr" genannte Prämie erhebt.

Transposition (lat.), Versetzung, Umsetzung (vgl. Transponieren).

Transrhenanisch (lat.), jenseit des Rheins.

Transsept, s. Transept.

Transkribieren (lat.), schreibend übertragen, umschreiben. Transskription, Umschreibung; in der Musik im Unterschied von Arrangement (s. d.) Übertragung eines Tonstücks, z. B. eines Gesangstücks, auf Klavier oder ein andres Instrument, meist mit ausschmückenden Zuthaten oder sonstigen durch die Natur des gewählten Instruments bedingten Veränderungen versehen.

Transskriptionsbücher, s. Grundbücher.

Transsubstantiation (neulat., griech. Metusiosis), scholast. Kunstausdruck für die kraft der Konsekration (s. d.) bewirkte Verwandlung der Substanz des Brotes und Weines in die Substanz des Leibes und Blutes Christi, welche den Kern der römisch- wie griechisch-katholischen Lehre vom Abendmahl (s. d.) im Gegensatz zu den protestantischen Konfessionen bildet.

Transsudate (lat.), s. Absonderung (3), S. 60.

Transsylvania, s. Siebenbürgen, S. 943.

Transsylvanische Allpen, s. Karpathen,S. 558.

Transvaal, s. Südafrikanische Republik.

Transversale (lat.), im allgemeinen s. v. w. Schnittlinie, auch Schnittfläche (s. Durchschnitt).

Trap, Jens Peter, dän. Historiker und Statistiker, geb. 19. Sept. 1810 zu Randers, wurde, nachdem er in Kopenhagen Rechtswissenschaft studiert und nebenbei den schönen Wissenschaften obgelegen, 1834 im Kabinettssekretariat angestellt, 1851 Chef desselben und Kabinettssekretär bei Friedrich VII., welchen Posten er auch seit der Thronbesteigung Christians IX. innehatte. 1859 wurde er zum Geheimen Etatsrat und später zum Ordenssekretär ernannt. Er starb 21. Jan. 1885. Seit 1842 gab er das dänische Staatshandbuch ("Konglik dansk Hof-og Statskalender") heraus, das er zu einem Musterbuch in seiner Art gestaltete. Sein Hauptwerk ist die "Statistisk-topographisk Beskrivelse af Kongeriget Danmark" (2. Aufl., Kopenhagen 1870-80, 6 Bde.), aus welcher der Teil über Kopenhagen auch besonders erschienen ist (1880).

Trapa L. (Wassernuß), Gattung aus der Familie der Onagraceen, einjährige, schwimmende Wasserpflanzen, deren untergetauchte Blätter gegenständig, linealisch, hinfällig sind, während die schwimmenden eine Rosette bilden, in der Mitte aufgeblasene Blattstiele und eine lederige, rhombische, ungleich buchtig gezahnte Spreite besitzen. Die Blüten stehen einzeln achselständig, und die bleibenden Kelchblätter wachsen zu dornartigen Hörnern an der einsamigen, am bleibenden Diskus gekrönten Nuß aus. T. natans L. (Wasserkastanie, Jesuitennuß), in Seen und Teichen durch ganz Europa und Asien, doch überall selten, hat weiße Blüten und eine vierstachlige Frucht

Meyers Konv.-Lexikon, 4. Aufl., XV. Bd.

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Trapani - Trapp.

von der Größe einer Haselnuß, deren Kern roh und gekocht gegessen, auch zu Brot verbacken und als Schweinefutter benutzt wird, weshalb man die Pflanze hier und da kultiviert. Man benutzt die Früchte auch zu Halsketten etc. T. bicornis L., wird in China gegefsen, T. bispinosa Roxb. in Indien, beide werden kultiviert. Vgl. Jäggi, Die Wassernuß und der Tribulus der Alten (Zürich 1883).

Trapani, ital. Provinz auf der Insel Sizilien, den äußersten Westen derselben umfassend, 3145, nach Strelbitsky nur 2408 qkm (43,73 QM.) groß mit (1881) 283,977 Einw. Sie besteht aus der westlichen, allmählich zur Ebene zwischen Trapani und Marsala hinabsinkenden Abdachung Siziliens und hat nur im NO. höhere Berge (Monte Sparagio 1109 m). Der Fiume San Bartolommeo zum Golf von Castellammare, der Belice, der Fluß von Mazzara und der Birgi sind die namhaftesten Wasserläufe. Weizen (1887: 663,009 hl) und Wein (1,044,741 hl), dann Oliven (44,887 hl Öl) und Sumach sind die Haupterzeugnisse des Pflanzenreichs, Korallen und Thunfische des Tierreichs, Seesalz an der ganzen Westküste entlang die des Mineralreichs. Die Korallen- und Alabasterverarbeitung in T. ist sehr zurückgegangen, wogegen sich Weinproduktion, Handel und Schifffahrt stetig entwickeln. Die Provinz zerfällt in die Kreise Alcamo, Mazzara del Vallo und T. - Die gleichnamige Hauptstadt (das antike Drepanon) liegt, von Mauern und Festungswerken umgeben, an der Westküste auf einer weit vorspringenden Landzunge, am Fuß des Monte Giuliano (Eryx), von welchem eine Wasserleitung herführt, am Endpunkt der Eisenbahn Palermo-T., hat mehrere mittelalterliche Paläste, viele Kirchen (mit guten Gemälden), einen vortrefflichen Hafen, ein Lyceum, Gymnasium, Seminar, eine technische Schule, nautische Vorbereitungsschule, Gemäldegalerie, ein Theater, Schiffbau und (1881) 32,020 Einw. Im Hafen von T., der durch ein Kastell geschützt und mit einem Leuchtturm versehen ist, liefen 1886: 2325 Schiffe mit 224,626 Ton. ein. Zum großen Fischfang und zur Schwammfischerei sind 99 Schiffe mit 1066 T. ausgelaufen. Die Wareneinfuhr belief sich auf 43,950, die Ausfuhr (hauptsächlich Seesalz, dann Wein und Mehl) auf 175,421 T. Mit Palermo steht T. in regelmäßiger Dampferverbindung. T. ist Sitz des Präfekten und eines Bischofs, eines Zivil- und Korrektions- sowie eines Handelstribunals, einer Filiale der Nationalbank und mehrerer Konsuln (darunter auch eines deutschen).

Trapez (griech.), ebenes Viereck mit zwei parallelen Seiten (a und b in nebenstehender Figur) und zwei nicht parallelen (c und d); sind letztere gleich lang, so ist das T. symmetrisch. Die Fläche des Trapezes ist gleich der halben Summe der parallelen Seiten, multipliziert mit ihrem senkrechten Abstand oder der Höhe h ^[...]; auch findet man sie durch die Formel ^[...]. T. ist auch s. v. w. Schaukel- oder Schwebereck (s. Reck). Trapezoid, ebenes Viereck ohne parallele Seiten.

Trapezius musculus (lat.), Mönchskappenmuskel im Nacken und obern Teil des Rückens.

Trapezkapitäl, das im byzantin. Stil und häufig im deutschen Backsteinbau der spätromanischen Zeit vorkommende Kapitäl, welches aus Kegelabschnitten zwischen trapezförmigen (bisweilen dreieckigen) Seitenflächen besteht (vgl. nebenstehende Abbildung).

Trapezoëder, s. v. w. Ikositetraeder imen gern Sinn, s. d. und unter Kristall, S. 230.

Trapezoidalkörper, s. v. w. Prismatoid (s. d.).

Trapezúnt (in der Linguafranca Trebisonda, türk. Tarabzon), befestigte Hauptstadt des gleichnamigen türk. Wilajets in Kleinasien, zwischen Bergen am Schwarzen Meer gelegen, ist wegen der vielen Gärten von bedeutendem Umfang, hat enge, unreinliche Straßen, 22 griech. Kirchen, an 40 Moscheen und Schulen, ansehnliche Bazare, ein altes verfallenes Schloß, Woll-, Seiden- u. Leinweberei, Gerberei, Färberei, eine Schiffswerfte, Fischerei und 40-50,000 Einw. (Türken, Armenier, Griechen, Perser und einige Europäer). T. ist Sitz eines griechischen Bischofs und infolge seiner günstigen Lage ein Hauptstapel- und Speditionsplatz des Handels zwischen Europa und Vorderasien, dessen Gesamtbetrag auf jährlich 50 Mill. Mk. angegeben wird, trotzdem er durch die Vernachlässigung der Straßen im Innern, die türkischen Zollplackereien und die Bahn Poti-Tiflis neuerdings sehr gelitten hat. Der Import aus England allein beläuft sich aus durchschnittlich 16 Mill. Mk. jährlich. Regelmäßige Dampfschiffahrt verbindet die Stadt mit Konstantinopel, den Donaumündungen und einigen Mittelmeerhäfen, während der Verkehr mit Erzerum, Tebriz und Syrien durch Karawanen vermittelt wird. - Das Wilajet T., welches früher die ganze Küstenlandschaft am Schwarzen Meer von der Mündung des Kisil Irmak bis über Batum hinaus umfaßte, hat neuerlich bedeutend an Umfang verloren, indem im O. etwa ein Drittel des frühern Sandschaks Batum mit dieser Stadt selbst 1878 an Rußland abgetreten werden mußte und Ende Dezember 1878 die Kazas Scheiran, Kelkit Ispir, Tortum und Keskem zum "Sandschak Baiburt" vereinigt und zum Wilajet Erzerum geschlagen wurden. Gegenwärtig ist das Wilajet nur ein ca. 520 km langer Küstenstreif mit einem Areal von ca. 32,000 qkm und 1,100,000 Einw. - T. (Trapezus), eine griechische, um 700 v. Chr. von Milesiern aus Sinope angelegte Pflanzstadt, erhielt, wiewohl schon im Altertum ein nicht unbedeutender Ort, doch erst im Mittelalter eine größere Wichtigkeit, indem nach der Gründung des lateinischen Kaisertums ein Prinz des kaiserlichen Hauses, Alexios, 1204 im östlichen Kleinasien ein kleines Kaisertum errichtete und seinen Sitz in T. nahm. Der Thron von T. teilte bald das Schicksal des byzantinischen. David Komnenos, der letzte Kaiser von T., ward 1461 in seiner Hauptstadt vom türkischen Sultan Mohammed II. belagert und mußte sich, aller Hilfe beraubt, demselben 1461 auf Gnade und Ungnade ergeben. Der Sieger ließ ihn 1462 mit seiner Familie in Adrianopel hinrichten und verleibte das Land dem türkischen Reich ein. Vgl. Fallmerayer, Geschichte des Kaisertums zu T. (Münch. 1827).

Trapp, Sammelname, besonders von englischen, amerikanischen und skandinavischen Geologen zur Be-

[Trapez.]

[Trapezoid.]

[Trapezkapitäl.]

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Trapp - Trappisten.

zeichnung jüngern und ältern eruptiven Materials (Dolerit, Melaphyr, Diabas, Diorit etc.) gebraucht.

Trapp, Ernst Christian, philanthrop. Pädagog, geb. 8. Nov. 1745 zu Friedrichsruhe bei Drage (Holstein), wirkte nach seinem theologischen Studium als Rektor zu Itzehoe (1773-76), Konrektor zu Altona (bis 1777) und Professor am Dessauer Philanthropin. Durch den Minister v. Zedlitz 1779 als Professor der Pädagogik nach Halle berufen, legte er die Professur 1783 nieder, um die Campesche Erziehungsanstalt in Trittau zu übernehmen, die er 1786 nach Salzdahlum bei Wolfenbüttel verlegte, wo er 18. April 1818 starb. T. war eifriger Mitarbeiter am Campeschen Revisionswerk (vgl. Campe 1). Unter seinen Schriften war ehedem besonders angesehen der "Versuch einer Pädagogik" (Berl. 1780). Vgl. Andreae, Die Pädagogik Trapps (Kaisersl. 1883, Programm); Paulsen, Geschichte des gelehrten Unterrichts (Leipz. 1885).

Trappe (Otis L.), Gattung aus der Ordnung der Stelzvögel und der Familie der Trappen (Otididae), große oder mittelgroße, schwere Vögel mit mittellangem, dickem Hals, ziemlich großem Kopf, mittellangem, kräftigem, an der Wurzel niedergedrücktem, übrigens kegelförmigem, vorn am Oberkiefer etwas gewölbtem Schnabel, großen, sanft muldenförmigen Flügeln, mittellangem, breit abgerundetem Schwanz, mittelhohen, starken Beinen und dreizehigen Füßen. Sie fliegen schwerfällig, leben monogamisch in kleinen Trupps und nach der Brutzeit in Herden auf großen Ebenen der Alten Welt, am zahlreichsten in den Steppen als Stand- oder Strichvögel, nähren sich von Körnern, Knospen und Blüten, in der Jugend auch von Insekten, und nisten in seichten Mulden. Das Weibchen brütet allein. Der große T. (Trappgans, Otis tarda L., s. Tafel "Watvögel I"), der größte europäische Landvogel, über 1 m lang, 2,4 m breit, am Kopf, Hals und dem obern Teil der Flügel hell aschgrau, auf dem Rücken rostgelb, schwarz gebändert, im Nacken rostfarbig, unterseits schmutzig weiß, der Schwanz rostrot und vor der weißen Spitze mit schwarzem Bande; das Auge ist braun, der Schnabel schwarz, der Fuß grau. Das Männchen ist durch etwa 30 lange, zerschlissene, grauweiße Kehlfedern ausgezeichnet, das Weibchen blässer gefärbt und um ein Drittel kleiner. Der Großtrappe lebt truppweise in den größern Ebenen Mittel- und Südeuropas und Mittelasiens, besonders in Ungarn, Rumänien, Südrußland und Asien, ist dagegen in Deutschland ziemlich selten geworden. Hier lebt er als Standvogel, in Rußland und Asien wandert oder streicht er. Er bevorzugt getreidereiche, weite Ebenen und meidet den Busch und menschliche Wohnungen. Sein Gang ist langsam und gemessen, doch läuft er auch sehr schnell und fliegt sehr ausdauernd. Er frißt am liebsten Kraut und Kohl, im Winter Raps und Getreide. Zur Brutzeit paaren sich die Trappen, doch scheint der Hahn noch ein zweites Weibchen zu suchen, so bald das erste brütet. Er nistet gern im Getreide, und das Gelege besteht aus zwei, selten vier matt graugrünen, dunkel gefleckten und gewässerten Eiern (s. Tafel "Eier II"), welche in etwa 30 Tagen ausgebrütet werden. Jung eingefangene oder von Putern ausgebrütete Trappen halten sich recht gut, schreiten aber nicht zur Fortpflanzung; alt eingefangene gehen zu Grunde. Der T. gehört zur hohen Jagd; wo diese Vögel in Menge vorkommen, richten sie auf den Getreide- und Rapsfeldern oft beträchtlichen Schaden an. Das Fleisch der Jungen ist schmackhaft. Der Zwergtrappe (O. tetrax L.), 50 cm lang und 95 cm breit, mit seitlich etwas verlängerten Oberhals- und Hinterkopffedern, am Halse schwarz, mit einem von den Ohren nach der Kehle herablaufenden weißen Ringband und einem breiten, über den Kropf sich hinziehenden weißen Querband gezeichnet; der Oberkopf ist hellgelblich, braun gefleckt, der Rücken hell rötlichgelb, in die Quere schwarz gefleckt und gewellt; die Flügelränder, die Schwanzdeckfedern und die Unterseite sind weiß, die Schwingen dunkelbraun, die hinterste bis auf ein breites Band vor der Spitze weiß, die Schwanzfedern weiß mit zwei Binden; das Auge ist braungelb, der Schnabel grau, an der Spitze schwarz, der Fuß strohgelb. Der Zwergtrappe bewohnt das südöstliche Europa, namentlich Südungarn, Sardinien, die russischen und sibirischen Steppen, auch Südfrankreich und Spanien, Mittel- und Westasien und Nordwestafrika und brütet seit 1870 auch in Schlesien und Thüringen, wo er vom April bis November weilt. Aus seinem Zug berührt er die Atlasländer. In der Lebensweise gleicht er dem vorigen, er frißt besonders gern Klee und Esparsette, junges Getreide und Löwenzahn und brütet im Mai in Kleefeldern. Das Gelege besteht aus 3-4 dunkel olivengrünen, braun gefleckten Eiern (s. Tafel "Eier II"). Sein Fleisch ist sehr schmackhaft; in der Gefangenschaft hält er sich sehr gut. Man erlegt die Trappen, indem man im Spätherbst und Winter dieselben auf eine in Löchern gedeckt stehende Schützenlinie zutreibt. Nebeliges Wetter ist für diese Art der Jagd besonders günstig, weil die Vögel dann nicht hoch streichen und das Anstellen der Jäger bei ihrem scharfen Gesicht nicht gewahren können. Junge Trappen schießt man auch wohl auf der Suche mit dem Vorstehhund in spät reifenden Hafer- und Gerstenfeldern. Bei Glatteis werden sie von schnellen Windhunden eingeholt, welche man möglichst nahe verdeckt in einem Bauernwagen oder Schlitten heranzubringen sucht, weil die Trappen sich nur schwer erheben können und erst eine Strecke laufen müssen, ehe sie aufzufliegen vermögen. Nur schwer gelingt es, dem sehr scheuen Vogel mit einem dem Ackerwagen ähnlichen Gefährt so weit nahezukommen, daß man darauf einen Schuß aus der Büchse anzubringen vermag.

Trappe, La, Kloster im einsamen Thal des Iton, im franz. Departement Orne, mit Kolonie jugendlicher Sträflinge; merkwürdig als Stiftungsort des Trappistenordens (s. Trappisten).

Trappers (engl., "Fallensteller"), Bezeichnung der nordamerikanischen Pelzjäger.

Trappgranulit, s. Granulit.

Trappisten, Mönchsorden, gestiftet von de Rancé (s. d.) in der ihm 1636 als Kommende zugeteilten Cistercienserabtei La Trappe im Departement Orne, bei Mortagne. Dieselbe war schon 1122 gegründet worden und hieß anfangs Notre Dame de la maison Dieu, erhielt aber später wegen des engen Einganges in das Thal den Namen La Trappe ("Fallthür"). Rancé berief Mönche von der strengsten Observanz der Benediktiner, stellte das zum Raubnest gewordene Kloster wieder her, wurde selbst Mönch und nach vollendetem Probejahr 1665 Abt von La Trappe, wo er eine Regel durchführte, welche einen vollständigen Rückfall zu der orientalischen Schweigsamkeit der Askese darstellt. Die T. müssen sich täglich elf Stunden mit Beten und Messelesen beschäftigen und die übrige Zeit bei harter Feldarbeit zubringen. Abends arbeiten sie einige Minuten an Herstellung ihrer Gräber und schlafen dann in Särgen auf Stroh. Es darf außer Gebeten und Gesängen und dem "Memento mori", womit sie einander grüßen, kein Wort über ihre Lippen kommen. Ihre Nahrung besteht aus

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Trappporphyr - Traubenkrankheit.

Wurzeln und Kräutern, Früchten, Gemüsen und Wasser, ihre Kleidung aus Holzschuhen, Kutte, Kapuze und Strick. Sie teilen sich in Laienbrüder und Professen; außerdem gibt es auch sogen. Frères donnés, d. h. solche, welche nur eine Zeitlang behufs der Bußübung dem Orden angehören. Die Prinzessin Louise von Condé stiftete einen weiblichen Zweig des Ordens. Als die Stürme der Revolution die geistlichen Orden aus Frankreich verscheuchten, flüchteten sich die T. teils in die Schweiz, teils nach Rußland, teils nach Preußen, hatten aber allenthalben Ausweisung und Verfolgung zu erdulden. Zusammengehalten durch den Novizenmeister Augustin (Henri de Lestrange), kehrten sie 1817 in ihr Stammkloster in Frankreich, das sie wieder angekauft hatten, zurück und gründeten zahlreiche neue Niederlassungen, die besonders unter dem Generalprokurator Geramb (s. d.) aufblühten. Selbst nach der Julirevolution durfte der Orden unter dem ihm vom Papst 1834 beigelegten Namen Congrégation des religieux Cisterciens de Notre Dame de la Trappe fortbestehen; 1880 wurden 1450 T. aus Frankreich ausgewiesen. Vgl. Gaillardin, Les Trappistes (Par. 1844, 2 Bde.); Pfannenschmidt, Geschichte der T. (Paderb. 1873).

Trappporphyr, s. Melaphyr.

Trarbach, Stadt im preuß. Regierungsbezirk Koblenz, Kreis Zell, an der Mosel und der Linie Reil-Traben der Preußischen Staatsbahn, 97 m ü. M., hat eine evangelische und eine kath. Kirche, ein Progymnasium, ein Amtsgericht, eine Oberförsterei, Weinbau und bedeutenden Weinhandel und (1885) 1850 meist evang. Einwohner. Die frühern Festungswerke wurden 1734 von den Franzosen geschleift. Auf der Höhe über der Stadt die Ruine der Gräfinburg und T. gegenüber der Flecken Traben (s. d.); 4 km südlich in dem romantischen Kautenbachthal das Bad Wildstein mit einer Therme von 35° C.

Trasimenischer See (ital. Lago Trasimeno), flacher, eine Mulde ausfüllender See in der ital. Provinz Perugia (Umbrien), 115 qkm groß, mit drei kleinen Inseln, meist von anmutigen, bis 600 m hohen Gebirgen umgeben, ohne Abfluß, berühmt durch die Niederlage, welche Hannibal 217 v. Chr. den Römern unter dem Konsul Gajus Flaminius an seinem nördlichen Ufer beibrachte. Seine Austrocknung ist projektiert. Vgl. Stürenburg, De Romanorum cladibus Trasimenna et Cannensi (Leipz. 1883, Ergänzung 1889).

Traß, trachytischer Tuff, s.Trachyte. Vgl. Zement.

Trassieren (ital.), das Ziehen eines Wechsels auf einen andern. Der Aussteller eines solchen Wechsels wird Trassant, der Bezogene Trassat, der gezogene Wechsel selbst Tratte genannt. Sind Trassant und Trassat eine und dieselbe Person, so spricht man von einem trassiert-eignen Wechsel (s. Wechsel).

Trastevere, s. Rom, S. 904.

Trätabel (franz. traitable), fügsam, umgänglich.

Tratte (ital.), s. Trassieren.

Trattoria (ital.), Speisehaus, Restaurant.

Traù (slaw. Trogir, das alte Trigonium), Stadt in Dalmatien, Bezirkshauptmannschaft Spalato, in reichbebauter Gegend, mit der gegenüberliegenden Küsteninsel Bua durch eine drehbare Brücke verbunden, hat ein Bezirksgericht, Kollegiatkapitel, ein altes venezianisches Thor an der Landseite, einen schönen gotischen Dom mit Bildhauerarbeiten, einen runden Festungsturm von Sanmicheli, Weinbau, Oliven-, Feigen- und Mandelkultur, Handel, einen guten Hafen (1886: 4741 beladene Schiffe mit 103,639 Ton. eingelaufen), 2 Kreditbanken und (1880) 3129 Einw.

Traube, eine Art des Blütenstandes (s. d., S. 80).

Traube, Ludwig, Mediziner, geb. 12. Jan. 1818 zu Ratibor, studierte in Breslau, beschäftigte sich aber hier unter Purkinje und seit 1837 in Berlin unter Joh. Müller fast ausschließlich mit Physiologie. 1841 ließ er sich daselbst als Arzt nieder und begann 1843 besonders jüngern Ärzten Kurse in den neuern Untersuchungsmethoden der Perkussion und Auskultation zu geben. In die nächsten Jahre fallen seine experimentellen Studien an Tieren, durch welche er der Begründer der experimentellen Pathologie in Deutschland geworden ist. Er untersuchte die Ursachen und die Beschaffenheit der Veränderungen des Lungenparenchyms nach der Durchschneidung des Nervus vagus und gab mit Virchow und Reinhardt "Beiträge zur experimentellen Pathologie" (Berl. 1846-47, 2 Hefte) heraus. 1848 habilitierte sich T. als Dozent, 1849 wurde er Zivilassistent Schönleins und Lehrer der Auskultation und Perkussion. 1853 wurde er zum dirigierenden Arzt an der Charitee, 1857 zum außerordentlichen Professor ernannt und seine Krankenabteilung zur propädeutischen Klinik erhoben. 1862 folgte seine Ernennung zum ordentlichen Professor am Friedrich Wilhelms-Institut, aber erst 1872 an der Universität. Er starb 11. April 1876 in Berlin. Seine wissenschaftlichen Arbeiten legte er in den "Gesammelten Beiträgen zur Pathologie und Physiologie" (Berl. 1871-78, 3 Bde.) nieder. Alle seine Arbeiten sind ausgezeichnet durch die exakte naturwissenschaftliche Methode, die genaue Beobachtung und Untersuchung. Er betrachtete das Experiment als die Grundlage einer wissenschaftlichen Pathologie und verlangte für die Therapie, daß man in systematischer Weise versuchen solle, die an Tieren hervorgerufenen Krankheitsvorgänge durch die genauer bekannten Arzneimittel zu modifizieren. Zu seinen wichtigsten Untersuchungen gehören die über Digitalis und das Fieber, durch welch letztere er der Begründer der wissenschaftlichen Thermometrie in der Medizin wurde. Daran schließen sich die Arbeiten über die Lungen-, Herz- und Nierenkrankheiten. Dieselbe Bedeutung wie als Forscher hatte T. auch als klinischer Lehrer und Arzt. Die exakte wissenschaftliche Methode, welche er selbst übte, hat er in Norddeutschland allgemein gemacht. Seine Verdienste um die physikalische Diagnostik stellen ihn neben Laennec und Skoda. Er schrieb noch: "Über den Zusammenhang von Herz- und Nierenkrankheiten" (Berl. 1856); "Die Symptome der Krankheiten des Respirations- und Zirkulationsapparats" (das. 1867). Vgl. die"Gedächtnisreden auf L. T." von Leyden (Berl. 1876) und Freund (Bresl. 1876).

Traubenampfer, s. Coccoloba.

Traubenbirne, s. Amelanchier.

Traubenfarn, s. Osmunda.

Traubenfäule, s. Traubenkrankheit.

Traubenhaut, s. Auge, S. 74.

Traubenhyazinthe, s. Muscari.

Traubenkernöl (Rosinenöl), fettes Öl, welches aus Traubenkernen, namentlich in Frankreich und Italien, durch Pressen gewonnen wird. Es ist goldgelb, fast geruchlos, schmeckt süßlich, warm gepreßt schwach herb, spez. Gew. 0,91-0,92, erstarrt bei -11° und wird an der Luft schnell ranzig. Man benutzt es als Speise- und Brennöl.

Traubenkirsche, s. Padus.

Traubenkrankheit (Traubenfäule), eine Krankheit des Weinstocks, welche ein Verderben der Beeren zur Folge hat. Sie wurde zuerst 1845 in England beobachtet und verbreitete sich bald darauf durch Frank-

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Traubenkraut - Traubenvitriol.

reich nach dem südlichen Europa, nach der Schweiz und Deutschland. Die Krankheit besteht in dem Auftreten eines weißen, dünnen, meltauartigen Überzugs auf braun werdenden Flecken der Blätter und der Zweige des Weinstocks (vgl. Tafel "Pflanzenkrankheiten", Fig. 16), später auf den jungen Beeren. An letztern wird dadurch die Epidermis ebenfalls braun, stirbt ab, noch ehe die Frucht die Hälfte ihrer normalen Größe erlangt hat, und zerreißt bei weiterer Ausdehnung des Beerenfleisches, so daß die Beere abstirbt und verfault. Der weiße Überzug besteht aus einem Pilz, Oïdium Tuckeri Berk., welcher das Braunwerden und Absterben der Epidermis veranlaßt. Sein Mycelium m (vgl. Tafel "Pflanzenkrankheiten", Fig. 17) besteht aus langen und verzweigten Fäden, welche auf der Epidermis hinwachsen und stellenweise an den Berührungspunkten sogen. Haustorien entwickeln, d. h. kurze, seitliche Fortsätze des Fadens, welche wie kleine, gelappte Warzen erscheinen, die der Epidermis aufliegen. Aus der dem Pflanzenteil abgewendeten Seite treiben die Myceliumfäden einfache Fruchthyphen, deren jede an ihrer Spitze eine einzige länglichrunde, einzellige, farblose Konidie (c) abschnürt. Diese Sporen trennen sich sehr leicht ab und werden vom Regen und Wind weiter geführt auf benachbarte Blätter, Trauben etc. So wird durch sie der Pilz und damit die Krankheit weiter verbreitet, denn die Konidien keimen bei Vorhandensein von Feuchtigkeit leicht und schnell mittels eines Keimschlauchs, der sich auf der Nährpflanze wieder zu einem Mycelium entwickelt. Der Pilz gehört der Gruppe der Erysipheen unter den Kernpilzen an und hat mit den zahlreichen Arten derselben, welche den Meltau aus den verschiedensten Pflanzen hervorbringen, die Art der krankmachenden Wirkung und die Symptome des Auftretens gemein. Er kommt indes immer nur im Konidienzustand vor; seine vollkommene Fruchtform, die Perithecien, welche die Gattung Erysiphe charakterisieren und bei den übrigen Arten in der Regel nach der Bildung der Konidienträger auftreten, sind bis jetzt nicht gefunden worden. Auf manchen traubenkranken Weinstocken besitzt das Oidium auf kurzen, den Konidienträgern ähnlichen Hyphen eine längliche, kapselartige Frucht, welche an der Spitze aufgeht und zahlreiche sehr kleine, einzellige, länglichrunde Sporen in Schleim eingebettet ausstößt. Diese Bildungen gehören einem schmarotzenden Pilz, Cicinnobolus Cesatii De Bary, an, welcher auch auf andern Arten von Erysiphe vorkommt; sein Mycelium wächst in Form sehr feiner Fäden innerhalb der Myceliumfäden des Oidiums und steigt auch in die jungen Konidienträger auf, um hier innerhalb der dadurch sich ausweitenden Konidie seine Pyknidenfrucht zu entwickeln. Eine den Traubenpilz schädigende Einwirkung seines Schmarotzers läßt sich nicht bemerken. Da Perithecien, aus deren Sporen bei den andern Erysiphe-Arten die Entwickelung im Frühjahr zu beginnen pflegt, fehlen, so scheint das Oidium der T. entweder mit Konidien oder in Form lebensfähig bleibender Myceliumteile am Weinstock zu überwintern. Gesteigerte Feuchtigkeit begünstigt die T., daher zeigen die feuchten Inseln und Küstenländer im Verhältnis zum Binnenland die Krankheit viel mehr, und im südlichen Europa ist der Weinbau durch sie im höchsten Grad geschädigt worden. Ebenso leiden Orte mit regelmäßigen häufigen Niederschlägen, wie die Südabhänge der Alpen, mehr als die nördlich davon gelegenen Länder. Auch in einer und derselben Gegend sind die niedern und feuchten Lagen der Krankheit mehr ausgesetzt als hoch und trocken gelegene Weinberge. Unter den Sorten sollen Muskateller, Malvasier und verwandte blaue Sorten öfters von der Krankheit zu leiden haben, andre, wie Rieslinge, Traminer, widerstandsfähiger sein. Man bekämpft die T. erfolgreich durch das Schwefeln, d. h. das Überpudern der Weinstöcke mit Schwefelblumen, wodurch der Pilz getötet und gesunde Pflanzen geschützt werden. Man bedient sich dabei eines trocknen Maurerpinsels oder eigens dazu gefertigter Puderquasten oder besonderer Blasebälge und soll die Operation während des Morgentaues und zwar dreimal, kurz vor, kurz nach der Blüte und im August, ausführen. Wahrscheinlich wirkt das Schwefelpulver nur mechanisch, erstickend auf den Pilz, denn man hat ähnlich günstige Wirkungen auch vom Chausseestaub gesehen, wenn die Pflanzen dicht damit überzogen waren. Durch Einführung amerikanischer Rebensorten ist die T. nicht zu umgehen, weil das Oidium auch auf diesen gedeiht. Vgl. v. Thümen, Die Pilze des Weinstocks (Wien 1878).

Traubenkraut, s. Chenopodium.

Traubenkur, der mehrere Wochen lang fortgesetzte reichliche Genuß von Weintrauben, wobei sehr nahrhafte, fette, mehlige oder blähende Speisen vermieden werden müssen. Mit hinreichender Körperbewegung verbunden, soll diese Kur bei Stockungen im Unterleib und davon abhängiger Hypochondrie, bei Hämorrhoidalbeschwerden und bei Gicht gute Dienste leisten. Die Wirksamkeit der Weintrauben beruht vornehmlich auf dem starken Zuckergehalt derselben, welcher als Nahrungsstoff von Wert ist; anderseits haben sie, in größerer Menge genossen, eine leicht und angenehm abführende Wirkung, so daß sie das mildeste Mittel gegen Unterleibsstockungen darstellen. Die besuchtesten Kurorte sind Meran in Tirol, Dürkheim in der Rheinpfalz und Grünberg in Schlesien. Vgl. Knauthe, Die Weintraube (Leipz. 1874).

Traubenmade, s. Wickler.

Traubenöl, s. Drusenöl.

Traubensäure (Paraweinsäure) C4H6O6 findet sich im rohen Weinstein und entsteht aus der isomeren Weinsäure bei anhaltendem Erhitzen von deren Lösung mit Salzsäure oder verdünnter Schwefelsäure, auch bei oxydierender Behandlung von Mannit, Rohr- und Milchzucker, Gummi etc. Bei Verarbeitung des rohen Weinsteins erhält man sie in den spätern Kristallisationen in kleinen Kristallen mit einem Molekül Kristallwasser. Sie ist farb- und geruchlos, vom spez. Gew. 1,69, schmeckt sauer, löst sich leicht in Wasser und Alkohol, ist optisch inaktiv, verwittert an der Luft, wird bei 100° wasserfrei und verhält sich im allgemeinen der Weinsäure sehr ähnlich. Von ihren Salzen ist das saure Kalisalz viel löslicher als Weinstein, während das Kalksalz schwerer löslich ist als weinsaurer Kalk. Das Kaliumnatrium- und das Ammoniumnatriumsalz, das Cinchonicin- und Chinicinsalz kristallisieren nicht, sondern geben große, hemiedrische Kristalle, von denen man zwei Formen unterscheiden kann, die sich zu einander wie Spiegelbilder verhalten. Bei der einen Form liegen nämlich die hemiedrischen Flächen rechts, bei der andern links. Aus den Kristallen der ersten Art kann man durch eine stärkere Säure gewöhnliche Rechtsweinsäure, aus der andern Linksweinsäure abscheiden, und wenn man die Lösungen dieser beiden Säuren mischt, so kristallisiert wieder T. Bei Einwirkung von Fermenten auf T. wird die Rechtsweinsäure zerstört, und es bleibt Linksweinsäure übrig.

Traubenvitriol, s. Eisenvitriol.

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Traubenzucker - Trauer.

Traubenzucker (Krümel-, Stärke-, Kartoffel-, Obst-, Honigzucker, Glykose, Glukose, Dextrose) C6H12O6 findet sich im Pflanzenreich, fast stets begleitet von Levulose (Fruchtzucker) oder Rohrzucker, sehr verbreitet, besonders in süßen Früchten (kristallisiert im gedörrten Obst, in Rosinen, auf welchen er oft als weißer Beschlag erscheint), auch im Honig, im tierischen Organismus normal im Dünndarminhalt und Chylus nach dem Genuß stärkemehl- und zuckerhaltiger Nahrung, in der Leber des Menschen und der Säugetiere, im Lebervenenblut, im Harn schwangerer Frauen, in der Amnion- und Allantoisflüssigkeit der Rinder, Schafe und Schweine, pathologisch im Harn bei Zuckerruhr und nach Reizung und Verletzung des verlängerten Marks. T. entsteht aus den übrigen Kohlehydraten (am leichtesten aus Rohrzucker) bei Einwirkung eigentümlicher Fermente oder verdünnter Säuren (daher in Bier- und Branntweinwürze) und bei der Spaltung der Glykoside. Dargestellt wird T. aus Most, indem man denselben durch Kreide entsäuert, mit Blut klärt und verdampft; viel mehr T. aber wird aus Kartoffelstärke dargestellt und als feste Masse, gekörnt, als Sirup (Stärkesirup, Kartoffelsirup) oder als zähflüssige Masse (sirop impondérable, weil er nicht mit dem Saccharometer gewogen werden kann) in den Handel gebracht. Man erhitzt Wasser mit etwa 1 Proz. Schwefelsäure zum Kochen, trägt die mit Wasser zu einer milchigen Flüssigkeit angerührte Stärke unter lebhaftem Umrühren ein und kocht, bis das zuerst gebildete Dextrin vollständig in T. umgewandelt ist (bis 1 Teil der Flüssigkeit mit 6 Teilen absolutem Alkohol keinen Niederschlag mehr gibt). Bei Zusatz von etwas Salpetersäure soll die Umwandlung viel schneller erfolgen. Zur Beseitigung der Schwefelsäure neutralisiert man mit Ätzkalk, Kreide oder Marmor oder kohlensaurem Baryt, zapft die Flüssigkeit von dem abgelagerten unlöslichen schwefelsauren Kalk oder Baryt ab, verdampft sie bis 15 oder 16° B., filtriert über Knochenkohle und verdampft den Sirup (meist in Vakuumapparaten) bis 30° B. (Stärkesirup) oder bis zur Kristallisation. Läßt man die kristallisationsfähige Masse in Fässern oder Kisten vollständig erstarren, so erhält man ein sehr unreines Produkt (Kistenzucker, Blockzucker). Zur Gewinnung eines reinern Produkts preßt man die in Kristallisation befindliche Masse in starken hydraulischen Pressen (Preßzucker), um den Sirup abzuscheiden, schmelzt wohl auch den gepreßten Zucker (hart kristilisierter Zucker), oder man läßt aus der weniger stark eingekochten Masse den Sirup von den Kristallen abfließen und trocknet letztern auf Gipsplatten in der Trockenstube. 1 Ztr. Stärke liefert etwa 1 Ztr. Zucker oder 1,5 Ztr. Sirup. Auch Holzfaser, Flechten, Lumpen etc. geben bei Behandlung mit Schwefelsäure T.; doch kann die aus solchen Materialien gewonnene zuckerhaltige Flüssigkeit nur auf Spiritus verarbeitet werden. Der T. des Handels enthält 60-76 Proz. reinen T., 9-17 Proz. Dextrin, 11-25 Proz. Wasser, 2-7 Proz. fremde Bestandteile. Reinen T. erhält man durch Lösen von Rohrzuckerpulver in salzsäurehaltigem Alkohol und Verdampfen der Lösung zur Kristallisation. T. bildet meist warzig-krümelige, farb- und geruchlose Massen mit 1 Molekül Kristallwasser, schmeckt weniger süß als Rohrzucker (man braucht 2,5 mal so viel T. als Rohrzucker, um demselben Volumen Wasser dieselbe Süßigkeit zu erteilen), löst sich in 1,3 Teilen kaltem, in allen Verhältnissen in kochendem Wasser, auch in Alkohol, dreht die Ebene des polarisierten Lichts nach rechts (daher Dextrose), erweicht bei 60°, wird bei 100° wasserfrei, schmilzt bei 146°, zersetzt sich bei 170° und gibt in höherer Temperatur Karamel. Mit Alkalien zersetzt sich die Lösung schon bei 60-70°. Eine mit Kali versetzte Traubenzuckerlösung reduziert in der Siedehitze Kupferoxydhydrat zu Kupferoxydul, Silberoxyd zu metallischem Silber. Durch Hefe zerfällt T. in Alkohol und Kohlensäure; in alkalischer Lösung vergärt er zu Milchsäure und Buttersäure, und unter gewissen Umständen tritt schleimige Gärung ein, und es bilden sich Mannit und ein gummiähnlicher Körper. T. dient in großer Menge zur Weinbereitung (beim Gallisieren), als Surrogat des Braumalzes in der Bierbrauerei, des Honigs in der Zuckerbäckerei und Lebküchlerei, zum Verschneiden des indischen Sirups und Honigs, in Mostrich- und Tabaksfabriken, zur Darstellung von Zuckerkouleur, Likören, Bonbons etc. T. wurde zuerst während der Kontinentalsperre fabrikmäßig dargestellt. Später verschwand dieser Industriezweig und gewann erst neuerdings durch das Gallisieren und die Benutzung des Traubenzuckers in Brauereien größere Bedeutung. Vgl. Wagner, Die Stärkefabrikation (Braunschw. 1876).

Trauer, die durch ein betrübendes Ereignis, namentlich durch den Verlust nahestehender oder verehrter Personen, oder durch die Erinnerung an solche Verluste (wie in den religiösen Trauerfesten um Adonis, Osiris etc.) verursachte Gemütsstimmung und deren Kundgebung nach außen. Letztere äußert sich beim weiblichen Geschlecht, bei sanguinischen Naturen, südlichen Völkern etc. in mehr lauter, aber schneller vorübergehender Klage, bei nordischen Völkern in länger nachwirkenden, aber stummen und gefaßten Gemütsbewegungen. Natürlich sind die Kundgebungen vor der aufgebahrten Leiche und am offenen Grab am stärksten, und man hatte dazu bei Natur- und Kulturvölkern bestimmte Trauergesänge, wie die von Schiller umgedichtete "Nadowessische Totenklage", das Adonis-, Linos- und Maneros-Lied der Griechen, Syrer und Ägypter. Im Orient wie bei den Slawen und im südlichen Italien werden besondere Klageweiber angenommen, die das mit Cypressen und andern Trauersymbolen geschmückte Sterbehaus mit ihrem Geschrei erfüllen. Religiöse Vorstellungen und Herkommen bedingen für den äußern Ausdruck mannigfache Verschiedenheiten. Bei den Naturvölkern gilt die Trauerverstümmelung (s. d.) als der natürliche Ausdruck des beherrschenden Gefühls, die Kulturvölker deuten durch Unterlassen jedes Putzes, Vernachlässigung der Haarpflege, Anlegen von Florstreifen etc. an, daß sie für eine gewisse, nach der Sitte bestimmte und für Frauen länger als für Männer dauernde Zeit allen Freuden der Welt abgestorben sind, weshalb auch alle weltlichen Vergnügungen, wie Theater, Bälle, Konzerte u. dgl., streng gemieden werden. In Attika dauerte die Privattrauer 30 Tage, in Sparta mußte sie bereits am 12. Tag mit einem Opfer an Demeter beendet werden; in Rom war nur den Frauen (seit Numas Gesetzgebung) eine bestimmte Trauerzeit geboten. Bei den Griechen und Orientalen, wo Bart und Haupthaar den Stolz des Mannes bilden, wurden und werden vielfach beide geschoren; doch galt anderwärts, z. B. in Rom, eine gewisse Vernachlässigung durch Langwachsenlassen ebenfalls als Trauerzeichen. In der Kleidung wurden überall bunte Farben und kokette Formen vermieden. Die Juden verhüllten den Körper mit einem groben, sackartigen, in der Mitte gegürteten Gewand und bestreuten, wie auch die Griechen (und katholischen Christen zu Aschermitt-

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Trauerbäume - Traum

woch), das Haupt mit Asche, woher die Redensart: "in Sack und Asche trauern". Als Trauerfarben galten vorwiegend, z. B. den Griechen und Römern, die dunkeln, schwarzen, welche auch früh bei den Christen Eingang fanden, obwohl Cyprian, Chrysostomus und andre Kirchenlehrer dieselbe tadelten, weil sie der Hoffnung auf die ewigen Freuden zu widersprechen schienen. Dagegen trauerten die alten Ägypter in gelben Kleidern, die Argiver weiß; bei den Chinesen sind noch heute weiße, blaue und graue Trauerkleider üblich. Grau gilt auch bei uns als die Farbe der nach einer gewissen Zeit eintretenden sogen. Halbtrauer, die besonders bei der schon in alten Kulturländern gesetzlich oder durch bestimmte Erlasse (Trauerordnungen) geregelten Landes- und Hoftrauer nach dem Tode des eignen oder befreundeter Landesfürsten streng beobachtet wird, wobei alle öffentlichen Lustbarkeiten für eine bestimmte Zeit unterbleiben, die Flaggen in halber Höhe geheißt werden und Militär wie Hofbeamte in vorgeschriebener Trauerkleidung zu erscheinen haben. Das schon bei den Römern gesetzlich vorgeschriebene und auch bei uns meist eingehaltene sogen. Trauerjahr der Witwen bezieht sich nur auf etwa noch zu erwartende Nachkommenschaft und kann daher auf ärztliches Attest abgekürzt werden.

Trauerbäume, Gehölze mit hängenden Zweigen, welche als Symbol der Trauer auf Gräbern, aber auch wirkungsvoll im Park und Garten einzeln stehend angepflanzt oder zu Lauben benutzt werden. Den schönsten Effekt machen T. mit dünnen Zweigen und schmalen Blättern, während starkästige Bäume mit großen, breiten Blättern leicht plump erscheinen. Der klassische Trauerbaum ist die Trauerweide (Salixbabylonica), der sich andre Weidenarten anschließen. Sehr schön sind auch einige Birkenformen, Fichten und namentlich weiße Rosen, während die Traueresche nur in höherm Alter ihre Steifheit verliert.

Trauerjahr, s. Trauer.

Trauerkrüge, Kreußener Kannen aus perlgrauem Steinzeug, welche weiß und schwarz emailliert und zuweilen vergoldet sind.

Trauermantel, s. Eckflügler.

Trauerparade, s. Ehrenbezeigungen.

Trauerspiel, s. Tragödie.

Trauerverstümmelung. Bei den Naturvölkern und ältern Kulturvölkern, die jenen noch nahestanden, äußerte sich die Trauer um Verstorbene nicht bloß in Farbe und Schnitt der Kleider, sondern in heftigen Angriffen und Verstümmelungen des eignen Körpers. Die Bewohner der Nikobaren verbrennen, wie Hamilton erzählt, das Besitztum des Toten, und sein Weib muß sich am Grab ein Fingerglied abschneiden lassen. Bei den Charruah sind beim Tode des Familienhauptes die Witwen, Töchter und verheirateten Schwestern verpflichtet, sich ein Fingerglied abnehmen zu lassen. Bei den Fidschianern wurden (nach Williams) beim Tode des Häuptlings 100 Finger als Opfer verlangt. Diese Fingeropfer sind offenbar Ablösungsformen für das Leben der Witwe oder fürstlichen Diener, die früher dem Gatten oder Häuptling in den Tod zu folgen hatten, und bei einigen nordamerikanischen Indianerstämmen, die ebenfalls das Fingeropfer kennen, muß die Witwe einige Augenblicke ihr Haupt neben das des Toten auf den Scheiterhaufen legen (vgl. Manendienst und Menschenopfer). Auf den Sandwichinseln wurde (nach Ellis) beim Tode des Herrschers jedem Unterthanen ein Vorderzahn ausgeschlagen, oder es wurden ihm beide Ohren abgeschnitten. An vielen Orten trat die Hergabe von Blut am Grab an die Stelle des Fingeropfers, und die Lakedämonier hatten (nach Herodot) die barbarische Sitte, daß sich beim Tode des Königs Männer, Weiber und Sklaven in großen Haufen versammeln und mit Dornen und Nadeln das Fleisch von der Stirn reißen mußten. Den Juden gebot das mosaische Gesetz: "Ihr sollt euch keine Wunden in euer Fleisch schneiden für die Toten . . . . " (3. Mos. 19, 28). Bei dem Begräbnis Attilas zerfleischten die Hunnen ihr Gesicht, und dieselbe Sitte blieb noch länger bei den Türken herrschend. Als letztes Überbleibsel dieser Hingabe des Teils für das Ganze gilt das Abschneiden von Bart- und Haupthaar. Diese Sitte hatte eine weite Ausdehnung; nordamerikanische Indianer opferten ihre Skalplocke, und bei den Neuseeländern wurden (nach Pollack) die abgeschnittenen Haare auf dem Begräbnisplatz an Bäumen aufgehängt.

Trauervogel, s. Fliegenfänger.

Trauformular, s. Trauung.

Traufrecht, die Dienstbarkeit, vermöge deren ein Grundeigentümer berechtigt ist, von seinem Gebäude den Wasserabfall auf ein Nachbargrundstück fließen zu lassen. Zuweilen bezeichnet man auch damit den Grund und Boden, welcher durch ein vorspringendes Dach überdeckt wird, und von welchem man annimmt, daß er zu dem betreffenden Gebäude gehöre.

Traum (lat. Somnium), die Fortsetzung der geistigen Thätigkeit während des Schlafs bei mangelndem vollen Bewußtsein des Schläfers. Nach den neuern Anschauungen liegt der Unterschied zwischen Schlaf und Wachen wesentlich darin, daß das Bewußtsein "ausgeschaltet" ist, und daß der Blut- und Sauerstoffstrom, der dazu dient, die geistige Thätigkeit zu unterhalten, im Schlaf dazu verwendet wird, das Gehirn und den übrigen Körper von den Schlacken der Tagesarbeit zu reinigen und neu zu kräftigen. Nun brauchen aber nicht alle Teile des geistigen Organs gleichmäßig außer Thätigkeit gesetzt zu sein, oder es können vielmehr einzelne wieder in Thätigkeit treten, ohne daß volles Selbstbewußtsein und damit Erwachen eintritt. Es sind dies namentlich die Sinnessphäre, in der die äußern Eindrücke bewußt werden, und die Erinnerungssphäre, in welcher ältere Eindrücke als Erinnerungsbilder aufbewahrt werden (s. Gedächtnis). Manche unsrer Sinnespforten bleiben bekanntlich auch im Schlaf offen, und wie im wachen Zustand die völlig geöffneten Sinnesorgane die Anregung zur Seelenthätigkeit geben, so sind es im Schlaf meist das Ohr, die Nase, das Tast- und Gemeingefühl, welche den ersten Anlaß zu innern Erregungen und Traumbildern liefern. Mit dem Pulsmesser oder Plethysmographen kann man nachweisen, daß sodann alsbald eine stärkere Blutströmung als vorher ins Gehirn eintritt, aber zunächst wahrscheinlich nur in die durch äußere oder innere Empfindungen erregten Teile. Die Empfindung gestaltet sich alsdann zu einer ihr entsprechenden dunkeln Vorstellung. So bewirkt eine unbequeme Lage oder ein körperlicher Schmerz einen T. von Fesselung und thätlichen Angriffen, Senfpflaster oder ein brenzliger Geruch erregen Träume von Feuersgefahr, ein plötzliches Ausstrecken soll das bekannte, meist mit Erwachen verknüpfte Gefühl eines tiefen Sturzes erzeugen, Töne und Geräusche aller Art, in der Nähe gesprochene Worte und dergleichen werden mit wunderbarer Schlagfertigkeit zu einem T. ausgesponnen, namentlich gegen Morgen, wenn der Geist nur noch im Halbschlummer liegt. A. Maury hat dies durch zahlreiche Selbstversuche erprobt, indem

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Trauma - Traumdeutung.

er sich nach der Mittagsmahlzeit unmittelbar nach dem Einschlafen gewisse Geräusche und andre Eindrücke beibringen und gleich darauf wecken ließ, um sich der dadurch hervorgerufenen Traumvorstellungen zu erinnern. Man kann sich so ganze Träume einblasen (soufflieren) lassen. Häufig spiegeln sich die sogen. Binnenempfindungen oder krankhafte Zustände im T. So träumen die Personen, welche an Atmungsbeschweren oder Luftmangel leiden, von einem durch das Schlüsselloch eindringenden und sie bedrückenden Gespenst (s. Alp), von engen Höhlengängen, Menschengedränge, Stößen gegen die Brust, Herzleidende haben beängstigende Träume, Erregungen in der Sexualsphäre bringen wollüstige Träume hervor. Der Inhalt der Träume besteht meist aus Wiederbelebung und Verbindung von Erinnerungsbildern, wobei frische Erinnerungen, Dinge, mit denen man sich zur Zeit stark beschäftigt, oder an die man in den Stunden vor dem Einschlafen lebhaft erinnert wurde, den Vordergrund einnehmen. Eine besondere Erklärung verlangt die dramatische Lebendigkeit dieser Bilder, welche den Träumer verleitet, sie für Wirklichkeiten zu halten und zu glauben, daß er seinen T. mit offenen Sinnen erlebt. Einige Forscher haben deshalb an eine besonders starke Erregung des Sensoriums geglaubt und den T. mit den Zuständen der Opium- und Hanfnarkose verglichen, in denen der Betäubte mit offenen Augen träumt. Andre, wie Johannes Müller, Gibbert und Brewster, haben sogar gemeint, die innere Erregung gehe so weit, daß sie von innen aus ein Bild auf der Netzhaut erzeuge, im Ohr Klänge errege, kurz die peripherischen Nerven zu wirklichen Empfindungen veranlasse. Gegen diese Annahmen, die auch in neuerer Zeit von Lazarus und Hagen wiederholt wurden, hat zuerst E. Krause in seiner "Naturgeschichte der Gespenster" geltend gemacht, daß Empfindungen immer nur im Zentarlorgan zu stande kommen, und wozu oder auf welchen Wegen sollte das letztere Empfindungen erst nach außen werfen, um sie von da wieder zurückzuerhalten. Auch eine abnorme Erregung des Gehirns braucht zur Erklärung der Vorgänge nicht angenommen zu werden; die Lebhaftigkeit der Traumbilder erklärt sich vielmehr ganz von selbst durch die Abwesenheit der Sinnenkonkurrenz und des wachen Urteils, vor denen im Wachen alle diese innern Bilder verblassen. Das Selbstbewußtsein ist nicht ganz aufgehoben, regt sich vielmehr, namentlich gegen Morgen, oft in Zweifeln und in der Frage: "Träume ich denn?", worauf in der Regel baldiges Erwachen folgt. Durch den Mangel des vollen Bewußtseins erklärt sich sowohl das Durcheinander der Bilder als das Unsinnige, ja Unmoralische vieler dabei vor sich gehender Handlungen, die Ideen und Bilder folgen einfach dem Gesetz der Ideenassociation (s. d.), und das Urteil ist so schwach, daß verstorbene Personen lebend erscheinen, die Einheit des Ortes nicht beobachtet wird, jedes Zeitmaß verschwindet und selbst die Person des Träumers sich in ihren Urteilen und Handlungen oftmals dramatisch in mehrere Personen spaltet. Ein bedeutendes Licht wird in dieser Richtung durch das Studium des Hypnotismus (s. d.) und namentlich durch die Möglichkeit der Suggestion (s. d.) auf den T. geworfen, denn hierbei ist das Selbstbewußtsein so tief niedergedrückt, daß sich die unsinnigste Idee einflößen läßt und zur Wirklichkeit gestaltet, selbst die Verleugnung der eignen Persönlichkeit. Gleichwohl sind diese wie die Traumeindrücke so schwach, daß sie nach dem Erwachen mehr oder weniger vollständig aus dem Gedächtnis verschwunden sind; nur Träume, aus denen man mitten herausgerissen wird, pflegen eine genauere Erinnerung zu gestatten. Unter bestimmten Körperbedingungen kann aber der Schlaf und das Niederliegen der Urteilskraft von selbst so tief werden wie in der Hypnose, und dann kann der Schläfer umhergehend und handelnd weiterträumen, beim sogen. Schlaf- oder Traumwandeln (s. Somnambulismus). Das Traumleben spielt in der Völkerpsychologie und in den religiösen Vorstellungen eine sehr bedeutende Rolle, und eine Anzahl der namhaftesten Forscher auf diesem Gebiet nimmt an, daß sich die Grundpfeiler der religiösen Lehrgebäude (namentlich der Glaube an übernatürliche, den Schranken der Leiblichkeit, der Zeit und des Raums entrückte Wesen, sowie an das Fortleben nach dem Tod) vorzugsweise aus den Erfahrungen des Traumlebens entwickelt haben. Das Naturkind nimmt eben das Geträumte für Wirklichkeit; es glaubt im T. von seinen Göttern und Toten besucht zu werden und meint anderseits, daß seine eigne Seele, wenn es von fremden Ortschaften träumt, sich vorübergehend vom Körper gelöst habe und frei umherschwärme. Daher bildete der Tempeltraum noch bei manchen Kulturvölkern einen Bestandteil des anerkannten Kults (vgl. Traumdeutung). Auch neuere Mystiker, wie K. du Prel, sprechen noch von "Eingebungen", Lösungen schwieriger Probleme im T., und wollen dem Traumleben sogar einen höhern geistigen Wert beimessen als dem wachen Leben; allein die erwähnten Lösungen und Eingebungen, die von dem Träumenden angestaunt werden, erweisen sich nach dem Erwachen meist als vollendeter Blödsinn. Vgl. Scherner, Das Leben des Traums (Berl. 1861); Maury, Le sommeil et les rêves (4. Aufl., Par. 1877); Siebeck, Das Traumleben der Seele (Berl. 1877); Spitta, Die Schlaf- und Traumzustände der Seele (Tübing. 1878); Binz, Über den T. (Bonn 1878); Radestock, Schlaf und T. (Leipz. 1879); Simon, Le monde des rèves (2. Aufl., Par. 1888).

Trauma (griech.), Wunde, äußere Verletzung; daher traumatisch, s. v. w. durch eine Verletzung, Wunde etc. entstanden. Traumatische Entzündung, eine Entzündung, hervorgerufen durch Verwundung, Quetschung, Verletzung irgend eines Körperteils (s. Gehirnbruch).

Traumaticin, s. Guttapercha.

Traumbücher, s. Traumdeutung.

Traumdeutung, die von der ehemals allgemein verbreiteten Anschauung, daß der Traum das natürliche Verbindungsmtttel mit der übersinnlichen Welt sei, und daß der Träumende mit seinen Göttern und verstorbenen Vorfahren verkehre und von ihnen Eingebungen, Ratschläge und Winke für die Zukunft in einer Art Bildersprache erhalte, veranlagte Bemühung, diese Bilder zu deuten. Anderseits suchte man aber auch solche Traumoffenbarungen absichtlich herbeizuführen. Bei den meisten Naturvölkern übernimmt der Medizinmann oder Schamane gegen Bezahlung den Auftrag, sich durch allerhand erprobte Mittel in Traumzustände zu versetzen und dann die Götter oder Vorfahren über das Schicksal einer Person zu befragen. Diese Traum- oder Totenorakel bestanden noch bei Griechen und Römern; die peruanischen Priester bedienten sich der scharf narkotischen Gräberpflanze (Datura sanguinea), um Götter- und Ahnenerscheinungen zu erhalten. Von der Rolle prophetischer Träume in der alten Geschichte weiß Herodot und die Bibel zu erzählen: Joseph und Daniel erlangten als Traumdeuter ihren Einsluß. In Assyrien befand sich auf der Plattform der Stufenpyra-

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Traumwandeln - Trautenau.

miden das Gemach, in welchem die babylonische Sibylle den nächtlichen Besuch des Orakelgottes empfing, und das Amt Daniels bei Nebukadnezar finden wir schon im altbabylonischen Heldengedicht von Izdubar, dem sein Traumausleger Eabani als steter Begleiter zur Seite steht. Von den Ägyptern hat Brugsch mitgeteilt, daß sie zu solchen Zwecken die Hypnotisierung durch Anschauen glänzender Gegenstände übten. Bei den Griechen und Römern fanden Traumorakel, außer an den Stätten der Totenorakel, namentlich in den Äskulaptempeln statt; die Kranken (oder auch an ihrer Stelle die Priester) streckten sich auf den Fellen frisch geopferter Widder nieder, und aus der Art ihres Traums wurde das einzuschlagende Heilverfahren von den Priestern gefolgert. Für die Kreise des Volkes, die sich nicht wie die Fürsten einen eignen Traumdeuter halten konnten, dienten früh Traumbücher, Aufzeichnungen über die angebliche Bedeutung der einzelnen Träume. Das älteste derselben hat man bruchstückweise auf Ziegelstein in der Bibliothek von Ninive gefunden, und man kann dort lesen, was es bedeutet, wenn man von Hunden, Bären, Tieren mit fremden Füßen und andern Dingen träumt, die sich hier nicht bezeichnen lassen. Im klassischen Altertum genoß dann des höchsten Ansehens' das Traumbuch ("Oneirokritika") des Artemidoros (s. d. 2), welches bald nach Erfindung der Buchdruckerkunst auch in lateinischer Übersetzung gedruckt wurde. Ein mohammedanisches Traumbuch gab Vattier nach dem arabischen Text ("L'oneirocrite musulmane", Par. 1664) heraus. In neuerer Zeit haben zwar die Naturphilosophen G. H. v. Schubert ("Die Symbolik des Traums", 4. Aufl., Leipz. 1862) und Pfaff ("Das Traumleben und seine Deutung", 2. Aufl., Potsd. 1873) den Glauben an vorbedeutende Träume zu retten gesucht, aber die Traumbücher werden nur noch von der Landbevölkerung auf Jahrmärkten gekauft. Vgl. Büchsenschütz, Traum und T. im Altertum (Berl. 1868); Lenormant, Die Magie und Wahrsagekunst der Chaldäer (deutsch, Jena 1878).

Traumwadeln, s. Somnambulismus.

Traun (lat. Truna), Fluß in Österreich, entsteht im steirischen Salzkammergut aus den Gewässern des Aufseer, Grundel- und Ödensees, fließt durch den Hallstätter und den Gmundener oder Traunsee, bildet bei dem Dorf Roitham einen Wasserfall (der durch einen Kanal umgangen wird) und mündet nach 178 km langem Lauf unweit Linz in die Donau. Ihre Zuflüsse bringen ihr das Wasser aller andern Seen des Salzkammerguts: die Ischl vermittelt den Abfluß des St. Wolfgangsees, die Ager den des Attersees, dem die Ach das Wasser aus dem Mondsee, Zeller See und Fuschelsee zuführt, endlich die Alm den Abfluß des Almsees. Außerdem empfängt die T. die Krems. Die Schiffahrt auf derselben, einst sehr lebhaft, hat durch die Eisenbahnen Eintrag erlitten.

Traun, Julius von der, Pseudonym, s. Schindler 1).

Traunsee (Gmundener See), einer der schönsten Seen der Deutschen Alpen (s. Karte "Salzkammergut"), liegt bei der Stadt Gmunden in Oberösterreich, 422 m ü. M., ist 12 km lang, 3 km breit und 191 m tief, bedeckt eine Fläche von 24,6 qkm und wird von S. nach N. von der Traun durchflossen. Die Ufer sind im N. und W. wohlbebaut und dicht bevölkert (hier befinden sich die schönen Villen der Familien Toscana, Hannover, Herzog von Württemberg etc.); nur im O. und S. ragen steile Felswände aus dem grünen Gewässer empor. Am Ostufer erhebt sich der Traunstein zu 1661 m Höhe. Der See hat bei normalem Wetter seinen regelmäßigen Passatwind, wirbelt aber oft ohne deutlich sichtbare Ursache heftig auf und friert sehr selten zu (zuletzt 1830 und 1880). Köstliche Fische (Lachsforellen, Saiblinge, Hechte etc.) bevölkern ihn. Zwischen Gmunden, am Nordende, der Saline Ebensee, am Südende, und dem reizend auf einer Landzunge am Westufer gelegenen Traunkirchen (mit schöner Pfarrkirche und 523 Einw.) besteht rege Dampfschiffahrt. Längs des Westufers zieht sich die Salzkammergutbahn hin.

Traunstein, unmittelbare Stadt und klimatischer Terrainkurort im bayr. Regierungsbezirk Oberbayern, an der Traun, Knotenpunkt der Linien Salzburg-München und T.-Trostberg der Bayrischen Staatsbahn, 534 m ü. M., hat eine schöne kath. Kirche, eine Realschule, ein Institut der Englischen Fräulein, ein Waisenhaus, ein Landgericht, ein Forstamt, eine große Saline (s. Reichenhall), ein Solbad, große Brauereien, bedeutenden Holzhandel und (1885) 4820 meist kath. Einwohner. In der Umgegend große Waldungen mit hübschen Spaziergängen und das schön gelegene Bad Empfing mit alkalisch-erdiger Mineralquelle. Zum Landgerichtsbezirk T. gehören die 13 Amtsgerichte zu Aibling, Altötting, Berchtesgaden ,Burghausen, Laufen, Mühldorf, Prien, Reichen-hall, Rosenheim, Tittmoning, T., Trostberg und Wasserburg. Vgl. Sailer, Traunstein (Münch. 1886).

Trauordnung, s. Trauung.

Trauringe, s. Trauung und Ring.

Trausnitz, 1) Pfarrdorf im bayr. Regierungsbezirk Oberpfalz, Bezirksamt Nabburg, mit (1885) 541 Einw. Im dortigen Schloß wurde der 1322 in der Schlacht bei Mühldorf gefangen genommene Erzherzog Friedrich der Schöne von Österreich bis 1325 vom Kaiser Ludwig dem Bayern gefangen gehalten. -

2) Über der Stadt Landshut in Niederbayern gelegenes ehemaliges Residenzschloß der Herzöge von Niederbayern (1255-1340) und von Bayern-Landshut (1402-1503), um 1230 erbaut, enthält das Kreisarchiv von Niederbayern, in neuerer Zeit restauriert.

Trautenau, Stadt im nordöstlichen Böhmen, im Aupathal des Riesengebirges, an der Österreichischen Nordwestbahn (Linie Chlumetz-Parschnitz, mit Abzweigung nach Freiheit), ist nach einer großen Feuersbrunst seit 1861 größtenteils neu gebaut, hat 4 Vorstädte, eine schöne Dechanteikirche, eine Bezirkshauptmannschaft, ein Bezirksgericht und Hauptzollamt, eine Oberrealschule, Lehrerbildungsanstalt, 2 Flachsspinnereien (40,000 Spindeln), eine Kunstmühle, Bierbrauerei, Papierwarenfabrik, Gasanstalt, große Flachs-, Garn- und Leinwandmärkte, eine Filiale der Böhmischen Eskomptebank, Sparkasse (Einlagen 4,3 Mill. Guld.) und (1880) 11,253 Einw. In der Nähe mehrere andre Flachsspinnereien und Steinkohlenwerke. - T. bildete während des österreichisch-preußischen Kriegs im Sommer 1866 den Schauplatz wiederholter Kämpfe. Am 27. Juni wurde das 1. preußische Korps unter Bonin beim Einrücken in Böhmen bei T. vom 10. österreichischen Korps unter Gablenz zurückgeschlagen. Die Österreicher verloren 190 Offiziere und 4596 Mann an Toten und Verwundeten, die Preußen 56 Offiziere und 1282 Mann. Vgl. Roth, Achtzig Tage in preußischer Gefangenschaft und die Schlacht bei T. 27. Juni 1866 (3.Aufl., Prag 1868). Im zweiten Gefecht von T., auch als Gefecht bei Soor oder bei Burkersdorf und Altrognitz bezeichnet, ward das 10. österreichische Korps unter Gablenz 28. Juni von der preußischen Garde geschlagen und verlor 4000 Gefangene, 2 Fahnen und 10 Geschütze. Vgl.

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Trautmann - Trauung.

Simon Hüttels "Chronik der Stadt T. 1484-1601" (bearbeitet von Schlesinger, Prag 1881).

Trautmann, 1) Franz, Schriftsteller, geb. 28. März 1813 zu München als Sohn des Hofjuweliers T., verlebte einen Teil seiner Jugend im Kloster Wessobrunn, wo ihm eine Fülle romantischer Eindrücke zuströmte, studierte in München die Rechte und trat dann beim Münchener Stadtgericht in die juristische Praxis ein, verließ aber dieselbe nach sieben Jahren, um sich hinfort, in seiner Vaterstadt lebend, ausschließlich der schriftstellerischen Thätigkeit und eingehenden Kunststudien zu widmen. Bereits mit 17 Jahren hatte er ein Bändchen "Gedichte" herausgegeben, dem andres Lyrische folgte, dann eifrig an verschiedenen Blättern mitgearbeitet, sich auch hin und wieder in dramatischen Arbeiten versucht, bis er sich endlich dem Gebiet zuwandte, das recht eigentlich seine Domäne ward, und auf dem er die allgemeinste Anerkennung fand. Seine dem Mittelalter entnommenen Erzählungen gehören zu den vorzüglichsten Leistungen, welche unsre Litteratur in dieser Richtung aufzuweisen hat. Den Reigen derselben eröffnete die köstliche Geschichte von "Eppelein von Gailingen" (Frankf. 1852). In rascher Folge schlossen sich derselben an: "Die Abenteuer des Herzogs Christoph von Bayern" (Frankf. 1853, 2 Bde.; 3. illustr. Aufl., Regensb. 1880); "Die gute alte Zeit", Münchener Geschichten (Frankf. 1855); der Schelmenroman "Chronika des Herrn Petrus Nöckerlein" (das. 1856, 2 Bde.); "Das Plauderstüblein" (Münch. 1855); das "Münchener Stadtbüchlein" (das. 1857). Weiter folgten: "Münchener Geister" (Münch. 1858); "Heitere Städtegeschichten aus alter Zeit" (Frankf. 1861); das satirische Buch "Leben, Abenteuer und Tod des Theodosius Thaddäus Donner" (das. 1864); der Roman "Die Glocken von St. Alban" (Regensb. 1875, 3 Bde.; 2. Aufl. 1884); "Meister Niklas Prugger, der Bauernbub von Trudering" (das. 1878, 3 Bde.); "Heitere Münchener Stadtgeschichten" (Münch. 1881); "Im Münchener Hofgarten, örtliche Skizzen und Wandelgestalten" (das. 1884) und "Aus dem Burgfrieden. Alt-Münchener Geschichten" (Augsb. 1886). Von seinen lyrischen Arbeiten der spätern Zeit sind die Sammlungen: "Astern und Rosen, Disteln und Mimosen", Zeitgedichte (Berl. 1870), "Hell und Dunkel" (das. 1885) und "Traum und Sage" (das. 1886), von den dramatischen die Lustspiele: "Frauenhuld tilgt jede Schuld^ (1853) und "Meine Ruh' will ich, oder: Blemers Leiden" (1864) zu erwähnen. T. starb 2. Nov. 1887 in München. Die Ergebnisse seiner Kunststudien, behufs deren er auch ausgedehnte Reisen in Deutschland, nach England und Schottland unternommen, legte er nieder in dem Werke "Kunst und Kunstgewerbe vom frühsten Mittelalter bis Ende des 18. Jahrhunderts" (Nördling. 1869). Auch veröffentlichte T. eine Biographie Schwanthalers ("L. Schwanthalers Reliquien", Münch. 1858).

2) Moritz, Philolog, geb. 24. März 1847 zu Kloden in der Provinz Sachsen, studierte zu Halle und Berlin klassische Philologie und neuere Sprachen, machte 1867-70 Reisen nach Italien, Frankreich und England, war dann als Gymnasiallehrer in Leipzig thätig, habilitierte sich für englische Sprache und Litteratur daselbst und wurde 1880 als außerordentlicher Professor nach Bonn berufen, 1885 zum ordentlichen Professor daselbst befördert. Sein Hauptwerk ist: "Die Sprachlaute im allgemeinen und die Laute des Englischen, Französischen und Deutschen insbesondere" (Leipz. 1886). Außerdem schrieb er: "Über Verfasser und Entstehungszeit einiger alliterierender Gedichte des Altenglischen" (Halle 1876), "Lachmanns Betonungsgesetze und Otfrieds Vers" (das. 1877) u. a.

Trauttmansdorff, österreich. Adelsgeschlecht, in ältester Zeit auf Stuchsen (Stixenstein) im Wienerwald seßhaft; von demselben sollen in der Schlacht auf dem Marchfeld (1278) 14, bei Mühldorf (1322) 20 Mitglieder unter habsburgischem Banner gefallen sein. Das Geschlecht erhielt 1625 die reichsgräfliche und 1805 die reichsfürstliche Würde und teilte sich im 17. Jahrh. in mehrere Linien. Der erste Fürst war Ferdinand, geb. 12. Jan. 1749, gest. 27. Aug. 1827 als k. k. Obersthofmeister; jetziger Fürst ist Karl, geb. 5. Sept. 1845. Bemerkenswert sind:

1) Maximilian, Graf von T., österreich. Staatsmann, geb. 23. Mai 1584 zu Graz, gewann seine Bildung teils durch Studien, teils auf Reisen und in Feldzügen, erwarb sich durch seinen Übertritt zum Katholizismus die Gunst Ferdinands II., schloß 1619 dessen Bündnis mit Maximilian von Bayern und verabredete dann als kaiserlicher Gesandter in Rom mit dem Papst und dem spanischen Gesandten die gemeinschaftlichen Maßregeln zur Führung des Kriegs. Er war einer der ersten, welche Wallenstein bei dem Kaiser hochverräterischer Absichten beschuldigten, und ward mit zur nähern Untersuchung des Tatbestandes in dessen Lager abgesendet. Nach der Nördlinger Schlacht 1634 bewog er den Kurfürsten von Sachsen, sich von Schweden zu trennen, und 1635 schloß er den Frieden zu Prag ab. Bei den Friedensunterhandlungen zu Münster und Osnabrück fungierte er als kaiserlicher Prinzipalkommissarius und hatte den wesentlichsten Anteil am Zustandekommen des Friedens. Er starb 7. Juli 1650 in Wien als Hauptgünstling Kaiser Ferdinands III. und dessen Prinzipalminister.

2) Ferdinand, Graf, österreich. Staatsmann, geb. 27. Juni 1825, widmete sich wie sein Vater Graf Joseph von T., der längere Zeit österreichischer Gesandter in Berlin war und 1870 starb, dem diplomatischen Beruf, war mehrere Jahre Gesandtschaftssekretär in London, dann Legationsrat in Berlin, ward 1859 als außerordentlicher Gesandter und bevollmächtiger Minister an den badischen Hof nach Karlsruhe versetzt, wo er den Großherzog 1863 zur Teilnahme am Fürstentag in Frankfurt a. M. und 1866 zur Teilnahme am Kriege gegen Preußen zu bewegen wußte, 1867 zum Gesandten in München befördert und 1868 zum Botschafter bei der päpstlichen Kurie in Rom ernannt. 1872 legte er diesen Posten nieder und ward zum zweiten Vizepräsidenten des Herrenhauses ernannt, dem er schon längere Zeit als Mitglied angehörte. Als nach dem konservativ-partikularistischen Ausfall der Wahlen zum Abgeordnetenhaus im Juli 1879 Fürst Carlos Auersperg das Amt eines ersten Präsidenten des Herrenhauses niederlegte, ward T. vom Kaiser zu seinem Nachfolger und 1884 zum Oberstkämmerer ernannt.

Trautv. et Mey., bei botan. Namen Abkürzung für E. R. v. Trautvetter, Professor der Botanik in Kiew, bereiste Sibirien. Salix, Pentastemon. Flora Nordrußlands. - Mey., s. d.

Trauung (Kopulation), die kirchliche Weihe eines Ehebundes. Auch die in der gesetzlichen Form erfolgende Eheschließung wird als T. bezeichnet, und man spricht daher von einer Ziviltrauung, wenn die amtliche Bestätigung des Ehebundes durch eine weltliche Behörde (Standesamt) erfolgt. Nachdem jedoch in Deutschland die obligatorische Zivilehe eingeführt ist (s. Ehe, S. 339), versteht man unter T. schlechthin regelmäßig nur die kirchliche Einsegnung der Eheleute, nachdem die Eheschließung selbst vor dem

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Travailleur-Expedition - Travankor.

weltlichen Standesbeamten erfolgt ist. Im ältern deutschen Recht ist T. die Übergabe der Braut in die Schutzgewalt (Mundium) des Verlobten, dem sie "anvertraut" wird. Fast bei allen Völkern werden eheliche Bündnisse mit gewissen Zeremonien gestiftet (s. Hochzeit). Die T. in der christlichen Kirche ist aber weder von Christus noch von der alten Kirche angeordnet. Zwar ward es bald Sitte, das Verlöbnis dem Bischof oder Kirchenältesten anzuzeigen, und zum wirklichen Anfang der Ehe wurde die kirchliche Einsegnung häufig begehrt und erteilt; ein die Gültigkeit der Ehe bedingendes Erfordernis ward jene aber erst im 9. Jahrh., im Abendland durch Karl d. Gr., für die griechische Kirche durch Leo VI. Philosophus. Auch Papst Nikolaus I. machte die Gültigkeit des ehelichen Bündnisses davon abhängig, daß dieses mit dem kirchlichen Segen und einer Messe geschlossen sei. Noch aber erfolgte die Eheschließungserklärung vor dieser Brautmesse. Erst seit 1100 etwa befragt der segnende Priester die Eheschließenden um die Ernstlichkeit ihres Vorhabens. Aber noch die großen Dichtungen des deutschen Mittelalters lassen die Paare erst am Tag nach ihrer Verehelichung sich zur Kirche begeben, und erst seit dem 15. Jahrh. finden sich Trauungsformulare, in welchen der Priester als Stellvertreter Gottes die Eheleute zusammenspricht. Aber selbst das tridentinische Konzil verlangt zur Gültigkeit einer Ehe nur die Willenserklärung derselben vor dem Pfarrer und zwei oder drei Zeugen, ohne die T. selbst für etwas Wesentliches zu erklären. Dies that erst die protestantische Kirche, und so herrschte bald in der alten wie in der neuen Kirche dieselbe Praxis, wonach die Ehe ganz als Kirchensache behandelt, ihre Gültigkeit aber von der kirchlichen T. abhängig gemacht ward. Die T. wurde vollzogen, wenn nach dem öffentlichen Aufgebot kein Einspruch erfolgte. Das tridentinische Konzil erklärte die Advents- und Fastenzeit für geschlossene Zeiten, d. h. Zeiten, in denen Trauungen nicht stattfinden sollen. Neuere evangelische Trauordnungen haben die geschlossenen Zeiten erheblich reduziert, so z. B. in Preußen auf die Karwoche, die ersten Festtage der drei hohen Feste, das Totenfest und die Bußtage. Der Ort der T. ist die Kirche; zu Haustrauungen bedarf es einer besondern Dispensation. Die T. wird von dem Pfarrer verrichtet, in dessen Kirchspiel die Braut einheimisch ist (ubi sponsa, ibi copula); zum Vollzug an einem andern Ort gehört das Dimissoriale (Entlassungsschein) des berechtigten Geistlichen. Neuere Gesetze erklären aber auch den Pfarrer am Wohnort des Bräutigams sowie denjenigen des Wohnorts, welchen die Eheleute nehmen, für zuständig. In der katholischen Kirche gehört das schon bei den alten Griechen, Römern und Germanen übliche Wechseln der Trauringe zu den notwendigen Formalitäten der T., was bei den Protestanten meist schon bei der Verlobung geschieht. In der griechischen Kirche trinken die eine metallene Krone tragenden Verlobten vor der Einsegnung Wein aus einem vom Priester dargereichten Kelch. Von den Hochzeitskränzen, die in der alten Kirche beiden Verlobten bei ihrer Einsegnung aufgesetzt wurden, ist unter den abendländischen Christen nur noch der Brautkranz als Bild der unverletzten Jungfrauschaft übriggeblieben und die Verweigerung desselben für solche, die nicht mehr Jungfrauen sind, als Mittel der Kirchenzucht. Fürstliche Personen lassen ihre Bräute, wenn sie weit von ihnen entfernt wohnen, zuweilen mittelbar durch einen Bevollmächtigten sich antrauen (T. durch Prokuration). Bei morganatischen Ehen wird die T. "zur linken Hand" bewirkt (s. Ebenbürtigkeit). Personen, die 50 Jahre in der Ehe gelebt haben, werden als Jubelpaar gewöhnlich wieder kirchlich eingesegnet. Die katholische Kirche verlangt bei gemischten Ehen, daß das Paar jedenfalls von einem ihr angehörigen Geistlichen eingesegnet sowie daß das Versprechen gegeben wird, die Nachkommenschaft der katholischen Kirche zuzuführen. Ist dies nicht zu erreichen, so leistet der katholische Geistliche bei der T. nur "passive Assistenz". Nach dem deutschen Reichsgesetz vom 6. Febr. 1875 darf kein Geistlicher eine T. vornehmen, bevor ihm nachgewiesen ist, daß die Ehe vor dem Standesbeamten abgeschlossen worden. Die ausdrückliche Erklärung des Personenstandsgesetzes, daß die kirchlichen Verpflichtungen in Beziehung auf die T. durch dies Gesetz nicht berührt werden, enthält eigentlich nur etwas Selbstverständliches. Die katholische Kirche, welche die Ehe als Sakrament auffaßt und das bürgerliche Eheschließungsrecht grundsätzlich ignoriert, hat nach der Einführung der Zivilehe in Deutschland sich nicht veranlaßt gesehen, den bisherigen Ritus bei der T. zu verändern. Dagegen haben die in den einzelnen Staaten erlassenen protestantischen Trauordnungen (z. B. preußisches Kirchengesetz vom 30. Juli 1880, Trauordnung für die Provinz Hannover von 1876, für Bayern von 1879, Sachsen von 1876, Württemberg von 1875, badische Agende von 1879 etc.) namentlich das sogen. Trauformular, d. h. die agendarische Formel, mit welcher der Geistliche die Eheschließenden zusammengibt, abgeändert, indem dabei der Gedanke zum Ausdruck gebracht wird, daß die Ehe selbst bereits abgeschlossen sei. Die von den Eheleuten zu bejahende Gelöbnisfrage des Geistlichen ist dem entsprechend nur darauf gerichtet, ob die Eheleute als christliche Ehegatten einträchtig miteinander leben, einander treu und herzlich lieben, sich weder in Leid noch in Freud' verlassen, sondern den Bund der christlichen Ehe heilig und unverbrüchlich halten wollen, bis der Tod sie einst scheiden werde. Das vorgängige kirchliche Aufgebot ist meistens als eine einmalige "Eheverkündigung" beibehalten, sei es vor, sei es nach dem bürgerlichen Aufgebot; doch ist Dispens von dem erstern zulässig. Eine ohne nachfolgende kirchliche T. nur vor dem Standesbeamten geschlossene Ehe ist bürgerlich gültig. Die Kirche kann nur durch Disziplinarmittel auf die Nachholung einer unterlassenen T. hinwirken. Als Kirchenzuchtmittel kennt die protestantische Kirche bei hartnäckiger Verweigerung der Traupflicht die Entziehung der kirchlichen Wahlrechte, mitunter auch die Unfähigkeit zur Patenschaft oder auch die Ausschließung vom Abendmahl. Vgl. Friedberg, Das Recht der Eheschließung (Leipz. 1865); Derselbe, Verlobung und T. (das. 1876); Sohm, T. und Verlobung (Weim. 1876); Derselbe, Zur Trauungsfrage (Heilbronn 1879); Dieckhoff, Zivilehe und kirchliche T. (Rost. 1880); v. Scheurl, Das gemeine deutsche Eherecht (Erlang. 1882); Grünwald, Die Eheschließung (nach den Bestimmungen der verschiedenen Staaten, Wien 1881).

Travailleur-Expedition 1880-82, s. Maritime wissenschaftliche Expeditionen, S. 257.

Travankor (Travancore), britisch-ind. Vasallenstaat auf der Südspitze (Westseite) von Vorderindien, 17,230 qkm (319 QM.) groß mit (1881) 2,401,158 Einw. (498,542 Christen, nur 146,909 Mohammedaner, im übrigen Hindu). Von der flachen Küste, hinter der sich Strandseen hinziehen, welche als vorzügliches Kommunikationsmittel dienen, steigt das Land

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Trave - Trawna.

allmählich zu den bis 2500 m hohen Bergzügen auf, welche die östliche Grenze bilden. In den Ebenen werden Reis, Kokos- und Arekapalmen, Pfeffer, Tapioka, in den Hügeln Kardamome und Kaffee kultiviert, die Wälder enthalten vorzügliche Holzarten (Teak-, Ebenholz) sowie zahlreiche Elefanten, Tiger, Leoparden, Bären, große Hirscharten. Das Klima an der Küste ist heiß, der Regenfall stark. Die Verwaltung ist eine gute, für das Schulwesen wird gesorgt, eine höhere Schule zu Trivandrum ist gut besucht. Die Einkünfte betragen 600,000 Pfd. Sterl. jährlich. Die Armee besteht aus 1470 Mann mit 4 Geschützen; die Post hat 87 Ämter. Hauptstadt ist Trivandrum (s. d.). Der erste Freundschaftsvertrag mit England wurde 1788 geschloffen, der letzte 1805, wodurch T. in ein Vasallenverhältnis zu England trat.

Trave, Fluß in Norddeutschland, entspringt bei Giesselrade in dem zu Oldenburg gehörigen Amt Ahrensbök, geht bald nach Schleswig-Holstein über, fließt hier erst südwestlich durch den Wardersee nach Segeberg, auf dieser Strecke bei Travenhorst durch den Seekamper und Seedorfer See, mit der Tensfelder Aa (zum Plöner See) zusammenhängend, dann nach S. bis Oldesloe, wendet sich hierauf nach O. und NO. und tritt in das lübecksche Gebiet, wo sie sich unterhalb Lübeck seeartig erweitert und kurz vor ihrer Mündung bei Travemünde in die Lübische Bucht die Pötenitzer Wiek bildet, mit welcher der Dassower See zusammenhängt. Die T. ist 112 km lang, von Oldesloe ab 38 km schiffbar, trägt von Lübeck ab Seeschiffe bis zu 5 m Tiefgang und nimmt links die Schwartau, rechts die Beste, die Stecknitz, aus welcher der Stecknitzkanal zur Elbe führt, die schiffbare Wakenitz und durch den Dassower See die schiffbare Stepenitz auf.

Traveller (engl., spr. träwweler), Reisender.

Travemünde, Amts- und Hafenstadt im Gebiet der Freien Stadt Lübeck, an der Mündung der Trave und an der Eisenbahn Lübeck-T., hat eine evang. Kirche, einen Leuchtturm, ein besuchtes Seebad, Schiffahrt, Fischerei, eine Lotsenstation, eine Station der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger und (1885) 1666 fast nur evang. Einwohner. T. gehört seit 1329 dauernd zu Lübeck. Vor der Vollendung der Stromlaufkorrektion der Trave war T. der Hafenort für Lübeck.

Traventhal (Travendal), Amtsort im preuß. Regierungsbezirk Schleswig, Kreis Segeberg, an der Trave, mit einem frühern Lustschloß der Herzöge von Holstein-Plön, Landesgestüt und 160 Einw., ist bemerkenswert wegen des hier 18. Aug. 1700 zwischen Karl XII. von Schweden und Friedrich IV. von Dänemark abgeschlossenen Friedens, worin letzterer den Herzog Friedrich IV. von Holstein-Gottorp zu entschädigen und das Bündnis mit Polen und Rußland aufzugeben versprach.

Travers (das, franz., spr. -währ), Quere, Unregelmäßigkeit; Grille, Wunderlichkeit.

Travers, Val de (spr. wall d'trawähr), Thal im schweiz. Kanton Neuenburg, von der Areuse (fälschlich La Reuse) durchflossen und der Eisenbahn Pontarlier-Neuchâtel durchzogen, öffnet sich vor Boudry zur Ebene des Neuenburger Sees und enthält in elf Gemeinden eine protestantische, gewerbfleißige Bevölkerung von (1888) 16,664 Seelen. Seine Asphaltminen sowie die Fabrikation von Schokolade und Absinth haben ihm Ruhm verschafft. Der Asphalt, in der Nähe des an der genannten Eisenbahn liegenden Dorfs T. (2000 Einw.), bildet ein Lager von 6 m Mächtigkeit mit einem durchschnittlichen Bitumengehalt von 10 Proz. Aus dem Thalkessel von St.-Sulpice (779 m ü. M.) steigt die Bahn zu den Höhen von Les Verrières (933 m) an, zwei Grenzorten, Verrières Suisses und Verrières Françaises. Hier betrat 1. Febr. 1871 die geschlagene Armee Bourbakis, 80,000 Mann stark, den Boden der Schweiz, um von den Schweizer Milizen entwaffnet und interniert zu werden. Hauptort des Thals ist Motiers; aber die volkreichsten Gemeinden sind Fleurier (3208 Einw.) und Couvet (2285 Einw.).

Traverse (franz., "Querstück, Querweg"), in der Kriegsbaukunst ein Querwall, der hinter der Brustwehr von Befestigungen senkrecht zu dieser aufgeworfen wird, um die Verteidiger gegen Feuer von seitwärts zu decken. Die T. ist entweder voll in Erde angeschüttet, Volltraverse, oder mittels Schanzkörben, resp. in Mauerwerk als Hohltraverse aufgeführt zum Schutz für Mannschaften und leichte Geschütze und heißt dann Schutzhohlraum. Befindet sich in einem solchen eine Geschoßhebevorrichtung, so heißt die T. Munitionsfördertraverse. Sie liegt senkrecht über dem Verbrauchsgeschoßmagazin des Ladesystems (s. d.). In den Flügelmauern der Hohltraversen befinden sich durch Stahlblechläden geschlossene Munitionsnischen. - T. heißt auch eine Querschranke, ein Querverschlag in einem Saal; im Bauwesen ein eiserner Träger; an Dampfmaschinen auch die Teile zwischen Kolbenstange und Balancier.

Traversieren (franz., travers reiten), der Quere nach bewegen, durchschneiden, überschreiten; in der Reitkunst Schullektion, bei welcher das Pferd auf zwei Hufschlägen, und zwar mit dem Vorderteil gegen die Wand, mit dem Hinterteil gegen das Innere der Bahn gerichtet, sich so vorwärts bewegt, daß die äußern Beine vor und über die inwendigen gesetzt werden. Die Vorhand beschreibt somit den größern Kreis (vgl. Renversieren). In der Fechtkunst bedeutet der Ausdruck: seitwärts ausfallen.

Travertin (Lapis Tiburtinus), Kalktuffbildungen in Italien, bildet stellenweise mächtige Ablagerungen, z. B. bei Tivoli (Tibur), und ist seit dem Altertum ein gesuchtes Baumaterial (Kolosseum, Peterskirche etc.). Vgl. Kalktuff.

Travestie (vom ital. travestire, verkleiden), eine komische (auch wohl satirische) Dichtungsart, in welcher ein ernst gemeintes poetisches Erzeugnis dadurch lächerlich gemacht wird, daß dessen Inhalt beibehalten, aber in eine zu demselben nicht passende äußere Form gekleidet (verkleidet, daher der Name) wird, während bei der Parodie (s. d.) das Umgekehrte geschieht, d. h. die Form beibehalten, aber ihr ein unpassender Inhalt gegeben wird. In Hinsicht der Form kann die T. episch, lyrisch und dramatisch sein. Unter den Neuern hat die französische Frivolität sich am meisten dieses Feldes bemächtigt; vorzugsweise sind hier Marivaux und Scarron zu nennen. In Deutschland wird die T. fast allein durch Blumauers "Äneide" vertreten, hinter welcher der holländische "Virgilius in de Nederlanden", von Leplat im 18. Jahrh. gedichtet, weit zurücksteht.

Traviata (ital.), die Verirrte, Verführte.

Trawl (engl., spr. trahl), Schleppnetz, s. Fischerei, S. 304.

Trawna, Kreishauptstadt in Bulgarien, am Balkan, über den von hier der Paß von T. führt, das "bulgarische Nürnberg" genannt, liefert treffliche Holzschnitzereien und Heiligenbildnisse, Posamentierarbeiten, Rosenöl, Decken und andre Artikel aus Pferdehaar etc. und hatte 1881: 2222 Einw. In der Nähe ein großes, aber noch unbenutztes Kohlenflöz.

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Trawnik - Trebonius.

Trawnik, Kreisstadt in Bosnien, im schmalen Lasvathal gelegen und teilweise auf einer steilen Lehne einer Seitenschlucht erbaut, bietet mit seinen zahlreichen Minarets, Kuppeln und Bauminseln, den steilen Felshöhen des Vlasic, der alten Burgfeste, den imposanten Kasernenbauten sowie den zahllosen Landhäuschen und Kiosken von der Ferne einen herrlichen Anblick. T. hat 16 Moscheen und (1885) 5933 meist mohammedan. Einwohner und ist Sitz eines Militär-Platzkommandos und Kreisgerichts. Bis 1850 war T. die eigentliche Hauptstadt und die Residenz des bosnischen Gouverneurs. Das Trawniker Becken enthält reiche Braunkohlenlager.

Traz os Montes (spr. tras. "jenseit der Berge"), die nordöstlichste Provinz Portugals, grenzt nördlich und östlich an Spanien, südlich an die Provinz Beira, westlich an Minho und umfaßt 11,156 qkm (201,9 QM.), nach Strelbitsky nur 11,033 qkm, mit (1878) 393,279 Einw. Diese Provinz ist das am höchsten gelegene Terrain Portugals und von wilden Felsgebirgen durchzogen. Das höchste Gebirge, die Serra de Monte Zinho, mit Heiden bedeckt, steigt bis zu 2270 m auf; aus der Provinz Minho ziehen sich die Serra de Gerez und Serra de Marão herüber; niedriger sind die südlichen Bergreihen. Der Hauptfluß ist der Douro, welcher die Ost- und Südgrenze der Provinz bildet und von hier den Sabor, die Tua und die Tamega aufnimmt. Das Klima ist im Sommer sehr heiß, im Winter aber rauh und kalt. Der Boden, obgleich meist felsig und steinig, ist doch in vielen Gegenden trefflich angebaut. Der Norden erzeugt Roggen und Weizen, Flachs und Hanf, der Süden Mais, Mandeln und Orangen; Haupterzeugnis aber ist der Wein, besonders am obern Douro (Portwein). Die Provinz ist reich an Erzen (besonders Eisen), welche aber nicht mehr ausgebeutet werden, und hat auch mehrere Mineralquellen. Die Bewohner charakterisiert der heitern Bevölkerung der Provinz Minho gegenüber ein düsteres und abergläubisches Wesen. Ausfuhrartikel sind namentlich: Maulesel, Wolle, Seide und Wein. Die Provinz zerfällt in die beiden Distrikte Villa Real und Braganza. Hauptstadt ist Braganza.

Treasure (engl., spr. tresch'r), Schatz; Treasurer, Schatzmeister; Lord High Treasurer (First Lord of the Treasury), Großschatzmeister; Treasury, Schatzkammer, Schatzamt; Treasury Note, Schatzschein, Kassenschein. Der First Lord of the Treasury in England ist gewöhnlich der erste Minister, und sein Departement (Treasury) kontrolliert sämtliche Einnahmen und Ausgaben des Staats, während der eigentliche Finanzminister den Titel Chancellor of the Exchequer führt.

Trebbia (im Altertum Trebia), Fluß in Oberitalien, entspringt am Nordabhang des ligurischen Apennin in der Provinz Genua, fließt nordöstlich, tritt in die Provinz Piacenza und fällt dort nach einem Laufe von 115 km oberhalb der Stadt Piacenza rechts in den Po. Die T. ist historisch berühmt durch zwei Schlachten: in der ersten besiegte Hannibal 218 v. Chr. den römischen Konsul Sempronius Longus. Die zweite fand 17.-20. Juni 1799 statt zwischen den Franzosen unter Macdonald und den vereinigten Österreichern und Russen unter Suworow, wobei erstere unterlagen.

Trebbin, Stadt im preuß. Regierungsbezirk Potsdam, Kreis Teltow, an der Nuthe und an der Linie Berlin-Halle der Preußischen Staatsbahn, 39 m ü. M., hat eine evang. Kirche, ein Amtsgericht, Zigarrenfabrikation, Dampfdrechslerei, Ziegelbrennerei und (1885) 2855 meist evang. Einwohner. Hier 21. Aug. 1813 siegreiches Gefecht des französischen Korps Oudinot gegen die preußische Brigade v. Thümen.

Trebel, Fluß im preuß. Regierungsbezirk Stralsund, entspringt im Kreis Grimmen, fließt westlich und südöstlich, bildet eine Strecke weit die Grenze Pommerns gegen Mecklenburg, steht durch den Mohrgraben mit der Recknitz in Verbindung und mündet bei Demmin links in die Peene. Sie ist bei hohem Wasserstand 28 km weit schiffbar.

Trebellins Maximus, röm. Konsul 62 n. Chr., nach welchem der Senatsschluß über die Universalfideikommisse (senatusconsultum Trebellianum) benannt ist, womit Justinian das Pegasianische Senatuskonsult (unter Vespasian) verschmolz, das vom Abzug des rechtmäßigen Viertels handelt. Letzteres heißt daher Quarta Trebelliana.

Treber (Träber, Trester, Seih), die ausgezogenen Malzhülsen der Bierbrauereien und die ausgepreßten Weintrauben. Erstere bilden ein wertvolles Viehfutter, dessen Nahrungswert mit der Stärke des Biers schwankt. Am besten eignen sich die T. zu Milchfutter. 100 kg Darrmalz liefern durchschnittlich 133 kg nasse T., welche, auf den Darrungsgrad des Malzes zurückgebracht, 33 kg betragen. Die Weintreber verfüttert man mit Spreu, Häcksel, Ölkuchen, Getreideschrot für Rindvieh, Schafe und Schweine; auch dienen sie zur Bereitung von Tresterwein, Branntwein, Essig, Grünspan, Leuchtgas, Frankfurter Schwarz.

Treberausschlag, s. v. w. Schlempemauke, s. Mauke.

Trebinje, Bezirksstadt in Bosnien, Kreis Mostar, am Fluß Trebincica, leicht befestigt, hat ein Schloß und (1885) 1659 Einw., ist Sitz eines katholischen Bischofs, eines Militär-Platzkommandos und Bezirksgerichts und war früher die Hauptstadt des Fürstentums Terbunia. Sehr interessant ist das gegen NW. sich hinziehende Thal der Trebincica, auch Popovopolje (Popenfeld) genannt, zu dem ein steiler Geröllpfad hinaufführt. Daselbst wohnen die im ganzen Land herumziehenden Mauren (Katholiken).

Trebisonda, Stadt, s. Trapezunt.

Trebitsch, Stadt in Mähren, an der Iglawa und der Eisenbahn Brunn-Okrzisko, Sitz einer Bezirkshauptmannschaft und eines Bezirksgerichts, besteht aus der eigentlichen Stadt, 5 Vorstädten und der Judenstadt, hat ein gräflich Waldsteinsches Schloß mit schöner Schloßkirche und Park, eine baulich interessante Abteikirche im Übergangsstil mit großer Krypte und reichem Nordportal, eine Synagoge, ein Staatsobergymnasium, bedeutende Leder- und Schuhfabrikation, Dampfmühle, Bierbrauerei und Mälzerei, Likörfabrikation, Tuchweberei, Leimsiederei, stark besuchte Märkte und nebst dem angrenzenden Unterkloster (1880) 10,452 Einw.

Trebnitz, Kreisstadt im preuß. Regierungsbezirk Breslau, am Trebnitzer Wasser und am Fuß des Trebnitzer Landrückens (Katzengebirge), 146 m ü. M., an der Linie Hundsfeld-T. der Preußischen Staatsbahn, hat eine evangelische und eine kath. Kirche, ein Amtsgericht, Bierbrauerei und (1885) 4920 meist evang. Einwohner. T., das 1228 deutsches Stadtrecht erhielt, ist ein berühmter Wallfahrtsort; das ehemalige Cistercienserkloster (jetzt Krankenanstalt der Schwestern vom heil. Borromeus) wurde 1203 von Hedwig, der Gemahlin Herzog Heinrichs des Bärtigen, gestiftet.

Trebonius, Gajus, röm. Ritter, gab als Volkstribun 55 v. Chr. die nach ihm genannte Lex Trebonia, wodurch Pompejus Spanien, Crassus Syrien aus fünf Jahre als Provinzen verliehen und Cäsar die Provinz Gallien auf weitere fünf Jahre verlängert wurde. Er begleitete Cäsar als Legat nach Gal-

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Trebsen - Treiben.

lien, wurde 45 Konsul, nahm aber später an der Verschwörung gegen Cäsar teil. Im Mai 44 ging er als Prokonsul nach Asien und wirkte hier für Brutus und Cassius, ward aber im Februar 43 von P. Dolabella in Smyrna erschlagen.

Trebsen, Stadt in der sächs. Kreishauptmannschaft Leipzig, Amtshauptmannschaft Grimma, Knotenpunkt der Linien Glauchau-Wurzen und Döbeln-Wermsdorf der Sächsischen Staatsbahn, hat eine evang. Kirche, ein Schloß, Porphyrbrüche und (1885) 1122 evang. Einwohner. Dabei der 220 m hohe Kohlenberg mit Aussichtsturm.

Trebur, Flecken in der hess. Provinz Starkenburg, Kreis Großgerau, unweit des Rheins, hat eine evang. Kirche, bedeutende Käsefabrikation und (1885) 1826 Einw. - T. (ursprünglich Tribur) war schon zu Karls d. Gr. Zeit eine königliche Pfalz, kam später unter die Vogtei der Herren von Münzenberg, ward 1246 von Wilhelm von Holland an den Grafen Diether III. von Katzenelnbogen verpfändet und mit dem größten Teil seines Gebiets von Rudolfvon Habsburg dem Grafen Eberhard von Katzenelnbogen verliehen. Den Rest der Besitzungen, welcher bisher den Herren von Falkenstein gehört hatte, erwarb Graf Johann 1422. T. war in der Zeit der Karolinger und der salischen Kaiser häufig Sitz von Reichstagen; am bekanntesten sind die von 1066, wo Adalbert von Bremen gestürzt wurde, und von 1076, wo die Fürsten Heinrich IV. aufgaben, die Lossprechung vom Bann binnen Jahresfrist zu erwirken. 895 fand daselbst eine Synode statt, zu welcher auch König Arnulf erschien.

Trecate, Flecken in der ital. Provinz Novara, an der Eisenbahn Mailand-Novara, hat Reste alter Befestigungswerke, Reis- und Seidenbau, Käsebereitung und (1881) 5259 Einw.

Trecento (spr. -tschennto. "dreihundert"), in der Kunstgeschichte übliche Bezeichnung für die italienische Kunst des 14. Jahrh., insbesondere für Giotto und seine Schule und für Giovanni Pisano und seine Nachfolger (Trecentisten). Vgl. Quattrocento und Cinquecento.

Treckfahrtskanal, Schiffahrtskanal zwischen Emden und Aurich, in der preuß. Provinz Hannover, ist 23,5 km lang und 3 m tief.

Treckschuiten (holl., spr. -scheuten), s. Halage.

Tredegar, Stadt in Monmouthshire (England), inmitten des reichsten Kohlen- und Eisenreviers, mit (1881) 18,771 Einw.

Tredgold, Thomas, Zivilingenieur, geb. 22. Aug. 1788 zu Lerrendon bei Durham, trat, nachdem er längere Zeit praktisch gearbeitet, 1813 in das Büreau des Architekten Atkinson, Erbauers des Zeughauses in London, ein und trieb eingehende theoretische Studien. Neben zahlreichen Aufsätzen über physikalische Gegenstände veröffentlichte er: die vielfach aufgelegten "Elementary principles of carpentry" (Lond. 1820, 7. Aufl. 1886; daneben andre Ausgaben); "Essay on the strength of cast iron" (neue Ausg. 1860) und die "Treatise on warming and ventilating" (neue Ausg. 1842); "Practical treatise on rail-roads and carriages"; "The steam-engine" (1827; neue Ausg. 1853, 3 Bde.). Er starb 28. Jan. 1829.

Tredici Comuni (spr. treditschi), s. Comuni.

Tredjakowskij, Wasilij Kirillowitsch, russ. Schriftsteller, geb. 1703 zu Astrachan, starb als Hofdichter 6. Aug. (a. St.) 1769. Er war ein talentloser Reimschmied, der durch Liebedienerei sich die Gunst des Hofs erwarb und dadurch zu hohen Ehren stieg, so unter anderm von der Kaiserin Anna Iwanowna zum Mitglied der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften ernannt wurde und den Auftrag erhielt, "die russische Sprache sowohl durch Verse als auch durch Prosa zu reinigen". Alle seine Festgesänge in steifen schwunglosen Versen sind längst vergessen; sein Name lebt nur noch in der litterarischen Kritik fort als Synonym für Talentlosigkeit, dichterische Überhebung und Buhlerei um Hofgunst.

Treene, Fluß in Schleswig-Holstein, entsteht südöstlich von Flensburg, ist 21 km schiffbar und mündet bei Friedrichstadt rechts in die Eider.

Treffen, Kampf zwischen größern Truppenmassen (s. Gefecht); ferner die einzelnen Schlachtlinien, in denen die Truppen nacheinander mit dem Feind in Berührung treten. Man unterscheidet in dieser Hinsicht: ein Vorder- und Hintertreffen, ein erstes, zweites, drittes T. Während das erste T. im unmittelbaren Kampf mit dem Feind sich befindet, ist das zweite zur Unterstützung, Ablösung, Sicherung des Rückens und der Flanken bereit; das dritte dient in der Regel nur als Reserve.

Treffurt, Stadt im preuß. Regierungsbezirk Erfurt, Kreis Mühlhausen, an der Werra, hat eine evangelische und eine kath. Kirche, eine Schloßruine (Normanstein), Zigarrenfabrikation, Obstbau und (1885) 1814 meist evang. Einwohner.

Trèfle (franz., spr. träfl, "Klee, Kleeblatt"), Farbe der franz. Spielkarte, deutsch Treff ("Eichel").

Trefort, August, ungar. Staatsmann, geb. 1817 zu Homonna im Zempliner Komitat, studierte zu Pest die Rechte, trat 1837 in den Staatsdienst, gab 1840 im Verein mit Baron Joseph Eötvös und Ladislaus Szalay die "Budapesti Szemle" (Revue) heraus, wurde 1843 von der Stadt Pest in den Reichstag gewählt, trat 1844 in die Redaktion des Kossuthschen "Pesti Hirlap" ein, ward 1848 Staatssekretär des damaligen Handelsministers Gabriel Klanzal, nach dessen Rücktritt selbst Minister, zog sich aber schon im Oktober vom politischen Leben zurück und reiste (bis 1850) mit Baron Joseph Eötvös ins Ausland. Seit dem Wiedererwachen des konstitutionellen Lebens 1860 war er fortwährend öffentlich thätig teils als Deputierter, teils als Leiter öffentlicher Unternehmungen. Die Alföldbahn ist sein Werk. Seit 1865 Mitglied des Abgeordnetenhauses, stand er stets in den vordersten Reihen der Deákpartei. 1872 wurde er zum Kultusminister ernannt und 1885 zum Präsidenten der ungarischen Akademie erwählt. Er starb 22. Aug. 1888 in Pest. Von ihm erschienen "Reden und Studien" (deutsch, Leipz. 1883) und "Essays und Denkreden" (das. 1887).

Tréguier (spr. treghjeh), Stadt im franz. Departement Côtes du Nord, Arrondissement Lannion, am gleichnamigen Küstenfluß, welcher die größten Schiffe trägt und bald darauf in den Kanal (La Manche) fällt, hat einen guten Handelshafen, Stockfisch-, Makrelen- und Austernfang, Schiffahrt, Handel und (1881) 3125 Einw.

Treibeis, s. Eis, S. 399, und Polareis.

Treibel, s. Lammfelle.

Treiben, das Jagen der Tiere und Ricken durch die Hirsche und Böcke in der Brunftzeit, um sie zu beschlagen; auch ein Revierteil, aus welchem das Wild dem vorstehenden Schützen zugetrieben wird.

Treiben, dehnbare Metalle mit Hammer (Treibhammer) und Amboß (Treibstock) bearbeiten, namentlich Gefäße etc. aus Blech herstellen, indem man durch Ausdehnung der mittlern Teile eines Blechstücks eine Vertiefung erzeugt (Auftiefen) oder den Rand aufbiegt (Aufziehen) und die Wandung ver-

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Treibendes Zeug - Treibjagd.

engert (einzieht) oder erweitert (schweift). Hierbei kommen auch die übrigen Blecharbeiten, wie Bördeln, Sieken etc., zur Anwendung und bei kunstindustriellen Gegenständen namentlich das T. mit Bunzen. Vgl. Getriebene Arbeit. In der Metallurgie s. v. w. abtreiben. - In der Gärtnerei heißt T., gewisse Pflanzen durch Anwendung künstlicher Wärme und andrer Bedingungen früher als naturgemäß zur Ausbildung von Blättern, Blüten und Früchten bringen. Die Treiberei bezieht sich besonders auf feinere Gemüse, Blütenpflanzen u. Obst. Zur Wärmeerzeugung benutzt man, um gleichzeitig feuchte Luft zu erhalten, Mist, Laub, Lohe, Baumwollabfälle, Wasser- und Dampfheizung in Treibkästen oder Gewächshäusern (s. d.). Das T. beginnt, je nach Bedürfnis und Treibfähigkeit der Pflanzen, früher oder später vom Oktober bis März, z. B. bei Hyazinthen im November, bei Tulpen, Roman-Hyazinthen, Maiblumen noch früher. Von Blumen werden getrieben: Blumenzwiebeln, Stauden, schön blühende Gesträuche, vorzugsweise Rosen; von Früchten: Wein, Pfirsiche, Himbeeren, Ananas, Erdbeeren, Aprikosen, Pflaumen und Kirschen; von Gemüsen in Mistbeeten und Treibhäusern: Blumenkohl, Kohlrabi, Kopfsalat, Gurken, Bohnen, Melonen, Karotten, Radieschen etc. Alle getriebenen Blumen sind empfindlich gegen Luftwechsel und müssen weit von Öfen aufgestellt, auch sorgfältig verwahrt transportiert werden. Blütensträucher, Blumenzwiebeln u. a. bedürfen einiger Zeit der Ruhe, ehe sie zu ungewöhnlicher Zeit in Blüte gebracht, d. h. getrieben, werden können. Letztere, Hyazinthen, Tulpen, Krokus u. a., pflanzt man, nachdem sie bereits mehrere Wochen außerhalb der Erde zugebracht, in Töpfe mit leichter Erde und gutem Wasserabzug, gräbt sie dann sortenweise 50 cm tief im Erdboden ein oder stellt sie im kühlen, dunkeln Keller auf, bis sie genügend Wurzeln gebildelt haben, was man bemerkt, wenn man den Topf mit der Zwiebel zwischen den Fingern der linken Hand umkippt; dann kann man sie sofort warm stellen, gibt ihnen aber eine Papierhaube, um durch Abschluß des Lichts den Blütenschaft zu verlängern; Krokus müssen aber im Keller angetrieben werden. Blütensträucher werden erst kalt und nach und nach wärmer gestellt, auch öfters durch Spritzen angefeuchtet; Staudenblumen dürfen nicht vor Sichtbarwerden der Blüte warm stehen. Gemüsepflanzen zieht man zuerst im besondern Kasten an und bringt sie genügend entwickelt in einen andern, inzwischen warm angelegten Kasten. Gurken u. a. treibt man auch im Gewächshaus. Für das T. von Obst, auch Erdbeeren, hat man besondere Häuser, in denen die Sträucher, Bäumchen und Pflanzen nach und nach wärmer und feuchter gehalten werden. Ananasfruchtpflanzen kommen sofort ins warme Haus, am besten mit Unterwärme von Mist, Baumwollabfällen und ausgekochtem Hopfen, die wie beim Mistbeet (s. d.) vorbereitet werden. Vgl. Jäger, Winterflora (4. Aufl., Weim. 1880); Derselbe, Gemüsetreiberei (2. Aufl., das. 1863); Lucas, Gemüsebau (4. Aufl., Stuttg. 1882); Tatter, Anleitung zur Obsttreiberei (das. 1878).

Treibendes Zeug, gangbares Zeug, s. Vorgelege.

Treibhaus, s. Gewächshäuser.

Treibjagd, eine Jagd mit Schützen und Treibern. Im Wald können meist nur Vorstehtreiben (Standtreiben), d. h. solche Treiben eingerichtet werden, bei welchen sich eine Treibwehr auf die an der andern Seite des Treibens angestellten Schützen zu bewegt und das Wild auf diese zutreibt. Die Treiber müssen in einer solchen Entfernung voneinander aufgestellt werden, daß sie sich gegenseitig sehen können, sie müssen mit Innehaltung derselben auf ein gegebenes Signal sich in möglichst gerader Linie langsam fortbewegen und dabei durch Klappern, Husten, Schlagen an den Stämmen Lärm machen. Die Schützen, welche an Wegen, Schneisen etc. möglichst geräuschlos in 50-60 Schritt Abstand angestellt werden, müssen sich thunlichst an Bäumen oder Sträuchern zu decken suchen, bewegungslos verhalten und dürfen ihre Stände nicht vor beendetem Trieb verlassen. Bei den auf Hasen abgehaltenen Feldjagden können die Treiben als Vorstehtreiben, als Kesseltreiben und als böhmische Treiben veranstaltet werden. Die Vorstehtreiben werden ebenso wie im Wald gemacht, nur gräbt man wohl für die Schützen Standlöcher in die Erde oder baut Jagdschirme aus Reisig, wenn es an Bäumen und Sträuchern fehlt, um sie gedeckt aufstellen zu können. Bei den Kesseltreiben läßt man Treiber und Schützen von einem geeigneten Punkt ablaufen. Rechts und links davon wird zur Bestimmung der Entfernung, in welcher sie gehen sollen, in 60-80 Schritt Abstand je nach der Zahl derselben und der Größe des Kessels ein Treiber aufgestellt oder ein Markierpfahl errichtet. Zuerst laufen nun die beiden Flügelführer, d. h. Jäger oder Treiber, die genau ortskundig sind, ab und richten ihren Zug so ein, daß sie nach rechts und links auf der Grenzlinie des Kessels entlang gehen, um auf dem der Auslaufstelle entgegengesetzten Punkt wieder zusammenzutreffen. Sobald sie den Markierpunkt überschritten haben, folgt je ein Treiber und, nachdem 2-4 Treiber abgelaufen sind, nach dem Verhältnis zwischen Treibern und Schützen, je ein Stütze. Ist sämtliches Personal in der vorstehenden Weise abgelaufen, so rückt der Sack, d. h. die hintere Linie, nach, bis die Flügelführer durch ein Hornsignal melden, daß sie zusammengetroffen sind, also der Kessel geschlossen ist. Nunmehr bewegen sich alle langsam nach dem Mittelpunkt, welcher öfters durch eine Stange bezeichnet wird, zu, bis der Trieb so weit ins Enge gekommen ist, daß die Schützen auf 40-50 Schritt Entfernung stehen. Auf das Signal oder den Ruf "Treiber vor" begeben sich diese in den Kessel, während die Schützen stehen bleiben und von da ab auf das Wild, welches noch aufgetrieben wird, nicht mehr in den Kessel, sondern nur noch rückwärts schießen dürfen. Zur Veranstaltung der böhmischen Treiben sind zwei mindestens tausend Schritt lange Leinen erforderlich, in welche auf etwa 40 Schritt Entfernung Zeichen eingeknüpft sind. Auf einen Haspel gewunden, werden diese auf den beiden Punkten des Treibens aufgestellt, von welchen die Flügel ablaufen sollen. Die Flügelführer nehmen die Enden derselben in die Hand und gehen wie beim Kesseltreiben vorwärts. Sobald nun beim Abhaspeln der Leine ein Markierzeichen erscheint, faßt ein Treiber dieselbe dort mit der Hand und folgt den voraufgehenden u. s. f., bis die Lappenleinen abgewickelt sind. Auf der Linie, welche in ihren Endpunkten durch die Enden der Lappenleinen bestimmt ist, werden nun die Schützen aufgestellt, zwischen welchen man noch, falls die Entfernungen beträchtlich sind, je 1-3 Treiber einreiht, damit diese etwa auf sie zulaufendes Wild nach den Schützen abkehren. Ebenso werden noch 2-3 Schützen zwischen den dem Sack zunächst an der Lappenleine gehenden Treibern postiert, welche Lappenschützen heißen und gewöhnlich die meisten Hasen erlegen. In der angegebenen Aufstellung wird nun das ganze für einen Trieb bestimmte Feld abgestreift. Die Hasen rücken anfangs vorwärts, sobald aber die Entfernung

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Treibrad - Treja.

von ihrem Lager zu erheblich wird, kehren sie um und versuchen durch die im Sack postierte Schützenlinie zurückzugehen, wobei sie zu Schuß kommen. An der Grenze des Treibens angelangt, schwenken zuletzt die Flügelführer zusammen und bilden dadurch schließlich einen Kessel. Die Vorstehtreiben, welche man auf Rot-, Dam- und Rehwild sowie auf Sauen veranstaltet, haben gewöhnlich dann wenig Erfolg, wenn man dazu eine aus vielen Treibern bestehende, sehr geräuschvolle Wehr verwendet. Das Wild geht leichter zurück, es wird eher von wenigen ortskundigen Leuten, welche die Treiben abgehen, vorgebracht. Man erlegt auch Waldschnepfen und Wildenten, selbst Gänse und Trappen auf Standtreiben. Am leichtesten lassen sich der Wolf und der Fuchs treiben, und letzterer wird meist auf solchen Treibjagden erlegt, welche man im Wald zugleich auf Hasen veranstaltet.

Treibrad (Triebrad), ein Rad, auf welches die bewegende Kraft, z. B. bei Dampfmaschinen die Kolbenstange, direkt einwirkt.

Treibriemen (Transmissionsriemen), bandförmige Riemen zum Betrieb der Riemenräderwerke (s. d.). Das beste Material zu denselben ist starkes Leder, welches mit der genügenden Festigkeit die wertvolle Eigenschaft verbindet, auf den abgedrehten eisernen Riemenscheiben durch beträchtliche Reibung zu haften. Diese T. bestehen aus einfachem, doppeltem oder dreifachem Leder und werden in Breiten bis zu im ausgeführt. Die Zusammensetzung der einzelnen Teile in der Längsrichtung geschieht durch Nähen, am besten aber durch Zusammenleimen der auf 15-20 cm schräg gefrästen Enden mit einem besonders präparierten Leim. Die Enden der Lederriemen näht man mit dünnen Lederstreifen zusammen oder verbindet sie durch Bolzen, Schrauben, Niete oder durch besonders konstruierte Verbindungsstücke (Riemenschlösser). Zum Aufbringen des Treibriemens auf die Riemenscheiben dient ein Riemenspannflaschenzug. Um die ledernen T. vor dem Brechen zu bewahren, legt man sie vor dem Gebrauch 24 Stunden in Glycerin. In sehr feuchten Räumen verdienen die Guttaperchariemen mit Einlage von festem Hanfgewebe den Vorzug. Seit einiger Zeit hat man versucht, die Lederriemen durch Gurte aus Baumwoll- oder Hanfgewebe zu ersetzen, ohne jedoch damit den erstern gegenüber wesentliche Vorteile zu erzielen. Andre Bestrebungen sind dahin gerichtet, an Stelle der Lederriemen etc. solche aus Metall herzustellen. Dieselben bestehen entweder aus einer Anzahl paralleler Drahtseile, welche durch Stücke von Hirnleder in der Querrichtung verbunden sind, oder aus Ketten mit daran befestigten Riemenstreifen, welche nur die Reibung vermehren sollen, oder aber aus ordentlichen Drahtgeweben. Bis jetzt hat sich jedoch noch keine Art der Metalltreibgurte einer allgemeinen Anwendung zu erfreuen. Vgl. auch Riemenräderwerke.

Treibsätze, s. Feuerwerkerei, S. 225.

Treibschnur, s. Seiltrieb.

Treibstock, s. Treiben.

Treibströmungen, s. v. w. Driftströmungen.

Treideln, s. Halage.

Treignac (spr. tränjack), Stadt im franz. Departement Corrèze, Arrondissement Tulle, an der Vézère, hat ein Kommunalcollège, ein Zweigetablissement der Waffenfabrik zu Tulle, Gerberei, Bierbrauerei, Hutfabrikation, lebhaften Handel und (1881) 1803 Einw.

Treilhard (spr. träjar), Jean Baptiste, Graf, Mitglied des franz. Direktoriums, geb. 3. Jan. 1742 zu Brives im Limousin, studierte zu Paris die Rechte, wurde Advokat beim Parlament, 1789 von der Stadt Paris als Deputierter in die Generalstaaten, nach dem Schluß der Nationalversammlung zum Präsidenten des Kriminalhofs im Departement Seine-et-Oise und 1792 von der Stadt Paris in den Nationalkonvent gewählt. Er stimmte für den Tod des Königs, jedoch für Aufschub der Hinrichtung. Im April 1793 ward er Mitglied des Wohlfahrtsausschusses und mit einer Sendung in die westlichen Departements beauftragt, aber nach seiner Rückkehr wegen allzu großer Milde nicht wieder gewählt. Erst nach Robespierres Sturz trat er wieder in den Wohlfahrtsausschuß, dessen gewöhnlicher Berichterstatter er war. 1795 trat er in den Rat der Fünfhundert und ward endlich Präsident desselben. Am 20. Mai 1797 schied er aus und übernahm die Präsidentschaft einer Sektion des Kassationshofs, ward aber bald darauf als Unterhändler des Friedens mit England nach Lille, sodann als bevollmächtigter Minister nach Neapel und zuletzt zum Kongreß nach Rastatt geschickt, wo er aber nur kurze Zeit verweilte. 1798 ward er Mitglied des Direktoriums, unterstützte den Staatsstreich Bonapartes vom 18. Brumaire und ward daher von demselben später zum Präsidenten des Pariser Appellhofs und Mitglied des Staatsrats ernannt, als welcher er bei der Bearbeitung des Code Napoléon wesentliche Dienste leistete. 1804 ward er zum Präsidenten der Gesetzgebungssektion im Staatsrat ernannt und in den Grafenstand erhoben. Er starb 1. Dez. 1810.

Treisam, Fluß, s. Dreisam.

Treitschke, Heinrich Gotthard von, namhafter Geschichtschreiber und Publizist, geb. 15. Sept. 1834 zu Dresden, Sohn des 1867 gestorbenen sächsischen Generalleutnants v. T., studierte in Bonn, Leipzig, Tübingen und Heidelberg, war 1858-63 Privatdozent der Geschichte in Leipzig, dann Professor in Freiburg, legte aber 1866 wegen der Haltung Badens in der deutschen Krisis sein Amt nieder und ging nach Berlin, wo er die Leitung der "Preußischen Jahrbücher" übernahm, zu deren thätigsten Mitarbeitern er seit 1858 gehört hatte. Im Herbst 1866 als Professor nach Kiel berufen, erhielt er 1867 den durch Häussers Tod erledigten Lehrstuhl in Heidelberg, von wo er 1874 als Professor nach Berlin ging. 1871-88 war er liberales Mitglied des Reichstags. Nach Rankes Tod wurde er zum Historiographen des preußischen Staats ernannt. Treitschkes Schriften sind: "Die Gesellschaftswissenschaft" (Leipz. 1859); "Historische und politische Aufsätze" (5. Aufl., das. 1886, 3 Bde.); "Zehn Jahre deutscher Kämpfe 1865-74" (Berl. 1874, 2. Aufl. 1879) sowie die kleinern: "Der Sozialismus und seine Gönner" (das. 1875); "Der Sozialismus und der Meuchelmord" (das. 1878); "Zwei Kaiser" (das. 1888). Auch gab er "Vaterländische Gedichte" (2. Aufl., Götting. 1859) heraus. Sein Hauptwerk ist die "Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert", von welcher bisher 3 Bde. (Leipz. 1879-85, bis 1830 reichend) erschienen sind. In diesem auf sehr gründlichen Forschungen beruhenden und glänzend geschriebenen Buch prägten sich Treitschkes leidenschaftlicher Patriotismus und seine Abneigung gegen den herkömmlichen Liberalismus so scharf aus, daß es vielfach auf Widerspruch stieß, wie er denn durch einige tadelnde Artikel gegen die Überhebung mancher Juden sich deren Haß zuzog, was zum Anlaß wurde, daß er im Juli 1889 von der Leitung der "Preußischen Jahrbücher" zurücktrat.

Treitzsauerwein, s. Weiß-Kunig.

Treja, Stadt in der ital. Provinz Macerata, Bischofsitz, mit Kathedrale, Gymnasium, technischer Schule und (1881) 2214 Einw.

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Trelawny - Trenck.

Trelawny (spr. treláhni), Edward John, engl. Offizier und Schriftsteller, Freund Byrons und Shelleys, geboren im Oktober 1792 aus einer alten, in Cornwall begüterten Familie, trat sehr jung in die englische Marine ein und führte in den Kriegsunruhen jener Zeit ein sehr wechselvolles Leben. 1821 ließ er sich in Pisa nieder, wo er in ein freundschaftliches Verhältnis zu Shelley trat, den er unmittelbar vor der verhängnisvollen Bootfahrt, auf der er ertrank, noch sah. Er war es auch, welcher die Leiche des Dichters auffand und mit Lord Byron deren Verbrennung anordnete. 1823 folgte er Byron nach Griechenland, ging in dessen Auftrag von Kephalonia in den Peloponnes und nach Livadien, um mit den Führern des Aufstandes zu verhandeln, und wurde Adjutant des Häuptlings Odysseus, mit dessen Tochter er sich verheiratete. Nach seines Schwiegervaters Tod kehrte T. 1827 nach England zurück, wo er fortan teils in London, teils auf seinem Gut Sompting bei Worthing in den Southdownhügeln lebte; hier starb er in hohem Alter 13. Aug. 1881. Seinem Willen gemäß wurde sein Leichnam in Gotha verbrannt und seine Asche in der Nähe der Gräber von Shelley und Keats bei der Cestiuspyramide in Rom beigesetzt. Seine Schriften sind: "The adventures of a younger son" (1831, neue Aufl. 1856; deutsch, Stuttg. 1835), eine Art biographischen Romans, worin er in höchst anziehender Weise sein reichbewegtes Leben in verschiedenen Weltgegenden schildert; die sehr bemerkenswerten "Recollections of the last days of Shelley and Byron" (1858), welche er später in "Records of Shelley, Byron and the author" (1878, 2 Bde.; neue Ausg. 1887) bedeutend erweitert hat. Vgl. Edgcumbe, Edward T. (Lond. 1882).

Trelleborg, Seestadt im schwed. Län Malmöhus, an der Ostsee und den Eisenbahnen Lund-T. und Malmö-T., hat einige Fabriken und (1885) 2266 Einw. T. ist Sitz eines deutschen Konsulats.

Trema, s. Diäresis.

Tremadocschichten, s. Silurische Formation.

Trematoden (Saugwürmer), s. Platoden.

Trembecki (spr. -bétzki), Stanislaw, poln. Dichter, geboren um 1726 in der Nähe von Krakau, machte in seiner Jugend Reisen durch ganz Europa, verweilte längere Zeit am Hof Ludwigs XV. in Paris und wurde nach seiner Rückkehr Kammerherr des Königs Stanislaw August, den er nach seiner Absetzung nach Petersburg begleitete. Später fand er am Hof des Grafen Felix Potocki zu Tulczyn in Podolien ein Unterkommen. Der einst glänzende Kavalier, der an 30 Duelle hatte, meist wegen Damen, verfiel jetzt in Armut und starb als ein menschenscheuer und vergessener Sonderling 12. Dez. 1812. Als Dichter ist T. das Muster eines schmeichlerischen und gesinnungslosen Hofdichters, dabei aber der erste Stilist seiner Zeit, dessen Verdienste um die polnische Sprache hoch anzuschlagen sind. Das bedeutendste seiner Gedichte ist "Zofijowka", eine im hohen Alter verfaßte poetische Schilderung eines Parks, den Graf Potocki seiner Gemahlin Sophie zu Ehren angelegt hatte. Sammlungen seiner Werke erschienen in Breslau (1828, 2 Bde.) und Leipzig (1836, 2 Bde.).

Tremblade, La (spr. trangblad), Stadt im franz. Departement Niedercharente, Arrondissement Marennes, an der Mündung der Seudre in den Atlantischen Ozean und der Eisenbahn Saujon-La Grève, hat (1881) 2874 Einw., Fabrikation von Weingeist, Essig und Flaschen, Salzgewinnung, besuchte Seebäder und (mit Marennes) berühmte Zucht von Austern, welche als weiße junge Austern in der Bretagne gekauft und hier gemästet werden (Jahresertrag 30 Mill. Stück, im Wert von mehr als 2 Mill. Frank).

Trembowla, Stadt in Ostgalizien, südöstlich von Tarnopol, Sitz einer Bezirkshauptmannschaft und eines Bezirksgerichts, hat vorzügliche Steinbrüche, Mühlenbetrieb und (1880) 6432 Einw.

Tremellini (Zitterpilze), s. Pilze (9), S. 71.

Tremessen (poln. Trzemeszno), Stadt im preuß. Regierungsbezirk Bromberg, Kreis Mogilno, an einem See und der Linie Posen-Thorn der Preußischen Staatsbahn, hat eine evangelische und 3 kath. Kirchen, ein Augustiner-Chorherrenstift, ein Progymnasium, ein Amtsgericht, ein öffentliches Schlachthaus, Stärke- und Sirupfabrikation und (1885) 4766 meist kath. Einwohner. Hier Gefecht 10. April 1848 mit polnischen Insurgenten.

Tremiti, ital. Inselgruppe (San Nicola, San Domino, Capraja u. a.) im Adriatischen Meer, 25-30 km von der Küste der Provinz Foggia entfernt. Sie sind alle felsig, vulkanischen Ursprungs, ohne Quellwasser und dienen als Strafkolonie (1881: 518 Bewohner). Im Altertum hießen sie Diomedeae Insulae.

Tremoille, La, s. La Tremoille.

Tremola, Val, s. Tessin (Fluß).

Tremolith, Mineral, s. Hornblende.

Tremolo (tremolando, ital. "Beben, bebend"), in der Musik die schnell wiederholte Angabe derselben Töne (intermittierend) oder einander schnell folgende Verstärkungen des Tons (beim Singen eine bald ermüdende Manier, bei Streichinstrumenten ein höchst wirksamer Effekt, auf dem Klavier das den Ton zu höchster Fülle steigernde Trommeln).

Tremor (lat.), das Zittern; T. artuum, das Gliederzittern.

Tremse, Kornblume, s. Centaurea.

Tremulánt (lat.), in der Orgel eine durch einen besondern Registerzug in oder außer Funktion zu setzende Vorrichtung, welche dem Ton ein mehr oder weniger starkes Beben mitteilt. Der T. ist eine leicht bewegliche Klappe, welche, wenn das Register angezogen wird, den Kanal nahe vorm Windkasten verschließt, aber durch den Orgelwind in eine pendelnde Bewegung versetzt wird.

Tremulieren (lat.), beim Gesang mit der Stimme zittern (vgl. Tremolo); Tremulation, zitternde Bewegung.

Trenck, 1) Franz, Freiherr von der, kaiserl. Pandurenoberst, geb. 1. Jan. 1711 zu Reggio in Kalabrien, wo sein Vater, ein geborner Preuße, als kaiserlicher Oberstleutnant in Garnison stand, ward bei den Jesuiten in Ödenburg erzogen und trat, 17 Jahre alt, in kaiserliche Kriegsdienste. Er war schön, kräftig und trotz seiner Blatternarben in Liebesabenteuern sehr glücklich, reichbegabt, so daß er sieben Sprachen beherrschte. Wegen seines ausschweifenden Lebens und seiner Händelsucht bald wieder entlassen, trat er als Rittmeister in ein russisches Husarenregiment, ward aber auch dort wegen Subordinationsvergehen kassiert und zu mehrmonatlicher Schanzarbeit auf der Festung Kiew verurteilt, wonach er auf seine Güter in Slawonien zurückkehrte. Beim Ausbruch des österreichischen Erbfolgekriegs (1740) erhielt er von der Kaiserin die Erlaubnis, ein Korps von 1000 Panduren auf eigne Kosten auszurüsten und nach Schlesien zu führen. Dasselbe, zuletzt 5000 Mann stark, bildete stets die Vorhut der Armee und zeichnete sich ebensosehr durch Grausamkeit wie Tapferkeit aus. Endlich wurde ihm 1746 wegen vieler Greuelthaten und Subordinationsvergehen ein peinlicher Prozeß gemacht, dem zufolge er in lebensläng-

Meyers Konv.-Lexikon, 4. Aufl, XV. Bd.

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Trendelburg - Trente et quarante.

liche Gefangenschaft auf den Spielberg bei Brünn gebracht wurde, wo er 14. Okt. 1749 starb. Vgl. seine Autobiographie (Leipz. 1748 u. Wien 1807, 2 Bde., reicht bis 1747); "Franz von der T., dargestellt von einem Unparteiischen" (Hübner), mit einer Vorrede von Schubart (Stuttg. 1788, 3 Bde.); Wahrmann, Leben, Thaten, Abenteuer, Gefängnis und Tod des Franz Freih. v. d. T. (Leipz. 1837) und "Freiherr Franz v. d. T." (3. Aufl., Celle 1868, 3 Bde.).

2) Friedrich, Freiherr von der, Abenteurer, geb. 16. Febr. 1726 zu Königsberg i. Pr., Vetter des vorigen, nahm 1740 preußische Kriegsdienste und wurde beim Ausbruch des zweiten Schlesischen Kriegs 1744 Ordonnanzoffizier Friedrichs d. Gr. Bald hernach fiel er in Ungnade, angeblich wegen einer Liebesintrige mit der Schwester des Königs, der Prinzessin Amalia, und die Entdeckung seines an sich unschuldigen Briefwechsels mit seinem Vetter gab dem König erwünschten Anlaß, ihn auf die Festung Glatz bringen zu lassen. Von hier im Januar 1747 entkommen, erhielt T. 1749 in Wien eine Anstellung als Rittmeister bei einem kaiserlichen Kürassierregiment in Ungarn. Als er aber 1753 in Familienangelegenheiten nach Danzig reiste, ward er hier auf Friedrichs II. Befehl verhaftet, nach Magdeburg in die Sternschanze abgeführt und nach einem vereitelten Fluchtversuch an Händen, Füßen und Leib mit schweren Fesseln angeschmiedet. Im Dezember 1763 endlich in Freiheit gesetzt, begab er sich nach Aachen, beschäftigte sich daselbst mit litterarischen Arbeiten und trieb nebenbei einen Weinhandel. Von 1774 bis 1777 bereiste er England und Frankreich und wurde dann von der Kaiserin Maria Theresia zu mehreren geheimen Sendungen gebraucht. Nach dem Regierungsantritt Friedrich Wilhelms II. erhielt er seine in Preußen eingezogenen Güter zurück. Sein unruhiger Geist trieb ihn beim Ausbruch der französischen Revolution nach Paris, wo ihn Robespierre 1794 als angeblichen Geschäftsträger fremder Mächte guillotinieren ließ. Seine Selbstbiographie (Berl. u. Wien 1787, 3 Bde.) ist wohl nicht frei von Übertreibungen. Seine übrigen Schriften sind enthalten in "Trencks sämtliche Gedichte u. Schriften" (Leipz.1786, 8 Bde.). Vgl. Wahrmann, Friedr. Freih. v. d. T. Leben, Kerker und Tod (Leipz. 1837); "Freiherr Friedrich v. d.T." (3. Aufl., Celle 1868, 3 Bde.) und "Kollektion Spemann", Bd. 44.

Trendelburg, Stadt im preuß. Regierungsbezirk Kassel, Kreis Hofgeismar, an der Diemel und der Linie Hümme-Karlshafen der Preußischen Staatsbahn, hat eine evang. Kirche, ein altes Schloß und (1885) 772 Einw.

Trendelenburg, Friedrich Adolf, Philosoph, geb. 30. Nov. 1802 zu Eutin, studierte in Kiel, wo Joh. Erich v. Berger nachhaltigen Einfluß auf ihn übte, Leipzig und Berlin Philosophie und Philologie, habilitierte sich an der Berliner Universität, wurde 1833 außerordentlicher, 1837 ordentlicher Professor, 1846 Mitglied der Akademie und war seit 1847 beständiger Sekretär der historisch-philosophischen Klasse. Kurze Zeit war er in konservativem Sinn auch politisch thätig und auf die Gestaltung des preußischen Universitätswesens sehr einflußreich. Er starb 24. Jan. 1872 in Berlin. Die Leistungen Trendelenburgs teilen sich in philologisch-historische und philosophische. Zu den erstern gehören seine für den ersten Unterricht in der Logik sehr verdienstlichen "Elementa logices Aristotelicae" (Berl. 1837, 8. Aufl. 1878), zu welcher Schrift er eine deutsche Bearbeitung und Ergänzung: "Erläuterungen zu den Elementen der aristotelischen Logik" (das. 1842, 3. Aufl. 1876), lieferte. Für das tiefere Studium des Aristoteles ging er den philosophierenden Philologen bahnbrechend voran mit seiner Ausgabe der Aristotelischen Schrift über die Seele ("Aristotelis de anima etc.", Jena 1833, mit Kommentar). 1840 trat er mit seinen "Logischen Untersuchungen" (Berl. 1840, 2 Bde.; 3, Aufl., Leipz. 1870) hervor, in welchen er die formale Logik der Kantianer und die dialektische Methode Hegels treffend kritisierte, selbst aber ein logisch-metaphysisches System aufstellte, in welchem unter Anklang an Aristotelische Denkweise die Bewegung als das dem Denken und dem Sein Gemeinsame zum Ausgangspunkt einer spekulativen Erkenntnistheorie und zum Mittel einer Ableitung der Grundbegriffe und Grundanschauungen (namentlich von Raum und Zeit) gemacht wird. Die ethische Seite seiner Philosophie entwickelte er in dem Aufsatz: "Die sittliche Idee des Rechts" (Berl. 1849), die ästhetische in den Vorträgen: "Niobe" (das. 1846) und "Der Kölner Dom" (Köln 1853). Gegen das Ende seines Lebens geriet er in einen durch seinen Tod unterbrochenen litterarischen Streit mit Kuno Fischer (s. d. 10) über die Auffassung der Kantschen Lehre, als dessen Frucht die Schrift "Kuno Fischer und sein Kant" (Leipz. 1869) zu betrachten ist. Ein andres systematisches Werk Trendelenburgs ist: "Das Naturrecht auf dem Grunde der Ethik" (Leipz. 1860, 2. Aufl. 1868). Seine "Historischen Beiträge zur Philosophie" enthalten im 1. Band (Berl. 1846) eine Geschichte der Kategorienlehre, im 2. und 3. (das. 1855 und 1867) vermischte Aufsätze, unter denen besonders die Abhandlungen über Spinoza und Herbart hervorzuheben sind. Seine geist- und gehaltvollen akademischen Reden sind größtenteils gesammelt in den "Kleinen Schriften" (Leipz. 1870, 2 Bde.), welche auch die 1843 anonym erschienene Schrift "Das Turnen und die deutsche Volkserziehung" enthalten. Vgl. Bonitz, Zur Erinnerung an T. (Berl. 1872); Bratuscheck, Adolf T. (das. 1873).

Trennen, sich, in der Turfsprache Euphemismus für Herabfallen vom Pferd.

Trense, s. Zaum.

Trent, Fluß in England, entspringt im nördlichen Staffordshire, fließt bei Stoke und Rugeley vorbei, wird bei Burton (193 km oberhalb seiner Mündung) schiffbar und ergießt sich, nachdem er noch Nottingham, Newark und Gainsborough berührt hat, nach einem Laufe von 269 km in den Humber. Der Grand-Trunkkanal (s. d.) verbindet den T. mit dem Mersey und somit die Nordsee mit dem Irischen Meer. Wichtigere Nebenflüsse sind links: Dove, Derwent (s. d.) und Idle; rechts: Stow, Tame und Soar.

Trentaffaire, Streitsache zwischen Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Nordamerika, veranlaßt durch die Verhaftung der südstaatlichen Agenten Mason und Slidell, welche sich 1861 in Havana auf dem englischen Postdampfer Trent nach Europa einschifften, um dort für die Sache der Südstaaten zu wirken, aber 8. Nov. im Bahamakanal von dem amerikanischen Kreuzer San Jacinto unter Kapitän Ch. Wilkes (s. d.), der den Trent anhielt, mit Gewalt nach Nordamerika gebracht wurden. Die englische Regierung drohte mit Abbruch des diplomatischen Verkehrs, wenn die Unionsregierung nicht binnen sieben Tagen das Verhalten des Kapitän Wilkes mißbillige und die Verhafteten freilasse. Die Unionsregierung erfüllte dies Verlangen 26. Dez. 1861, obwohl die öffentliche Meinung in Amerika gegen England sehr aufgeregt und zum Krieg mit demselben geneigt war.

Trente et quarante (franz., spr. trangt e karangt,

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Trente-un - Tréport, Le.

"dreißig und vierzig"), das um zwei Einsatzfelder vermehrte Rouge et noir (s. d.), welches seiner Zeit neben dem Roulette das Hauptlockmittel in den deutschen Spielbädern bildete. Zu den Feldern für Rot und Schwarz (R und S bezeichnet) kommen hinzu diejenigen für Couleur und Inverse (C und I markiert).

Trente-un (franz., spr. trangt-ong, "einunddreißig"), ein Glücksspiel, ähnlich dem Onze et demi. Bei demselben zählt jedes Bild zehn, das As nach Belieben des Spielers elf oder eins, die übrigen Karten nach Augen. As und zwei Bilder sind also "gebornes" T. Jeder erhält anfangs drei Blätter und kann nun hinzukaufen; bekommt er aber dabei über 31 Augen, so ist er tot und verliert unbedingt seinen Satz.

Trenton, Hauptstadt des nordamerikan. Staats New Jersey, am schiffbaren Delaware, ist Knotenpunkt vieler Eisenbahnen, hat ein schönes Staatenhaus (Kapitol), 2 öffentliche Bibliotheken, ein Lehrerseminar, 24 Kirchen, eine Irrenanstalt, ein Zuchthaus, ein Zeughaus, starke Industrie (Töpferei, Walzwerke, Woll- und Papierfabrikation), lebhaften Handel und (1885) 34,386 Einw. T. wurde 1680 gegründet und 1790 zur Hauptstadt erhoben. Hier 26. Dez. 1776 Sieg Washingtons über die Engländer, wobei 900 Hessen gefangen genommen wurden.

Trentongruppe, s. Silurische Formation.

Trentowski, Bronislaus, poln. Philosoph, geb. 1808 zu Kopcie in Polen, studierte zu Berlin unter Hegel Philosophie, habilitierte sich als Dozent der Philosophie an der Universität zu Freiburg i. Br., starb 1869 daselbst. T. versuchte in seinem deutsch geschriebenen Hauptwerk: "Grundlage der universellen Philosophie" (Freiburg 1837), eine selbständige "slawische Philosophie" zu begründen. Er weist darin den drei Hauptrassen Europas ihre Stelle in der weltgeschichtlichen Entwickelung der Philosophie an, indem er an der Hand der dialektischen Methode die Romanen als Träger des Realismus, deren Gegensatz, die Germanen, als solche des Idealismus, dagegen die Slawen als Träger einer künftigen Synthese beider einander zugleich ausschließenden und gegenseitig ergänzenden Geistesrichtungen und dadurch als das Volk "der Philosophie der Zukunft" zu konstruieren unternimmt. Unter seinen polnischen Werken ist zu erwähnen "Chowanna", System einer nationalen Pädagogik (Posen 1842, 2 Bde.), das durch Kühnheit der Gedanken, energischen Stil und allerlei Überschwenglichkeiten in Polen großes Aufsehen erregte; "Myslini" ("Logik", das. 1844); "Panteon" oder Propädeutik des allgemeinen Wissens (1873) und "Verhältnis der Philosophie zur Staatskunst" (ebenfalls in poln. Sprache, das. 1843). Neben Libelt trug T. das meiste zur Belebung der philosophischen Richtung in Polen bei.

Trentschin (ungar. Trencsen), ungar. Komitat am linken Donauufer, 4620 qkm (83,9 QM.) groß, grenzt westlich an Mähren, nördlich an Schlesien und Galizien, östlich und südlich an die Komitate Arva, Turócz und Neutra und wird von unzähligen Bergketten der Bieskiden und der Kleinen Tátra durchzogen. Ebenes Gebiet findet sich lediglich im prachtvollen Waagthal, dessen Romantik durch zahlreiche Burgen erhöht wird, und im SO. bei Baán. Hauptfluß ist die von O. gegen S. fließende Waag mit der Kisucza. Der nicht sehr fruchtbare Boden erzeugt Kartoffeln, Hafer, Obst (besonders Zwetschen), Gartenfrüchte, Flachs, Hanf, viel Holz und in der Ebene auch Getreide. Die Einwohner (1881 : 244,919), meist Slowaken, beschäftigen sich neben der Landwirtschaft mit Viehzucht (Schafe) und mit Branntwein-, Käse- und Honigproduktion. Der Handel mit Holz, das auf der Waag auf Flößen befördert wird, ist sehr lebhaft. Die königliche Freistadt T., an der Waag, Station der Waagthalbahn und Sitz des Komitats und eines Gerichtshofs mit (1881) 4402 slowakischen, deutschen und ungar. Einwohnern, hat mehrere Kirchen, ein Piaristenkloster mit Obergymnasium, eine neue große Kaserne, einen Park und Ruinen der uralten imposanten Bergfeste T. In einem romantischen Seitenthal (8 km nordöstlich) liegt der seit dem 14. Jahrh. bekannte Badeort T.-Teplitz, Bahnstation, mit sehr heilsamen Schwefelquellen (36-40° C.), die gegen Rheumatismus, Gicht, Lähmungen etc. benutzt werden (jährlich über 3000 Kurgäste). Vgl. Ventura, Der Kurort T.-Teplitz (6. Aufl., Wien 1888), und Nagel, T.-Teplitz (2. Aufl., das. 1884).

Trepanation (franz.), chirurg. Operation am Knochen, wobei ein Stück aus demselben ausgebohrt oder ausgesägt wird. Die T. wird am häufigsten am Schädel vorgenommen, und zwar 1) wo die Schädelknochen durch äußere Gewalt tiefer als etwa 6 mm eingedrückt oder die innere Lamelle des Schädelknochens abgesprengt ist und das Gehirn beeinträchtigt; 2) wo fremde Körper (Kugeln, Messerspitzen etc.) im Gehirn stecken oder auf dieses drücken und man Hoffnung hat, durch Entfernung derselben die drohenden Erscheinungen zu beseitigen; 3) wo zwischen den Schädelknochen und dem Gehirn oder in den obern Schichten des letztern größere Eiter- und Blutmassen liegen, vorausgesetzt natürlich, daß man die Diagnose in allen diesen Fällen überhaupt mit Sicherheit stellen kann. Das Instrument, mit dem man ein rundes Stück aus dem Knochen ausbohrt, nennt man Trepan (Trephine); sein gezahntes, einer Kreissäge von etwa 1½ cm Durchmesser entsprechendes Ende heißt die Trepankrone. Das ausgesägte Knochenstück wird mit einem hebelartigen Instrument (Tirefond) herausgehoben und sodann der Fall je nach seiner individuellen Beschaffenheit weiter behandelt. Schon im Altertum, namentlich in der Kriegschirurgie, sehr häufig vorgenommen, gehört die T. jetzt zu den selten zur Ausführung kommenden Operationen, da sie früher außer bei Verletzungen auch bei Geisteskranken ausgeführt wurde (Wilhelm v. Saliceto). Auch das Brustbein hat man trepaniert, namentlich um Eitermassen, welche sich hinter demselben entwickelt hatten, zu entfernen. Unter allen Umständen ist die T. eine lebensgefährliche Operation, weil sie zu einer schweren ältern Verletzung eine nicht minder schwere neue hinzufügt.

Trepang (auch Tripang, Béche de mer), die als Handelsartikel zubereiteten Seegurken (s. Holothurioideen) aus der Gattung Holothuria. In Japan und China werden diese teils als Gewürz für Speisen, teils als Aphrodisiakum sowohl von den Eingebornen als auch von den Europäern genossen. Sie kommen meist von den Inselgruppen des Malaiischen Meers, von der nordaustralischen Küste etc. Sofort nach dem Fang werden sie abgekocht und entweder an der Sonne oder am Feuer getrocknet, auch wohl leicht geräuchert; frisch erreichen sie eine Länge von 25 cm und einen Durchmesser von 5 cm, büßen aber durch jene Prozesse viel von ihrer Größe ein. Die Chinesen unterscheiden über 30 Sorten, deren Preis von 0,70-2 Frank das Kilogramm schwankt. Die Einfuhr nach China betrug 1872 nicht weniger als 18,000 Pikuls. Vgl. Simmonds, The commercial products of the sea (Lond. 1879).

Tréport, Le (spr. -por), Hafenstadt im franz. Departement Niederseine, Arrondissement Dieppe, an der

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Treppe - Tresckow.

Mündung der Bresle in den Kanal (La Manche), durch Eisenbahnlinien mit Abbeville, Amiens, Dieppe und über Beauvais mit Paris verbunden, hat besuchte Seebäder, einen Hafen und (1881) 3937 Einw., welche Fischerei, Seilerei und Schiffbau treiben.

Treppe (Stiege), eine aus aufeinanderfolgenden Stufen bestehende Baukonstruktion von Holz, Stein oder Eisen, durch welche die Verbindung zwischen übereinander liegenden Räumen, z. B. Stockwerken von Gebäuden, bewirkt wird. Hinsichtlich der Form unterscheidet man: gerade Treppen (Fig. 1), bei denen die Wangenstücke gerade sind; gebrochene Treppen (Fig. 2, 3), bei welchen die Richtung der Wangen vom Antritt bis zum Austritt ein- oder mehrmals wechselt und daher mehrere geradlinige Treppenteile ohne oder mit Treppenabsätzen vorhanden sind; doppelarmige Treppen (Fig. 4), bei welchen eine Mitteltreppe in zwei Seitentreppen mit entgegengesetzter Steigung übergeht, wobei auf der erstern oder auf den beiden letztern angetreten werden kann; Wendeltreppen (Fig. 5-7), bei denen die Stufen, die an der äußern Seite breit und an der innern schmal sind, in einer kreis- oder ellipsenförmigen Richtung fortlaufen, und die Spindeltreppen heißen, wenn die Stufen an der innern Seite in einer runden oder eckigen Spindel befestigt sind, Hohltreppen aber, wenn die Windungen der Spindel in einem hohlen Cylinder liegen; gemischte Treppen (Fig. 8), welche aus gewendelten und geraden Armen bestehen; Schneckentreppen, welche die Form eines Kegels haben, aber bloß zu Treppenanlagen in Gärten und bei kleinen Bergen dienen; romanische Treppen, schiefe Flächen ohne Stufen, die zuweilen in Türmen und andern Gebäuden in schneckenförmiger Richtung angebracht werden; Freitreppen, welche außerhalb der Gebäude angebracht werden, wenn die Hausthür der Trockenheit wegen, oder weil sich Souterrains im Haus befinden, etwas hoch angelegt ist. Kurze Treppen pflegt man nicht zu unterbrechen, längern Treppen gibt man nach 13 oder 15 Steigungen Ruheplätze oder Podeste. Jede ununterbrochene T. oder Treppenabteilung heißt ein Treppenarm; daher nennt man aus je einem, zwei und mehr Armen bestehende, mit Podesten versehene Treppen beziehentlich ein-, zwei- und mehrarmige. Bei Anordnung der T. müssen Auftritt und Steigung in einem solchen Verhältnis stehen, daß die T. bequem bestiegen werden kann. Gute Verhältnisse der Steigung zum Auftritt sind 12:33, 14:32, 15:31, 17:30, 18:29, 19:26. Was die Konstruktion der Treppen betrifft, so werden steinerne Treppen aus gemauerten oder besser massiven Stufen hergestellt, welche man untermauert, unterwölbt oder seitlich so einmauert, daß sie die nötige Unterstützung finden. Die hölzernen Treppen sind solche mit eingesetzten Stufen, wobei Tritt- und Futterbretter in Wangen eingeladen, oder solche mit aufgesattelten Stufen, wobei die letztern auf die Treppenbäume geschraubt oder genagelt werden. Eiserne Treppen werden aus einzelnen, meist durchbrochenen gußeisernen Platten zusammengeschraubt. Bei Treppen aus gemischtem Material werden meist gemauerte Stufen auf eisernen Schienen oder gußeisernen Treppenbäumen angewandt, welch erstere mit schwachen steinernen Auftrittplatten oder mit hölzernen Auftritten belegt werden. Zum Belegen hat man in neuerer Zeit auch hartgebrannte Thonplatten verwendet. Steinerne Treppen sind die solidesten, hölzerne Treppen nicht feuersicher, aber elastisch und leicht herstellbar, eiserne Treppen zwar feuersicherer, doch bei Bränden wegen ihrer eignen Hitze schwer passierbar, aber kompendiös und leicht elegant herzustellen. Vgl. Nix, Handbuch der Treppenbaukunst (Leipz. 1887).

Fig. 1. Gerade Treppe.

Fig. 2 u. 3. Gebrochene Treppe.

Fig. 4. Doppelarmige Treppe

Fig. 5-7. Wendeltreppen.

Fig. 8 Gemischte Treppe.

Grundrisse verschiedener Treppen.

Treppengiebel, s. Staffelgiebel.

Treppenschnitt, s. Edelsteine, S. 314.

Treppenwitz, s. Esprit (d'escalier).

Trepprecht, s. Tretrecht.

Treptow, 1) (Alttreptow) Stadt im preuß. Regierungsbezirk Stettin, Kreis Demmin, an der Tollense und der Linie Berlin-Stralsund der Preußischen Staatsbahn, hat eine große evang. Kirche, ein Amtsgericht, ein Warendepot der Reichsbank, Eisengießerei und Maschinenbau, 3 Bierbrauereien, eine große Wassermühle, Viehmärkte und (1885) 4103 meist ev. Einwohner. -

2) (Neutreptow) Stadt daselbst, Kreis Greifenberg, an der Rega und der Eisenbahn Altdamm-Kolberg, hat 2 evang. Kirchen, eine Synagoge, ein Gymnasium, ein Amtsgericht, einen Ritterschaftlichen Kreditverein, Fabrikation landwirtschaftlicher Maschinen, von Silberlöffeln und Essig, Bierbrauerei, eine Dampf- und eine Wassermühle und (1885) 6943 Einw. Nahebei das Remontedepot Neuhof-T. und das ehemalige Prämonstratenserkloster Belbuck (1177 von Herzog Kasimir II. gegründet und sehr reich). In T. ward auf dem Landtag von 1534 die Einführung der Reformation in Pommern beschlossen. -

3) Dorf im preuß. Regierungsbezirk Potsdam, Kreis Teltow, an der Spree und nahe der Berliner Ringbahn, mit Berlin durch Pferdebahn und Dampfschiffahrt verbunden, Vergnügungsort der Berliner, hat (1885) 1178 Einw.

Tres (lat.), drei.

Tresa, der Abfluß des Luganer Sees in den Lago Maggiore.

Tresckow, Hermann von, preuß. General, geb. 1. Mai 1818 zu Blankenfelde bei Königsberg in der Neumark, trat 1835 in das Kaiser Alexander-Regiment, nahm 1848 als Adjutant des Generals v. Bonin am Feldzug in Schleswig-Holstein teil, wurde 1852 Hauptmann im Großen Generalstab, 1855 Major und war 1854-56 der Gesandtschaft in Paris attachiert, ward 1856 Flügeladjutant des Königs, 1860 Kommandeur des 27. Regiments, 1864 General-

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Trescone - Tretrad.

stabschef bei den Zernierungstruppen an der polnischen Grenze, dann in das Militärkabinett berufen, 1865 Generalmajor und Chef der Abteilung für die persönlichen Angelegenheiten, dann des Militärkabinetts selbst. Auf seine Bitte ward ihm im November 1870 das Kommando der 17. Infanteriedivision übertragen, welche er in den Kämpfen bei Orléans und Le Mans befehligte. Ende Januar 1871 ward er zur Dienstleistung als Generaladjutant in das große Hauptquartier kommandiert, erhielt im Februar wieder die Leitung des Militärkabinetts und bald darauf das Kommando der 19. Division, im Januar 1873 das Kommando des 10. und im September d. J. das des 9. Armeekorps. Im Januar 1875 wurde er zum kommandierenden General, bald darauf zum General der Infanterie und im September 1875 zum Chef des 2. Magdeburgischen Infanterieregiments Nr. 27 ernannt. Im August 1888 nahm er seinen Abschied.

Trescone, ital. Nationaltanz in Toscana.

Trescore Balneario, Badeort in der ital. Provinz Bergamo, im Val Cavallina am Cherio gelegen, hat ein besuchtes Schwefelbad (16° C., auch Schlammbad), eine ganz von Lotto ausgemalte Kirche, Seidenindustrie und (1881) 1883 Einw.

Treseburg, Dorf im braunschweig. Kreis Braunschweig, in einer der schönsten Gegenden des Harzes, am Einfluß der Luppbode in die Bode, mit (1885) 191 Einw.; dabei der Wilhelmsblick.

Tresett (tre sette, ilal., "drei Sieben"), ein aus Italien stammendes Spiel mit L'hombrekarte unter vieren, von denen wie im Whist die Gegenübersitzenden alliiert sind. Die Kartenfolge ist stets Drei, Zwei, As, König, Dame, Bube, Sieben, Sechs, Fünf, Vier. Es gelten die Whistregeln, doch gibt es kein Atout, und man spielt nicht um Stiche, sondern um Points. Jedes As in den Stichen zählt 1, je 3 Figuren (Drei bis Bube) zählen 3 (2 überbleibende nichts), der letzte Stich 1. Zum Spielen gesellt sich das Ansagen, welches vor dem ersten Stich nur der Vorhand erlaubt ist. 3 Dreien gelten 4, 4 Dreien 8, die übrigen gedritten Blätter 1, die gevierten 2. 21 Points machen eine Partie. Wer 3 oder 4 Sieben meldet, gewinnt die Partie sofort und legt noch außerdem 1, bez. 2 für die nächste an. Neapolitaine heißt die Sequenz von der Drei an; sie zählt so viel Points, wie sie Blätter stark ist.

Tres faciunt collegium (lat.), "drei machen ein Kollegium", d. h. drei gehören mindestens zu einem Verein, aus den Digesten stammender Rechtsspruch.

Treskow, Udo von, preuß. General, geb. 7. April 1808 zu Jerichow bei Magdeburg, trat 1824 in ein Jägerbataillon, kommandierte 1856-64 das sachsen-altenburgische Truppenkontingent, machte als Oberst u. Kommandeur des 53. Regiments den Mainfeldzug 1866 mit, ward im Juli zum Kommandeur der kombinierten Gardeinfanteriebrigade ernannt, formierte in Leipzig die preuß. Division des 2. Reservearmeekorps und zog mit derselben unter dem Oberbefehl des Großherzogs von Mecklenburg nach Bayern. Nach 1866 als Kommandeur der 33. Brigade mit Organisation der Militärverhältnisse der Hansestädte betraut, erhielt er im Anfang des Kriegs 1870 das Kommando der 1. Landwehrdivision, mit welcher er an der Belagerung von Straßburg teilnahm, und leitete dann die Belagerung von Belsort (s. d.), deren große Schwierigkeiten er jedoch nicht zu überwinden vermochte, so daß die Festung erst nach dem Waffenstillstand ehrenvoll kapitulierte. Im Januar 1871 zum Generalleutnant avanciert, erhielt er nach dem Friedensschluß die 2. Division, nahm 1875 seinen Abschied und starb 20. Jan. 1885 in Stünzhain bei Altenburg.

Tres Montes, Vorgebirge, s. Taytao.

Trésor (franz.), Schatz, Schatzkammer, Geldschrank.

Trésorscheine, s. v. w. Schatzscheine (s. d.). So hießen in Preußen die zuerst 4. Febr. 1806 ausgegebenen und 1824 durch Kassenanweisungen ersetzten Scheine, deren Annahme im Privatverkehr seit 1813 der freien Übereinkunft überlassen war. Ein Teil derselben (die gestempelten) dienten dem Zweck der Antizipation von Steuern. Vgl. Bon.

Trespe, Pflanzengattung, s. Bromus.

Tressan (spr. -ssang), Louis Elisabeth de la Vergne, Graf von, franz. Schriftsteller, geb. 4. Nov. 1705 zu Le Mans, wurde mit dem jungen Ludwig XV. gemeinsam unterrichtet, stieg dann bis zum Generalleutnant empor und bekleidete später beim König Stanislaus die Stelle eines Großmarschalls. Er starb 31. Nov. 1783. Mit Voltaire, Fontenelle und Raynard freundschaftlich verbunden und im Salon der Madame Tencin ein ständiger Gast, hatte T. die Litteratur und die Wissenschaften gepflegt und zahlreiche Gelegenheitsgedichte, ein philosophisches Werk: "Réflexions sommaires sur l'esprit", u. einen "Essai sur le fluide électrique" verfaßt. Als seine Hauptwerke aber sind seine Übersetzung des "Orlando furioso" von Ariost, die ihm die Aufnahme in die französische Akademie verschaffte (1781), und das "Corps d'extraits de romans de chevalerie" (1782, 4 Bde.) zu nennen. Seine "OEuvres completes" gaben Campenon und A. Martin heraus (1822-23, 10 Bde.).

Tressen (franz.), aus Gold - u. Silberfäden oder auch mit Seide, Lahn und Kantille gewebte Bandstreifen oder Borten zum Besatz von Kleidungsstücken, Tapetenbeschlägen u. dgl. Die Kette ist in der Regel von gelber oder weißer Seide, der Schuß von Gold- oder Silbergespinst. Die besten T. sind auf beiden Seiten rechts. Nach den verschiedenen Mustern gibt es: Gaze-, Galonen- und Korallenarbeit und Massiv- oder Drahttressen, sämtlich durchsichtig und leicht, in der Kette von Seide und im Einschlag von dünnem Gold- oder Silberdraht; Bandtressenligaturen, rechts von Gold oder Silber, links ganz von Seide, und geschleifte T., bei welchen auf der rechten Seite nach zwei Einschlagfäden von reichem Gespinst nur ein Seidenfaden zu sehen ist.

Trester, s. v. w. Treber.

Tretgöpel, s. Göpel.

Tretrad (Tretmühle), Maschine zur Aufnahme von Tier- und Menschenkraft. Das gewöhnliche Tret- oder Laufrad ist aus Holz und ähnlich wie ein Wasserrad gebaut, aber an seinem äußern oder innern Umfang nicht mit Schaufeln oder Zellen, sondern mit Sprossen oder Leisten versehen, welche der arbeitende Mensch benutzt, um durch fortgesetztes Steigen sich selbst immer auf derselben Stelle zu behaupten, während das große hölzerne Rad unter seinen Füßen ausweicht, d. h. sich unter Abgabe von Arbeit umdreht. Die Räder können beliebig breit gemacht werden, so daß mehrere, selbst bis 20 Arbeiter nebeneinander Platz haben. Steigen nun diese 20 Mann jeder in der Stunde 3000 Stufen von 0,2 m Höhe, und wird täglich 7 Stunden gearbeitet, so beträgt die tägliche Leistung, wenn der Mensch 65 kg wiegt, 21,000.65.0,2=273,000 Meterkilogramm. Dieser bedeutenden Nutzleistung halber macht man auch heute noch unter gewissen Umständen von Lauf- und Treträdern Gebrauch. Durch Tiere betriebene Lauf- und Treträder sind wegen großer Reibungswiderstände, kolossalen Baues, bedeutender Herstellungs- und Unterhaltungskosten etc. fast ganz außer Gebrauch gekommen; nur für manche landwirtschaftliche Zwecke haben

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Tretrecht - Treviranus.

sich die Tretwerke oder Trittmaschinen noch erhalten. Sie nehmen weniger Raum ein als Göpel und ermöglichen größere Arbeitsleistungen der Tiere, indem diese durch ihr eignes Gewicht wirken und dabei die stete ermüdende Wendung des Körpers wegfällt. Dagegen fehlt den meisten dieser Maschinen die erforderliche Einfachheit und damit die Möglichkeit, ohne öftere Störungen arbeiten zu können.

Tretrecht (Trepprecht), das Recht, beim Ackern das Nachbargrundstück betreten, namentlich auf demselben den Pflug umkehren zu dürfen (vgl. Anwenderecht).

Tretsch, Aberlin, deutscher Architekt des 16. Jahrh., erbaute in den Jahren 1553-70 das alte Schloß in Stuttgart, eine der hervorragendsten Schöpfungen der deutschen Renaissance.

Treubund, ein zu Ende 1848 in Berlin gegründeter antidemokratischer Verein, der bald zahlreiche Anhänger zählte. Zwiespalt zwischen den Anhängern der Konstitution und denen des Absolutismus führte um diese Zeit zu einem Bruch, worauf im November ein neuer Bund: "Die Treue mit Gott für König und Vaterland", ins Leben trat, der sich aber bald wieder auflöste. Vgl. Kunze, Der T. (Berl. 1849). Auch in Kurhessen bestand 1850-53 ein T.

Treuchtlingen, Flecken im bayr. Regierungsbezirk Mittelfranken, Bezirksamt Weißenburg, an der Altmühl, Knotenpunkt der Linien München-Bamberg-Hof und T.-Aschaffenburg-Würzburg der Bayrischen Staatsbahn, hat eine evangelische und eine kath. Kirche, ein Schloß, eine Burgruine, ein Forstamt, Töpferwarenfabrikation und (1885) 2596 Einw.

Treue (lat. Fides) ist das dauernde, aus dem Bewußtsein unsrer Pflicht gegen andre entspringende, wie Anhänglichkeit (franz. attachement, Hundetreue) das bewußtlose Festhalten an diesen.

Treue, Hausorden der, badischer Hausorden, 17. Juni 1715 von Markgraf Karl Wilhelm als Ordre de la fidélité mit Einem Grad gestiftet, 1803 mit Hinzufügung von Kommandeuren erneuert und 1840 mit neuen Statuten versehen; zunächst für auswärtige Fürsten, dann für höhere Staatsbeamte mit Exzellenzrang bestimmt. Die Insignien des jetzt wieder nur Einen Grad habenden Ordens bestehen in einem goldenen, achtspitzigen, rot emaillierten, durch vier ineinander verschlungene C verbundenen Kreuz, in dessen Mittelavers das verschlungene C über Felsen mit der Umschrift "Fidelitas" steht, während sich auf dem Revers das badische Wappen befindet. Das Kreuz wird am orangefarbenen, silbereingefaßten Band getragen, dazu ein silberner Stern mit vier Haupt- und vier Zwischenstrahlen, in dessen Mitte sich das Kreuz befindet.

Treuen, Stadt in der sächs. Kreishauptmannschaft Zwickau, Amtshauptmannschaft Auerbach, an der Trieb und an der Linie Herlasgrün-Falkenstein der Sächsischen Staatsbahn, 471 m ü. M., hat eine evang. Kirche, 2 Schlösser, ein Amtsgericht, bedeutende Fabrikation wollener und baumwollener Tücher, von Treibriemen und Segeltuch, Woll- und Baumwollspinnerei und (1885) 5867 Einw.

Treuenbrietzen, Stadt im preuß. Regierungsbezirk Potsdam, Kreis Zauch-Belzig, an der Linie Juterbog-T. der Preußischen Staatsbahn, 69 m ü. M., hat 2 evang. Kirchen aus dem 13. Jahrh., ein Amtsgericht, Papier-, Tuch- und Holzpantinenfabrikation, bedeutende Landwirtschaft und (1885) 4890 fast nur evang. Einwohner. T., das ursprünglich Brizen (zuerst 1217 urkundlich erwähnt) hieß, erhielt jenen Namen, weil es zur Zeit des falschen Waldemar den Wittelsbachern treu blieb.

Treuga Dei (lat.), s. Gottesfriede.

Treuhänder, s. Testamentsvollstrecker.

Treuschatz, s. Mahlschatz.

Trevelyan (spr. triwilljen), Georg Otto, engl. Schriftsteller und Politiker, geb. 20. Juli 1838 zu Rothley Temple in Leicestershire, Neffe Macaulays, studierte zu Cambridge, folgte 1860 seinem Vater, Sir Charles Edward T., der Gouverneur von Madras geworden, nach Indien, wurde 1865 als Liberaler ins Unterhaus gewählt, 1868 unter Gladstone für kurze Zeit Lord der Admiralität, 1880 Sekretär derselben, 1882 Staatssekretär für Irland, 1885 für kurze Zeit Kanzler von Lancaster. 1886 trennte er sich von Gladstone, weil er dessen Homerulepolitik nicht billigte, versöhnte sich aber schon 1887 mit ihm. Er schrieb: "Competition Wallah" (1864); "Cawnpore, and the massacre there" (1865, 4. Aufl. 1886); "Ladies in Parlament" (1870); "The life and letters of Lord Macaulay" (1876, 2 Bde.; deutsch, 2. Aufl., Jena 1883); "The early history of Charles James Fox" (1880).

Treverer (Treveri, Treviri), Volk im belg. Gallien, welches sich germanischer Abstammung rühmte, aber keltisch sprach, unterwarf sich Cäsar erst freiwillig, machte 54 v. Chr. unter Induciomarus einen Aufstandsversuch, welcher aber von Labienus unterdrückt wurde; ebenso wurde ein Aufstandsversuch unter Julius Florus (21 n. Chr.) niedergeschlagen. Beim Aufstand der Bataver unter Civilis blieben die T. den Römern treu. Ihre Hauptstadt war Augusta Treverorum (Trier). Vgl. Steininger, Geschichte der T. (Trier 1845).

Trèves (spr. trähw), franz. Name für Trier.

Trevi, Stadt in der ital. Provinz Perugia, Kreis Spoleto, in prächtiger Berglandschaft, an der Eisenbahn Rom-Foligno, hat mehrere Kirchen (mit Gemälden von Spagna u. a.), eine kleine Gemäldesammlung, eine technische Schule und (1881) 1238 Einw. In der Nähe der berühmte kleine Tempel des Clitumnus (jetzt Kirche).

Treviglio (spr. -wiljo), Kreishauptstadt in der ital. Provinz Bergamo, an der Eisenbahn Mailand-Venedig (mit Abzweigungen nach Bergamo und Cremona), hat ein altes Schloß, eine schöne Hauptkirche, ein Gymnasium, eine technische Schule, Lehrerbildungsanstalt, Bibliothek, ein hübsches Theater, rege Industrie (besonders Tuch- und Seidenmanufakturen), lebhaften Handel und (1881) 9854 Einw.

Treviranus, 1) Gottfried Reinhold, Naturforscher, geb. 4. Febr. 1776 zu Bremen, studierte seit 1792 in Göttingen Medizin und Naturwissenschaft, ward 1797 Professor der Mathematik und Physik am Lyceum zu Bremen und starb daselbst 16. Febr. 1837. Unter den Schriften des ausgezeichneten Forschers sind hervorzuheben: "Physiologische Fragmente" (Hannov. 1797-99, 2 Bde.); "Biologie oder Philosophie der lebenden Natur" (Götting. 1802-1822, 6 Bde.) und "Die Erscheinungen und Gesetze des organischen Lebens" (Brem. 1831-33, 3 Tle.).

2) Ludolf Christian, Botaniker, Bruder des vorigen, geb. 10. Sept. 1779 zu Bremen, studierte Medizin in Göttingen, wurde dann Arzt in seiner Vaterstadt, 1807 Lehrer am Lyceum daselbst, 1812 Professor der Botanik und Naturgeschichte zu Rostock, 1816 Professor der Botanik und Direktor des botanischen Gartens in Breslau und kam 1830 in gleicher Eigenschaft nach Bonn, wo er 6. Mai 1864 starb. Seine Thätigkeit war anfangs vorwiegend der Phytotomie und Physiologie der Pflanzen, später mehr der Bestimmung und Berichtigung der Spezies gewidmet.

823

Trevirer - Triangulation.

Er entdeckte die Intercellularräume und den Bau der Epidermis, auch betonte er in seinen Untersuchungen die entwickelungsgeschichtlichen Gesichtspunkte und sprach über einige der fundamentalsten Fragen der Phytotomie Ansichten aus, in welchen sich die ersten Keime der später von Mohl ausgebildeten Theorien finden. Auch über die Sexualität der Pflanzen lieferte er mehrere Untersuchungen. Er schrieb: "Vom inwendigen Bau der Gewächse" (Götting. 1806); "Beiträge zur Pflanzenphysiologie" (das. 1811); "Von der Entwickelung des Embryo und seiner Umhüllungen im Pflanzenei" (Berl. 1815) und "Physiologie der Gewächse" (Bonn 1835-38, 2 Bde.).

Trevirer, Volk, s. Treverer.

Treviso, ital. Provinz in der Landschaft Venetien, 2438, nach Strelbitsky 2467 qkm (44,8 QM.) groß mit (1881) 375,704 Einw., ist größtenteils eben und enthält zahlreiche zur Bewässerung und Schiffahrt dienende Flüsse (Piave, Livenza etc.) und Kanäle. Die hauptsächlichsten Produkte sind: Mais (1887: 771,300 hl), Weizen, Wein (67,900 hl), Kastanien und Obst. Gut entwickelt ist auch die Viehzucht, insbesondere die Rinderzucht (1881: 100,099 Stück Rindvieh). Auch die Seidenzucht ist ausgedehnt (1887: 1,6 Mill. kg Kokons). Die Provinz zerfällt in die acht Distrikte: Asolo, Castelfranco Veneto, Conegliano, Montebelluna, Oderzo, T., Valdobbiadene, Vittorio. - Die Hauptstadt T., an der Eisenbahn Udine-Venedig (mit Abzweigungen nach Feltre, Vicenza und Motta di Livenza) und am schiffbaren Sile gelegen und von alten Festungswerken umgeben, ist von altertümlicher Bauart. Hervorragende Bauwerke sind: die Kathedrale San Pietro (eine im 15. Jahrh. durch Pietro Lombardo restaurierte dreischiffige Pfeilerbasilika mit Fresken von Pordenone und Gemälden von Tizian, Paris Bordone u. a.), die gotische Dominikanerkirche San Niccolò (aus dem 14. Jahrh.), das Theater, das Leihhaus (mit berühmtem Gemälde, angeblich von Pordenone) u. a. T. zählt (1881) 18,301 Einw., welche Fabrikation von Metallwaren, Maschinen u. Instrumenten, Seidenwaren, Tuch, Papier, Töpferwaren, Kerzen und Ceresin, Baumwollspinnerei sowie lebhaften Handel betreiben. Es hat ein königliches Gymnasium und Lyceum, ein bischöfliches Lycealgymnasium und Priesterseminar, eine technische Schule, ein Athenäum und eine Bibliothek (mit Gemäldesammlung) und ist Sitz des Präfekten, eines Bischofs, eines Hauptzollamtes und einer Handelskammer.- T. war schon im 6. Jahrh. eine bedeutende Stadt (Tarvisium), ward 776 von Karl d. Gr. belagert und eingenommen und kam, nachdem es seine Herren mehrmals gewechselt, 1388 an Venedig, dessen Schicksale es bis 1797 teilte, wo es von den Franzosen unter Mortier, der dafür den Titel eines Herzogs von T. erhielt, in Besitz genommen ward. Am 5. Mai 1809 fand hier ein Gefecht zwischen den Österreichern und Franzosen statt. Am 21. März 1848 brach in T. ein Aufstand aus, infolge dessen die schwache österreichische Besatzung die Stadt räumen mußte. Am 11. Mai wurden hier die Piemontesen zurückgeschlagen, worauf die Beschießung der Stadt unter Nugent erfolgte. Ein zweites Bombardement unter Welden zwang die Stadt, 24. Juni zu kapitulieren und sich an Österreich zu ergeben. 1866 ward T. italienisch.

Trévoux (spr. -wuh). Arrondissementshauptstadt im franz. Departement Ain, ehemalige Hauptstadt der Landschaft Dombes, an der Saône und der Eisenbahn Paris-Lyon, mit Goldwarenfabrikation und (1886) 1902 Einw. Über das 1704 erschienene "Dictionnaire de T." s. Französische Sprache, S. 618.

Treysa, Stadt im preuß. Regierungsbezirk Kassel, Kreis Ziegenhain, an der Schwalm, Knotenpunkt der Linien Kassel-Frankfurt a. M. und T.-Leinefelde der Preußischen Staatsbahn, 238 m ü. M., hat 2 Kirchen, ein Amtsgericht, Weberei, Strumpfwirkerei, Spinnerei, Holzschneiderei und (1885) 2413 meist evang. Einw. In der Nähe das von Hugenotten erbaute Dorf Franzosendorf. Vgl. Keulenkamp, Geschichte der Stadt T. (1806).

Triade (Trias, lat.), Dreiheit von drei gleichartigen Dingen; daher triadisches Zahlensystem, System, dessen Grundzahl 3 ist.

Triage (franz., spr. -ahsch), Ausschuß, Ware, aus der das Beste ausgesucht ist; insbesondere Kaffeeabfall.

Triakisoktaëder (Pyramidenoktaeder), 24flächige Kristallgestalt des tesseralen Systems, s. Kristall, S. 230.

Trial (engl., spr. trei-el), Untersuchung, Verhör.

Triándrus (griech.), dreimännig, Blüten mit drei Staubgefäßen; daher Triandria, 3. Klasse des Linnéschen Systems, Gewächse mit drei freien Staubgefäßen enthaltend.

Triangel (lat., "Dreieck"), ein in unsern Orchestern gebräuchliches Schlaginstrument einfachster Konstruktion, bestehend aus einem im Dreieck gebogenen Stahl- oder Messingstab, der, durch einen andern Stab angeschlagen, ein hohes klirrendes Geräusch gibt.

Triangularzahlen, s. Trigonalzahlen.

Triangulation (lat., auch trigonometrische Netzlegung), Inbegriff aller Arbeiten, welche einer geregelten topographischen Aufnahme (s. d.) eines Landes vorausgehen müssen, aber auch bei Gradmessungen etc. ausgeführt werden. Zweck der T. ist im eigentlichen Sinn: Bestimmung der Lage von Punkten der Erdoberfläche. Denkt man sich einen Punkt auf eine Fläche projiziert (s. Projektion), so ist die Lage des Punktes bestimmt, sobald die Höhe des Punktes über dieser Fläche und die Lage seiner Projektion auf dieser Fläche bekannt ist. Diese, die Projektionsfläche, ist die Meeresfläche, und die Höhe der Punkte über derselben wird durch Höhenmessung oder Nivellement, ihre Lage auf der Projektionsfläche durch Horizontalmessung oder (eigentliche) T. bestimmt. Die T. zerfällt in Basismessung und Horizontalwinkelmessung.

Unter einer Basis versteht man diejenige auf die Projektionsfläche projizierte Entfernung von Punkten, die der folgenden Bestimmung der Entfernung aller Punkte voneinander als Grundlage dient. Die Länge der Basis beträgt im allgemeinen 3-5 km und ihre Lage wird so ausgesucht, daß sie die Vergrößerung der Seiten ermöglicht und das Terrain zwischen ihren Endpunkten nicht Unebenheiten bietet, die nicht durch den Basismeßapparat überwunden werden könnten. Der Wichtigkeit der Basis für die folgende T. entsprechend, muß man die Basis mit der größten Sorgfalt und mit einem Apparat messen, der die Garantie möglichst kleiner Fehler bietet. Die verschiedenen Basismeßapparate schließen sich im wesentlichen dem von Bessel 1834 zu der Gradmessung in Ostpreußen konstruierten und später verbesserten an. Der Basismeßapparat besteht aus Meßstangen, Glaskeilen u. Zubehör. Die Meßstangen a a (Fig. 1, S. 824), 3-5 an der Zahl, sind von Eisen u. etwa 4 m lang. Auf ihnen liegen Zinkstangen b b von der halben Breite und der ganzen Dicke. An dem einen Ende c sind diese Stangen durch Schrauben u. Lötung fest miteinander verbunden; sonst nicht weiter vereinigt, berühren sie sich der ganzen Länge nach. An beiden Enden der Zinkstange d und e sind Stücke von Stahl aufgelötet, deren

824

Triangulation (Basismessung).

Enden horizontal abgeschrägt sind. Die Eisenstange trägt dagegen nur auf dem einen Ende f ein Stahlstück, welches auch keilförmige Abschärfungen hat, deren Schneiden aber senkrecht zur Ebene der Stange stehen. Aus der ungleichen Ausdehnung von Eisen und Zink folgt, daß die Entfernung e f mit der Temperatur der Meßstangen variiert. Aus der Größe e f ist daher auf diese Temperatur zu schließen, und da die Länge der Stangen bei einer gewissen Normaltemperatur durch vorangegangene Untersuchung bekannt ist, so ist unter fernerer Berücksichtigung des Ausdehnungskoeffizienten des Eisens die jedesmalige Länge der Stangen zu bestimmen. Um die Biegung der Meßstange zu verhüten, liegt dieselbe mittels der Rollenpaare g g (Fig. 2) auf einer eisernen Stange h, die auf dem Boden eines Holzkastens iiii befestigt ist, der die Meßstange der Länge nach einschließt. Aus den Ruhepunkten ist die Stange mittels Mikrometerschraube k beweglich, die auf einer Seite aus dem Kasten heraustritt. Zur Horizontallegung der Stange, resp. zur Ablesung des Winkels, um welchen diese von der horizontalen Lage abweicht, befindet sich auf ihr eine Libelle l mit graduierter Schraube. In der obern Fläche des Kastens sind ein oder zwei mit Glas geschlossene Einschnitte angebracht zur Ablesung der Stangentemperatur an einem auf den Meßstangen ruhenden Thermometer. Die Glaskeile (3-5), in Einem Stück geschliffen, sind nach dem Schleifen so voneinander getrennt, daß die parallelen Ebenen 3 Linien Entfernung haben. Die Stärke der Keile steigt von 0,8-2,0 Linien. Zwischen diesen beiden Grenzen sind auf einer der parallelen Ebenen 120 Striche in gleichen Zwischenräumen so gezogen, daß sie die den Winkel der geneigten Ebenen des Keils halbierende Linie senkrecht durchschneiden. Diese 120 Striche füllen eine Länge von 41 Linien, sind also 1/3 Linie voneinander entfernt und sehr nahe von 0,01 zu 0,01 Linie der Dicke des Keils fortgehend. Da außerdem die Zehntel eines Zwischenraums von 1/3 Linie leicht durch das Augenmaß geschätzt werden, so bieten die Keile das Mittel, noch Tausendstel der Linie zu messen. Zubehör sind Böcke zum Auflegen der Stangen, Gewichte, Pfähle etc.

Der Basismessung gehen die Planierungsarbeiten des Basisterrains voraus, um Unebenheiten des Terrains über 3° Böschung, die durch den Apparat nicht überwunden werden können, durch Abkämmen, resp. Aufführung von Pfahlrosten etc. zu entfernen. Ist dieses geschehen, so werden bei einer langen Basis mittels eines über einem Endpunkt aufgestellten Theodolits (s. d.) in der Richtung nach dem andern Endpunkt Zwischenpunkte bestimmt und diese durch feine Stifte markiert. Von dem einen Endpunkt anfangend, werden dann so viel Böcke aufgestellt, daß auf diese sämtliche Meßstangen hintereinander gelegt werden können. (Fig. 2 zeigt eine auf zwei Böcke gelegte Meßstange.) Das vorderste Ende der ersten Meßstange wird mit dem ersten Endpunkt der Basis in Verbindung gebracht und diese Stange wie auch alle andern mittels Theodolits so eingerichtet, daß sie genau in der Richtung der Basis liegen. Es werden dann mittels der Glaskeile die Entfernung e f (Fig. 1) sowie die Zwischenräume zwischen je zwei Meßstangen gemessen; endlich wird an den Libellenschrauben die Neigung der Meßstange abgelesen. Ist eine Stange entweder zu nahe oder zu weit von der vorliegenden gelegt worden, so daß der Gebrauch der Glaskeile nicht durchführbar, so muß vorher die Stange mittels Mikrometerschraube in den nötigen Abstand gebracht werden. Sind die Ablesungen gemacht und notiert, so wird die erste Stange in die Verlängerung der letzten gebracht und die Messung in derselben Weise fortgesetzt. Da die Messung einer Basis mindestens 14 Tage angestrengter Thätigkeit erfordert, die Arbeit mithin öfters unterbrochen und wieder angeknüpft werden muß, so sind provisorische Festlegungen erforderlich, die mit größter Genauigkeit ausgeführt werden müssen und besondere Maßregeln erfordern, damit bei Wiederaufnahme der Messung auch die kleinsten

825

Triangulation (erster Ordnung).

Fehler vermieden werden. Die bei der Messung ausgeführten Beobachtungen geben das Mittel, die Länge der Basis zu berechnen und auch ferner den wahrscheinlichen Fehler in Bezug auf die Länge zu bestimmen (im allgemeinen kaum ein Milliontel der ganzen Länge). Die Endpunkte der Basis werden behufs späterer Wiederbenutzung sehr fest im Terrain markiert. Der beschriebene Basismeßapparat ist der Reichenbachsche oder Besselsche "Keilapparat", derselbe wird in Preußen, Bayern und Italien gebraucht, Rußland und Schweden benutzen den "Fühlhebelapparat" (s. d.), die Niederlande, Spanien und Portugal den Brunnerschen "Mikroskopenapparat". Ein neuerer von General Baeyer und Bauernfeind empfohlener Apparat ist das Steinheilsche, auf Schienenbahn laufende gußstählerne "Meßrad" mit Zählapparat (im hoch, zwischen Holzwandungen laufend); letzterer Apparat etwa analog dem von Fernel in Frankreich 1525 und Müller in Mähren 1720 zur dortigen Landesvermessung angewendeten Meßrad.

Ist die Länge der Basis durch Messung und nachherige Berechnung bekannt, so ist es möglich, in einem Umkreis von 200 km Halbmesser beliebig viele Punkte zu bestimmen. Dieses geschieht wie folgt: 1) Die Basis A B (Fig. 3) wird bis zu einer Entfernung G H von 40-100 km Länge auf die in der Figur veranschaulichte Weise vergrößert. In jedem der vorhandenen Dreiecke brauchen nur je zwei Winkel gemessen zu werden, um demnächst die Seiten C B, C A und D A, D B, dann C D, darauf E C, E D, F C, F D etc., endlich G H zu berechnen. 2) Von der Seite G H ausgehend, werden Ketten von Dreiecken nach verschiedenen Richtungen bis zu 200 km Entfernung von der Basis geführt und diese Ketten miteinander so verbunden, daß Flächen, welche von Dreiecken nicht überzogen, jedoch ganz umschlossen sind, dazwischen bleiben. Es folgt 3) die Ausfüllung der zwischen den Ketten freigelassenen Räume mit Dreiecken. 4) In die unter 2 und 3 aufgeführten Dreiecke werden Dreiecke eingeschaltet, deren Seitenlängen bis zu 10 km herabsteigen. 5) In letztere Dreiecke werden endlich solche eingeschoben, deren Seitenlängen sich bis zu 2 km vermindern. Alle Messungen, die sich auf 1 und 2 beziehen, umfassen die T. erster Ordnung, die auf 3 bezüglichen die sekundäre T. erster Ordnung, die auf 4 bezüglichen die T. zweiter Ordnung, die auf 5 bezüglichen die Detailtriangulation oder T. dritter Ordnung.

Die T. erster Ordnung gibt die Grundlage zu allen folgenden Triangulationsarbeiten; sie erfordert daher die Anwendung der vorzüglichsten 10-15zölligen Theodolite (s. d.) sowie die größte Sorgfalt bei den Messungen. Die Arbeiten beginnen mit der Rekognoszierung des Terrains und der Auswahl der Punkte, welche behufs Ausführung der Beobachtungen namentlich in waldigem und etwas koupiertem Terrain durch Aufführung von bedeutenden Bauten (Signalen) sichtbar gemacht werden müssen. Die Höhe der Signale variiert je nach den Hindernissen, welche die Durchsicht von einem Punkt zum andern decken, von 3-30 m. Die Signale werden aus starkem Holz so errichtet, daß sie bei heftigem Wind nicht erschüttert werden, und daß derjenige Teil, auf dem das Instrument zu stehen kommt, vollständig isoliert ist von demjenigen Teil, auf dem sich der Beobachter befindet. Dies erreicht man durch zwei ineinander stehende, völlig getrennte Bauten. Statt der Holzsignale werden bei geringern Höhen Steinpfeiler errichtet (1 m hoch), bei Kirchtürmen auf deren Plattform. Diesen Vorbereitungsarbeiten folgen die Beobachtungen. Wegen der großen Entfernung der Punkte voneinander und in Rücksicht auf die möglichst besten Einstellungsresultate wird aber bei der T. erster Ordnung davon abgesehen, die auf den Signalen angebrachten Spitzen oder Tafeln etc. als Einstellungsobjekte zu nehmen, vielmehr stets das mittels des auf dem Nachbarsignal aufgestellten Heliotrops (s. d.) reflektierte Licht eingestellt. Behufs der Beobachtungen wird der Horizontalkreis des Theodolits genau horizontiert, und dann auf jedem Punkt sämtliche vorhandene Richtungen mindestens 24 mal eingestellt, so daß alle Winkel gleich oft gemessen werden. Zur Eliminierung der sehr kleinen, aber stets vorhandenen Einteilungsfehler des Horizontalkreises nimmt man sämtliche Beobachtungen nicht auf einer Station in derselben Stellung des Kreises vor, sondern verändert unter Beibehaltung derselben Stellung des Instruments den Horizontalkreis um einen bestimmten Winkel (gewöhnlich 60°). Auch wird bei der exzentrischen Lage des Fernrohrs in jeder Kreislage jedes Objekt ebenso oft in der einen wie in der andern genau um 180° entgegengesetzten Stellung des Fernrohrs eingestellt. Aus dem Mittel beider Resultate folgt dann der auf das Zentrum des Instruments sich beziehende Winkel. Zwei weitere Feldarbeiten sind: a) Das Nehmen der Zentrierelemente. Da es nicht immer möglich, den Heliotropen oder den Theodolit im Zentrum der Station aufzustellen, so ist die Abweichung hiervon zu messen, um diese den später zu berechnenden Winkeln als Korrektion hinzufügen zu können. b) Das Festlegen des Punktes. Dieses ist unbedingt erforderlich, wenn die Messungen einen dauernden Wert haben und die Anknüpfung späterer Messungen ermöglichen sollen. Es geschieht durch Marksteine, bei der T. erster Ordnung durch eine versenkte, ca. 50 cm im Quadrat große Platte und einen daraufgestellten, ca. 1 m hohen, ca. 50 cm zu Tage tretenden Block. In beide, Stein und Platte, sind in der Mitte der Steinflächen Kreuzschnitte angebracht, deren Mittelpunkte das Zentrum der Station bedeuten. Nach Beendigung der Feldarbeiten beginnt die Berechnung der Kette. Da es nur selten möglich, auf einer Station stets sämtliche Objekte einzustellen, so wird das Mittel aus allen Einstellungen auch nicht deren wahrscheinlichsten Wert ergeben. Die Ermittelung desselben wird durch die Ausgleichung der Stationen erreicht. Es folgt sodann das Zentrieren der Winkel bei denjenigen Stationen, bei denen der Theodolit oder der Heliotrop nicht im Zentrum der Station aufgestellt war. Sind die wahrscheinlichsten Werte der Richtungen hiernach korrigiert, so folgt die Ausgleichung der Kette. Da nämlich in jedem Dreieck sämtliche Winkel gemessen werden und es unmöglich ist, dieselben absolut richtig zu messen, so folgt, daß die Summe der gemessenen Winkel nicht gleich sein wird 180° + dem sphärischen Exzeß (d. h. der Zusatz an Winkelgröße über 180° an der Summe der Winkel eines Kugeldreiecks). Außerdem folgt aus der nicht absoluten Richtigkeit der Winkel, daß bei der Berechnung der Dreiecksseiten stets verschiedene Werte gefunden werden müssen,

826

Triangulation (zweiter Ordnung, Detailtriangulation, Höhenmessungen).

je nachdem der eine oder der andre Winkel zur Berechnung benutzt wird. Beides wird durch die Ausgleichung eliminiert, sämtliche Dreiecke werden so auf 180° + sphärischen Exzeß gebracht, und außerdem erhält jede Dreiecksseite in dem ganzen Netz nur einen einzigen Wert. Die Ausgleichung erfordert die Aufstellung und Auflösung von Gleichungen, deren Anzahl von der Zahl der zu bestimmenden Punkte und der vorhandenen Richtungen abhängt. Die Grenze für die wahrscheinlichen Fehler der Dreiecksseiten erster Ordnung beträgt 1/100000 der Länge.

Die T. zweiter Ordnung (sekundäre T.) wird im allgemeinen wie die T. erster Ordnung ausgeführt; nur gestattet der feste Rahmen, der diese Dreiecke umschließt, bei den Beobachtungen wie bei den Ausgleichungen ein etwas abgekürztes Verfahren. Bei der sekundären T. erfolgen die Rekognoszierungen, die Bebauung und Festlegung wie bei der T. erster Ordnung. Die Beobachtungen werden mit achtzölligen Theodoliten ausgeführt, die Pyramidenspitzen, Kirchturmspitzen als Einstellungsobjekte genommen und jeder Winkel zwölfmal gemessen. Stationsausgleichung findet nicht statt, und die Ausgleichung des Netzes wird nicht im ganzen, sondern nur gruppenweise ausgeführt. Die Fehlergrenze der Dreiecksseite beträgt 1/50000 der Länge. Bei der Detailtriangulation endlich ist wegen der geringen Entfernung der Punkte voneinander die Rekognoszierung und Bebauung bedeutend vereinfacht. Die Signale sind im allgemeinen nur ca. 4-6 m hohe drei- oder vierseitige Pyramiden. Die Festlegung besteht in einem einfachen Block mit Kreuzschnitt. Zu den Beobachtungen werden fünfzöllige Theodoliten benutzt und die Winkel durch sechsmalige Einstellung gewonnen. Bei der Berechnung wird der sphärische Exzeß nicht berücksichtigt. Dreiecksfehler werden auf die drei Winkel verteilt und die Länge der Seiten aus dem arithmetischen Mittel der aus den verschiedenen Dreiecken sich ergebenden Werte derselben Seite mit 1/25000 Fehlergrenze ermittelt. In Fig. 4 sind die Triangulationen der verschiedenen Ordnungen veranschaulicht, und es bezeichnen die starken Linien die T. erster Ordnung, die schwachen die T. zweiter Ordnung und die punktierten die Detailtriangulation.

Was die Höhenmessungen betrifft, so werden die Nivellements eingeteilt in trigonometrische und geometrische Nivellements. Letztere werden unterschieden in geometrische Präzisionsnivellements und einfache geometrische Nivellements. Über einfache Nivellements s. Nivellieren. In der höhern Geodäsie kommen nur trigonometrische und geometrische Präzisionsnivellements zur Anwendung. Die früher angewendeten trigonometrischen Nivellements sind erfahrungsmäßig infolge der Refraktionseinflüsse nicht völlig genau; als Grundlage aller Höhenbestimmungen werden jetzt daher nur geometrische Präzisionsnivellements ausgeführt. Die Fehlergrenze von 3 mm bei guten, 5 mm auf 1 km bei noch brauchbaren Nivellements bedingt die Anwendung vorzüglichster Nivellierinstrumente (Fernrohre mit ca. 32 maliger Vergrößerung) und größte Sorgfalt bei den Beobachtungen. Die Nivellements werden, von dem Nullpunkt eines Pegels ausgehend, auf möglichst ebenen Straßen, Chausseen etc. ausgeführt; von 1/4 Meile zu 1/4 Meile wird ein Punkt der Höhe nach bestimmt und im Terrain, z. B. durch einen in einen Granitblock horizontal eingelassenen gußeisernen Nivellementsbolzen, fest markiert. Von diesen so bestimmten Punkten werden Seitennivellements nach allen in der Nähe liegenden trigonometrisch bestimmten Punkten ausgeführt und so auch deren Höhe über dem Nullpunkt des Pegels ermittelt. Das Nivellement geschieht stets von der Mitte aus, jede Linie wird mindestens zweimal nivelliert, auf den Chausseen findet der Kontrolle halber polygonaler Abschluß statt. Die durch denselben sich ergebenden kleinen Differenzen werden durch die Ausgleichung eliminiert, mittels welcher die definitiven Höhen der Punkte gefunden werden. Näheres über Präzisionsnivellements s. Nivellieren.

Gleichzeitig mit der Horizontalwinkelmessung bei der T. zweiter und dritter Ordnung werden trigonometrische Höhenmessungen zwischen allen denjenigen Punkten vorgenommen, deren Höhen nicht bereits durch geometrische Nivellements bekannt sind. Mit der T. erster Ordnung werden keine Höhenmessungen verbunden, da bei den großen Entfernungen der einzelnen Hauptdreieckspunkte die Unregelmäßigkeiten der Refraktion die Güte des Resultats benachteiligen würden. Da ferner die Refraktion mittags am geringsten ist, so werden die Beobachtungen nur in der Zeit von 10-3 Uhr ausgeführt. Soll der Höhenunterschied h der beiden Punkte A u. B (Fig. 5), dessen Horizontalentfernung a durch die vorangegangene T. bekannt ist, gefunden werden, so ist nur erforderlich, den Winkel z, die Zenithdistanz, zu messen; denn da z = alpha, so folgt: h = a/ tang z. Dieser Höhenunterschied h, zu der absoluten Höhe von A addiert gibt die absolute Höhe von B. Die Zenithdistanzen werden mittels der mit Höhenkreisen versehenen Theodolite genommen. Um richtige Resultate zu erhalten, hat man die Höhe des Fernrohrs in A und die Höhe des eingestellten Objekts in B in Bezug auf die Dreieckspunkte A und B zu messen und in Rechnung zu bringen. Wie in A nach B, wird auch in B nach A

826a

Triasformation I.

von vorn Coratites nodosus.

von der Seite (Art. Ammoniten und Tintenschnecken.~)

Encrinus liliiformis; a Stielglied von der Gelenkfläche. (Art. Krinoideen.)

Stück eines Zahndurchschnittes von Mastodonsaurus Jaegeri, stark vergrößert. (Art. Labyrinthodonten,')

Ein ganzer Gaumen von Placodus Andriani; die Mahlzähne sind erhalten, die Schneidezähne ausgefallen. (Art. Reptilien.')

von der Seite • von vorn Lima striata. (Art. Kammmuscheln.')

Zahn von Mastodonsaurus.

Avicula socialis.

(Art. Muscheln.}

Schädel von Mastodonsaurus Jaegeri. (Art. Labyrinthodonten.)

Fährtenabdrüeke von Chirotherium. (Art. Labyrinthodonten.)

von der Seite von vorn

Cardita crenata. (Art. Muscheln.')

Terebratula vulgaris. (Art. Brachiopoden.}

Posidonomya Clarai. (Art. Muscheln.)

Fährtenabdruck von Brontozoum (Ornitichnites) giganteum

und sogen, fossile Regentropfen (Abdrücke von Luftblasen).

(Art. Dinosaurier,)

Zum Artikel »Triasformation«

826b

Triasformation II.

Pflanzen der Keuperformation.

1. Nadelhölzer (Voltzien). — 2. Riesenschachtelhalm (Equisetum arenaceum). — 3. Brandblattpflanze (Aethophyllum speciosum). — 4. Kammwedel (Pecopteris Meriani). — 5. Kammwedel (Pecopteris angusta). — 6. Netzfarn (Clathropteris). — 7. Kalamiten (Calamites Meriani). — 8. Bandfarn (Taeniopteris marantacea). — 9. Flügelzamie (Pterophyllum Jaegeri).

827

Triangulation - Triasformation.

die Zenithdistanz gemessen und sowohl von hier aus als auch aus der Zusammenstellung der von B über andre Punkte, C D etc. (Fig. 6), nach A zurück ermittelten Höhenunterschiede eine Kontrolle über die Güte der Arbeit ausgeführt. Existieren in einem größern Terrainabschnitt keine durch geometrische Nivellements bestimmten Dreieckspunkte, so ist es erforderlich, wenigstens einige Punkte möglichst sicher der Höhe nach zu bestimmen. Es werden dazu gegenseitig-gleichzeitige Zenithdistanzen genommen. Es seien z. B. die Höhen der Punkte A und F (Fig. 6) bekannt, und es sollen die Höhen der Punkte B, C, D, E bestimmt werden, so messen zunächst auf A und B je ein Beobachter die Zenithdistanzen von A nach B, resp. B nach A und zwar mit Hilfe des Heliotropen oder bei nähern Entfernungen mit Hilfe eines durch Senken einer Tafel etc. gegebenen Zeichens in demselben Zeitmoment. Ist die vorgeschriebene Anzahl von Beobachtungen beendigt, so begibt sich der Beobachter von A nach C. Es werden dann die Zenithdistanzen von B nach C und von C nach B gemessen. Darauf geht der Beobachter von B nach D etc. bis zu Ende.

Die gegenseitig-gleichzeitigen Beobachtungen haben den Vorteil, daß sie annähernd den Einfluß der Refraktion aufheben, kommen indes nur in beschränkter Weise zur Anwendung. Im großen und ganzen werden die trigonometrischen Höhenmessungen durch gegenseitige, aber nicht gleichzeitige Beobachtungen ausgeführt, und nur ausnahmsweise, wenn ein Punkt die Aufstellung des Instruments (wie bei einzelnen Kirchtürmen etc.) nicht erlaubt, oder wenn eine allzu große Genauigkeit nicht verlangt wird, werden einseitige Zenithdistanzen genommen; dann muß aber die Höhe eines solchen Punktes der Kontrolle halber stets von mindestens drei andern bereits bestimmten Punkten aus ermittelt werden. Ist auf beschriebene Weise durch T. und Höhenmessung die Lage eines Punktes auf und über der Projektionsfläche ermittelt worden, so ist die geographische Position desselben festzustellen. Dieses geschieht durch Polhöhen-, Längen- und Azimutbestimmung. In der höhern Geodäsie kommen aber alle diese Arbeiten nur ausnahmsweise vor, da es, wenigstens in Europa, stets möglich sein wird, einen Dreieckspunkt mit einer Sternwarte unmittelbar zu verbinden und so deren Position auf einen Dreieckspunkt zu übertragen. Ist die geographische Position Eines Dreieckspunktes bekannt, so wird mit Hilfe der noch als gültig angenommenen Erddimensionen von Bessel durch einfache Rechnung Breite, Länge und Azimut jedes andern trigonometrisch bestimmten Punktes ermittelt. Vgl. Puissant, Traité de géodésie (Par. 1805); Späth, Die höhere Geodäsie (Münch. 1816); Decker, Lehrbuch der höhern Geodäsie (Mannh. 1836); Fischer, Lehrbuch der höhern Geodäsie (Darmst. 1845-46, 3 Abtlgn.); Bessel und Baeyer, Gradmessung in Ostpreußen (Berl. 1838); Baeyer, Küstenvermessung (das. 1849); die Werke von Gauß und die Veröffentlichungen des Büreaus der Landestriangulation; Bauernfeind, Elemente der Vermessungskunde (6. Aufl., Stuttg. 1879); Jordan, Handbuch der Vermessungskunde (2. Aufl., das. 1878); Börsch, Geodätische Litteratur (Berl. 1889).

Triangulation, in der Gärtnerei die Veredelung mit dem Geißfuß (s. d. und Pfropfen).

Triangulieren (lat.), ein Stück Erdoberfläche behufs trigonometrischer Vermessung in Dreiecke zerlegen (vgl. Triangulation).

Trianon (spr. -nong, Groß- und Klein-T.), zwei Lustschlösser im Park von Versailles. Ersteres 1685 von Ludwig XIV. für Frau von Maintenon nach Mansarts Plänen errichtet, nur ein Stockwerk hoch, von Ludwig Philipp mannigfach umgebaut; letzteres unter Ludwig XV. für die Dubarry erbaut, später Lieblingsaufenthalt der Königin Marie Antoinette, mit schönem englischen Park. Vgl. Lescure, Les palais de T. (Par. 1867); Desjardins, Le Petit-T. (Versaill. 1885); Bosq, Versailles et les Trianons (Par. 1887).

Triarchie (griech.), Dreiherrschaft, Triumvirat.

Triarier (lat.), die ältesten Kerntruppen der altrömischen Legionen vor der Zeit des Marius, deren charakteristische Waffe die Hasta (s. d.) war. Im Gefecht bildeten sie das dritte Treffen.

Trias (griech.), im allgemeinen die "Dreiheit", jede Zusammstellung von drei irgendwie zusammengehörigen Dingen (s. Trinität). In der Zeit des Deutschen Bundes verstand man unter T. die Dreiteilung Deutschlands in Österreich, Preußen und das "eigentliche Deutschland", die "rein deutschen" Mittel- und Kleinstaaten, welch letztern eine festere und engere politische Organisation gegeben werden sollte. Besonders Bayern und sein König Maximilian II. förderten die sogen. Triasidee, weil sie sich davon die Begründung einer bayrischen Hegemonie versprachen. Die Ereignisse von 1866 und 1870-71 haben diese Pläne für immer begraben. - Trias harmonica (lat.), in der Musik s. v. w. konsonierender Dreiklang (Dur- oder Mollakkord); T. superflua, übermäßiger Dreiklang; T. deficiens, verminderter Dreiklang.

Triasformation (hierzu Tafel "Triasformation"), die älteste der mesozoischen Formationen, die Dyasformation bedeckend und von der Juraformation überlagert. Schon hinsichtlich des zusammensetzenden Gesteinsmaterials macht sich die Dreiteilung bemerklich, indem wenigstens in vielen Gegenden der Entwickelung eine vorwiegend aus Sandstein bestehende unterste Abteilung von einer wesentlich aus Kalkstein zusammengesetzten mittlern Abteilung abgelöst wird, welcher als drittes Glied eine Mergelbildung aufgelagert ist. Die Sandsteine sind Quarzsandsteine mit thonigem (meist eisenschüssigem und dann rotem, aber auch kaolinigem und dann weißem) oder kieseligem Bindemittel, dem Korne nach sehr verschieden, feinkörnige vorwiegend, andre Übergänge bis zu großbrockigen Konglomeraten bildend. Die Kalksteine sind der Hauptmasse nach dicht und dunkel gefärbt, durch thonige und organische Substanzen stark verunreinigt, in einzelnen Lagen auch deutlich kristallinisch und dann reiner, mitunter fast ausschließlich aus organischen Resten gebildet. Unter den Mergeln walten bunt gefärbte (marnes irisées) vor; ganz gewöhnlich enthalten sie schwefelsaures Calcium, als Anhydrit oder Gips, beigemengt. In einzelnen Lagen sind sie verkieselt (Steinmergel). Untergeordnet kommen Mergel in der untersten und in der mittlern, Sandsteine in der obersten, seltener in der mittlern, Dolomite, Anhydrite, Gipse und Hornsteine in allen drei Etagen vor. In mehreren Niveaus sind hier und da Steinsalzlinsen eingelagert.

Gliederung und Verbreitung. Die Dreiteilung der T. in Buntsandstein, Muschelkalk und Keuper ist am deutlichsten an den kontinentalen, speziell den deutschen, außeralpinen Schichtensystemen durchzuführen, während sich das Bild in England und Amerika dadurch verwischt, daß die mittlere Abteilung

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Triasformation (Gliederung).

(Muschelkalk) überhaupt nicht zur Entwickelung kam und in der alpinen, übrigens sonst auch weitverbreiteten Facies die Gesteinsunterschiede zwischen den einzelnen Gliedern nicht so charakteristisch hervortreten. Zunächst von der deutschen außeralpinen Facies ausgehend, läßt sich in der untersten Abteilung, dem Buntsandstein, wiederum eine Dreiteilung durchführen: zuerst, bei vollständiger Entwickelung der Formationen, dem Zechstein (s. Dyasformation), oft aber auch ältern Bildungen, beispielsweise dem Granit, aufgelagert, Letten (Leberschiefer), weiße, oft fleckige Sandsteine (Tigersandsteine), in einzelnen Gegenden (am Harz) Roggenstein. Dieser untersten Abteilung folgt der Hauptbuntsandstein (Vogesensandstein), überwiegend rot gefärbt; das bald thonige, bald kieselige Bindemittel ist in den Schichten oft regellos verteilt, so daß durch die Verwitterung groteske Felsenklippen (Annweiler Thal) oder Blockanhäufungen (Felsenmeere) entstehen. Mitunter konzentriert sich das thonige Bindemittel zu größern Gallen oder kleinen, gewöhnlich bald auskeilenden Zwischenschichten. Hin und wieder sind einzelne Sandsteinpartien von kugeligen, aus kieselreicher Masse gebildeten Konkretionen (Kugelfelsen) durchspickt. Das oberste Glied des Buntsandsteins, den Röt, bilden Mergel mit untergeordneten Dolomiten und ebenfalls zurücktretenden, oft pflanzenführenden Sandsteinen (Voltziensandsteinen), nicht selten sehr dünnschieferig, glimmerreich und mit Steinsalzpseudomorphosen und Tierfährten (Chirotheriumsandstein) auf den Oberflächen der Schichten. Als untere Grenze des Muschelkalks, der zweiten Hauptabteilung der T., empfiehlt es sich, einen gegen die Farben des Röts scharf abstechenden, gelblich- oder bräunlich gefärbten Dolomit (Wellendolomit) zu nehmen, welcher zusammen mit dem gewöhnlich sehr mächtigen Wellenkalk dann die unterste Abteilung des ebenfalls dreigliederigen Muschelkalks bilden würde. Letzterer ist ein sehr dünnschieferiger Kalk, mit eigentümlichen Fältelungen und gebogenen Wülsten (sogen. Schlangenwülsten) versehen, beide wohl Eintrocknungserscheinungen. Hier und da ist dem eintönigen Schichtenaufbau eine stärkere versteinerungsreichere Lage eingeschaltet, so namentlich nach oben der Schaumkalk (Mehlbatzen), im deutschen Norden mit größerer, in Mitteldeutschland mit geringerer Mächtigkeit entwickelt, im Süden ganz fehlend. In den Reichslanden und den angrenzenden Länderstrichen ist diese ganze untere Etage des Muschelkalks als eine Sandsteinfacies ausgebildet. Die auf den Wellenkalk folgende Anhydritgruppe wird im allgemeinen aus Mergeln mit Dolomiten (wegen ihrer zelligen Struktur Zellendolomite genannt), auch Hornsteinen, reich an kleinen Versteinerungen, gebildet, wozu, namentlich in Südwestdeutschland, Gips, Anhydrit und Steinsalz kommen, und ist vom Hauptmuschelkalk (Friedrichshaller Kalk) überlagert. Dieser stellt einen Wechsel von Kalksteinen und thonigen Zwischenmitteln dar, in bald dünnen, bald mächtigern Schichten. Die Führung von Versteinerungen ist gewöhnlich auf einzelne Lagen beschränkt, die aber bisweilen überreich an Exemplaren einer Spezies sind, so namentlich mehrere Bänke mit den Stielgliedern von Encrinus liliiformis (Encrinus-, Kriniten- oder Trochitenkalk, s. nebenstehende Abbildung), andre voll von einer kleinen kugeligen Varietät (cycloides) der auf Tafel I abgebildeten Terebratula Vulgaris. In obern Schichten des Hauptmuschelkalks treten als Reste namentlich zwei Ceratiten (Ceratites nodosus und semipartitus) als charakteristische Versteinerungen (Ceratitenkalke) auf. Den Schluß bildet in Süddeutschland ein oft dolomitischer Kalk, nach einem Leitfossil (Trigonodus Sandbergeri), Trigonoduskalk oder -Dolomit genannt. Einige Geologen rechnen dagegen dem Muschelkalk noch die untere Hälfte des Keupers, die Lettenkohlenformation (grauer Keuper, Kohlenkeuper), zu, ein Schichtenprofil von vorwiegend grauen bis schwarzen Mergeln, denen Sandsteine (Lettenkohlensandstein) und Dolomite eingelagert sind, letztere namentlich im obersten Teil sehr mächtig (Grenzdolomit), während an der untern Grenze der Lettenkohlenformation direkt auf dem Trigonodusdolomit oft ein Kalk lagert, in welchem die Schalen eines kleinen Krebses häufig sind (Bairdia pirus, daher Bairdienkalk). Fast allgemein wird im Gegensatz zu dieser Zuziehung der Lettenkohlenformation (welche ihren Namen nach einer an Pflanzenfragmenten reichen, als Feuerungsmaterial aber unbrauchbaren lettigen Kohle trägt) dem Keuper zugezählt, mitunter wohl auch als selbständiges Glied dem Keuper, Muschelkalk und Buntsandstein gegenübergestellt, wobei dann freilich der Name "T." hinfällig werden würde. Den echten (obern, bunten) Keuper eröffnen Gipse, mitunter (Lothringen) Steinsalz führend, in lokal sehr verschiedener Mächtigkeit Anhydrit- oder Gipsmergeln eingelagert, welche außerdem von einzelnen Steinmergelschichten mit Einschlüssen von metallischen Substanzen (Bleiglanz, Kupfererze) durchzogen werden. Größere Sandsteinetagen unterbrechen die bunten Mergel und zwar, von unten nach oben aufgezählt, der Schilfsandstein (nach den schilfartigen Resten von Equiseten so genannt), der Semionotussandstein (mit den Resten eines Fisches, Semionotus Bergeri) und der Stubensandstein (der Name stammt von der gelegentlichen Verwendung zu Sand zerfallener Partien). Zwischen und über diesen Sandsteinetagen sind bunte Mergel entwickelt, zu oberst meist Konkretionen und zahlreiche Knochensetzen führend (Knollenmergel). Was darüber liegt, in Deutschland teils pflanzenführende Thone, teils Sandsteine mit einer fast nur aus Knochenfragmenten und Zähnen bestehenden Lage (Knochenbett, Bonebed), wird wegen der großen Mächtigkeit

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Triasformation (Verbreitung, organische Reste).

gleichaltriger Schichten in den Alpen (s. unten) am besten als selbständige Zwischenbildung zwischen Keuper und Lias (rätische Formation) betrachtet, ist aber auch bald zum Keuper, bald zum Lias (Infralias) gestellt worden.

Die eben geschilderte Gliederung der T. bezieht sich im wesentlichen auf die Entwickelung in Deutschland, wo die T. über große Strecken hinweg in Schlesien, in Nordwest- und Südwestdeutschland und in den Reichslanden eine bedeutende Verbreitung als Oberflächenbildung besitzt und namentlich an der Zusammensetzung einiger Mittelgebirge (Rhön, Spessart, Steigerwald, Odenwald, Schwarzwald, Vogesen) einen hervorragenden Anteil nimmt. Da die nähere Kenntnis der T. speziell von Deutschland ausging, so war man unwillkürlich versucht, gerade in dieser Gliederung eine Art Normalprofil zu erblicken. Aber schon der Versuch einer Parallelisierung mit dem der englischen, noch mehr mit der amerikanischen T. stößt dadurch auf Schwierigkeiten, daß in beiden Ländern der New red Sandstone ein Äquivalent für Buntsandstein und Keuper darstellt, ohne daß sich als trennendes Signal zwischen beiden Gliedern der Muschelkalk nachweisen ließe. So bleibt es bei der großen Ähnlichkeit der obersten Schichten des Röt und der untersten des bunten Keupers unentschieden, welchem der beiden Glieder die englischen Steinsalzlager zuzuzählen sind, während sich für die rätische Formation in England vollkommen sichere Parallelen an der Hand übereinstimmender Petrefakten nachweisen lassen. Nach neuern Forschungen scheint es übrigens auch sicher, daß der Sandstein von Elgin, aus dem die Tafel zur devonischen Formation die Reste des Telerpeton abbildet, nicht, wie schon in dem Artikel "Devonische Formation" als zweifelhaft bezeichnet wurde, zum Old red Sandstone, sondern zum New red Sandstone und speziell zum Keuper gehört. Auf ganz besondere Schwierigkeiten stößt die Parallelisierung mit der alpinen Facies der T., wobei aber betont werden muß, daß nicht diese, sondern die deutsche sich als die rein lokal entwickelte und wenig verbreitete darstellt, indem die Untersuchungen der T. schon in den übrigen europäischen, besonders aber in den übrigen Kontinenten die größte Übereinstimmung mit der alpinen Facies ergeben haben, so für die Apenninen und Karpathen in Europa, den Himalaja und den Salt Range in Südasien, auf Neuseeland, in Japan, in Sibirien, in Südamerika und dem westlichen Nordamerika. Soweit einzelne beiden, der deutschen und der alpinen, Facies gemeinschaftliche Versteinerungen einen Schluß erlauben, sind die meist rot gefärbten Sandsteinschiefer der Werfener Schichten mit Posidonomya Clarai (s. Tafel I) und die Guttensteiner Kalke als Äquivalente des Buntsandsteins, der Virgloriakalk (Recoarokalk, reich an Brachiopoden, und Reiflinger Kalk oder Cephalopodenkalk mit Ammoniten, namentlich aus der Abteilung der Globosen), einschließlich des lokal entwickelten Mendoladolomits, als solche des Muschelkalks aufzufassen. Ihnen sind als obere Trias, neuerdings in zwei (norische u. karnische) Stufen eingeteilt, aufgelagert: die Wengener Schiefer mit Halobia (Daonella) Lommeli. die Cassianer Schichten mit einer überaus reichen Fauna, der Lunzer Sandstein, der Schlerndolomit, der Esinokalk, der Wettersteinkalk, die unter dem Namen der Hallstädter bekannten Marmorarten von Berchtesgaden, Hallein etc., die Raibler Schichten und die Carditaschichten mit Cardita crenata (s. Tafel I), wobei eine Mehrzahl der genannten Glieder nur lokal entwickelte Facies darstellen. Der rätischen Formation (rätischen Stufe) entsprechen der in den Alpen in Form zerklüfteter Bergmassen weitverbreitete Hauptdolomit, der Dachsteinkalk mit seinen berüchtigten Karrenfeldern (s. d.), die sogen. Dachsteinbivalve, Megalodon triqueter. führend, und die Kössener Schichten mit zahlreichen Versteinerungen, darunter die auch im deutschen Röt verbreitete Avicula contorta.

Von organischen Resten fehlen solche pflanzlicher Natur der alpinen Facies der T. sowie dem deutschen Muschelkalk fast gänzlich: was gelegentlich als große Seltenheit in letzterm vorkommt, trägt den Charakter zufällig eingeschlämmten Materials. An Einzelindividuen einer beschränkten Anzahl von Pflanzenarten reich sind bestimmte Horizonte des obern Buntsandsteins und die Sandsteine des Keupers (Lettenkohlen-, Schilf- und Stubensandstein). Die Tafel (Seite II) bildet von Kryptogamen eine Mehrzahl Farnkräuter ab, ferner riesige Schachtelhalme und Kalamiten (letztere häufig, vielleicht immer Steinkerne von Equiseten), das seiner systematischen Stellung nach noch strittige Aethophyllum (nach einigen Paläontologen zu den Typhaceen gehörig, nach andern den Equisetaceen verwandt) aus dem Buntsandstein, von Cykadeen einige Pterophyllum-Arten und von Koniferen Voltzia. Ganz besonders häufig sind im Stubensandstein verkieselte Koniferen-(Araukarien-) Stämme, deren mikroskopische Struktur mitunter vorzüglich erhalten ist. Tierreste sind in der deutschen T. nur im Muschelkalk zahlreicher vorhanden, im Buntsandstein und Keuper auf einige Horizonte beschränkt, während der alpine Keuper (s. oben) einige an Versteinerungen sehr reiche Schichten enthält. Als Beispiele bringt die Tafel (I) zunächst von Krinoiden Krone und Stielglieder von Encrinus liliiformis zur Darstellung, aus welchen (vgl. die Abbildung im Text) bestimmte Lagen des deutschen Muschelkalks fast ausschließlich zusammengesetzt sind. Von den abgebildeten Mollusken gehören der Brachiopode Terebratula vulgaris, die beiden Muscheln Avicula (Gervillia) socialis und Lima striata sowie der Cephalopode Ceratites nodosus ebenfalls dem Muschelkalk an. Die Muscheln Posidonomya Clarai und Cardita crenata wurden schon als Leitfossilien bestimmter Etagen der alpinen T. erwähnt. Von Wirbeltieren sind Fische und Saurier im Muschelkalk und Keuper nicht selten, meist in Form von Knochenfragmenten und Zähnen, gelegentlich aber auch, wie namentlich im süddeutschen Stubensandstein, von wohlerhaltenen Schädeln und ganzen Skeletten. Dieser Etage entstammt Mastodonsaurus Jaegeri, von welchem die Tafel I Schädel und Zähne, letztere auch im mikroskopischen Bild mit den eigentümlich gekröseartigen Windungen der Zahnsubstanz (welche den Namen der Labyrinthodonten für die Abteilung veranlaßt hat) darstellt. Ebenfalls der Stubensandstein hat die besonders im Stuttgarter Museum in unübertroffener Schönheit vertretenen Belodonten geliefert sowie die im gleichen Museum befindliche berühmte Gruppe von 24 etwa halbmetergroßen Individuen von Aetosaurus ferratus. Der auf der Tafel dargestellte Placodus mit seinen großen Mahlzähnen auf Gaumen und Oberkiefer, jetzt allgemein zu den Sauriern gerechnet, entstammt dem Muschelkalk. Endlich seien noch die eigentümlichen Fußspuren erwähnt: aus dem deutschen Buntsandstein Chirotherium und aus dem amerikanischen New Red die dreizehigen Spuren von Brontozoum, jetzt einem auf Vogelbeinen wandernden Saurier zugeschrieben, früher für Vogelspuren (Ornitichnites) ge-

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Tribadie - Tribunen.

halten. In der rätischen Formation sowohl Deutschlands als Englands haben sich die ältesten Säugetierreste vorgefunden: Zähne und Kiefer von Microlestes, wahrscheinlich einem Beuteltier.

Vulkanisches Material gleichzeitigen Datums der Entstehung läßt sich im Gebiet der deutschen T. nicht nachweisen, wohl aber sind jüngere Eruptivgesteine, namentlich Basalte, in Berührung mit triadischen Schichten gekommen und haben an vielen Orten, besonders in benachbartem Buntsandstein, Kontaktwirkungen (Frittung, Bleichung und säulenförmige Absonderung) hervorgerufen. In den Alpen sind granitische und syenitische Gesteine, Porphyre und Melaphyre, in Nordamerika Diorite und Melaphyre triadischen Alters bekannt.

An technisch wichtigen Substanzen sind Buntsandstein, die mächtigern Lagen des Muschelkalks, die Sandsteine des deutschen Keupers, die Marmorarten der Alpen als architektonisch verwendbar zu verzeichnen. Bestimmte Lagen des Muschelkalks dienen zur Bereitung von Luftmörtel und hydraulischem Zement. Steinsalzlager kommen im Röt (Braunschweig, Salzgitter etc.), in der Anhydritgruppe des Muschelkalks (Südwestdeutschland) und den Gipsmergeln des Keupers (Vic und Dieuze in Lothringen) vor; auch das alpine Salz (Ischl, Hallein, Berchtesgaden etc.) dürfte dem untersten Keuper zuzuzählen sein, wonach die Notiz in "Übersicht der geologischen Formationen" (Bd. 7) zu berichtigen sein würde. Von bauwürdigen Kohlenlagern enthält die deutsche T. nichts; die sogen. Lettenkohle kann nur, wenn sie viel Eisenkies oder Strahlkies enthält, auf Vitriol und Alaun verarbeitet werden. Dagegen wird auf Schonen der rätischen Formation angehörige Kohle gewonnen, und ein Teil der bedeutenden Kohlenschätze Chinas soll triadischen Alters sein. In Bezug auf Erzführung sind die Knottenerze von Kommern in der Eifel zu erwähnen, Buntsandsteine mit Körnern von Bleiglanz, ferner ebenfalls im Buntsandstein an vielen Orten Gänge von Schwerspat, Eisen- und Kupfererzen. Dem Muschelkalk sind in Oberschlesien und Baden Zink-, Bleiglanz- und Eisenerzlager eingeschaltet, und der Erzbau von Raibl ist an die gleichnamigen Schichten geknüpft. Die Gipse der verschiedenen Etagen werden namentlich zu landwirtschaftlichen Zwecken abgebaut, und das kaolinige Bindemittel der weißen Buntsandsteine ist ein wertvolles Rohmaterial für die Porzellanfabrikation. Als Bodenbildner verhalten sich die Schichten natürlich sehr verschieden: die Keupermergel, die an thonigen Zwischenmitteln reichern Muschelkalketagen und der Röt liefern gute Böden, an welche in Franken und Schwaben der Weinbau geknüpft ist, schlechte dagegen der Wellenkalk und der Hauptbuntsandstein, letzterer der vorzüglichste Waldboden, wenn die Wälder nicht, wie in der Nähe des Weinbaues, durch Streuentnahme geschädigt werden.

[Litteratur.] Vgl. Alberti, Monographie des bunten Sandsteins, Muschelkalks u. Keupers (Stuttg. 1834); Derselbe, Überblick über die Trias (das. 1864); Eck, Über die Formationen des bunten Sandsteins und Muschelkalks in Oberschlesien (Berl. 1865); Giebel, Die Versteinerungen des Muschelkalks von Lieskau bei Halle (das. 1856); Bornemann, Über organische Reste der Lettenkohlengruppe Thüringens (das. 1856); Gümbel, Die geognostischen Verhältnisse des fränkischen Triasgebiets ("Bavaria", Bd. 4, Münch. 1865); Schenk, Fossile Flora der Grenzschichten des Keupers und des Lias Frankens (Wiesb. 1867); Emmrich, Übersicht der geognostischen Verhältnisse um Meiningen (Meining. 1868-74); Frantzen, Übersicht der geologischen Verhältnisse bei Meiningen (das. 1882); Nies, Beiträge zur Kenntnis des Keupers im Steigerwald (Würzb. 1868); Derselbe, Die angebliche Anhydritgruppe im Kohlenkeuper Lothringens (das. 1873); Schalch, Beiträge zur Kenntnis der Trias am südöstlichen Schwarzwald (Schaffh. 1873); Benecke, Über die Trias in Elsaß-Lothringen und Luxemburg (Straßb. 1877); Thürach, Der fränkische Keuper (Münch. 1889). An Werken über die Verhältnisse der alpinen T. seien außer den betreffenden Kapiteln in Hauers "Geologie" (2. Aufl., Wien 1878) angeführt: Emmrich, Geologische Geschichte der Alpen (Jena 1874); Benecke, Trias und Jura in den Südalpen (Münch. 1866); v. Mojsisovics, Gliederung der obern Triasbildungen der östlichen Alpen (Wien 1869), und eine Reihe meist im "Jahrbuch der Wiener geologischen Reichsanstalt" erschienener Arbeiten desselben Verfassers; Lepsius, Das westliche Südtirol (Berl. 1878).

Tribadie (griech.), s. Lesbische Liebe.

Triberg (Tryberg), Bezirksamtsstadt und Luftkurort im bad. Kreis Villingen, im Schwarzwald und an der Linie Offenburg-Singen der Badischen Staatsbahn, 686 m ü. M., hat eine kath. Kirche, eine Gewerbehalle mit permanenter Ausstellung von Schwarzwald-Industrieerzeugnissen, elektrische Beleuchtung, eine Gewerbe- und eine Schreinerschule, ein Amtsgericht, eine Bezirksforstei, eine Nervenheilanstalt, bedeutende Uhrenfabrikation, Metall- und Holzwarenfabriken, Strohflechterei, Sägemühlen und (1885) 2461 meist kath. Einwohner. Dabei der herrliche Fallbach, von der Gutach (s. d.) gebildet.

Tribometer (griech.), s. Reibung.

Tribon (griech.), kurzer Umhang der Männer und Epheben in den dorischen Staaten Altgriechenlands, Tracht der Philosophen, besonders der Cyniker.

Tribonianus, berühmter röm. Rechtsgelehrter, geboren zu Side in Paphlagonien, war erst Sachwalter, wurde unter dem Kaiser Justinian Quaestor sacri palatii, Magister officiorum, Praefectus praetorio und Konsul. In Gemeinschaft mit den ausgezeichneten Rechtsgelehrten jener Zeit besorgte er 530-34 die Justinianische Kodifikation des römischen Rechts (s. Corpus juris). Er starb 545.

Tribrachys (griech.), dreisilbiger, aus drei Kürzen bestehender Versfuß (^[...]), welcher in metrischen Systemen nur als Auflösung des Jambus oder Trochäus vorkommt.

Tribsees, Stadt im preuß. Regierungsbezirk Stralsund, Kreis Grimmen, an der Trebel, hat eine schöne gotische evang. Kirche aus dem 15. Jahrh. mit kunstvollem Altar, ein neues gotisches Rathaus, eine Präparandenanstalt und (1885) 2950 Einw.

Tribulieren (lat.), plagen, quälen.

Tribunal (lat.), bei den Römern der erhöhte Ort, wo der Magistrat, namentlich der Prätor, auf der Sella curulis sitzend, sein Amt verwaltete; jetzt s. v. w. Gerichtshof, besonders ein höherer, wie das ostpreußische T. in Königsberg (bis 1879), das Obertribunal zu Berlin.

Tribüne (franz.), Rednerbühne, namentlich für parlamentarische Redner; auch die für die Zuhörer bestimmte Galerie in Parlamentslokalen; Schaugerüst; in den altchristlichen Basiliken s. v. w. Apsis (s. Basilika, S. 425).

Tribunen (Tribuni) wurden im alten Rom ursprünglich die Vorsteher der Stammtribus (s. Tribus) genannt; dann wurde das Wort auch überhaupt als Bezeichnung der Vorsteher von Abteilungen grö-

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Tribur - Trichiasis.

ßerer Gemeinschaften gebraucht. So hießen die Anführer von Abteilungen der Reiterei unter den Königen Tribuni celerum, so ferner die Anführer der Legionen Tribuni militum oder Tribuni militares. Dieser letztern gab es in jeder Legion sechs, die den Oberbefehl wechselnd zwei Monate führten und außerdem die Aushebung, die Führung der Listen und andre ähnliche Geschäfte zu besorgen hatten. Dieselben wurden anfangs von den Konsuln ernannt; 362 v. Chr. wurde aber die Wahl von 6, 311 die von 16 der 24 für die regelmäßig zur Aushebung gelangenden 4 Legionen erforderlichen Militärtribunen und endlich 207 die Wahl von sämtlichen 24 dem Volk eingeräumt, während, wenn außerordentlicherweise eine größere Zahl von Legionen ausgehoben wurde, die Ernennung der übrigen T. den Konsuln verblieb. Ferner gab es Tribuni aerarii, welche für bestimmte Abteilungen des Volkes den Tribut einzuziehen und an die Soldaten den Sold zu zahlen hatten. Eine besondere Art von T. waren die Kriegstribunen mit konsularischer Gewalt (tribuni militum consulari potestate), welche nach einem 445 gegebenen Gesetz bis 366 öfters statt der Konsuln ernannt wurden, um auch den Plebejern, welche für dieses Amt wählbar waren, den Zugang zu der höchsten obrigkeitlichen Gewalt zu eröffnen. Die geschichtlich wichtigsten aber waren die Volkstribunen (tribuni plebis), welche 493 eingesetzt wurden, um den Plebejern gegen den Mißbrauch der Amtsgewalt von seiten der damals ausschließlich patrizischen Konsuln Schutz zu gewähren, zu welchem Zweck sie unter besondern religiösen Feierlichkeiten für unverletzlich (sacrosancti) erklärt wurden. Anfangs beschränkte sich ihre Wirksamkeit auf die Einsprache (intercessio) zu gunsten einzelner von Maßregeln der Magistrate bedrohter Plebejer, die ihnen übrigens auch nur in der Stadt und innerhalb einer römischen Meile im Umkreis derselben zustand. Sie dehnten dieselbe indessen, auf ihre Unverletzlichkeit gestützt, immer weiter aus. Sie richteten ihre hindernde Einsprache gegen Amtshandlungen jeder Art, sie luden selbst Patrizier vor das Gericht der Tributkomitien, sie wohnten den Sitzungen des Senats bei und hinderten Beschlüsse desselben durch ihr Verbot (veto), und als die Tributkomitien 449 das Recht erlangt hatten, das ganze Volk bindende Beschlüsse zu fassen, benutzten sie dieselben, um in ihnen Gesetze im Interesse der Plebejer zu beantragen und durchzusetzen, wogegen den Patriziern nur das einzige Mittel zu Gebote stand, die Einsprache eines Tribuns gegen seine Kollegen zu gewinnen, da durch eine solche das Vorgehen der übrigen verhindert werden konnte. Später, als nach den Punischen Kriegen der Gegensatz zwischen Patriziern und Plebejern im wesentlichen aufgehoben war, änderte sich die Wirksamkeit der T. insofern, als sie nicht mehr das Interesse der Plebejer gegen die Patrizier, sondern das des niedern Volkes gegen die Nobilität zu vertreten hatten, obwohl es mit dem fortschreitenden Verfall der Republik immer mehr dahin kam, daß das Tribunat nur zu persönlichen ehrgeizigen Zwecken gesucht und benutzt wurde. Indessen blieb es auch später noch Regel, daß dasselbe, wie von Anfang an, nur von Plebejern bekleidet werden durfte. Die Zahl der T. war bei ihrer Einsetzung fünf oder nach einer andern Angabe zwei, wurde aber 457 auf zehn erhöht. Unter Sullas Diktatur (82-79) wurde das Tribunat auf seine anfängliche geringe Wirksamkeit eingeschränkt, durch Pompejus aber in seinem ersten Konsulat 70 wieder in alle seine Rechte eingesetzt. Unter den Kaisern wurde den T. ihre Bedeutung entzogen, indem jenen die tribunizische Gewalt verliehen wurde; sie wurden aber beibehalten, bis endlich Konstantin d. Gr. ihre Abschaffung verfügte. Im Mittelalter wurde noch einmal ein kurzer Versuch gemacht, das Tribunat wiederherzuhellen, indem vom römischen Volk 1347 die Republik erklärt und Cola di Rienzi zum Tribun erhoben wurde. - Das in Frankreich nach dem Staatsstreich vom 18. Brumaire durch die Verfassung von 1799 eingeführte, von Sieyès ersonnene Tribunat bestand aus 100 Mitgliedern und übte mit dem Gesetzgebenden Körper die gesetzgebende Gewalt, indem es die Gesetzentwürfe der Regierung beraten, der letztere aber dieselben ohne Diskussion verwerfen oder annehmen sollte. Durch Senatuskonsult vom 18. Mai 1804 ward es umgestaltet, indem der größere Teil seiner Mitglieder dem Gesetzgebenden Körper einverleibt ward, die Generalversammlungen aufhörten und nur drei Tribunatsektionen für das Innere, die Gesetzgebung und die Finanzen übrigblieben. Auch diese Schattengewalt ward endlich durch Senatuskonsult vom 19. Aug. 1807 beseitigt, indem an die Stelle der Tribunatsektionen drei Kommissionen des Gesetzgebenden Körpers traten.

Tribur, Flecken, s. Trebur.

Tribus (lat.), 1) Name der drei Stämme des ursprünglichen (patrizischen) röm. Volkes, der Ramnes, Tities und Luceres, von denen der erste aus dem Volk des Romulus, der zweite aus den mit diesem unter Titus Tatius vereinigten Sabinern und der dritte, wie gewöhnlich angenommen wird, aus Etruskern bestand. Sie hatten eine jede ihren Vorsteher, Tribunus genannt, und zerfielen in je zehn Kurien, von denen wiederum eine jede ihren besondern Vorsteher (curio) hatte. Jede dieser Abteilungen hatte ihre eignen Opfer und sonstigen heiligen Gebräuche, deren Verwaltung den Tribunen und Kurionen oblag. Von diesen T. völlig verschieden sind

2) die örtlichen T. oder Bezirke, welche der Überlieferung nach von Servius Tullius eingerichtet wurden und das ganze Volk, Patrizier und Plebejer, umfaßten. Es sollen ihrer anfänglich 30 gewesen sein, durch Gebietsverlust in dem Krieg mit Porsena soll diese Zahl auf 20 herabgemindert worden sein; dann aber wurden mit der Erweiterung des Gebiets immer neue T. gebildet, bis 241 n. Chr. die Zahl 35 erreicht wurde, bei welcher man stehen blieb; vier derselben hießen städtische (t. urbanae), weil sie aus vier städtischen Bezirken gebildet waren; die übrigen gehörten der Landschaft an und hießen daher ländliche (t. rusticae). Auf der Grundlage dieser T. entstand eine besondere Art von Komitien (s. d.), die Comitia tributa, in denen innerhalb der T. nach der Kopfzahl gestimmt wurde, und die daher einen demokratischen Charakter hatten.

Tribut (lat.), ursprünglich die Steuer im alten Rom, welche die Bürger von ihrem Vermögen an den Staat zu zahlen hatten, dann die von den Provinzen erhobene Kopfsteuer (tributum capitis). Jetzt versteht man darunter Abgaben, welche bezwungene Völker an den Sieger zahlen müssen; auch wird im figürlichen Sinn die Gewährung der schuldigen Hochachtung oder Verehrung so genannt.

Tributär (franz.), tributpflichtig.

Tricarico, Stadt in der ital. Provinz Potenza, Kreis Matera, Bischofsitz, mit alten Mauern und Türmen, Kathedrale, Seminar, Seidenzucht, Wein-, Tabaks- und Safranbau und (1881) 7482 Einw.

Trichechus, Walroß.

Trichiasis und Distichiasis (griech.), verschiedene Grade von Einwärtskehrung der Augenwimpern bei normaler Stellung der Lidfläche. Die Wimpern selbst

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Trichine.

sind entweder normal oder verkümmert und verbogen. Die Ursache dieses lästigen und für das Auge gefährlichen Leidens sind langwierige Entzündungen des Augenlidrandes. Die nach einwärts sich krümmenden Härchen reizen die Oberfläche des Auges, veranlassen dadurch ein höchst quälendes Gefühlvon Kratzen, Stechen, Reiben im Auge, ferner Lichtscheu und weiterhin mehr oder weniger intensive Entzündungen der Bindehaut und Hornhaut. In den mildern Graden genügt zur Beseitigung des Leidens das periodische Ausziehen der falsch stehenden Wimpern vermittelst einer feinen Pinzette, in hartnäckigern Fällen muß auf plastisch operativem Wege geholfen werden.

Trichine (Trichina spiralis Ow., s. Tafel "Würmer"), Gattung der Trichotracheliden, einer Familie der Nematoden oder Fadenwürmer, schmarotzt im Körper des Menschen und einzelner Säugetiere. Ihr Vorkommen in den Muskeln höherer Tiere ist schon lange bekannt, nicht aber ihre Herkunft und Gefährlichkeit. Beschrieben, aber nicht richtig gedeutet wurden die verkalkten Trichinenkapseln im Menschen zuerst 1831 von Hilton. Den in der Kapsel enthaltenen Wurm entdeckte 1835 Paget; Owen beschrieb ihn genau und gab ihm den Namen Trichina spiralis. Weiterhin fanden Gurlt und Leidy auch bei der Katze und dem Schwein eingekapselte Trichinen; aber erst Zenker in Dresden machte 1860 die epochemachende Beobachtung, daß eine angeblich am Typhus gestorbene Person an der Trichinenkrankheit (s. d.) zu Grunde gegangen war. Die Sektion der Leiche ergab eine förmliche Überschwemmung der Muskeln mit Trichinen, auch im Darm wurden reife Trichinen gefunden. Die Nachforschung zeigte ferner, daß die Erkrankung von dem Genuß von Schinken, Blut- und Cervelatwurst eines geschlachteten Schweins herrühren mußte; denn diese Teile enthielten ebenfalls Trichinen, und auch andre Personen, welche davon gegessen hatten, waren zu gleicher Zeit alle mehr oder weniger schwer erkrankt. Fütterungsversuche mit trichinösem Fleisch, welche von Zenker selbst sowie von Virchow und Leuckart aus Anlaß dieses Falles bei Tieren angestellt wurden, führten zu dem Resultat, daß die im Fleisch eingekapselten Trichinen im Magen und Darm des damit gefütterten Tiers durch die Verdauung aus ihrer Kapsel befreit werden und sich daselbst schnell, ohne weitere Umwandlung, zu erwachsenen, geschlechtsreifen Tieren ausbilden, deren lebendig geborne Junge alsbald den Darm des Tiers durchbohren, in das Fleisch desselben einwandern und, wenn das betreffende Tier nicht daran stirbt, hier eingekapselt werden. Wird solches Fleisch vom Menschen oder gewissen Säugetieren verzehrt, so geht der Entwickelungsgang abermals vor sich. Man unterscheidet hiernach Muskeltrichinen und Darmtrichinen (s. Tafel "Würmer"). Erstere stellen den unentwickelten Zustand dar, werden 0,7-1,0 mm lang, zeigen deutlich den Verdauungskanal und den nicht völlig ausgebildeten Geschlechtsapparat. Die Darmtrichine, das erwachsene, geschlechtsreife Tier, ist ein feiner, fadenförmiger, runder Wurm mit leicht geringelter chitinöser Körperhülle; das zugespitzte, dünnere Ende ist der Kopf, das dickere, kurz abgerundete der Hinterleib. An ersterm beginnt der Verdauungskanal mit der Mundöffnung, von der im Innern die feine, in ihrer ganzen Länge von einem eigentümlichen Zellkörper umfaßte Speiseröhre ausgeht. An diese schließt sich der flaschenförmig erweiterte und an seinem Ansang mit zwei kleinen, birnförmigen, blindsackartigen Anhängen versehene Magen und weiter der wieder engere und im hintern Teil meist dunkler erscheinende Darm an. Bei dem bis 1,5 mm langen Männchen besitzt das Schwanzende zwei lappenartige Fortsätze, und die Geschlechtsöffnung ist mit dem Ende des Darms zu einer vorstülpbaren Kloake verbunden. Die Länge der Weibchen beträgt 3-4 mm. An innern Geschlechtsorganen besitzen dieselben einen einfachen Eierstock, einen Uterus und eine Scheide. Die äußere Geschlechtsöffnung befindet sich weit nach vorn, etwa an der Grenze des ersten und zweiten Viertels der ganzen Körperlänge. Die Eier sind rundlich, zartwandig und besitzen eine wasserhelle Dotterschicht. Im Uterus entwickeln sich in ihnen die jungen Trichinen und werden etwa am siebenten Tag nach der Ankunft des trichinösen Fleisches im Magen lebendig geboren. Eine erwachsene Trichinenmutter hat etwa 100 lebendige Junge in ihrem Leib, hinter diesen erzeugt sie aber immer neue Eier und Junge. Sie liegt 5-8 Wochen, bis zu ihrem Tod, im Darm vor Anker und liefert immer neue Brut, so daß man auf eine Mutter mindestens 500-1000 Junge rechnen kann. Die Jungen wandern sofort durch die Darmwand, Bauchwand und das lockere Bindegewebe, vielleicht auch durch Vermittelung des Blutstroms in die Körpermuskeln ein. Hier dringen sie in die Primitivfasern, zerstören den Inhalt derselben, buchten an ihrer Lagerstelle, indem sie sich spiralig zusammenrollen, die Hülle der Muskelfaser aus und reizen dieselbe, so daß sie sich verdickt, zum Teil zerstört wird und eine helle, zitronenförmige Kapsel um das Tierchen herum bildet. Zuweilen sind übrigens 2-4 Trichinen in Einer Kapsel vereinigt. Darüber vergehen 2-4 Wochen, aber schon mit 14 Tagen hat die Muskeltrichine ihre volle Größe als solche erreicht. Die Kapsel wird mit der Zeit immer dicker und durch Ablagerung von Kalksalzen undurchsichtig, so daß sie mit bloßem Auge als weißes Pünktchen erkannt werden kann. In dieser Kalkschale lebt die T. in einer Art Scheintod; sie stirbt aber nicht ab, sondern noch nach Jahrzehnten zeigt sie sich, wenn die Kalkkapsel durch Säure gelöst wird, bewegungsfähig oder wird, wenn sie mit dem Fleisch in den Magen eines Tiers kommt und dort durch den sauren Magensaft frei wird, geschlechtsreif. Abgesehen vom Menschen und Schwein, hat man die Trichinen bis jetzt bei Ratten, Mäusen, Katzen, Füchsen, beim Iltis, Marder, Hamster, Dachs, Igel und Waschbären gefunden. Es gelingt indessen auch sicher, sie dem Kaninchen und Meerschweinchen, unsicher, sie dem Schaf und Kalb anzufuttern. Von Haus aus leben sie übrigens wahrscheinlich in den Ratten und werden, da diese sich gegenseitig auffressen, vor dem Aussterben geschützt; zugleich gelangen sie bei Gelegenheit in das Schwein und so auch in den Menschen. Bei letzterm sind sie in allen Erdteilen gefunden worden, in Europa am häufigsten in Deutschland, Schottland, England, Dänemark und Schweden. In Deutschland finden sie sich bei 2-3 Proz. aller menschlichen Leichen. Seit dem erwähnten Zenkerschen Fall ist eine große Reihe epidemischer Trichinenerkrankungen der Menschen festgestellt worden. Erwähnenswert ist besonders die große Epidemie in Hedersleben bei Quedlinburg 1865, wo in einem Dorfe von 2000 Einw. 337 erkrankten und 101 starben. Aktenmäßige Thatsachen und Beobachtungen von dick verkapselten Trichinen in den 60er Jahren und früher weisen darauf hin, daß die Krankheit auch schon früher existierte. Man hat sie nur einem vermeintlichen Wurstgift oder Schinkengift zugeschrieben, und die Häufigkeit der Erkrankungen in der Neuzeit erklärt sich zur Genüge aus der jetzigen Schnellräucherung u. aus der Neigung, das Fleisch roh oder oberflächlich

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Trichinenkrankheit - Trichinenversicherung.

gebraten, saftig und blutigrot zu genießen. Vgl. Leuckart, Untersuchungen über Trichina spiralis (2. Aufl., Leipz. 1866); Pagenstecher, Die Trichinen (das. 1865); Gerlach, Die Trichinen (Hannov. 1866); Virchow, Lehre von den Trichinen (3. Aufl., Berl. 1866); Claus, Über die T. (Wien 1877).

Trichinenkrankheit (Trichinose) tritt in der Zeit vom 1.-30. Tag ein. Die ersten Symptome hängen ab von der Gegenwart und Fortentwickelung der Trichinen im Magen und Darm, die zweite Gruppe von dem Eindringen unzähliger Embryos in die Muskeln, die letzte von der Beendigung der Wanderung und der allmählichen Beruhigung der Muskelreizung während der beginnenden Einkapselung der Trichinen. Abgesehen von dem anfänglich schleichenden Verlauf oder den zuweilen beobachteten stürmischen choleraähnlichen Magendarmerscheinungen, klagen die Patienten in der Regel einige Stunden oder Tage nach dem Genuß trichinösen Fleisches über heftiges Magendrücken, über Aufstoßen und Übelkeit, verbunden mit dem Gefühl großer Mattigkeit und Abgeschlagenheit. Meist tritt einigemal Erbrechen schleimiger und galliger Massen ein. Vom siebenten Tag ab, dem Beginn der Einwanderung der Embryos in die Muskeln, stellen sich, gleichviel ob deutliche gastrische Symptome vorangegangen waren oder nicht, vage Schmerzen, Gefühl von Steifsein und wassersüchtige Anschwellung des Gesichts, besonders der Augenlider, ein. Die Bewegungen werden nun bald sehr erschwert, da die Muskeln starr, unnachgiebig werden, beträchtlich anschwellen, kautschukähnliche Resistenz bekommen und äußerst schmerzhaft sind. Dabei besteht typhöses Fieber, welches früher gewöhnlich und auch jetzt noch zuweilen einen Unterleibstyphus vortäuscht. Der Tod kann an Zwerchfelllähmung oder an allgemeiner Erschöpfung eintreten, er ist von der 2.-7. Woche zu befürchten. Leichte Trichinosefälle gelangen in einigen Tagen bis Wochen zur Genesung; in schwereren Fällen zieht sich die Krankheit 6-7 Wochen hin, ja manchmal vergehen mehrere Monate bis zur vollen Gesundung. Die Gefährlichkeit der Krankheit hängt ab von der Quantität der genossenen Trichinen, in einzelnen Epidemien stieg die Sterblichkeit bis auf 30 Proz. der Erkrankten. Wirksame Heilmittel der Trichinose sind bis jetzt nicht gefunden; Mittel, welche auf die auf der Wanderung befindlichen und in die Muskeln eingedrungenen Trichinen wirken, fehlen ganz, und selbst für frische Fälle, wo es darauf ankommt, die noch im Darm vorhandenen Trichinen zu töten und aus dem Körper zu schaffen, sind noch keine sichern Abführmittel entdeckt worden. Die mit Trichinen behafteten Schweine erkranken nicht, ebensowenig die andern für diese Würmer empfänglichen Tiere, mit Ausnahme der Kaninchen, die auch wohl daran sterben. Nach dem Vorhergehenden läßt sich die Gefahr für den Menschen nur durch eine richtige Prophylaxts abwenden. Die Schweine müssen möglichst vor der Infektion durch Trichinen bewahrt werden. Überall, wo trichinöse Ratten gefunden sind, hat man auch trichinöse Schweine oder andre Fleischfresser entdeckt. Das Schwein erhält seine Trichinen durch Verschlucken von mit dem Kot andrer Schweine abgegangenen Darmtrichinen u. Embryos, außerdem durch das Fressen trichinösen Fleisches anderer Schweine, wie der Fleischabfälle vom Schweineschlachten. Gerade die Abdeckereien, wo Abfälle von Schweinekadavern verfüttert werden, gelten als die raffiniertesten Trichinenschweine-Züchtungsanstalten. Ein zweites Schutzmittel liegt in der obligatorischen mikroskopischen Untersuchung aller frisch geschlachteten Schweine sowie der jetzt zahlreich eingeführten amerikanischen Speckseiten. Da die Trichinen an gewissen Körperstellen und zwar im Zwerchfell, den Zwischenrippen-, Hals-, Kehlkopf-, Kiefer- und Augenmuskeln und besonders an den Übergängen der Muskeln in die Sehnen sehr reichlich sich vorfinden, so wählt man solche Stellen zur Untersuchung. Man schneidet aus jedem dieser sechs Muskeln ein 2-3 mm langes Stückchen aus und fertigt von jedem Stückchen etwa fünf Präparate an. Hat man bei genaueer Untersuchung in diesen 30 Präparaten keine Trichinen gefunden, so darf man auch die Ungefährlichkeit des Schweins annehmen. Die Erfahrungen in Rostock, Berlin, Braunschweig etc. haben den Wert dieser obligatorischen Trichinenschau bestätigt. In der Stadt Braunschweig z. B. hat man in sieben Jahren unter 93,099 Schweinen 18 trichinöse entdeckt. Wer wissentlich trichinenhaltiges Fleisch feilhält oder verkauft, verfällt nach dem deutschen Reichsstrafgesetzbuch (§ 367) in eine Geldstrafe bis zu 150 Mk. oder in Haftstrafe bis zu 6 Wochen, während es in der Regel als fahrlässige Tötung oder Körperverletzung zu bestrafen sein wird, wenn dadurch der Tod oder die Krankheit einer Person herbeigeführt wurde. Das letzte und sicherste Schutzmittel vor Trichinen besteht darin, daß man Speisen aus Schweinefleisch nur gehörig durchkocht oder durchbraten genießt. Kurze Einwirkung einer Wärme von etwa 45° R, wie es bei dem sogen. Wellfleisch geschieht, tötet die Trichinen nicht, ebensowenig längere Einwirkung einer höhern Wärme von 60° R. und darüber auf dickere Stücke, so daß diese im Innern saftig rot bleiben. Letzternfalls werden nur die in den Außenteilen befindlichen Trichinen getötet, während die im Innern vorhandenen lebendig bleiben und beim Genuß eine Infektion vermitteln. Nur längeres Kochen und Braten nicht zu dicker Stücke bei mindestens 50-55° R. richtet die Trichinen sicher zu Grunde. Ebenso sterben sie zweifellos nach einer zehntägigen Einpökelung des Fleisches in nicht zu großen Stücken ohne Hinzufügung von Wasser, 30 g Kochsalz auf 1 kg Fleisch gerechnet, sowie nach energischer Heißräucherung, bei der eine Temperatur von 52° R. erreicht wird. Dagegen ist ein schwächeres Pökeln, welches den Trichinen weniger Wasser entzieht, sowie die Kalträucherung oder gar die Schnellräucherung, bei der die Schinken und Würste nur mit Holzessig oder Kreosot überstrichen werden, völlig wirkungslos. Indessen unterstützen sich Salz, Wärme und Rauch gegenseitig in ihrem Effekt, so daß die stärkere Wirkung des einen die schwächere des andern ersetzen kann. Vgl. Wolff, Untersuchung des Fleisches auf Trichinen (6. Aufl., Bresl. 1880) und die Schriften gleichen Inhalts von Tiemann (3. Aufl., das. 1887), Johne (3. Aufl., Berl. 1889) und Long (das. 1886).

Trichinenversicherung wird von einzelnen Personen und Firmen, von Interessentenverbänden, von besondern Gesellschaften (die Anhaltische Trichinenversicherungs-Anstalt in Köthen, die Hannoversche, die Einbecker etc.) oder als Nebengeschäft der Viehversicherungsgesellschaften betrieben und unterscheudet sich von der Viehversicherung (s. d.) dadurch, daß diese gegen Vermögensverluste durch den vom Versicherten nicht gewünschten Tod seines Viehs infolge von Seuchen und Verunglückung, jene aber gegen den aus der unvorhergesehenen Entdeckung der Wertschmälerung geschlachteter Tiere (Schweine) infolge der Fleischdurchsetzung mit Trichinen drohenden Schaden schützen soll. Mit der T. pflegt die ihr analoge Finnenversicherung verbunden zu sein.

Meyers Konv.- Lexikon, 4. Aufl., XV. Bd.

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Trichinopolly - Tridentinisches Konzil.

Trichinopolly, Stadt, s. Tritschinapalli.

Trichite, mikroskopisch kleine, haarförmige, gewöhnlich dunkel gefärbte Mineralkörper, die sich häufig in glasiger Gesteinsmasse bei Obsidian, Bimsstein, Perlit, Rhyolith, Porphyr, Basalt etc. vorfinden. Ihre mineralogische Bestimmung ist wegen ihrer Kleinheit schwierig und meist nur durch Analogie mit gleichzeitig vorkommenden größern Mineralindividuen mit einiger Wahrscheinlichkeit möglich.

Trichloraldehyd, s. Chloral.

Trichlormethan, s. Chloroform.

Trichoblásten (griech.), haarartig geformte Pflanzenzellen, die sich wesentlich durch Form oder Inhalt von ihren Nachbarzellen unterscheiden, wie die Sternhaare in den Luftgängen von Nymphaea.

Trichocephalus, Peitschenwurm.

Trichodéctes, s. Pelzfresser.

Trichoglossus, s. Papageien, S. 667.

Trichogyne (griech., Befruchtungshaar), bei den Florideen und Koleochäteen das haarförmig gestaltete Empfängnisorgan, an welchem die männlichen Befruchtungselemente haften müssen, um Befruchtung des Karpogons zu bewirken. Bisweilen steht die T. auf einer besondern Zellreihe, dem Trichophor. Auch kann sie auf besondern Ästen der Pflanze, z. B. bei der Florideengattung Dudresnaya, auftreten (s. Algen, S. 345 f.).

Trichologie (griech), Lehre vom Haar.

Trichoma (griech.), s. Weichselzopf.

Trichome (griech.), s. Haare der Pflanzen.

Trichomstachel, s. v. w. Hautstachel, s. Stachel.

Trichomykose (griech.), durch Pilze verursachtes Haarleiden.

Trichophor, s. Trichogyne.

Trichophthora (griech.), Haarvertilgungsmittel.

Trichoptera (Pelzflügler), Zunft aus der Ordnung der Netzflügler (s. d.).

Trichord (griech.), dreisaitiges Tonwerkzeug.

Trichotomie (griech.), logische Zerlegung in drei Teile, Dreiteilung; auch s. v. w. peinlich genaue Behandlung unbedeutender Dinge, Haarspalterei.

Trichotracheliden (Trichotrachelidae), Familie der Nematoden oder Fadenwürmer, Eingeweidewürmer mit halsartig verdünntem Vorderteil und kleiner Mundöffnung ohne Papillen. Zu ihnen gehören zwei im Menschen schmarotzende Gattungen, von denen die eine (Trichocephalus oder Peitschenwurm, s. d.) im allgemeinen unschädlich ist, die andre aber (Trichina, s. Trichine) häufig durch ihre Menge tödlich wirkt. Die übrigen T. leben in den Eingeweiden warmblütiger Wirbeltiere.

Trichroismus (griech.), Dreifarbigkeit, s. Pleochroismus.

Trichterlilie, s. Funkia.

Trichterwinde, s. Ipomoea.

Tricinium (lat.), Komposition für drei Singstimmen (a cappella).

Trick (engl.), im Whistspiel Bezeichnung für jeden Stich, den man über sechs macht.

Tricktrack, ein auf dem Puffbrett mit den Puffsteinen und Würfeln auszuführendes Spiel; oft auch gleichbedeutend mit Puff (s. d.).

Tricoccae, Ordnung im natürlichen Pflanzensystem unter den Dikotyledonen, Choripetalen, charakterisiert durch stets eingeschlechtige Blüten, die oft nackt und dann gewöhnlich männliche mit einer weiblichen in einer Hülle vereinigt sind oder ein einfaches Perigon oder auch Kelch- und Blumenblätter besitzen, hauptsächlich durch den zwei oder drei knöpsigen, ebenso viele Fächer bildenden, oberständigen Fruchtknoten mit einem oder zwei im Innenwinkel der Fächer befindlichen Samen und durch die ebenfalls zwei- oder dreiknöpfige Frucht, deren Fächer bei der Reife meist von der Mittelsäule sich ablösen und einen meist mit einem Nabelanhang versehenen Samen mit geradem Keimling und ölhaltigem Endosperm enthalten. In diese Ordnung gehören die Familien der Euphorbiaceen, Empetreen und Kallitrichaceen.

Tricycle (spr. -ßihkl), Dreirad, s. Velociped.

Tridácna, Riesenmuschel.

Tridens (lat., Trident), Dreizack, besonders Attribut des Neptun.

Tridentinische Alpen (Trientiner Alpen), s. Alpen, S. 400, und Ortleralpen.

Tridentinisches Konzil (Concilium Tridentinum), die zur Beseitigung der durch die Reformation entstandenen kirchlichen Wirren nach Trient berufene allgemeine Kirchenversammlung. Die erste Veranlassung zu derselben war die Appellation der protestantischen Fürsten an eine allgemeine Synode; ihr traten dann auch die katholischen Fürsten bei, und Kaiser Karl V. hatte schon Clemens VII. zum Ausschreiben einer solchen zu vermögen versucht, jedoch vergeblich. Paul III. rief das Konzil endlich auf den 23. Mai 1537 nach Mantua zusammen, aber nur, um es, weil sich immer neue Hindernisse einstellten, auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Im Regensburger Reichsabschied vom 29. Juli 1541 versprach der Kaiser von neuem, für das Zustandekommen eines Generalkonzils zu sorgen, und der Papst berief nun aus Besorgnis, die Deutschen möchten sonst ihre kirchlichen Angelegenheiten selbständig regeln, dasselbe auf 1. Nov. 1542 nach Trient; aber der Wiederausbruch der Feindseligkeiten zwischen dem Kaiser und dem König von Frankreich verzögerte seinen Zusammentritt, und das Konzil ward erst 13. Dez. 1545 in der Kathedrale zu Trient eröffnet. Die Sessionen desselben sind freilich nur leere Formalitäten zur Verkündigung der Beschlüsse gewesen, die in den Ausschüssen vorbereitet und debattiert wurden. Die Abstimmung geschah nicht nach Nationen, wie in Konstanz, sondern nach Köpfen. Da die Italiener zahlreicher als alle andern Nationen zusammen vertreten waren und der präsidierende Kardinallegat del Monte fortwährend mit dem Papst korrespondierte, so konnte das Konzil kein freies sein. Nachdem in der 1. Session das Zeremonial bestimmt, in der 2. der Modus vivendi für die Konzilsväter festgestellt, in der 3. das Bekenntnis zu den alten Glaubenssymbolen abgelegt war, wurden in der 4.-8. die protestantischen Lehren vom Ansehen der Schrift und Tradition, von der Erbsünde und Rechtfertigung sowie von den Sakramenten verdammt und der katholische Lehrbegriff darüber festgestellt. Als aber in demselben Maß, wie das Waffenglück den Kaiser begünstigte, auch die kaiserlichen Gesandten immer selbständiger auftraten, verlegte der Papst, angeblich wegen einer in Trient ausgebrochenen Seuche, das Konzil 11. März 1547 nach Bologna. Eine Minderheit kaiserlicher Bischöfe blieb in Trient zurück, während der Kaiser feierlich gegen die Verlegung protestierte. Jedoch auch zu Bologna erließen die Legaten in der 9. und 10. Sitzung 1547 bloß Dekrete, wodurch die Versammlung vertagt wurde; die förmliche Aussetzung des Konzils wurde 13. Sept. 1549 von Paul III. ausgesprochen. Nach dessen Tod schrieb der neue Papst und bisherige Kardinallegat Julius III. auf Betrieb des Kaisers die Fortsetzung des Konzils in Trient aus, und sein Legat, der Kardinal Marcellus Crescentius, eröffnete dasselbe 1. Mai 1551; Frankreich aber legte Protest

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Tridi - Trieb.

ein, weil die Physiognomie des Konzils auf diese Weise von vornherein eine vorwiegend kaiserliche war. Es wurde nun in der 13. Sitzung die Lehre von der Transsubstantiation, in der 14. und 15. auch die von der Buße und Letzten Ölung festgesetzt. Aber zu der vom Kaiser gewünschten Verständigung mit den Protestanten kam es nicht. Zwar erschienen brandenburgische und württembergische weltliche Prokuratoren sowie Abgeordnete aus einigen oberländischen Städten, endlich 7. Jan. 1552 auch die weltlichen Gesandten des Kurfürsten von Sachsen. Die 25. Jan. 1552 abgehaltene Sitzung beschloß, die Bestimmungen über das Meßopfer und andre Punkte bis zum 19. März, d. h. bis zum Erscheinen derer zu vertagen, qui protestantes se vocant. Am 18. März trafen wirklich die württembergischen und Straßburger theologischen Abgeordneten ein, die kursächsischen befanden sich auf dem Weg, da wurde vom päpstlichen Legaten die Sitzung auf 1. Mai verlegt. Der unerwartete Feldzug des Kurfürsten Moritz gegen den Kaiser und sein Erscheinen vor Innsbruck hatte aber die Vertagung des Konzils auf zwei Jahre, die in der 16. Sitzung (28. April 1552) beschlossen ward, zur Folge. Aus den zwei Jahren wurden zehn Jahre. Zwar erließ Papst Pius IV. 1560 und 1561 neue Einladungen zur Fortsetzung des Konzils, aber erst 18. Jan. 1562 wurde dasselbe unter dem Vorsitz des Kardinallegaten Prinzen Herkules Gonzaga von Mantua mit der 17. Sitzung wieder eröffnet. Entschiedener erneuerten der Kaiser, der Kurfürst von Bayern und der König von Frankreich ihre Anträge auf Reformation der Kirche, auf Verstattung des Laienkelchs im Abendmahl, der Priesterehe und der verbotenen Speisen. In der Behauptung, daß die Residenz der Bischöfe in ihren Diözesen nicht auf päpstlichem, sondern auf göttlichem Recht beruhe, konzentrierte sich die Opposition der spanischen Bischöfe gegen die italienischen. Die 18. Sitzung handelte von der Bücherzensur; die 19. und 20. beschlossen nur, daß in diesen beiden Sitzungen nichts bestimmt werden solle; in der 21. und 22. Sitzung kamen die Dekrete von der Abendmahlsfeier und dem Meßopfer zu stande, der Laienkelch wurde von der Erlaubnis des Papstes abhängig gemacht. Am 13. Nov. erschien bei dem Konzil noch der Kardinal von Lothringen mit 14 Bischöfen, 3 Äbten und 18 Theologen aus Frankreich. Da derselbe die Oppositonspartei im Sinn des Episkopalsystems verstärkte und 34 französische Reformationsartikel mitbrachte, so wußte die päpstliche Partei die nächste Sitzung von einem Monat zum andern hinauszuschieben. Darüber starb 2. März 1563 der Kardinallegat Gonzaga. An seiner Stelle präsidierten die Legaten Morone und Navageri, welche die Kirchenversammlung durch theologische Zänkereien zu ermüden wußten, während der Kaiser Ferdinand und der Kardinal von Lothringen von den schlauen Italienern für die Sache des Papstes gewonnen wurden. Die Jesuiten Laynez und Salmeron leisteten wackere Beihilfe. So entstanden in der 23. Sitzung (15. Juli 1563) die Dekrete von der Priesterweihe und Hierarchie, in der 24. (11. Nov.) von dem Sakrament der Ehe, in der 25. (3. und 4. Dez.) von dem Fegfeuer, dem Heiligen-, Reliquien- und Bilderdienst, den Klostergelübden, dem Ablaß, Fasten, den Speiseverboten und dem Verzeichnis der verbotenen Bücher, dessen Fertigstellung nebst der Abfassung eines Katechismus und Breviers dem Papst überlassen wurde. In den Reformationsdekreten, die in der 21.-25. Session publiziert wurden, sorgte man für Abstellung einiger der bisherigen Mißbräuche bei Erteilung und Verwaltung geistlicher Ämter sowie für die Bildung der Geistlichkeit durch die Vorschrift der Anlegung von Seminaren und Prüfung der Ordinanden. Am Schluß der 25. Sitzung, 4. Dez. 1563, rief der Kardinal von Lothringen: "Verflucht seien alle Ketzer!", und die Prälaten stimmten ein: "Verflucht, verflucht!" Die Beschlüsse wurden von 255 Prälaten unterschrieben und trennten für immer die protestantische von der katholischen Kirche, für welche sie die Bedeutung eines symbolischen Buches erhielten. Papst Pius IV. bestätigte dieselben 26. Jan. 1566 durch die Bulle "Benedictus deus" und behielt dem Papst allein ihre Auslegung vor, für die 1588 von Sixtus V. eine besondere Kongregation von Kardinälen niedergesetzt wurde. Die Dekrete der Synode von Trient fanden in den italienischen Staaten (aber nicht in Neapel), in Portugal und Polen unbedingte, dagegen in Spanien und den von Spanien abhängigen Ländern eine durch die Reichsgesetze bedingte Annahme.^[sic] in Frankreich, Deutschland und Ungarn sogar Widerspruch, der sich nur nach und nach zu stillschweigender Billigung der den Glauben betreffenden Dekrete bequemte.

Die "Canones et decreta oecumenici concilii Tridentini" wurden oft herausgegeben, am besten von Schulte und Richter (Leipz. 1853), zuletzt in deutscher Übersetzung von Petz (Passau 1877). Am gebräuchlichsten in der katholischen Kirche Deutschlands ist die Ausgabe von Smets (lateinisch und deutsch, 6. Aufl., Bielef. 1868). Die Geschichte des Tridentinischen Konzils schrieben Sarpi (s. d.) und gegen ihn Pallavicini (Rom 1656-57, 2 Bde.). Aber erst neuerdings ist das Material zur Geschichtschreibung dieser Synode in ausgiebigerm Maß bekannt geworden. Die Geschäftsordnung des Konzils ist 1871 in Wien erschienen. Weitere Beiträge veröffentlichten Sickel ("Aktenstücke zur Geschichte des Konzils zu Trient", Wien 1871), Theiner ("Acta genuina oecumenici concilii Tridentini", Agram 1874, 2 Bde.; die Protokolle des Konzilsekretärs Massarelli enthaltend), Calenzio ("Documenti inediti e nuovi lavori letterarii sul concilio di Trento", Rom 1874), Maynier ("Étude historique sur le concile de Trente", Par. 1874), Döllinger ("Ungedruckte Berichte und Tagebücher", Nördling. 1876, Bd. 1), Druffel ("Monumenta Tridentina", Münch. 1883-88, Heft 1-3).

Tridi (lat.-franz.), im franz. Revolutionskalender der dritte Tag einer Dekade (s. d.).

Triduum (lat.), Zeit von drei Tagen.

Tridymit, Mineral aus der Ordnung der Anhydride, bildet triklinische, dem hexagonalen System sehr nahe stehende Kristalle (meist Drillinge, daher der Name) und besteht wie Quarz aus Kieselsäureanhydrid SiO2, ist farblos oder weiß, glasglänzend, Härte 7, spez. Gew. 2,28-2,33, wurde 1866 durch vom Rath entdeckt, seitdem aber in Trachyten, Andesiten, Rhyolithen als ein reichlich vorhandener Gemengteil nachgewiesen, während er in ältern vortertiären Felsarten nur äußerst spärlich vorkommt. Außerdem ist T. vielen Opalen beigemengt, die auch durch Glühen, ebenso wie Quarzpulver und amorphe Kieselsäure, sich zu T. umsetzen; Fundorte: Drachenfels, Mont Dore, Alleret, Frauenberg bei Brückenau, Ungarn, Siebenbürgen, Irland, Mexiko etc.

Trieb, junger, noch nicht ein Jahr alter Ast.

Trieb, das sinnliche bleibende Begehren, bei welchem der Grund der Dauer in der Beschaffenheit des leiblichen Organismus gelegen ist. Die unaufhörliche Zersetzung und Ausscheidung der kleinsten Bestandteile des Leibes erzeugt ebenso viele unange-

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Trieb - Trient.

nehme Gefühle des Mangels, die als Begehrungsreize wirken und mit dem periodischen Wechsel des organischen Lebens in stets gleicher Weise wiederkehren. Derselbe währt daher so lange, als das letztere selbst währt, und ist darum so unwiderstehlich, weil die Hinwegräumung seiner Ursache außer unsrer Macht liegt. Das Begehren nach Schlaf (Schlafbedürfnis), wenn die Organe erschöpft sind, nach Nahrung (Nahrungstrieb), wenn es an Stoffersatz, nach Bewegung (Bewegungstrieb), wenn es infolge dauernder Bewegungslosigkeit dem Leib an Umsatz fehlt, kehrt trotz der Befriedigung in bestimmter Zeit wieder, weil der Prozeß des physischen Lebens die Reize, welche zu Begehrungen werden, immer von neuem erzeugt. Nichts erfordert zu seiner Besiegung größere Kraft als dasjenige Begehren, welches durch Triebe unterstützt wird, und mancher derselben läßt sich nur durch Zerstörung der Ursachen im Organismus (Fortpflanzungstrieb) oder des letztern selbst (Selbsterhaltungstrieb) unterdrücken. Der T. gibt dem Begehrungsleben eine bestimmte Gestalt, indem alles dasjenige, was durch ihn unterstützt wird, infolge der unaufhörlichen Reize leichter und öfter als andres Begehren zur Befriedigung gelangt und daher von selbst zur Disposition, Neigung, Hang, Sucht und Leidenschaft sich steigert, wenn nicht künstliche Hilfen (praktische Grundsätze, Charakter) den natürlichen des Leibes zum Widerstand entgegengesetzt werden. Gesellt sich zu dem seiner Natur nach blinden (bewußtlosen) T. die gleichfalls bewußtlose Kenntnis der zur Befriedigung desselben tauglichen Mittel, so geht der T. in Instinkt über.

Trieb, Nebenfluß der Elster, s. Vogtländische Schweiz.

Triebel, Stadt im preuß. Regierungsbezirk Frankfurt, Kreis Sorau, hat eine evang. Kirche, ein Amtsgericht, Schuhmacherei, Weberei und (1885) 1657 Einw.

Triebrad, bei Fahrzeugen s. v. w. Treibrad; sonst im Gegensatz zum Treibrad das in Bewegung gesetzte Rad; in der Uhr ein kleineres Zahnrad, welches ein größeres treibt.

Triebstahl, s. Draht, S. 105.

Triebwerke, Maschinenteile, welche die Kräfte in passender Weise nach bestimmten Richtungen übertragen, wirken direkt wie Räder- und Kurbelgetriebe oder indirekt wie Riemen-, Schnur- und Seilgetriebe.

Triefaugen, eine chronische Entzündung der Augenbindehaut, deren Hauptsymptom in Rötung der Lidränder und fortwährender Thränenabsonderung besteht. Am häufigsten kommen T. bei skrofulösen Individuen, nicht selten bei alten Frauen, vor, bei denen diese das Aussehen stark entstellende Entzündung im Mittelalter manche alte Matrone als Hexe auf den Scheiterhaufen gebracht hat. Die stärksten Grade der Entzündung führen zu Verkrümmungen der Augenlider nach auswärts oder einwärts (Ektropium, Entropium) und sind nur durch plastische Operation zu beseitigen. Betreffs der Behandlung s. Augenentzündung.

Triel, Vogel, s. Dickfuß.

Triënnium (lat.), Zeit von drei Jahren. Akademisches T. (t. academicum), die fast allgemein übliche Zeit von drei Jahren, welche in Deutschland zum Besuch der Universität verwendet und als Minimum für die meisten Staatsprüfungen der Beamten sogar gesetzlich gefordert wird.

Trient (spr. triang), linksseitiger Nebenfluß des Rhône in der Schweiz, entspringt aus dem Glacier du T. und gelangt, durch die Eau Noire verstärkt, aus seinem Alpenthal durch eine tiefe, schauerliche Schlucht (Gorge du T.) von 2 km Länge bei Vernayaz in das Rhônethal hinaus.

Triént (ital. Trento, lat. Tridentum), Stadt (mit selbständiger Gemeindeverwaltung) in Welschtirol, 190 m ü. M., links an der schiffbaren Etsch, in welche hier die Fersina mündet, und an der Südbahnlinie Kufstein-Ala, Sitz eines Fürstbischofs, eines Domkapitels, einer Bezirkshauptmannschaft und eines Kreisgerichts, hat zwei Vorstädte (San Martino und Santa Croce), spärliche Reste der alten hohen Stadtmauern (der Sage nach aus der Gotenzeit) mit zwei angeblich von den Römern erbauten Türmen, gut gepflasterte Straßen und ganz im italienischen Stil erbaute Häuser. In den letzten Jahren ist T. durch Anlage von Außenforts zu einer Lagerfestung geworden. Die ansehnlichsten Plätze sind die Piazza del Duomo mit dem Neptunsbrunnen und die Piazza d'Armi. Unter den 15 Kirchen ragen hervor: der Dom, eine dreischiffige romanische Pfeilerbasilika mit zwei Kuppeln (im 13. Jahrh. begonnen, im 15. vollendet); die Kirche Santa Maria Maggiore, aus rotem Marmor erbaut, mit den Bildnissen der Kirchenfürsten, welche dem in dieser Kirche abgehaltenen Konzil (s. unten) beiwohnten; die Peterskirche mit einer Kapelle des heil. Simon von T., der als dritthalbjähriger Knabe 1472 angeblich von den Juden ermordet wurde; die Jesuiten-, jetzt Seminarialkirche; die Kirche dell' Annunziata mit hoher, von vier Säulen getragener Kuppel und die Martinskirche. Andre ansehnliche Gebäude sind: das Renaissanceschloß Buon Consiglio (einst Residenz der Fürstbischöfe, jetzt Kastell) mit vielen Fresken, das Rathaus, der Justizpalast, das Theater, mehrere Privatpaläste und das große Waisenhaus. Die Stadt hat ein Franziskaner- und Kapuzinerkloster, 3 Nonnenklöster, ein Klerikalseminar mit theologischer Diözesanlehranstalt, ein Obergymnasium, ein bischöfliches Privatgymnasium, eine Lehrerinnenbildungsanstalt, eine Fachschule für Steinbearbeitung, eine Handelsschule, ein Musiklyceum, ein bischöfliches Taubstummeninstitut, ein städtisches Museum, eine Volksbibliothek, verschiedene Wohlthätigkeitsanstalten, eine Volksbank, Pfandleihanstalt, Sparkasse und (1880) 19,585 Einw. Die Industrie wird durch zahlreiche Seidenfilanden, eine Seidenspinnerei, Glockengießerei, Töpferwaren- und Konfitürenfabrikation etc. vertreten. Der Handel ist lebhaft. In der Umgebung große Brüche roten Marmors, Obst- und Weinbau. Auf dem rechten Etschufer liegt der befestigte Felshügel Dos di Trento (289 m), auf dem einst das Römerkastell Verruca stand. - Im Altertum war T. römische Kolonie. Im 4. Jahrh. wurde es Bischofsitz und um 574 Residenz eines langobardischen Herzogs. Bekannt ist es durch Secundus von T. (gest. 604), der eine Geschichte der Langobarden geschrieben hat, die leider verloren ist. Unter Karl d. Gr. kam es an das fränkische Reich und unter Otto I. mit Italien an Deutschland. König Konrad II. belehnte 1027 den Bischof von T. mit der fürstlichen Würde und weltlichen Herrschaft über die Stadt. Das Konzil von 1545 bis 1563 (s. Tridentinisches Konzil) gab letzterer eine welthistorische Bedeutung. 1803 wurde das Hochstift säkularisiert und den österreichischen Landen einverleibt. 1805 fiel es an Bayern und, nach den Kämpfen von 1809 im Angesicht der Stadt, an das Königreich Italien. 1813 kam es wieder an Österreich. Vgl. Barbacovi, Memorie storiche della città e del territorio di Trento (Trient 1808); Ambrosi, Trento e suoi circondario (das. 1881); Öribauer, Führer für T.-Arco etc. (Reichenberg 1884).

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Trier (Bistum) - Trier (Stadt).

Trier, vormaliges deutsches Erzstift und geistliches Kurfürstentum im kurrheinischen Kreis, umfaßte ein Areal von 8314 qkm (151 QM.) mit 280,000 meist kath. Einwohnern und teilte sich in das obere und niedere Stift, deren erstes Trier, das andre Koblenz zur Haupt- und Residenzstadt hatte. Suffragane von T. waren die Bischöfe von Metz, Toul und Verdun und seit 1777 die neukreierten von St.-Dié und Nancy. Der Erzbischof und geistliche Kurfürst nahm unter den Kurfürsten die zweite Rangstufe ein. Die jährlichen Einkünfte beliefen sich auf ½ Mill. Thaler. Das Wappen war ein gevierter Schild mit einem roten Kreuz im silbernen Feld und einem weißen Lamme mit einem Fähnlein auf einem Hügel im roten Feld. In Trier soll nach der Legende im 1. Jahrh. durch Eucharius, Valerius und Maternus ein Bistum gestiftet worden sein; indessen ist erst um 314 ein Bischof Agritius historisch nachzuweisen. Bei Maximin (332-349) fand Athanasius Zuflucht. Erst unter Hetti (814-847) erscheint T. als Erzbistum, dem schon die Metropolitangewalt über das Bistum Toul zustand. Radbod (883-915) erlangte für sein Stift die Rechte einer eignen Grafschaft, Abgabenfreiheit, Münze und Zoll. Robert (930-956) nahm als Inhaber des ältesten Kirchensitzes das Recht in Anspruch, Otto I. zu krönen, was dieser damals auch zugab. Doch erkannte T. 1315 den Vorrang Kölns an. Heinrich I. (956-964) erhielt vom Papst Johann XII. das Pallium, Theoderich I. 969 von Johann XIII. den Primat in Gallien und Germanien. Das unter Diether III. von Nassau (1300-1307) arg verschuldete Erzstift nahm einen bedeutenden Aufschwung unter Balduin von Luxemburg (1307-54), dem Bruder König Heinrichs VII. Derselbe erwarb 1314 die Würde eines Erzkanzlers für Gallien und Arelat (d. h. Burgund), erweiterte die Besitzungen seiner Kirche durch Annahme zahlreicher Lehnsleute und begründete die Territorialhoheit. In der Folgezeit ward aber die Lage des Erzstifts wegen zwiespältiger Wahlen und zahlreicher Kriege so mißlich, daß die Stände, bestrebt, eine weitere Verschuldung des Landes zu verhüten, sich 1456 zu einer Union vereinigten, welche für künftige Zeiten eine genaue Wahlkapitulation und Eidesleistung des zu erwählenden Erzbischofs für erforderlich erklärte. Unter Richard von Greiffenklau (1511-31) begann die öffentliche Verehrung des heiligen Rockes, wozu des Ablasses wegen bisweilen über 100,000 Pilger in Trier zusammenströmten. Der Reformation trat Richard in seinem Land mit Nachdruck entgegen. Johann VI. von der Leyen (1556-67) nahm die Jesuiten in sein Land auf, für welche sein Nachfolger Jakob III. von Elz (bis 1581) ein Kollegium in Koblenz errichtete, und denen Johann VII. (1581-99) auch den Unterricht in den Schulen der Stadt T. überwies. Zur Bildung der Geistlichen stiftete derselbe 1585 Seminare in Trier und Koblenz. Erzbischof Philipp Christoph von Sötern (1623-52), durch seine Streitigkeiten mit dem Domkapitel und dem Adel daheim, durch seine Hinneigung zu Frankreich dem Kaiser verhaßt, wurde 1635 von den Spaniern festgenommen und bis 1645 in Wien gefangen gehalten. Unter seinem Nachfolger Karl Kaspar von der Leyen (1652 bis 1676) wurde der seit dem 12. Jahrh. bestehende Streit mit der Abtei St. Maximin beendet, indem diese 1669 auf ihre Reichsfreiheit verzichtete. Der letzte in der Reihe der Erzbischöfe von T. war Klemens Wenzeslaus, Herzog von Sachsen (1768-1802), der daneben die Bistümer Freising, Augsburg und Regensburg besaß. Derselbe ging von der bisherigen Gewohnheit, den Evangelischen die Ansiedelung im Erzstift zu untersagen, ab und gewährte endlich 1782 ein Toleranzedikt. Während des ersten Koalitionskriegs hatte das Land viel von den Einfällen der Franzosen zu leiden, so daß sich 1794 der Erzbischof zur Flucht veranlaßt sah. Als er im Frieden von Lüneville 1801 seine linksrheinischen Besitzungen an Frankreich hatte abtreten müssen, dankte er 1802 ab und begnügte sich mit dem Bistum Augsburg und einem Jahrgehalt von 100,000 Gulden. Durch den Reichsdeputationshauptschluß von 1803 wurde das Erzstift zu gunsten von Nassau-Weilburg säkularisiert. Schon 10. April 1802 war ein neues Bistum T. für das französische Saardepartement gebildet und dem Erzstift Mecheln unterstellt. 1814 fielen die kurtrierschen Lande wieder an Deutschland, worauf sie bis auf wenige Bezirke, wie St. Wendel (das an Koburg und erst 1834 an Preußen kam), Birkenfeld und Meisenheim, mit Preußen vereinigt wurden. Der preußische Anteil gehört gegenwärtig zu den Regierungsbezirken T. und Koblenz. Durch die Bulle "De salute animarum" 1821 wurde das Bistum T. reorganisiert und unter den Erzbischof von Köln gestellt. Die Diözese umfaßt seitdem wieder dieselben Gebiete wie im Mittelalter und ist nur auf dem linken Rheinufer geschmälert. Der Bischof Wilhelm Arnoldi (1842-64) gab 1844 großen Anstoß durch die neue Ausstellung des heiligen Rockes. Nach dem Tode des Bischofs Eberhard (30. Mai 1876) blieb das Bistum während des Kulturkampfes unbesetzt; erst 1881 wurde der Bischof Korum (s. d.) ernannt. Vgl. Hontheim, Historia Trevirensis diplomatica (Augsb. 1750, 3 Bde.); Derselbe, Prodromus historiae Trevirensis (das. 1757, 2 Bde.); "Urkundenbuch zur Geschichte der mittelrheinischen Territorien" (hrsg. von Beyer, Eltester und Görz, Kobl. 1860-74, 3 Bde.); Görz, Regesten der Erzbischöfe von T. (Trier 1859-61); Marx, Geschichte des Erzstifts T. (das. 1858-64, 5 Bde.); "Gesta Treverorum" (hrsg. von Waitz in den "Monumenta Germaniae, Scriptores", Bd. 8).

Trier (lat. Augusta Trevirorum, franz. Trèves), Hauptstadt des vormaligen Erzbistums und des jetzigen gleichnamigen Regierungsbezirks in der preuß. Rheinprovinz, liegt rechts an der Mosel, über welche hier eine interessante alte, auf acht Schwibbogen ruhende Brücke (ursprünglich ein Römerbau) führt, im Knotenpunkt der Linien Hillesheim-T., Konz-Ehrang und Perl-Koblenz der Preußischen Staatsbahn, 124 m ü. M., und hat sechs öffentliche Plätze, aber meist unregelmäßige, enge Straßen. Unter den Gebäuden verdienen Erwähnung: die Porta nigra, nach inschriftlichen Zeugnissen aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. und früher zugleich als Bollwerk dienend, 36 m lang, 21 m breit und 23 m hoch, seit dem 11. Jahrh. in eine Kirche verwandelt, gegenwärtig aber von allen mittelalterlichen Anbauten, mit Ausnahme einer romanischen Apsis, befreit; der Dom, dessen mittlerer Teil aus dem 6. Jahrh. herrührt, während die verschiedenartigen Anbauten im 8. und 12. Jahrh. hinzugefügt worden sind, mit schönen Grabmälern, bedeutenden Reliquien (darunter der berühmte heilige Rock); die Liebfrauenkirche, im frühsten gotischen Stil 1227-43 erbaut und mit dem

[Wappen von Trier.]

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Triere - Triest.

Dom durch einen Kreuzgang verbunden, mit figurenreichem Portal und kühn gewölbtem Schiff; die Gangolfskirche, Jesuiten- oder Dreifaltigkeitskirche (mit dem Grab des Dichters Fr. v. Spee), endlich Krypten in der Matthias- und Paulinuskirche. Im ganzen hat die Stadt 11 katholische, eine evang. Kirche und eine Synagoge. Noch sind zu nennen: die Palastkaserne (bis 1786 erzbischöflicher Palast), die ehemalige Benediktinerabtei St. Maximin (jetzt Kaserne), auf den Ruinen eines römischen Prachtbaues errichtet, und das neue Theater. Interessante Denkmäler aus der Römerzeit sind außer den schon genannten noch: der römische Kaiserpalast; die römischen Bäder (zum Teil noch verschüttet); Überreste eines römischen Amphitheaters, welches 28,000 Menschen faßte; die durch König Friedrich Wilhelm IV. wiederhergestellte Basilika (gewöhnlich Konstantinspalast genannt, seit 1856 zur evangelischen Kirche eingerichtet). Der sogen. Frankenturm diente in der fränkischen Zeit wahrscheinlich als Getreidemagazin. Die Zahl der Einwohner beläuft sich (1885) mit der Garnison (2 Infanterieregimenter Nr. 29 und 69 und ein Husarenregiment Nr. 9) auf 26,126 Seelen, meist Katholiken; sie beschäftigen sich vornehmlich mit Obst- und Weinbau, Gerberei, Woll-, Baumwoll- und Leinweberei, Färberei, Wachsbleicherei, auch Tabaks- und Hutfabrikation und treiben ansehnlichen Handel mit Moselweinen, Vieh und Holz. Auch Steine, für ganze Kirchen im gotischen Stil zugehauen, werden in Menge verschifft. An Bildungsinstituten und andern Anstalten besitzt T. ein Gymnasium (darin die Stadtbibliothek von 100,000 Bänden, Handschriften [Codex aureus] und Inkunabeln sowie wertvolle Sammlungen), ein Realgymnasium, eine Taubstummenanstalt, ein Provinzialmuseum mit römischen Altertümern, ein Landarmenhaus, ein Bürgerhospital, ein Militärlazarett etc. Die städtischen Behörden zählen 4 Magistratsmitglieder u. 24 Stadtverordnete. Sonst ist T. Sitz einer königlichen Regierung, eines Landratsamtes (für den Landkreis T.), eines katholischen Bischofs, eines Landgerichts, einer Oberpostdirektion, einer Forstinspektion und zweier Oberförstereien, eines Bergreviers, eines Hauptsteueramtes, einer Handelskammer, einer Reichsbanknebenstelle etc.; ferner des Stabes der 16. Division, der 31. und 32. Infanterie- und der 16. Kavalleriebrigade. 8 km entfernt ist bei dem Dorf Igel (s. d.) die sogen. Igelsäule, neben der auch noch ein Kastell oberhalb Saarburg (Grabkapelle König Johanns von Böhmen) und ein Mosaikfußboden in Nennig zu erwähnen sind. Zum Landgerichtsbezirk T. gehören die 16 Amtsgerichte zu Bernkastel, Bitburg, Daun, Hermeskeil, Hillesheim, Merzig, Neuerburg, Neumagen, Perl, Prüm, Rhaunen, Saarburg, T., Wadern, Waxweiler und Wittlich. - T. war im Altertum die Hauptstadt der Treverer, wurde im 3. Jahrh. Residenz römischer Kaiser und unter Konstantin I. Metropole einer der vier Präfekturen des Reichs. Um die Mitte des 5. Jahrh. kam es unter die Herrschaft der Franken, wurde aber 451 von den Hunnen zerstört. Durch den Vertrag von Verdun zu Lothringen geschlagen, ward es unter Heinrich I. auf immer Deutschland einverleibt. Zunächst von Grafen, seit dem 9. Jahrh., als die Grafengewalt an die Erzbischöfe überging, vom Vogt des Erzstifts verwaltet, strebte die Stadt später danach, reichsunmittelbar zu werden, und erhielt auch 1212 von Kaiser Otto IV. einen Freibrief, den Konrad IV. bestätigte. Allein 1308 erkannte sie wieder die Gerichtsbarkeit des Erzbischofs an, und ihre Eigenschaft als erzbischöfliche Stadt ward noch 1364 von Karl IV. und 1580 vom Reichskammergericht bestätigt. An ihrer Spitze stand ein Schöffengericht, das 1443 vom Erzbischof Jakob I. durch Einsetzung zweier Bürgermeister ergänzt wurde. Erzbischof Theoderich I. und sein Nachfolger Arnold II. befestigten im 13. Jahrh. die Stadt durch Mauern. Später, besonders aber nach Vollendung des neuen Schlosses (1786), ward Koblenz Residenz der Erzbischöfe. 1473 wurde in T. eine Universität gestiftet, die 1797 aufgehoben ward. 1512 fand daselbst ein Reichstag statt, auf welchem die Kreisverfassung im Reich endgültig festgestellt wurde. 1634 wurde T. von den Spaniern erobert, aber 1645 von den Franzosen unter Turenne wieder genommen. Schon 1674, 1688 und auf längere Dauer 1794 von den Franzosen erobert, kam die Stadt 1801 an Frankreich und ward Hauptstadt des Departements Saar. 1814 fiel sie an Preußen. Denkwürdig ist die Zusammenkunft Kaiser Friedrichs III. mit Karl dem Kühnen 1473 in T. Vgl. Haupt, Triers Vergangenheit und Gegenwart (Trier 1822, 2 Bde.); Leonardy, Panorama von T. (das. 1868); Derselbe, Geschichte des trierschen Landes und Volkes (Saarlouis 1871); Freeman, Augusta Trevirorum (a. d. Engl., Trier 1876); Hettner, Das römische T. (das. 1880); Wilmowsky, Der Dom zu T. (das. 1874, 26 Tafeln); Derselbe, Archäologische Funde in T. (das. 1873); Beissel, Geschichte der Trierer Kirchen (das. 1888 ff.); Lokalführer von Braun, Lintz, Steinbach u. a.

Der Regierungsbezirk T. (s. Karte "Rheinprovinz") umfaßt 7183 qkm (130,46 QM.) mit (1885) 675,225 Einw. (116,945 Evangelische, 551,521 Katholiken und 6534 Juden) und 13 Kreise:

Kreise QKilometer QMeilen Einwohner Einw. auf 1 QKilom.

Bernkastel .... 668 12,13 44389 66

Bitburg ..... 780 14,17 43494 56

Daun ...... 610 11,08 27305 45

Merzig ...... 418 7,59 37996 91

Ottweiler ..... 307 5,58 72514 236

Prüm ...... 919 16,69 35519 39

Saarbrücken .... 385 6,99 124374 323

Saarburg ..... 454 8,25 30946 68

Saarlouis ..... 444 8,06 68126 153

St. Wendel .... 537 9,75 45594 85

Trier (Stadtkreis) .. 8 0,15 33019 -

Trier (Landkreis) .. 1011 18,36 73949 73

Wittlich ..... 642 11,66 38000 59

Vgl. Bärsch, Beschreibung des Regierungsbezirks T. (Trier 1846-49, 2 Bde.).

Triere, s. Triremen.

Triesch, Marktflecken in Mähren, Bezirkshauptmannschaft Iglau, an einem Teiche gelegen, mit alter Pfarrkirche, Schloß mit Gartenanlagen, Synagoge, Tuch-, Möbel- und Zündwarenfabriken und (1880) 4374 Einw.

Triést (ital. Trieste, slaw. Trst, lat. Tergeste), wichtigster Hafen- und Seehandelsplatz der österreichisch-ungar. Monarchie, hervorragendstes Emporium am Adriatischen Meer, Hauptstadt des österreichisch-illyrischen Küstenlandes, innerhalb dessen die Stadt mit ihrem Gebiet von 94,6 qkm (1,7 QM.) autonome Gemeindeverwaltung besitzt, erhebt sich in reizender Lage terrassenförmig am Fuß des amphitheatralisch aufsteigenden Karstgebirges am Meerbusen von T. Sie bietet vom Meer und vom Land aus einen malerischen Anblick dar und besteht aus zwei Hauptteilen: der Altstadt, die, an den Abhängen des Schloßbergs erbaut, meist unregelmäßige und enge Straßen hat, und der Neustadt, welche sich an

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Triest (Beschreibung der Stadt, Bevölkerung).

der Reede hinzieht und breite, regelmäßige, sich rechte winkelig kreuzende Straßen enthält. In die Neustadt tritt der 380 m lange, 16 m breite, 4 m tiefe "große Kanal" mit zwei Drehbrücken ein, welcher den Schiffen ermöglicht, unmittelbar an den Magazinen löschen zu können. Die Stadt T. mit ihrem Gebiet zerfällt in 12 Bezirke, nämlich 5 innere Bezirke (Stadt), 5 äußere Bezirke (Umgebung) und 2 das übrige Gebiet von T. (13 Dörfer) umfassende Bezirke. Unter den öffentlichen Plätzen sind hervorzuheben: der Große Platz mit der Marmorstatue Karls VI. u. großem Brunnen, durch einen öffentlichen Garten vom Fischplatz (mitlebhaftem Fischmarkt) am Meer getrennt; der Börsenplatz mit dem 1668 errichteten Standbild Leopolds I.; der Ponte Rosso-Platz am Canal grande; der Giuseppinaplatz mit dem Monument des Erzherzogs Maximilian, Kaisers von Mexiko (von Schilling); der Stationsplatz, der Dogana- oder Mautplatz, der Holzplatz, der mit einem anmutigen Square besetzte Leipziger Platz, die große Piazza d'Armi etc. Von den Straßen sind der Corso, die Acquedottogasse (mit schöner Allee, besuchter Spaziergang), die Torrente- und Stadiongasse die breitesten und schönsten. Die Via Giulia führt zum Boschetto (Wäldchen), einem beliebten Vergnügungsort der Triester Bevölkerung. Die Stadt hat außerdem breite Kais, von denen der nordöstliche zum neuen Hafen und nach dem im Winter besuchten Küstendorf San Bartolo, der südwestliche zu dem am Meer gelegenen Spaziergang Sant' Andrea und weiter zum Lloydarsenal führt. Unter den Kirchen steht obenan der Dom von San Giusto, auf einem Hügel unterhalb des Kastells, ein schon im 5. Jahrh. gegründeter, im 14. Jahrh. vollendeter byzantinischer Bau mit fünf Schiffen, sehenswerten Altertümern, Mosaiken, Reliquien und einem mit Benutzung antiker Fragmente um 1000 erbauten Glockenturm. Vor dem Dom erhebt sich die 1560 zu Ehren des Kaisers Ferdinand I. errichtete sogen. Adlersäule. Sonstige erwähnenswerte Kirchen sind: die 1627 erbaute Kirche Santa Maria Maggiore (Jesuitenkirche) mit Fresken von Sante, die Kirche Beata Vergine del Soccorso (Sant' Antonio Vecchio), die 1830 von Nobile erbaute Kirche Sant' Antonio am Ende des Großen Kanals, die Kirche San Giacomo, die reich ausgestattete, mit Gemälden von Dell' Acqua gezierte griechische Kirche San Niccolò mit zwei Türmen (1782 erbaut), die neuerbaute prächtige serbische Kirche im byzantinischen und die neue lutherische Kirche im gotischen Stil, die reformierte Kirche und die englische Kapelle. Die Israeliten haben fünf Synagogen. Weitere hervorragende Gebäude sind: das neue Rathaus am Großen Platz; das Tergesteum auf dem Börsenplatz (1840 errichtet), ein gewaltiges Gebäude, im Innern mit kreuzweiser Glasgalerie, Sitz der Börse; das alte Börsengebäude im dorischen Stil (1802 erbaut), das Statthaltereigebäude und der Lloydpalast am Großen Platz, das Gebäude der Allgemeinen Versicherungsgesellschaft am Kai, die Paläste Carciotti, Revoltella, Rittmeyer, Genel, Salem, das große Schulgebäude am Leipziger Platz, das Hôtel de Ville, die Villa Necker (einst Eigentum Jérômes, Königs von Westfalen), die Villa Murat, das vom Triester Turnverein errichtete Turnschulgebäude, das geschmackvolle Stadttheater, das Armoniatheater, das Amphitheater Fenice und das Teatro Filodrammatico, endlich das große, in der Acquedottogasse erbaute Politeama Rossetti (Stadttheater); das den Schloßberg krönende Kastell, an der Stelle des römischen Kapitols 1508-1680 errichtet, mit herrlicher Aussicht über Stadt und Meer, mehrere Kasernen, die Reitschule, das alte Lazarett (jetzt Artilleriearsenal), der 33 m hohe Leuchtturm (1833 erbaut), der Südbahnhof mit dem neuen großen Stationsgebäude und der 1886 auf dem Kai von Sant' Andrea erbaute Staatsbahnhof. Von Altertümern sind zu erwähnen: die Überreste eines römischen Amphitheaters, eine römische Wasserleitung und ein Triumphbogen (Arco di Riccardo) aus der Kaiserzeit, welcher als Stadtthor diente. In neuester Zeit sind auch im Küstenort San Bartolo Überreste römischer Bauwerke (mit Mosaikböden) gefunden worden. T. samt Gebiet zählte Ende 1880: 144,844 Einw., wovon auf die Stadt 74,544, auf die Vororte 58,475 und auf das weitere Gebiet von T. 11,825 entfallen. Für Ende 1887 wurde die Bevölkerung mit 158,478 berechnet; 1810 zählte T. erst 29,908 Einw. Die Bevölkerung ist aus den verschiedensten Elementen zusammengesetzt. Die Mehrheit bilden Italiener, bez. italienisierte Südslawen (108,000), wie überhaupt die Stadt einen vorwiegend italienischen Charakter hat. Doch gibt es in T. auch zahlreiche Deutsche (über 6000, meistens dem Beamten- und Handelsstand angehörig) sowie Angehörige andrer Nationalitäten, als Griechen, Engländer, Armenier, Türken etc. Die Bauern der Umgegend sind Slowenen (im ganzen über 26,000), welche Sonntags in malerischer Tracht einhergehen. Die Fischer und Seeleute sind meist Dalmatiner und Istrianer. Der Religion nach sind von der gesamten Einwohnerzahl 136,168

[Wappen von Triest.]

[Karte der Umgebung von Triest.]

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Triest (Industrie, Handel und Verkehr).

Katholiken, 1861 nichtunierte Griechen, 1862 Evangelische, 4640 Israeliten, 217 konfessionslos.

Die Industrie besteht vornehmlich im Schiffbau, in der Maschinenfabrikation, in der Mehl-, Seifen- und Biererzeugung. Die Schiffswerfte des Österreichisch-Ungarischen Lloyd ist eins der größten derartigen Etablissements des Kontinents; ihr reiht sich die Schiffbauanstalt des Stabilimento tecnico (für Kriegsschiffe) an. Die Maschinenfabriken liefern Schiffs- und industrielle Dampfmaschinen und Kessel. Zwei große Dampfmühlen versenden Schiffsladungen Mehl nach allen Weltteilen. Die Drehersche Bierbrauerei in Guardiella versorgt nicht nur die Stadt mit diesem Getränk, sondern versendet es bis nach dem fernen Osten. In zweiter Linie reihen sich die Gerberei, die Fabrikation von Seilen und Segeltuch, Möbeln, Spielkarten und Zigarrettenpapier, Teigwaren, Essig, Schokolade, Wachskerzen, Weinstein, chemischen Präparaten etc. an. Auch die Versendung von Fischen nach den an der Südbahn gelegenen Städten, insbesondere nach Wien, ist lebhaft. In T. befindet sich ferner die Leitung mehrerer in den südlichen österreichischen Provinzen gelegener industrieller Etablissements. Die Umgegend von T. produziert vorzüglichen Wein, Obst, Getreide, Öl und Steine. Seine eigentliche Bedeutung verdankt T. aber dem Handel. 1887 belief sich der Warenverkehr auf einen Gesamtwert von 665,2 Mill. Gulden, und zeigt derselbe im Rückblick auf frühere Jahre eine ansehnliche, stetige Entwickelung (1857: 280,3, 1867. 320,2, 1877: 448,3 Mill. Guld.). Auf die Einfuhr kamen 1887: 342,1 (zur See 196,8, zu Land 145,3), auf die Ausfuhr 323,1 (zur See 175,5, zu Land 147,6) Mill. Guld. Die Hauptartikel sind in der Einfuhr zur See: Kaffee (1887: 328,000 metr. Ztr.), Wein (306,000 metr. Ztr.), Südfrüchte (650,000 metr. Ztr.), Getreide (548,000 metr. Ztr.), Reis (110,000 metr. Ztr.), Olivenöl (96,000 metr. Ztr.), Baumwollsamen-, Palm- und Kokosöl (79,000 metr. Ztr.), Petroleum (294,000 metr. Ztr.), Baumwolle (617,000 Ztr.; von Ostindien, Ägypten etc.), Valonen (175,000 Ztr.), Kolophonium (102,000 Ztr.), Seesalz (104,000 metr. Ztr.), Steinkohlen (659,000 Ztr.), Roheisen und Eisenwaren (75,000 Ztr.), Faßdauben und andre Holzwaren (1 Mill. Stück), Farbholz (50,000 Ztr.), Indigo und andre Farb- und Gerbstoffe, Sämereien, Tabak, Hanf, Jute, Häute und Felle, Gummiarten und Harze, Seefische, Pfeffer und andre Gewürze, Schwefel, Maschinen etc. Die Hauptgegenstände des Exports zur See, welcher vorzugsweise die aus Österreich zugeführten Waren verfrachtet, zu einem Teil aber auch auf dem Zwischenverkehr für die zur See importierten Waren beruht, sind: Spiritus (83,500 metr. Ztr), Rum (49,000 metr. Ztr.), Wein (215,000 Ztr.), Bier (112,000 Ztr.), raffinierter Zucker (633,000 metr.Ztr.), Mehl (533,000 metr.Ztr.), Papier (144,000 Ztr.), Baumwollwaren (31,000 Ztr.), Eisen u. Eisenwaren (140,000 Ztr.), Holzwaren, als Faßdauben, Bretter etc. (34 Mill. Stück), Glaswaren (57,000 Ztr.), Zündhölzchen (55,000 Ztr.), Steinkohlen, Maschinen, Kurzwaren, Juwelierarbeiten, Baumwolle, Schafwollwaren, Getreide und Reis, verschiedene Früchte, Sämereien, Kaffee etc. Es landeten 1887 in T. 8033 Schiffe mit 1,384,877 Ton. Gehalt (davon 3664 Dampfer mit 1,172,092 T.) und liefen aus 8128 Schiffe mit 1,393,524 T. Gehalt (darunter 3678 Dampfer mit 1,174,893 T.). Den größten Anteil an diesem Schiffsverkehr haben außer der österreichisch-ungarischen die britische und italienische Flagge. Die wichtigsten Länder der Herkunft und Bestimmung der ein- und ausgelaufenen Schiffe sind außer Österreich-Ungarn: Italien, die Türkei, Großbritannien, Ägypten, Frankreich, Ostindien, Rußland (Schwarzes Meer), Griechenland und China. T. besitzt zwei Häfen. Der alte, südöstliche ist eigentlich eine offene Reede mit mehreren Steindämmen und Molen, als deren größte der Molo San Carlo, auf dem Wrack eines 1737 hier versunkenen Kriegsschiffs erbaut, sodann die Molen Santa Teresa mit dem 33 m hohen Leuchtturm auf der Spitze, Giuseppina, Sartorio, Molo del Sale etc. zu nennen sind. Nordöstlich von der Reede ist 1868-83 der neue Hafen angelegt worden. Derselbe umfaßt vier Molen, je 95 m breit und 200-215 m lang, welche durch zwischenliegende Kaistrecken verbunden sind, wonach die Hafenanlage eine Ausdehnung von 1228 m erreicht; ferner einen äußern Schutzdamm (Wellenbrecher) von 1088 m Länge. Außerdem wurden in den Bassins des neuen Hafens eiserne Anbindpfahlwerke, ferner an den Kais und Molen Eisenbahnanlagen und Kräne sowie endlich Warenlagerhäuser hergestellt. T. ist 1719 zum Freihafen erklärt worden. Doch ist bereits bei Abschluß des österreichisch-ungarischen Zoll- und Handelsbündnisses von 1878 mit der Beseitigung der Zollausschlüsse der Monarchie auch die Aufhebung des Freihafenprivilegiums von T. prinzipiell ausgesprochen und nur vorläufig noch für einige Jahre (bis 1891) aufgeschoben worden. Die großartige Bedeutung als Seehandelsplatz dankt T. übrigens nicht diesem Privilegium allein, sondern vor allem seiner geographischen Lage am Nordende des tief ins Festland einschneidenden Adriatischen Meers sowie dem Umstand, daß sein offener Hafen für große Schiffe zugänglicher ist als jener Venedigs. Ungünstig wirkt dagegen das T. gegen die Landseite umgebende unwirtliche und den Verkehr mit den Ländern des Donauthals hindernde Karstgebirge, wodurch sich der Verbindung mit dem österreichischen, ungarischen und deutschen Bahnnetz große Schwierigkeiten entgegenstellen. Von T. läuft denn auch nur eine große Eisenbahnlinie (Südbahn) aus, welche sich in Nabresina in die Linie nach Wien, anderseits in die Linie über Cormons nach Italien teilt. Außerdem führt eine Zweigbahn von T. nach Herpelje zur Istrianer Staatsbahn; alle andern Projekte (Lacker Bahn, Predil- und als Fortsetzung die Tauernbahn) scheitern an den technischen Schwierigkeiten und den Kosten. Die Entwickelung des österreichischen und ungarischen Eisenbahnnetzes hat daher dem Handel Triests manchmal geradezu Abbruch gethan, wie insbesondere die Linien nach Fiume und die Pontebbabahn. Dazu kommt die auch in andrer Beziehung von der ungarischen Regierung wirksam unterstützte Konkurrenz des Fiumaner Hafens sowie endlich manche Mängel in den Triester Handelsverhältnissen selbst. Infolge dieser Umstände ist trotz der Eröffnung des Suezkanals und der dadurch erleichterten Verbindung mit Ostindien, der Einrichtung von subventionierten Schiffahrtslinien nach Bombay, Kalkutta, Singapur und Hongkong der Aufschwung im Handels- und Schiffahrtsverkehr von T. in den letzten Jahrzehnten hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Neuestens sind durch Vervollständigung der Hafeneinrichtungen, Anlage großer Lagerhäuser, Einführung von Differentialzöllen (ermäßigte Zollsätze für die zur See eingeführten Waren), Subventionierung neuer Schiffahrtslinien des Lloyd (insbesondere nach Südamerika) Maßregeln zur Belebung des Triester Hafen- und Handelsverkehrs ergriffen worden. Unter den zahlreichen Instituten

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Triester Holz - Trifolium.

und Vereinen für Verkehr, Kreditwesen und Industrie behauptet den ersten Platz der 1836 errichtete Österreichische (jetzt Österreichisch-Ungarische) Lloyd, der über eine aktive Handelsflotte von 83 Dampfern verfügt. Andre Institute sind: die Triester Kommerzialbank, die Volksbank, die städtische Sparkasse, dann die Filialen der Österreichisch-Ungarischen Bank, der Kreditanstalt, der Unionbank u. a. T. ist der Sitz von vier Versicherungsanstalten, darunter die weltbekannten Assicurazioni generali und Riunione Adriatica di sicurtà. Es operieren hier außerdem 41 österreichisch-ungarische und ausländische Versicherungsgesellschaften.

Von Wohlthätigkeitsanstalten sind hervorzuheben: das städtische Krankenhaus samt Gebäranstalt und Siechenhaus, in welchem bis 2000 Personen Unterkunft finden können, das große Militärspital, das Irrenhaus, die Findelanstalt, das Hauptarmeninstitut (mit 600 Betten für Pfründner und arme Kinder), eine Verpflegungs- und Arbeitsanstalt für verwahrloste Kinder u. a. Das Seelazarett befindet sich außerhalb der Stadt in dem südlich bei Muggia gelegenen Valle San Bartolommeo. An Unterrichtsanstalten besitzt die Stadt: eine Handels- und nautische Akademie und eine Handelshochschule (Stiftung Revoltella), 2 Obergymnasien und 2 Oberrealschulen (je eine staatliche deutsche und eine städtische italienische Anstalt), eine Staatsgewerbeschule, 2 gewerbliche Zeichenschulen, eine Hebammenlehranstalt, eine zoologisch-zootomische Übungsstation, ein städtisches Mädchenlyceum, endlich 4 Bürger-, 35 öffentliche und 19 Privatvolksschulen. An Museen und andern Sammlungen befinden sich in T.: ein naturhistorisches Museum (Ferdinando-Massimiliano), welches unter anderm eine Fauna des Adriatischen Meers enthält; ein städtisches Museum mit Altertümern, insbesondere aus Aquileja, das Museo lapidario, gleichfalls mit römischen Antiquitäten, einem Münzkabinett, alten Manuskripten und dem 1823 errichteten Marmordenkmal Winckelmanns (s. d.); eine städtische Bibliothek mit 65,000 Bänden (worunter die kostbarste Sammlung von Petrarcas Werken), eine öffentliche Studienbibliothek, ein hydrographisches Institut der k. k. Kriegsmarine mit Sternwarte, ein Kunstmuseum im Palast Revoltella und mehrere Privatgemäldesammlungen. In T. erscheinen 29 Zeitungen (24 italienische, 2 deutsche, eine griechische und 2 slowenische). - Die Stadt ist Sitz der Statthalterei des Küstenlandes, des Stadtmagistrats, der österreichischen Seebehörde, des Oberlandes- und Landesgerichts, des Handels- und Seegerichts, des Hafen- und Seesanitätskapitanats, der Finanz-, Post- und Telegraphendirektion, eines Hauptzollamtes und einer Handels- und Gewerbekammer. Der Bürgermeister von T. trägt den Titel Podestà und ist zugleich Präsident des Landtags (Landeshauptmann); der Triester Stadtrat (54 Mitglieder) fungiert zugleich als Landtag. T. ist außerdem Sitz eines Bischofs, eines k. k. Divisionskommandos, eines Seebezirkskommandos, einer Polizeidirektion und zahlreicher Konsulate fremder Staaten (darunter auch eines deutschen). Das Budget der Stadt T. belief sich 1889 auf 3,363,000 Gulden Einnahmen und 3,431,000 Guld. Ausgaben; die Schuld betrug 1887: 4,583,330 Guld., das Vermögen von T. nach Abzug aller Passiva 5,242,344 Guld. T. besitzt mehrere Seebadeanstalten. Für den Lokalverkehr sorgt eine Pferdebahn (14 km Länge). Die Umgebung ist terrassenförmig, mit prächtigen Villen besäet. Über dem Boschetto befinden sich die aussichtsreichen Villen Ferdinanda und Revoltella, hoch über T. an der Poststraße das Dorf Optschina mit Obelisk und herrlichem Überblick über Stadt und Meer, in der Mitte einer schönen Eichenwaldung das k. k. Hofgestüt Lipizza. Am nördlichen Meeresstrand liegen der Küstenort San Bartolo (Barcola), mit Fabriken und Seebadeanstalt und weiter das schöne Schloß Miramar (s. d.). Die Stadt wird von mehreren Brunnen der Umgebung sowie durch eine Wasserleitung aus dem Abhang des Gebirgszugs Santa Croce mit gutem Wasser versehen. Das Wappen von T. s. auf Tafel "Österreichisch-Ungarische Länderwappen".

T. (Tergeste) ward 178-177 v. Chr. mit Istrien dem römischen Reich einverleibt und unter Augustus zu einer römischen Kolonie gemacht. Im Mittelalter tritt es zunächst als Bischofsstadt mit einem bedeutenden Territorium (der römischen regio) hervor. Der Kommune gelang es im 13. Jahrh., dem Bischof die wichtigsten Hoheitsrechte teils abzuringen, teils abzulösen. Doch befand es sich, im wechselnden Kampf um seine Selbständigkeit Venedig gegenüber, in einer schwankenden Stellung zum Patriarchen von Aquileja als "Markgrafen von Istrien" und zu dessen Vögten, den Grafen von Görz, als "Grafen von Istrien". Nach dem großen venezianischen Krieg von 1379 bis 1381 kam es 1382 an Österreich und blieb fortan unter dessen Herrschaft, mit Ausnahme der Zeit von 1797 bis 1805, in der es die Franzosen besetzt hielten, und von 1809 bis 1813, in der es zu der illyrischen Provinz Frankreichs gehörte, bis auf die Gegenwart. Die Stadt ward nun bald die glückliche Rivalin Venedigs und, besonders seitdem Kaiser Karl VI. sie zum Freihafen erklärt, die Beherrscherin des Adriatischen Meers. 1818 ward sie nebst Gebiet dem deutschen Bundesgebiet einverleibt. Durch kaiserliches Dekret vom 2. Okt. 1849 ward die Stadt nebst Gebiet zur reichsunmittelbaren Stadt erhoben. Vgl. Mainati, Croniche ossia memorie stor.-sacro-prof. di Trieste (Venedig 1817-18, 7 Bde.); Löwenthal, Geschichte der Stadt T. (Triest 1857); Scussa, Storia cronografica di Trieste (neue Aufl., das. 1885-86); della Croce, Storia di Trieste (das. 1879); Cavalli, Storia di Trieste (das. 1877); Neumann-Spallart, Österreichs maritime Entwickelung und die Hebung von T. (Stuttg. 1882); Scubitz, T. und seine Bedeutung für den deutschen Handel (Leipz. 1881); die jährlichen Publikationen der Triester Börsendeputation: "Navigazione di Trieste" und "Commercio di Trieste"; "Führer durch T. und Umgebung" (2. Aufl., Wien 1886).

Triester Holz, s. Celtis.

Triëterien (Mänadenfeste), s. Dionysos, S. 998.

Trieur (franz., spr. triör), s. Getreidereinigungsmaschinen.

Trifels, Burgruine auf der Hardt in Rheinbayern, südöstlich bei Annweiler, 494 m ü. M. Die Burg T. war ehemals sehr bedeutend und ein Reichsgut, wo 1076 der gebannte Kaiser Heinrich IV. Schutz fand, wo Heinrich V. den Erzbischof Adalbert von Mainz und Heinrich VI. 1193-94 den König Richard Löwenherz von England gefangen hielten, und wo die Hohenstaufen ihre Schätze verwahrten. Nach dem Dreißigjährigen Krieg verfiel die Burg.

Trifles (engl., spr. treifls, "Kleinigkeiten, Spielereien"), in England beliebte Mischung von allerlei beliebig zusammengestellten Leckereien, z. B. in Wein getränkter Biskuits, in feinem Likör getränkter Makronen, Zitronat, kandierter Orangenschalen, Obstmarmeladen, Gelees etc.; das Ganze wird mit Creme bedeckt und dann mit Schlagsahne übergossen.

Trifolium, s. Klee.

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Triforium - Trigonometrie.

Triforium (lat.), eigentlich Drillingsbogen, eine in gotischen Kirchen in der Dicke der Mittelschiffmauer herumgeführte, auf Säulchen ruhende Galerie (s. Fig. a b), die anfangs wirklich nach außen geöffnet, später zu rein dekorativem Zweck auf die äußere Mauerfläche aufgesetzt war.

Trift, der Weg für das Weidevieh; Triftgerechtigkeit (Triftrecht), die einem Grundeigentümer zustehende Befugnis, sein Vieh über fremde Grundstücke zu treiben, wobei aber das Vieh sich nicht aufhalten darf, um zu fressen, wofern nicht mit dem Triftrecht eine Weidegerechtigkeit (s. d.) verbunden ist.

Triftenfreund, s. Nemophila.

Triftlieschgras, s. Phleum.

Triga (lat.), Dreigespann.

Trigeminus, dreigeteilter Nerv, s. Gehirn, S. 2 f.

Triggiano (spr. tridschano), Stadt in der ital. Provinz Bari, nahe südlich von Bari gelegen, mit Mandel-, Wein- und Ölbau und (1881) 8217 Einw.

Trigla, Knurrhahn.

Triglaw, Berg, s. Terglou.

Triglaw (slaw.), Gott der Wenden, dreiköpfig dargestellt, hatte die Herrschaft über Himmel, Erde und Unterwelt. Ein schwarzes, ihm geweihtes Roß lenkte durch seine Orakelzeichen jegliches Unternehmen. Tempel hatte er zu Stettin, Wollin und Brandenburg a. H.

Triglyph (griech., Dreischlitz), Teil des Gebälkes der dorischen Säulenordnung, welchen man als das Kopfende eines über den Architrav gestreckten Balkens zu betrachten hat, das mit drei lotrechten Vertiefungen (Schlitzen) versehen ist. Die Triglyphen (s. Abbild. a) bilden einen Teil des Frieses, worin sie mit den (b) Metopen (s. d.) abwechseln; s. Tafel "Säulenordnungen", Fig. 1, 2 u. 3.

Trigon (griech.), Dreieck; trigonal, dreieckig.

Trigonalschein (Gedrittschein), s. Aspekten.

Trigonalzahlen (Triangularzahlen), Zahlen von der Form 1/2n(n+1), deren Einheiten man in Gestalt regelmäßiger Dreiecke ordnen kann; vgl. Polygonalzahlen.

Trigondodekaëder (Pyramidentetraeder), von Dreiecken eingeschlossene zwölfflächige Kristallgestalt, Hemieder des tesseralen Trapezoeders; s. Kristall, S. 232.

Trigonella L. (Kuhhornklee, Käseklee), Gattung aus der Familie der Papilionaceen, Kräuter mit fiederig dreizähligen Blättern, einzelnen, in Köpfchen, Dolden oder kurzen, dichten Trauben achselständigen, gelben, bläulichen oder weißen Blüten und linealischen, zusammengedrückten oder walzigen, geraden oder sichelförmigen, mehrsamigen Hülsen. Etwa 70 Arten, vorzüglich im Mittelmeergebiet. T. Foenum graecum L. (Bockshornklee, griechisches Heu), einjährig, 30-50 cm hoch, mit verkehrt-eiförmigen oder länglich-keilförmigen Blättchen, einzeln oder zu zweien stehenden, blaßgelben Blüten und 8-12 cm langen, kahlen, linealischen, schwach sichelförmigen, längsgestreiften Hülsen, zwischen dem Getreide im südlichen Europa, in Kleinasien und Nordafrika, in Indien, auch in Europa der Samen halber kultiviert. Diese schmecken widerlich bitter, riechen stark melilotenartig und standen bei den Ägyptern, Griechen und Römern in hohem Ansehen, sie wurden als Arzneimittel, Viehfutter, geröstet als Speise benutzt, und auch Karl d. Gr. befahl den Anbau in Deutschland. Jetzt dienen die Samen fast nur noch in der Veterinärpraxis. Mit Milch zubereitet, genießen sie die Frauen im Orient, um die in den Harems beliebte Wohlbeleibtheit zu gewinnen. Das Stroh dient zu Pferdefutter.

Trigonia, s. Muscheln, S. 912.

Trigonoduskalk, s. Triasformation, S. 828.

Trigonometer, der mit der Triangulierung eines Landes beauftragte Geodät.

Trigonometrie (griech., Dreiecksmessung), der auf die Ähnlichkeitslehre sich gründende Teil der Geometrie, welcher aus drei zur Bestimmung ausreichenden Stücken eines Dreiecks die übrigen durch Rechnung finden lehrt. Das Hilfsmittel hierzu bilden die goniometrischen (trigonometrischen) Funktionen, welche den Zusammenhang zwischen geradlinigen Strecken und Winkeln vermitteln. Um die Bedeutung dieser Funktionen zu verstehen, denke man sich einen Winkel u durch Drehung eines Schenkels um den Scheitel O entstanden; der Winkel sei dann positiv oder negativ, je nachdem die Drehung der Bewegung eines Uhrzeigers entgegengesetzt oder mit ihr gleichgerichtet ist; es ist also in Fig. 1 der spitze Winkel AOP positiv, dagegen der spitze Winkel A O S negativ, wenn der zuerst geschriebene Radius O A der Anfangsschenkel ist. In dem Kreis (Fig. 1) sind zwei aufeinander senkrechte Durchmesser gezogen, der horizontale A' A und der vertikale B' B. Indem man von P die Senkrechten P C auf A' A u. P D auf B' B fällt, erhält man die horizontale Projektion O C und die vertikale O D des Radius O P, des Endschenkels des Winkels u = A O P. Die horizontale Projektion wird positiv gerechnet, wenn sie von O nach rechts, die vertikale, wenn sie nach oben liegt, bei entgegengesetzter Lage sind sie negativ. Man versteht nun unter Sinus von u, geschrieben sin u, die Vertikalprojektion des Endschenkels, dividiert durch diesen selbst; unter Kosinus von u, cos u, die Horizontalprojektion, dividiert durch den Endschenkel; es ist also

sin u = O D / O P, cos u = O C / O P. [s. Bildansicht]

Dabei wird der im Nenner stehende Radius O P stets positiv gerechnet, während den im Zähler stehen-

[Triforium.]

[Triglyphen (a) des dorischen Frieses.]

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Trigynus - Triklinium.

den Projektionen ihr Vorzeichen zu erteilen ist. Ferner ist die Tangente von u (tan u, tang u oder tg u) gleich dem Sinus, dividiert durch den Kosinus, die Kotangente (cot u) gleich Eins, dividiert durch Tangente, die Sekante (sec u) gleich Eins durch Kosinus, die Kosekante (cosecu) gleich Eins durch Sinus. Die früher üblichen Funktionen Kosinus versus (cos vers u = 1 - sin u) und Sinus versus (sin vers u = 1 - cos u) werden jetzt kaum mehr benutzt. Aus Fig. 1 und den gegebenen Definitionen ist ersichtlich, daß sämtliche goniometrische Funktionen dieselben absoluten Werte, die sie für einen spitzen Winkel u = A O P haben, auch für die Winkel 180° - u = A O Q, 180° + u = A O R und 360° - u = A O S haben. Das Vorzeichen ist aber in den verschiedenen Quadranten verschieden nach dem folgenden Schema:

0°-90° 90°-180° 180°-270° 270°-360°

sin + + - -

cos + - - +

tan + - + -

cot + - + -

sec + - - +

cosec + + - -

Man braucht sonach nur die Werte der trigonometrischen Funktionen für die Winkel des ersten Quadranten zu kennen. Diese Werte, gewöhnlicher die Logarithmen derselben, finden sich in Tabellen zusammengestellt, die den Sammlungen logarithmischer Tafeln (s. Logarithmus) einverleibt sind. Die Untersuchung der Eigenschaften dieser goniometrischen Funktionen ist Aufgabe der Goniometrie (s. d.). Im rechtwinkeligen Dreieck (Fig. 2) kann man, mit dem Obigen sachlich übereinstimmend, definieren den Sinus als die Gegenkathete des Winkels, dividiert durch die Hypotenuse, Kosinus als anliegende Kathete durch die Hypotenuse, Tangente als Gegenkathete durch anliegende:

sin alpha = a/c, cos alpha = b/c, tan alpha = a/b.

Diese drei Gleichungen, in Verbindung mit dem Pythagoreischen Satz c² - a² + b² und der Formel beta = 90° -alpha, genügen zur Berechnung der fehlenden Stücke eines rechtwinkeligen Dreiecks. In einem schiefwinkeligen Dreieck mit den Seiten a, b, c und den Gegenwinkeln alpha, beta, gamma (Fig. 3) dienen zur Berechnung der fehlenden Stücke die zwei Formeln: a² = b² + c² - 2bc.cos alpha und a sin beta = b sin alpha nebst den vier andern, welche sich durch Vertauschung der Buchstaben ergeben. Die erste Formel, eine Erweiterung des Pythagoreischen Satzes, lehrt aus zwei Seiten u. dem eingeschlossenen Winkel die dritte Seite (a aus b, c und alpha) finden, aber auch den Winkel alpha aus den drei Seiten. Der Unbequemlichkeit der Rechnung halber wendet man aber in beiden Fällen häufig andre Formeln an. Die zweite Formel, der Sinussatz (weil man schreiben kann a : b = sin alpha : sin beta, d. h. zwei Seiten verhalten sich wie die Sinus der Gegenwinkel), dient in Verbindung mit der Formel alpha + beta + gamma = 180° dann zur Rechnung, wenn sich unter den bekannten Stücken zwei gegenüberliegende befinden. Das hier Angedeutete bildet den Inhalt der ebenen T., an die sich die Polygonometrie, die Berechnung der Polygone, anschließt. Die sphärische T. hat es mit der Berechnung sphärischer Dreiecke zu thun, die durch Bogen größter Kreise auf einer Kugel gebildet werden. Vgl. über ebene und sphärische T. Dienger, Handbuch der T. (3. Aufl., Stuttg. 1867); Reuschle, Elemente der T. (das. 1873). Da die Erde keine genaue Kugel, sondern ein Sphäroid ist, so hat man unter dem Namen sphäroidische T. eine Erweiterung der sphärischen T. ausgebildet, welche sich mit den Dreiecken auf dem Sphäroid beschäftigt. Vgl. Grunert, Elemente der ebenen, sphärischen und sphäroidischen T. (Leipz. 1837). - Die Astronomen des Altertums bestimmten die Winkel durch die Sehnen, die sie in einem um den Scheitel beschriebenen Kreis umspannten; der syrische Prinz Albategnius (Mohammed ben Geber al Batani, gest. 928) führte zuerst die halben Sehnen der doppelten Winkel, d. h. die Sinus als absolute Längen (nicht Quotienten), ein; auch rührt von ihm die erste Idee der Tangenten her, die von Regiomontanus dauernd eingeführt wurden. Die Auffassung der trigonometrischen Funktionen als Verhältniszahlen datiert von Euler.

Trigynus (griech.), dreiweibig, Blüten mit drei Pistillen; davon Trigynia, Ordnung im Linnéschen System, Pflanzen mit drei Griffeln umfassend.

Trihemitonium (griech.), "anderthalb Töne", d. h. die kleine Terz.

Trijodmethan, s. Jodoform.

Trikkala (türk. Tirhala), Hauptstadt des gleichnamigen thessal. Nomos im Königreich Griechenland, der auf 5700 qkm (103,5 QM.) 117,109 Einw. zählt, am Trikkalinos (Zufluß des Salamvria), Sitz eines griechischen Erzbischofs, hat ein noch jetzt benutztes byzantinisches Kastell, 10 griech. Kirchen, 7 Moscheen, ein griech. Gymnasium, 2 Synagogen, Färberei, Gerberei, Baumwollbau und (1883) 5563 griechische und türk. Einwohner (im Winter, wenn die walachischen Hirten der Umgebung dazu kommen, bedeutend mehr). Dabei die dürftigen Ruinen der alten thessalischen Festung Trikke, welche den ältesten und berühmtesten Asklepiostempel besaß.

Triklines (triklinometrisches) Kristallsystem, s. Kristall, S. 231.

Triklinium (lat.), bei den alten Römern das gepolsterte Lager, auf dem man beim Essen lag. Es nahm drei Seiten eines quadratischen Tisches ein (während die vierte für die Bedienung frei blieb), und jede Seite desselben bot in der Regel für drei Personen Raum (vgl. obenstehende Skizze). Jeder der Plätze war mit einer Seitenlehne und einem Kissen versehen, auf welches man sich mit dem linken Arm stützte, während die Füße nach außen gerichtet waren. Hinsichtlich der Reihenfolge der neun Plätze herrschte eine strenge Etikette. Das mittelste Ruhe-

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Trikolore - Triller.

bett (lectus medius) und das ihm zur Linken stehende oberste (lectus summus) waren für die Gäste bestimmt und zwar das erstere für die vornehmsten, das ihm zur Rechten stehende unterste (lectus imus) für den Wirt und seine Familie. Als gegen Ende der Republik Tische aus kostbarem Citrusholz mit runden Platten aufkamen, wendete man ein halbkreisförmiges Ruhebett an, das nach seiner Form Sigma oder auch Stibadium genannt wurde. Ehrenplätze auf dem Sigma waren die Eckplätze. T. heißt übrigens auch das Speisezimmer selbst, und die vornehmen Römer der spätern Zeit hatten für die verschiedenen Jahreszeiten mehrere solcher Zimmer (s. Tafel "Baukunst VI", Fig. 4); in den Klöstern Saal zur Bewirtung der Pilger.

Trikolore (franz.), "dreifarbige" Kokarde oder Fahne, wie sie Frankreich, Belgien, Italien, Rußland, Deutschland etc. haben, besonders aber die der Franzosen (rot, blau und weiß), welche durch die erste Revolution eingeführt wurde (s. Fahne, S. 1016, Kokarde und Nationalfarben).

Trikot (franz., spr. -koh), ursprünglich aus Seide, Wolle oder Baumwolle gewirkte Beinkleider und Jacken für Schauspieler etc.; dann auf dem Rundstuhl gefertigte, nach Art des Tuches gewalkte und geschorne Gewebe, welche eine Art leichtes Sommer- oder Damentuch bilden; endlich glatte, melierte oder verschieden gemusterte, den Buckskins ähnliche wollene Gewebe, welche aber elastischer als letztere sind.

Trikupis, 1) Spyridon, griech. Gelehrter und Staatsmann, geb. 20. April 1788 zu Missolunghi, ward von dem damals in Griechenland reisenden Lord North, nachmaligem Grafen Guilford, zur Vervollkommnung seiner Kenntnisse nach Paris und London gesandt, dann dessen Privatsekretär, als derselbe Gouverneur der Jonischen Inseln wurde. Im griechischen Freiheitskampf bekleidete er, mit Ausnahme der Zeit der Präsidentschaft Kapo d'Istrias', die wichtigsten Posten in der Verwaltung und der Diplomatie. Er war unter der Regentschaft Konseilpräsident, nachdem Regierungsantritt des Königs Otto zu zwei verschiedenen Malen (1835-38 und 1841-43) außerordentlicher Gesandter zu London, nach der Revolution vom 15. Sept. 1843 Minister des Auswärtigen und des öffentlichen Unterrichts, von 1844 bis 1849 Vizepräsident des Senats, außerordentlicher Gesandter zu Paris während der Blockade der griechischen Häfen durch die englische Flotte 1850 und dann zum drittenmal in London. Während der Bewegungen in den 60er Jahren war er wiederum verschiedene Male Mitglied der zahlreichen ephemeren Ministerien. Er starb 24. Febr. 1873. T. genoß außerdem eines großen Rufs als Schriftsteller und Redner. Eine große Anzahl von ihm während der Revolution gehaltener Reden, religiösen wie politischen Inhalts, wurde 1836 in Paris herausgegeben. Auch als Dichter trat er auf und zwar mit einem Kriegsgedicht auf die Klephthen: "[griech. Titel, s. Bildansicht]" (Par. 1821). Sein Hauptwerk ist jedoch die Geschichte des hellenischen Aufstandes ("[griech. Titel, s. Bildansicht]", Lond. 1853-57, 4 Bde.; 2. Aufl. 1862).

2) Charilaos, griech. Staatsmann, Sohn des vorigen, geb. 23. Juli 1832 in Nauplia, studierte in Athen und Paris die Rechte, trat 1852 in den diplomatischen Dienst und schloß 1865 den Vertrag mit England über die Abtretung der Jonischen Inseln ab. Als Mitglied der Kammer schloß er sich der radikalen Partei an, ward 1867 Minister des Auswärtigen und war 1875-76 Ministerpräsident, 1877 in dem Koalitionsministerium Kanaris' Minister des Äußern und 1882-85 sowie seit 1886 wieder Ministerpräsident. Seine Grundsätze wurden mit der Zeit gemäßigter, und um die Regelung der Finanzen und die Reform der Wehrkraft Griechenlands hat er sich hervorragende Verdienste erworben.

Trikuspidalklappe, die dreizipfelige Herzklappe (s. Tafel "Blutgefäße", Fig. 1), bedingt bei Schlußunfähigkeit die Trikuspidalinsuffizienz.

Trilateral (lat.), dreiseitig.

Trilemma (griech.), Schlußform, s. Schluß, S. 544.

Trilinguisch (lat.), dreisprachig.

Triller, die bekannteste und häufigste der musikalischen Verzierungen (s. d.), gefordert durch tr~~~ oder einfach tr, auch t oder +, ist der den ganzen Wert der verzierten Note ausfüllende wiederholte schnelle Wechsel der Hauptnote mit der höhern Nachbarnote, wie sie die Vorzeichen ergeben; doch darf niemals im Intervall der übermäßigen Sekunde getrillert werden. Früher pflegte man den T. als mit der Hilfsnote beginnend anzusehen: (Beispiel 1), doch ist seit etwa Anfang unsers Jahrhunderts die Auffassung, daß die Hauptnote beginnen müsse, allmählich die herrschende geworden (2). Soll (in neuern Werken) der T. mit der Hilfsnote beginnen, so muß diese noch besonders als Vorschlagsnote eingezeichnet werden (3). Wird die untere Sekunde als Vorschlagsnote vorgeschrieben, so entsteht der T. mit Vorschleife (4 u. 5), dessen älteres Zeichen (noch zu Ende des vorigen Jahrhunderts) Beispiel 6 angibt, während Beispiel 7 dem T. mit Vorschleife von oben entspricht. Auch der Nachschlag konnte durch eine ähnliche Schleife am Schluß des Trillerzeichens gefordert werden, u. es kommen daher auch T. mit beiden Schleifen vor (8). Das einfache ~~~ ist das alte Zeichen des Trillers, wurde aber häufig so ausgeführt, daß nur ein Teil des Notenwerts aufgelöst wurde und dann die Note ausgehalten (s. Pralltriller). Die Frage, wann dem T. ein Nachschlag als Schluß beizugeben sei, ist das einzige Problem, welches der T. bietet. In neuerer Zeit ist es üblich, den Nachschlag mit kleinen Noten hinzuschreiben, wo er gewünscht wird (beim längern T. fast ausnahmslos); auch bei neuen Ausgaben älterer Werke findet man in Menge die Nachschläge hinzugefügt, leider ist darin aber zweifellos von manchen Editoren des Guten zu viel geschehen, z. B. von Moscheles bei Mozart und Beethoven. Als Hausregel kann gelten, daß der Nachschlag entbehrlich ist, besonders nach kürzern Trillern, wenn von der Trillernote ein Sekundschritt abwärts geschieht, Trillerketten erhalten gewöhnlich keine Nachschläge. Wo

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Triller - Trimurti

bei Bach und andern ältern Komponisten das Zeichen des Trillers über der ersten Note eines punktierten Rhythmus auftritt, darf nicht der ganze Notenwert aufgelöst werden, sondern es wird dann nur ein paarmal schnell geschlagen und ohne Nachschlag innegehalten, um den Rhythmus noch zur Geltung zu bringen. Ein maßgebendes Gesetz für die Ausführung aller Verzierungen ist, daß sie nicht die Rhythmik des Stückes schädigen und verwischen dürfen; man thut daher in vielen Fällen gut, eine Stelle erst ohne die Verzierung zu spielen und dieselbe dann einzufügen. Eine Aneinanderhängung mehrerer T. heißt Trillerkette (Kettentriller). Steigt oder fällt die Trillerkette sekundenweise, so erhalten die einzelnen T. gewöhnlich keine Nachschläge, da der T. selbst als steigend und fortdauernd angesehen wird; geradezu fehlerhaft ist der Nachschlag bei chromatischer Veränderung des Trillers: Springende Trillerketten dürfen Nachschläge erhalten, nur der eine Oktave springende T. ist als Fortdauer desselben Trillers anzusehn, d. h. erhält keinen Nachschlag.

Triller, s. Sächsischer Prinzenraub.

Trillhaus (Triller), ein hölzernes, vergittertes, an einer horizontalen Welle befestigtes Häuschen, in welches ehedem die wegen Polizeivergehen Verurteilten eingesperrt wurden, um durch Herumdrehen desselben zu allerhand lächerlichen Bewegungen und Übelkeit gebracht und dem öffentlichen Spott preisgegeben zu werden.

Trilling (Drehling, Stockgetriebe), ein größeres Getriebe, bei dem die Getriebstöcke zwischen zwei hölzernen Scheiben (Trillingsscheiben) befestigt sind.

Trillion, die dritte Potenz einer Million, geschrieben 1 mit 18 Nullen; vgl. Zahlensystem.

Trillo, Flecken in der span. Provinz Guadalajara, am Tajo, mit (1878) 782 Einw. und besuchtem Mineralbad.

Trilobiten (Trilobitae), Gruppe völlig ausgestorbener und nur den ältesten geologischen Schichten angehöriger Tiere, die man früher allgemein zu den Krebsen rechnete, neuerdings jedoch getrennt von ihnen behandelt. Sie besaßen (vgl. die Abbildungen von Calymene, Ellipsocephalus, Trinucleus, Paradoxides und Arges auf den Tafeln "Silurische" und "Devonische Formation") einen durch zwei Längsfurchen dreiteiligen Körper, der aus vielen Ringen zusammengesetzt war und sich bei manchen Arten igelartig zusammrollen konnte. Am ersten Ring, dem Kopf, saßen meist zwei große Augen. Vielfach waren an Kopf und Rumpf lange Stacheln vorhanden. Wichtig ist der Umstand, daß man früher fast nie auch nur Spuren von Beinen gefunden hat; diese müssen also im Vergleich zum Körper sehr weichhäutig gewesen sein. Erst in der neuesten Zeit gelang es, durch Reihen von mühsam hergestellten Schliffen durch T. zu ermitteln, daß um den Mund herum 4 Paar Kaufüße und an jedem Ring der Brust und des Hinterleibes ein Paar Gehbeine mit Kiemen saßen. Vgl. Brongniart, Histoire naturelle des crustacés fossiles, savoir Trilobites (Par. 1822); Burmeister, Die Organisation der T. (Berl. 1843); Beyrich, Untersuchungen über T. (das. 1845-46); Barrande, Système silurien. Bd. 1 (Prag 1852); Salter, Monograph of British Trilobites (Lond. 1864-66); Walcott, The Trilobite (Cambridge, Mass., 1881).

Trilogie (griech.), bei den Griechen die Verbindung je dreier Tragödien, mit denen an den Dionysosfesten die dramatischen Dichter miteinander um die ausgesetzten Preise kämpften. Gewöhnlich schloß sich diesen Tragödien noch ein Satyrspiel an, und diese Verbindung hieß dann eine Tetralogie. Am meisten bildete Äschylos die T. aus, indem er entweder ausgedehntere Mythenstoffe in drei miteinander in inniger Verbindung stehenden Dramen behandelte oder drei an sich nicht zusammenhängende Stoffe wenigstens durch eine gemeinsame symbolische Beziehung miteinander verknüpfte. Unter den erhaltenen Stücken von ihm befindet sich eine vollständige T., die "Orestie", bestehend aus "Agamemnon", den "Choephoren" und "Eumeniden", welchen sich in stofflichem Zusammenhang das nicht mehr vorhandene Satyrdrama "Proteus" anschloß. Von Neuern haben Schiller ("Wallenstein"), Hebbel ("Die Nibelungen"), Swinburne ("Mary Stuart") u. a. Trilogien gedichtet. Auch R. Wagners "Ring des Nibelungen" will als T. (mit einem Vorspiel) angesehen sein.

Trim, Hauptstadt der irischen Grafschaft Meath, am Boyne, mit Gerichtshof, Denksäule Wellingtons, Lateinschule, einem merkwürdigen anglonormännischen Turm und (1881) 1586 Einw. Südlich dabei Laracor, wo Swift und Stella wohnten.

Trimalchio, bei Petronius ein ganz dem Wohlleben hingegebener Greis, allgemeiner s. v. w. dreifacher Weichling.

Trimberg, s. Hugo von Trimberg.

Trimester (lat.), Zeit von drei Monaten.

Trimeter (griech., lat. Senarius, "Sechsfüßler"), das gewöhnliche Versmaß der griech. Dramatiker, bestehend aus drei Metren oder Doppeliamben (Dipodien), mit einer Cäsur, die, gewöhnlich nach der fünften, seltener nach der siebenten Silbe eintretend, den Vers in zwei ungleiche Hälften teilt. Im ersten, dritten und fünften Fuß oder zu Anfang jeder Dipodie kann statt des Jambus auch ein Spondeus stehen, so daß folgendes Schema entsteht [s. Bildansicht]:

Bewundert viel und | viel gescholten, Helena.

Der T. zeichnet sich durch Ernst und feierlichen Gang aus, der durch die erlaubten Spondeen noch würdevoller gemacht wird. Die Komödiendichter behandeln ihn übrigens viel freier als die Tragiker, namentlich geben sie ihm durch Einführung von Anapästen an Stelle der Spondeen einen leichtern Charakter. Von unsern Dichtern haben den T. Goethe in der "Helena", Schiller in einigen Szenen der "Jungfrau", Platen in seinen Litteraturkomödien in Anwendung gebracht. Die Versuche andrer, wie Minckwitz, Märcker etc., ihn für große Tragödien zu verwenden, sind als mißlungen zu bezeichnen.

Trimethylamin, s. Methylamine.

Trimm, Timothée, Pseudonym, s. Lespès.

Trimmen (engl., auch trümmen), die nicht in Stückgütern bestehende Schiffsladung (Getreide, Kohlen etc.) eben schaufeln, um sie im Schiffsraum angemessen zu verteilen. Das Schiff ist in gutem Trimm, wenn es gerade tief genug geladen, weder zu viel noch zu wenig achterlastig ist.

Trimorphismus (griech.), Dreigestaltung, s. Heteromorphismus.

Trimurti, im Religionssystem des neuern Brahmanismus die Vereinigung der bis dahin ziemlich unvermittelt nebeneinander stehenden drei großen Götter Brahma als des Schöpfers, Wischnu als des Erhalters, Siwa als des Zerstörers, ausgegangen von dem Bestreben, die verschiedenen Religionsele-

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Trinakria - Trinität.

mente gegen den Buddhismus und andre feindliche Strömungen zu verbinden. Verehrt wird die T. in einem dreiköpfigen Bild aus einem Stein, das vorn den Brahma mit dem Almosentopf und dem Rosenkranz, rechts den Wischnu u. links den Siwa darstellt.

Trinakria (Thrinakia), altertümlicher und poetischer Name der Insel Sizilien wegen ihrer dreieckigen Gestalt.

Tring, Stadt im westlichen Hertfordshire (England), hat Strohhut- und Stuhlfabriken, einen Park mit Schloß, welches Karl II. seiner Mätresse Nell Gwynne schenkte, und (1881) 4354 Einw.

Tringa, Strandläufer (Vogel).

Trinidad, 1) britisch-westind. Insel, die südlichste und größte der Kleinen Antillen, an der östlichen Nordküste von Venezuela vor der Mündung des Orinoko gelegen. Die Insel wird von O. nach W. von drei parallelen Bergketten durchkreuzt, von denen die nördliche im Cerro de Aripo 945 m Höhe erreicht, und zwischen denen zwei von Meer zu Meer reichende Ebenen liegen. Flüsse und auch Sümpfe sind zahlreich. Bei Brea liegt der merkwürdige Asphaltsee (Pitch Lake), und Schlammvulkane sind bei der Südwestspitze vorhanden. In seiner Pflanzen- und Tierwelt gehört T. eher zum nahen Kontinent als zu den Antillen. Palmen und Zedern bedecken große Strecken. Von Tieren sind Affen, Tigerkatzen, Ameisenbären, ferner Hirsche, wilde Schweine, Gürteltiere und Beuteltiere, dann Schlangen, Alligatoren und Schildkröten zu nennen. Das Klima kennt eine trockne Jahreszeit, die von Dezember bis Mai anhält. Die mittlere Temperatur von Port of Spain ist 25,5° C., und es fallen 1950 mm Regen. Stürme wüten im Oktober fast täglich. T. hat ein Areal von 4518 qkm (82,5 QM.) und (1887) 183,486 Einw. (1871: 109,638). Nur 40,500 Hektar sind angebaut. Hauptprodukt ist Zucker, und außerdem werden Kaffee, Kakao und Baumwolle gebaut und Kokospalmen sowie Nahrungspflanzen gezogen. Die Viehzucht ist ohne Bedeutung. Den Verkehr vermitteln (1887) 88 km Eisenbahnen. Die günstige Lage in der Nähe der Orinokomündung ist dem Handel förderlich. Der Wert der Ausfuhr war 1887: 1,870,612 Pfd. Sterl., diejenige der Einfuhr 1,918,670 Pfd. Sterl. T. erfreut sich seither keiner repräsentativen Verfassung. Seine Revenüe ist (1887) 456,167 Pfd. Sterl. bei einer Schuldenlast von 562,440 Pfd. Sterl., großenteils durch Einführung von Kulis entstanden. Hauptstadt ist Port of Spain (31,858 Einw.) an der Westküste. Geräte, Vasen und Glaspasten, welche man auf T. findet, machen es wahrscheinlich, daß die Insel in der Vorzeit eine weit zivilisiertere Bevölkerung gehabt habe, als die Kariben waren, die man bei der Entdeckung der Insel vorfand. T. wurde von Kolumbus 31. Juli 1496 entdeckt, aber die Spanier nahmen erst 1588 Besitz von der Insel. Später siedelten sich Franzosen unter spanischer Hoheit auf T. an und brachten den Plantagenbau zu hoher Blüte. Endlich 1797 wurde die Insel fast ohne Schwertstreich eine britische Kolonie. Die 1838 verfügte Emanzipation sämtlicher Negersklaven der Insel (über 20,000) hatte den Verfall der Bodenkultur und Zuckerproduktion im Gefolge. In neuerer Zeit hat sich dieselbe durch Herbeiziehung von Kulis aus Ostindien wieder sehr gehoben. S. Karte "Antillen". Vgl. Borde, Histoire de l'ile de la T. sous le gouvernement espagnol (Par. 1876-1883, 2 Bde.); Wall u. Sawkins, Geological survey of T. (Lond. 1860); Clark, T., a field for emigration (Port of Spain 1886); Collens, Guide to T. (2. Aufl. 1889). - 2) (T. de Cuba, Maritima de T.) Stadt auf der Südküste der Insel Cuba, inmitten von Palmenhainen, an der Casildabai, 1514 gegründet, hat 2 höhere Schulen, lebhafte Ausfuhr von Zucker und Hölzern und (1877) 27,654 Einw. T. ist Sitz eines deutschen Konsuls. - 3) (T. de Mojos) Hauptstadt des Departements Beni in der südamerikan. Republik Bolivia, 1687 von den Jesuiten im Lande der Mojosindianer gegründet, 10 km nördlich von Rio Mamoré entfernt, mit (1882) 4535 Einw.

Trinitapoli (früher Casaltrinita), Stadt in der ital. Provinz Foggia, an der Eisenbahn Ancona-Brindisi und am Lago di Salpi, mit (1881) 7789 Einw. Von hier bis nach Barletta erstrecken sich Lagunen, welche zur Seesalzgewinnung ausgebeutet werden.

Trinitarierorden (Dreifaltigkeitsorden, regulierte Chorherren, Ordo S. Trinitatis de redemptione captivorum), Orden, gestiftet 1198 von Johannes von Matha und Felix von Valois, zwei Einsiedlern in der Diözese Meaux, und von dem Papst Innocenz III. 1198 bestätigt, setzte sich die Loskaufung gefangener Christensklaven von den Sarazenen zum Zweck und fand von seinem Mutterhaus Cerfroy (Aisne) aus schnell Verbreitung, vorzüglich in Südeuropa. Ein Nachlassen in der Strenge des Wandels führte einige Reformen des Ordens herbei; namentlich entstanden in Spanien 1596 die Trinitarier-Barfüßer. Die Mönche trugen weiße Kleider mit einem roten und blauen Kreuz auf der Brust. Weil sie nur auf Eseln reisten, ward der Orden vom Volk Eselsorden (ordo asinorum), die Mitglieder Eselsbrüder genannt. Mathuriner hießen die Trinitarier in Frankreich von einer Kapelle in Paris, die dem heil. Mathurin geweiht war. Zu gleichem Zweck und unter gleicher Regel schlossen sich dem Orden 1201 regulierte Chorfrauen (Trinitarierinnen) an sowie Trinitarier-Tertiarier und die Brüderschaft zum Skapulier der heiligen Dreieinigkeit, die 1584 reguliert wurden. Der Orden ist jetzt erloschen, nachdem er angeblich 900,000 Gefangene losgekauft hat. Vgl. Gmelin, Die Trinitarier in Österreich (Wien 1871).

Trinität (Trias, Dreieinigkeit, Dreifaltigkeit), nach der christlichen Kirchenlehre die Beschaffenheit des göttlichen Wesens, wonach dasselbe unbeschadet seiner Einheit drei Personen, Vater, Sohn und Heiligen Geist, in sich begreift. Die Lehre von der T., die besonders auf die Taufformel Matth. 28, 19 und auf die unechte Stelle 1. Joh. 5, 7 basiert ward, bildete sich als charakteristisch für das Christentum (s. d.) im Verlauf von drei Jahrhunderten zu derjenigen dogmatischen Fixierung aus, in welcher sie seitdem in den öffentlichen Bekenntnisschriften aller christlichen Kirchen, die unitarischen ausgenommen, auftritt. Und zwar wurde zunächst auf den beiden großen Synoden von 325 und 381 (s. Arianischer Streit und Nicänisch-konstantinopolitanisches Glaubensbekenntnis) die volle Gottheit des Sohns und Geistes festgestellt, ihr persönliches Verhältnis zum Vater aber sowie ihre Einheit in der T. vornehmlich durch Meletius, Gregor von Nazianz, Gregor von Nyssa und Basilius formuliert. Im Abendland siegte durch das sogen. Athanasianische Bekenntnis die eigentümlich symmetrische, von Augustin herrührende Form des Dogmas, während im Morgenland doch immer der Vater eigentlicher Gott, "Anfang und Quelle der Gottheit", blieb, von welchem auf der einen Seite der Sohn erzeugt wird, auf der andern der Geist ausgeht: ein Rest des Paulinischen Subordinatianismus (s. Christologie). Die Lehre von der T. ging ohne alle weitere Durchbildung samt

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Trinitatisfest - Trinkgelage.

dem abendländischen Filioque (s. Heiliger Geist) in die evangelische Kirche über, ja es ward der scholastische Lehrbegriff von den altprotestantischen Dogmatikern nur noch systematischer durchgeführt. Vgl. Baur, Die christliche Lehre von der Dreieinigkeit (Tübing. 1841-43, 3 Bde.); Meier, Die Lehre von der T. (Hamb. u. Gotha 1844, 2 Bde.).

Trinitatisfest (Festum trinitatis), Fest zur besondern Verehrung der göttlichen Dreieinigkeit, wurde im 11. Jahrh. zuerst in den Klöstern gefeiert, auf der Synode von Arles 1260 in Frankreich eingeführt und vom Papst Johann XXII. 1334 zu einem allgemeinen Kirchenfest erhoben. Es fällt auf den ersten Sonntag nach Pfingsten; die darauf folgenden Sonntage bis zum Ende des Kirchenjahrs heißen Trinitatissonntage. Die griechische Kirche begeht das T. an einem der beiden Pfingstfeiertage.

Trinitrin, s. Nitroglycerin.

Trinitrokarbolsäure, s. Pikrinsäure.

Trinitrophenyl, s. Pikrinsäure.

Trinity House (spr. trinniti haus'), "Haus der Dreieinigkeit", eigentlich "Korporation der ältern Brüder der heiligen und ungeteilten Dreieinigkeit", eine bereits 1518 in England geschaffene Behörde, welche mit der Anlage und Unterhaltung von Leuchtfeuern, Land- und Seemarken beauftragt ist und das Lotsenwesen leitet. Ihr Sitz ist Trinity House beim Tower von London. Nur Seeleute werden als "jüngere" Brüder zugelassen. Die "ältern" Brüder ergänzen sich aus ihnen. An der Spitze steht ein "Master".

Trinityland, s. Südpolarländer.

Trinity River, Fluß im nordamerikan. Staat Texas, entspringt im N. desselben, ist wasserreich und mündet nach 530 km langem Lauf in die Galvestonbai. Er ist 300 km weit schiffbar.

Trinkerasyle, s. Trunksucht.

Trinkgefäße, aus Metall, Thon, Glas und andern Materialien hergestellte Gefäße, deren Grundformen der tiefe Napf, die flachere Schale und der cylindrische Becher sind. Wie noch heute bei den Naturvölkern ausgehöhlte Kürbis- oder Melonenschalen, Kokosnüsse u. dgl. als T. dienen, so wird auch bei den Urvölkern der aus ähnlichen Stoffen hergestellte Napf das erste Trinkgefäß gewesen sein, der bei wachsender Kultur dann aus Thonerde geformt und gebrannt wurde, und aus welchem durch Hinzufügung eines Fußes die Schale entstand. Schale und Becher sind die T. in den Homerischen Gedichten. Zu einem Trinkgefäß (Trinkschädel) hergerichtete Menschenschädel werden in prähistorischen Fundstätten hier und da angetroffen (Byciskálahöhle in Mähren). Die Sitte, aus den Schädeln der Feinde zu trinken, war im Altertum bei vielen Völkern (Kelten, Bojern und Skordiskern) verbreitet. Auch die Schädel der christlichen Märtyrer und Heiligen wurden in frühmittelalterlicher Zeit in Kirchen und Klöstern sorgfältig aufbewahrt und vielfach als T. benutzt. In dem Maß, als sich die Thonbildnerei und die Metallotechnik der Griechen entwickelten, nahmen die T. die mannigfaltigsten Formen an. Kantharos, Kylix und Phiale sind die Hauptnamen für Becher und Schalen zum Trinken (s. die einzelnen Artikel, vgl. auch Keramik und Vasen). Die Römer trieben einen besondern Luxus in Trinkgefäßen aus Edelmetall und Kristall. Silberne Becher aus römischer Zeit haben sich noch erhalten (s. Hildesheimer Silberfund). Im Mittelalter entwickelte sich aus dem Abendmahlskelch als bevorzugtes Trinkgefäß bei feierlichen Gelegenheiten der Pokal, ein auf einen mehr oder minder hohen, gegliederten Fuß gestellter Becher mit und ohne Deckel, während im gewöhnlichen Gebrauch Humpen, Krug, Kanne und Becher die üblichen T. waren. Die Ausbildung der Glasindustrie brachte neue Formen der T. auf, welche man unter dem allgemeinen Namen Gläser begreift. Die Formen wurden später durch die Flüssigkeit bedingt, für welche die T. bestimmt waren. Näheres über die Formen der verschiedenen T. findet man in den einzelnen Artikeln: Humpen, Paßglas, Pokal, Römer, Stengelgläser, Trinkhorn, Willkomm etc.

Trinkgelage, festliche Vereinigung zum Zweck des Genusses geistiger Getränke. Bei den Griechen begann das T. (Symposion) nach der Beendigung des eigentlichen Festmahls (s. Gastmahl), wenn der Nachtisch aufgetragen und dem guten Geist ein Trankopfer dargebracht worden war. Gäste, welche an dem T. nicht teilnehmen wollten, waren berechtigt, sich beim Auftragen des Desserts zu entfernen. Getrunken wurde nur mit kaltem oder warmem Wasser gemischter Wein; das kalte Getränk wurde noch mit Schnee gekühlt. Die Mischung selbst geschah im Mischgefäß (krater), gewöhnlich im Verhältnis von 3 Teilen Wasser zu einem Teil Wein, höchstens von 3 Teilen Wasser zu 2 Teilen Wein; aus dem Krater wurde dann das Getränk mit dem Schöpfer (oinochoe) in die Becher gefüllt. Man trank rote, weiße und gelbe Weine und mischte diese Sorten miteinander, namentlich magere, aber boukettreiche Weine mit fetten, auch wurden Würzen oder Honig oder sogar Wohlgerüche zugesetzt. Auch Obstweine wurden genossen. Die Leitung des Gelages übernahm ein von der Gesellschaft gewählter oder durch das Los (bez. Würfel) bestimmter Vorsteher (Symposiarch, basileus, archon tes poseos). Dieser setzte das Mischungsverhältnis fest, bestimmte die Zahl der den Trinkern zu verabreichenden Becher, die Regel, nach denen getrunken werden mußte, und legte bei Zuwiderhandlungen gegen diese Regeln Strafen auf, die gewöhnlich darin bestanden, daß ein Becher in einem Zuge geleert werden mußte. Wenn es auf starkes Trinken angelegt wurde (pinein pros bion), mußten tüchtige Quantitäten geschluckt werden. Auch das Zutrinken zur Rechten um den Tisch herum (epi dexia) und das Vortrinken von Person zu Person waren Sitte. Nicht minder mußte Strafe trinken, wer die vom Symposiarchen gestellten, oft scherzhaften Aufgaben, scherzhaften Rätsel und Fragen oder allerlei schwer ausführbare Kunststückchen nicht löste. Bei diesen Gelagen herrschte große Ungezwungenheit des Tons und geistreiche, witzige Unterhaltung. Zur Erhöhung des Genusses traten Flöten- und Zitherspielerinnen (Kitharistinnen) auf, jugendliche Sklaven produzierten mimische Darstellungen, und selbst Gaukler und Gauklerinnen wurden herbeigezogen. Wer im Wettkampf das Feld behauptete, erhielt zur Belohnung einen Kuchen; die Eingeschlafenen wurden verhöhnt und mit Wein begossen. In Rom wurde die Abhaltung besonderer T., welche sich ebenfalls an die Hauptmahlzeit (coena) anzuschließen pflegten, erst allgemeiner, als die Römer griechische Sitten angenommen hatten. Auch hier wurde das Trinken systematisch betrieben, und man hielt sich ziemlich streng an das griechische Vorbild. Eine besondere Sitte bildete das ad numerum bibere, wobei man so viele Becher leerte, als der Name des zu Feiernden Buchstaben enthielt, oder so viele Lebensjahre man ihm wünschte. Das in der Runde Trinken (circumpotatio) artete namentlich bei den Leichenschmäusen derartig aus, daß dieser althergebrachte Brauch durch besondere Gesetze der Dezemvirn ver-

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Trinkgeld - Trinkhorn.

boten wurde. Während des Gelages spendete man den Göttern zahlreiche Libationen. Um den Durst zu reizen, wurden pikante Leckerbissen serviert (bellaria). Eigentümliche T. finden im Orient, namentlich in der Türkei, statt und zwar vor dem Abendessen bei Gelegenheit des Servierens eines appetitreizenden Imbisses (Tschakmak-Zechen). Man trinkt nur Branntwein (Raki oder Mastika), erst mit Wasser verdünnt, nach und nach aber immer ungemischter, und diese mit dem unschuldigen Titel eines Imbisses belegten Gelage werden oft stundenlang fortgesetzt und arten schließlich zu wüsten Saufereien aus. Die schiitischen Perser huldigen aber dem Wein. Ein Zechgelage in Persien führt den anspruchslosen Namen einer Bewirtung (mihmani), wird im Enderun (Harem) abgehalten und zwar nach dem Nachtmahl. Die persische Trinketikette ist sehr lax, sie beschränkt sich im wesentlichen darauf, daß der Trinker sich hüten muß, den Bart beim Trinken zu benetzen sowie Kleider und Fußboden mit vergossenem Wein zu verunreinigen. Diese Gelage arten zu wahren Orgien aus; sie werden in öffentlichen Gärten, ja sogar auf den Friedhöfen arrangiert. Indes beteiligen sich an solchen Festen nur die Spitzen der Gesellschaft. Bei den Deutschen finden wir schon aus den ältesten Zeiten Nachrichten über T. Dieselben hatten zugleich eine religiöse Grundlage: die Seligkeit in Walhalla bestand vornehmlich in der Teilnahme an den ewigen Göttergelagen, bei denen die Helden Met und nur Odin Wein zechten. An Stoff konnte es nie fehlen, denn die unerschöpfliche Ziege des Heidrun füllte stets die Schale mit schäumendem Met. Auf Erden wurden zu Ehren der Götter mancherlei Trinkfeste veranstaltet, den Göttern selbst wurden reichliche Libationen ausgebracht, anfänglich von Met, später von Wein. So oft der Priester opferte, goß er ein Horn zu den Füßen des Götzen aus, füllte es wieder und trank es ihm zu. In den Tempeln wurden die Becher in folgender Ordnung geleert: der erste zu Ehren Odins, der zweite zu Ehren Thors und der Freyja, der dritte zum Gedächtnis berühmter Helden (Bragakelch) und der vierte zum Andenken abgeschiedener Freunde (Minnebecher). So wurde das Trinken und das Abhalten von förmlichen Trinkfesten zur eigentlichen Volkssitte. Schon zu Anfang des 6. Jahrhunderts war sie ganz allgemein. "Sänger sangen Lieder und spielten die Harfe dazu; umher saßen Zuhörer bei ehernen Bechern und tranken wie Rasende Gesundheiten um die Wette. Wer nicht mitmachte, ward für einen Thoren gehalten. Man muß sich glücklich preisen, nach solchem Trinken noch zu leben." So erzählt der römische Schriftsteller Venantius Fortunatus. In gefüllten Bechern brachte man sich die durch die Sitte vorgeschriebenen Höflichkeiten dar: Willkommen, Valettrunk, Ehrentrunk, Rund-, Kundschafts- und Freundschaftstrunk. Hieran schloß sich das nach ganz bestimmten Regeln geordnete Zu- und Vortrinken, das Wett- und Gesundheittrinken (s. d.). So pflanzte sich die Sitte festlicher T. bis zum Mittelalter fort; sie wurden abgehalten in den Burgen der Ritter, in den Festsälen der Städte, an den Höfen der Fürsten und selbst auch in den Refektorien der Klöster. Über das Trinken bestanden ganz bestimmte durch Trinkordnungen festgestellte Gesetze, z. B. die Hoftrinkordnung des sächsischen Kurfürsten Christian II. Die Chroniken des 15. und 16. Jahrh. berichten über die mit größter Verschwendung und Pracht gefeierten Trinkfeste an den Höfen unglaubliche Dinge; der Wein wurde in großen Massen getrunken, und am Schluß des Gelages pflegte die Trunkenheit eine allgemeine zu sein. Besonders berühmt sind die Zechgelage am Hof Augusts des Starken, wo die sächsischen Kavaliere die Aufgabe hatten, ihre polnischen Standesgenossen unter den Tisch zu trinken. Eine besondere Abart bildeten die studentischen Zechgelage; besonders die Universität Tübingen war durch Handhabung von Trinkregeln berühmt. Ein wahrhaft vorzügliches Gemälde eines Studentengelages jener Zeit gibt Michael Moscherosch in seinen "Wunderlichen und wahrhaften Gesichten Philanders von Sittewalt". Ebenso gibt Hans Sachs in seinem Gedicht "Wer erstlich hat erfunden das Bier" eine drastische Beschreibung eines Saufgelages. In der Gegenwart werden eigentliche T., d. h. Festversammlungen, bei denen das Trinken Alleinzweck ist, nicht mehr abgehalten. Nur der studentische Kommers gehört in diese Kategorie. Freilich greift die Sitte, Kommerse abzuhalten, mehr und mehr auch in andre, nicht studentische Kreise. Im gewissen Sinn kann man die englische Sitte, daß die Damen nach dem Diner den Tisch verlassen, während die Herren zum fröhlichen und starken Zechen beisammen bleiben, als die Abhaltung von Trinkgelagen bezeichnen. Vgl. Schultz, Geschichte des Weins und der T. (Berl. 1868); Samuelson, History of drink (2. Aufl., Lond. 1880); Rogers, Drinks, drinkers and drinking (Albany 1881).

Trinkgeld, die Extravergütung, welche für Dienstleistungen insbesondere an Kellner, Dienstboten, Kutscher etc. gezahlt wird. Ursprünglich wohl zu einem dem Wortsinn entsprechenden Zweck gegeben, hat das T. heute vielfach die Bedeutung einer vollständigen Bezahlung für die Dienstleistung angenommen. Infolgedessen kommt es sogar vor, daß Leute, welche Trinkgelder empfangen, wie Kellner, Hausknechte, Portiers etc., für ihre Stellen eine Art Pacht entrichten. Mit übler Nebenbedeutung wird das Wort T. auch für Bezahlungen angewandt, welche aus Gründen der Moral nicht angeboten und angenommen werden sollten. Das Wort hat sich auch in der französischen Sprache eingebürgert. In neuerer Zeit wurde mehrfach gegen die sich immer weiter verbreitende Sitte, Trinkgelder zu geben, oder gegen das Trinkgelderunwesen angekämpft. Vgl. Jhering, Das T. (3. Aufl., Braunschw. 1888).

Trinkhorn, ein schon im Altertum gebräuchliches Trinkgefäß, welches ursprünglich aus Tierhörnern angefertigt, von den Griechen aber, wie das Rhython, dessen Mündung von einem Tierkopf gebildet wurde (vgl. Abbild.), zur Zeit verfeinerter Kultur in Thon und Metall nachgebildet wurde. Die alten Germanen tranken aus Tierhörnern, u. diese wurden im gotischen Mittelalter Gegenstand künstlerischer Verzierung, indem sie in Metall, vornehmlich in vergoldetes Silber, gefaßt und mit einem Fuß oder gar mit einem architektonischen Unterbau versehen wurden. Neben Tierhörnern wurden auch ausgehöhlte Elefantenzähne, später Rhinozeros- und Narwalzähne benutzt, welche entweder nur poliert, oder mit Schnitzereien verziert wurden. Die Renaissance bildete das

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Trinkitat - Tripitaka.

T. zu einem Prunkgefäß von höchstem Luxus aus. Zuletzt wurden auch die Hörner selbst in Glas und Silber nachgebildet. Jetzt dienen sie meist als Schaustücke.

Trinkitat, Hafenplatz am Roten Meer, südöstlich von Suakin. Hier Niederlage Baker Paschas 4. Febr. 1884 durch die Mahdisten, worauf Baker nach Suakin zurückkehrte; dagegen siegte der hier gelandete General Graham 29. Febr. d. J. bei El Teb (s. d.).

Trinkonomali, stark befestigte Haupt- und Hafenstadt des Ostdistrikts von Ceylon, auf einer schmalen Halbinsel 65 m ü. M. gelegen, mit einer katholischen und evang. Mission, Hindutempeln und Moscheen und (1881) 10,000 Einw. T. ward den Holländern 1782 von den Engländern entrissen, mußte sich jedoch schon 30. Aug. d. J. an die Franzosen ergeben. Letztere gaben die Stadt den Holländern zurück; allein diese verloren sie 1795 abermals an die Engländer, welche sie seitdem im Besitz behielten.

Trino, Stadt in der ital. Provinz Novara, Kreis Vercelli, hat ein Gymnasium, eine Kollegiatkirche, einige Paläste, starke Schweinezucht (treffliche Schinken), Reisbau und (1881) 8267 Einw.

Trinomium (griech.), dreigliederige Zahlengröße, z. B. a+b+c; trinomisch, dreigliederig.

Trinucleus, s. Trilobiten.

Trio (ital.), eine Komposition für drei Instrumente; insbesondere nach heutigem Sprachgebrauch jede in Sonatenform geschriebene Komposition für Klavier, Violine und Cello (Klaviertrio) oder eine solche für Violine, Bratsche und Cello oder für zwei Violinen und Cello (Streichtrio). Alle andern Kombinationen von Instrumenten müssen näher bezeichnet werden. Kompositionen im ältern Stil (aus dem 17.-18. Jahrh.) werden häufig als T. bezeichnet, wenn sie für drei konzertierende Instrumente geschrieben sind (z. B. zwei Violinen und Viola di Gamba), zu denen als viertes nicht mitgezähltes das einen Basso continuo ausführende Instrument (Cello, Theorbe, Klavier, Orgel) kommt. - Bei Tanzstücken (Menuetten etc.), Märschen, Scherzi etc. für Klavier heißt T. ein dem lebhaftern und rauschendern Hauptthema gegenüberstehender Mittelsatz von ruhigerer Bewegung und breiterer Melodik und zwar darum, weil solche Sätzchen früher dreistimmig gesetzt zu werden pflegten, während das Hauptthema sich überwiegend zweistimmig hielt. - Auch dreistimmige Orgelstücke für zwei Manuale und Pedal, also für drei Klaviere, deren jedes anders registriert ist, so daß sich die drei Stimmen scharf gegeneinander abheben, wird T. genannt. Eine Eigentümlichkeit des Orgeltrios ist, daß die eine Hand eine gebundene Melodie in derselben Tonlage vortragen kann, in welcher die andre (auf dem zweiten Klavier) Figurenwerk ausführt.

Trioecus (griech., "dreihäusig"), Bezeichnung für polygamische (s. Polygamus) Pflanzen, deren männliche, weibliche und zwitterige Blüten auf drei verschiedene Exemplare verteilt sind.

Triole, eine Figur von drei gleichen Notenwerten, die so viel gelten sollen wie zwei derselben Gattung bei der vorgeschriebenen Taktteilung. Eine T. anzunehmen, welche für vier Noten einträte, liegt kein Grund vor: [siehe Bildansicht] Die T. wird meist durch eine übergeschriebene 3 als solche gekennzeichnet.

Triolett (franz.), Gedicht von 8-12 Zeilen, welche nur zwei Reimlaute haben. Die beiden ersten Verse enthalten den Hauptgedanken und werden am Schluß wiederholt, und da der erste Vers auch in der Mitte vorkommt, so erscheint derselbe im ganzen dreimal, was zur Bezeichnung des kleinen Gedichts die Veranlassung gab. Die Reimstellung beim T. ist also (wobei wir die wiederkehrenden Zeilen mit großen Lettern bezeichen): ABb Aab AB. Ein Gedicht von drei Strophen in der Form des Trioletts, aber ohne die Wiederholung des ersten Verses in der Mitte, wofür ein neues Reimpaar eintritt, nennt man Rondel (Geibels Lied: "Wenn sich zwei Herzen scheiden" etc.).

Trionyx. s. Schildkröten, S. 471.

Tripang, s. v. w. Trepang.

Tripartition (lat.), Dreiteilung.

Tripel (franz. triple), dreifach.

Tripel, mattes, gelblichgraues bis gelbes, mager anzufühlendes, zerreibliches Mineral, welches Wasser einsaugt und dadurch erweicht, enthält 90 Proz. Kieselsäureanhydrid, etwas Thon und Eisenoxyd und hat seinen Namen von der Stadt Tripolis in Syrien (daher terra Tripolitana), kam früher nur aus der Levante in den Handel, wird jetzt aber auch in Böhmen, Sachsen, Tirol und Bayern gewonnen und zum Polieren von Glas, Metallen und Edelsteinen, auch zu Gußformen benutzt. Übrigens gebraucht man mancherlei Kieselablagerungen organischen und anorganischen Ursprungs zu ähnlichen Zwecken, so den sogen. Moderstein (rotten stone) aus Derbyshire in England. Vgl. Polierschiefer.

Tripelallianz (Dreibund), Bund zwischen drei Mächten. Berühmt und vorzugsweise T. genannt ist das Bündnis zwischen England, den Niederlanden und Schweden, welches Temple (s. d.), de Witt und Graf Dohna 23. Jan. 1668 im Haag abschlossen, und welches gegen die Eroberungspläne Ludwigs XIV. in den spanischen Niederlanden gerichtet war. Die Folge der T. war der Friede von Aachen (1. Mai 1668).

Tripeltakt, s. v. w. dreiteiliger Takt (3/1, 3/2, 3/4, 3/8, 9/8, 9/16). Der 6/4- und 6/8-Takt dagegen sind als zweiteilige Takte (durch 3 untergeteilt) anzusehen, wenn nicht die Bewegung so langsam ist, daß die Sechstel (Einheiten der Doppeltriole) als Einheiten (nach denen gezählt wird) empfunden werden.

Tripes (lat.), Dreifuß.

Triphan (Spodumen), Mineral aus der Ordnung der Silikate (Augitreihe), findet sich in monoklinen Kristallen, gewöhnlich aber derb in breitstängeligen und dickschaligen Aggregaten. T. ist graulichweiß, grünlichweiß bis grün, glasglänzend, durchscheinend, Härte 6,5-7, spez. Gew. 3,13-3,19, besteht aus Lithiumaluminiumsilikat Li2Al2Si4O12, ist gewöhnlich etwas natrium- oder calciumhaltig, kommt in Graniten und Gneisen in Tirol, auf der Insel Utöen, in Schottland und Massachusetts vor und wird zur Darstellung von Lithiumpräparaten benutzt. Eine Varietät des T. ist der Hiddenit (s. d.).

Triphaena, s. Eulen, S. 907.

Triphylin, Mineral aus der Ordnung der Phosphate, kristallisiert rhombisch, findet sich fast nur derb in individualisierten Massen oder großkörnigen Aggregaten, ist grünlichgrau, blau gefleckt, fettglänzend, kantendurchscheinend, Härte 4-5, spez. Gew. 3,5-3,6, besteht aus phosphorsaurem Lithion mit etwas Natron und phosphorsaurem Eisen- und Manganoxydul (LiNa)3PO4+(FeMn)3P2O8, findet sich bei Bodenmais in Bayern, Norwich in Massachusetts, Grafton in New Hampshire.

Tripitaka ("Dreikorb"), zusammenfassende Bezeichnung der heiligen Schriften der südlichen Buddhisten, bestehend aus den drei Abteilungen Winaja (Disziplin), Sûtra (Aussprüche) und Abhidharma

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Tripla - Tripolis.

(Metaphysis). Der singhalesische Name ist Tunpitaka, im Pâli heißen sie Pitakattajan.

Tripla (Proportio t.), in der Mensuralmusik der große Tripeltakt (Longa = 3 Breves), während der kleine (Brevis = 3 Semibreves) Sesquialtera hieß.

Triplet, s. Lupe.

Triplexbrenner, s. Lampen, S. 435.

Triplik (lat.), im rechtlichen Verfahren die Beantwortung der Duplik des Beklagten durch den Kläger; triplizieren, die T. abgeben.

Triplit (Eisenpecherz, mit welchem Namen aber auch der Stilpnosiderit belegt wird), Mineral aus der Ordnung der Phosphate, nur derb, in großkörnigen Aggregaten, ist braun, fettglänzend, undurchsichtig, Härte 5-5,5, spez. Gew. 3,6-3,8, besteht aus phosphorsaurem Eisen- und Manganoxydul mit Fluoreisen und Fluormangan (FeMn)3P2O6+(FeMn)Fl2, enthält auch etwas Calcium und Magnesium; Limoges in Frankreich, Schlaggenwald in Böhmen, Pritau in Schlesien und in Argentinien.

Triplum (lat.), das Dreifache; triplieren, verdreifachen.

Tripmadam, s. Sedum.

Tripode (Tripus, griech.), s. v. w. Dreifuß.

Tripodie (griech.), eine aus drei Versfüßen bestehende metrische Periode.

Tripolis (türk. Tarablusi Gharb, auch Tripolitanien genannt), der östlichste unter den Staaten der Berberei (s. Karte "Algerien"), am Mittelländischen Meer zwischen Tunis und Ägypten gelegen, umfaßt mit Fezzan und Barka 1,033,000 qkm (18,760 QM.). Es bildet eine nur von niedrigen Höhenzügen unterbrochene Ebene und ist namentlich an der Küste meist niedrig und sandig. Während die westlichen Küstengegenden ziemlich bewässert und fruchtbar sind, ist der östlich vom Kap Mesurata am Golf von Sidra gelegene Landstrich Sort (Wüste) mit Dünen und Salzsümpfen bedeckt. Nach dem Innern zu erstreckt sich die Ebene im W. bis an die 900 m hohen Schwarzen Berge, welche die Nordgrenze Fezzans bilden und tief eingeschnittene Wadis zeigen, die zum Teil eine üppige Vegetation hervorbringen. Das Klima hat einen mehr kontinentalen Charakter als in den übrigen Uferländern des Mittelmeers, an der Küste herrscht eine Mitteltemperatur von 20-22, in der Oase Dschofra 30° C.; dagegen soll hier auch Schnee gefallen sein, ebenso wie auf den Schwarzen Bergen. Der Regenfall ist an der Küste gering, bleibt im Innern sogar jahrelang aus. Die Einwohner (1 Mill.) sind in den Städten Mauren, auf dem Land arabische Beduinen, Berber und Neger und bekennen sich sämtlich zum Islam. Außer ihnen gibt es zahlreiche Juden und in der Stadt T. auch Europäer. Die Beduinen treiben vornehmlich Viehzucht, die Mauren Handel, meist Karawanenhandel. Man baut Weizen, Krapp, Safran, Lotusbohnen, Datteln (die Zahl der Dattelpalmen soll 2 Mill. betragen), Südfrüchte aller Art, Oliven, Johannisbrot und gewinnt aus den Seen u. Sümpfen an der Küste Salz u. Schwefel. Münzeinheit ist der türkische Piaster (Girsch), = 40 Para (Abu Aschrin). Fünffranken zirkulieren, wie in ganz Nordafrika, sehr häufig. Die Flagge s. auf Tafel "Flaggen I". Die Industrie liefert schöne Seiden-, Wollen- u. Baumwollenstoffe, Leder, Waffen und verschiedene Metallwaren. Die Handelsbewegung ist nach dem Süden von T. (nach dem Sudân, Bornu, Wadai) eine sehr lebhafte. T. gilt als Schlüssel zum Sudân. Leider ist das Land noch sehr wenig erforscht. Hauptgegenstände der Ausfuhr sind: Öl, Getreide, Schlachtvieh, Wolle, Rindvieh, Krapp, Halfa und Ginster. Handelsgegenstände, die durch Karawanen aus dem Innern kommen, sind: Straußfedern, Elfenbein, Gummi, Aloe, Sennesblätter und andre Droguen. Eingeführt werden Manufaktur-, Fabrik- und Kolonialwaren, Spirituosen, Droguen, Seife, Tabak, Eisen, Bauholz etc. Die Haupthäfen, T. und Bengasi, vermitteln fast ausschließlich den Verkehr mit dem Ausland. Die Post hatte 1886: 33, die Telegraphen 12 Ämter. T. bildet ein Wilajet des türkischen Reichs unter einem von der Pforte eingesetzten Generalgouverneur und wird in fünf Sandschaks eingeteilt.

Die gleichnamige Hauptstadt (arab. Tarabolos), auf einer Landzunge am Mittelländischen Meer gelegen, hat hohe Mauern, einen Palast des Generalgouverneurs, enge, aber reinliche Straßen, einen durch Batterien gedeckten, aber wenig sichern Hafen, in den 1887: 1206 Schiffe (311 Dampfer) von 344,666 Ton. einliefen, eine kath. Kapelle, 12 Moscheen, mehrere Synagogen, schöne öffentliche Bäder, Bazare, Karawanseraien, Schulen, Hotels, lebhaften Handel, Fabrikation von Korduan, Wollen-, Seiden- und Baumwollenstoffen etc. und 30,000 Einw., worunter 4-5000 Italiener und Malteser. Die Umgebung, Meschija genannt, ist auf viele Kilometer bedeckt mit Palmenhainen, in denen 30,000 Menschen in zahllosen Wohnungen verstreut sind. T. steht durch Dampferlinien mit den tunesischen Häfen und mit Malta in Verbindung und ist Sitz eines deutschen Konsuls. - T. ist das alte Öa und ward mit den benachbarten Städten Sabratha und Groß-Leptis von den sizilischen Griechen unter dem Namen T. zusammengefaßt. In der Umgegend finden sich noch viele Altertümer. T. bildete im Altertum ein mittelbares Gebiet Karthagos, die sogen. Regio Syrtica. Nach dem zweiten Punischen Krieg ward es von den Römern den numidischen Königen überlassen, nach deren Unterwerfung zu der römischen Provinz Africa geschlagen. Unter Septimius Severus wurde im 3. Jahrh. n. Chr. die Provincia Tripolitana gebildet mit Öa als Hauptstadt, auf welche sodann der Name T. überging. Nach der Invasion der Araber im 7. Jahrh. teilte T. die Geschicke der Berberei. Nachdem es längere Zeit zu Tunis gehört hatte, erlangte es zu Ende des 15. Jahrh. seine Unabhängigkeit. 1509 wurde die Stadt T. von den Spaniern unter Graf Pietro von Navarra erobert und ein spanischer Statthalter eingesetzt. Kaiser Karl V. überließ sie 1530 den Johannitern als Lehen, aber schon 1551 ward sie von den Türken wiedererobert und seitdem ein Hauptsitz der Seeräuberei an der nordafrikanischen Küste. 1681 ließ Ludwig XIV. durch den Admiral Duquesne die tripolitanischen Korsaren in dem Hafen von Skio angreifen und viele ihrer Schiffe in den Grund bohren, und 1685 bombardierte Marschall d'Estrées die Stadt so erfolgreich, daß der Dei den Frieden mit ½ Mill. Livres erkaufen mußte. 1714 machte sich der türkische Pascha Hamed Bei (der Große) fast unabhängig von der Pforte, indem er nur noch Tribut zahlte, und begründete die Dynastie der Karamanli. Der 1728 unternommene Kriegszug der Franzosen gegen T. endigte mit der fast gänzlichen Zerstörung von T. Dessen ungeachtet machte erst die französische Eroberung Algiers (1830) der Seeräuberei auch in T. ein Ende. 1835 fand sich die Pforte durch die in T. herrschende innere Zerrüttung zum Einschreiten veranlaßt und machte der Herrschaft der Familie Karamanli ein Ende, worauf T. als Wilajet dem türkischen Reich einverleibt würde. Vgl. Maltzan, Reise in den Regentschaften Tunis und T. (Leipz. 1870, 3 Bde.); Rohlfs, Kufra (das. 1881); Brunialti, Algeria, Tunisia e Tripolitana

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Tripolis - Triptis.

(Mail. 1881); Haimann, Cirenaica-Tripolitana (2. Aufl., das. 1885).

Tripolis, 1) Stadt in Syrien, s. Tarabulus. - 2) Stadt in Griechenland, s. Tripolitsa.

Tripolith, von Gebrüder Schenk in Heidelberg angegebene Mischung, welche nach der Patentschrift durch Erhitzen von Gips mit Thon und Koks, nach dem englischen Patent aus Gips, Kohle und Eisenhammerschlag erhalten wird, ein hell bläulichgraues Pulver bildet und für Bauzwecke sowie zu chirurgischen Verbänden empfohlen wird.

Tripolitsa (offiziell Tripolis), Hauptstadt des griech. Nomos Arkadien, liegt auf einer wellenförmigen Ebene, der antiken Tegeatis, ist Sitz des Nomarchen, eines Erzbischofs und eines Bezirksgerichts sowie eines deutschen Konsuls, hat ein Gymnasium, eine niedere theologische Schule, Eisen- und Kupferindustrie und (1879) 10,057 Einw. Es ist erst in neuerer Zeit entstanden und war im vorigen und im Beginn dieses Jahrhunderts eine der blühendsten Städte des Peloponnes. Seit dem Passarowitzer Frieden von 1718 Hauptstadt von Morea, ward sie 17. Okt. 1821 von den Griechen mit Sturm genommen und fast völlig in Asche gelegt, aber bald wieder aufgebaut und 23. April 1823 zum Sitz der griechischen Regierung ausersehen. Ibrahim Pascha eroberte sie 21. Juni 1825 und verließ sie erst 1828 wieder. 6 km südöstlich davon liegen die Ruinen von Tegea, welche die Bausteine für T. geliefert haben, 12 km nördlich diejenigen von Mantineia.

Trippel, Alexander, Bildhauer, geb. 1744 zu Schaffhausen, bildete sich in Kopenhagen, ging 1771 nach Paris und 1776 nach Rom, wo er 1793 starb. Unter seinen Werken, die bei sorgfältiger Durchführung meist eine glückliche Nachahmung der Antike bekunden, sind hervorzuheben: eine Bacchantin, ein sitzender Apollo, eine schlafende Diana, das Denkmal des Grafen Tschernyschew für die Stadt Moskau, die Büsten von Goethe und Herder, 1789 in Marmor ausgeführt (in der Bibliothek zu Weimar), und das Monument des Dichters Geßner für die Stadt Zürich.

Trippen, s. Schnabelschuhe.

Tripper (Gonorrhöa), eine mit Eiterabsonderung verbundene virulente Entzündung der Harnröhrenschleimhaut und die häufigste durch einen unreinen Beischlaf entstehende Krankheit. Der T. ist zwar nicht eine im engern Sinn venerische, d.h. syphilitische, aber doch eine in hohem Grad ansteckende Krankheit; der Ansteckungsstoff, ein Mikrokokkus (Gonococcus), als dessen Träger der von der Harnröhren- und Scheidenschleimhaut abgesonderte Eiter anzusehen ist, haftet indes nur auf der Schleimhaut der Harnröhre, der weiblichen Scheide und der Bindehaut des Auges (Augentripper). Der T. kommt sowohl beim männlichen als beim weiblichen Geschlecht vor und verläuft bald akut, bald chronisch. Der T. des männlichen Geschlechts kündigt sich gewöhnlich durch ein Kitzeln in der Eichel an, deren Mündung leicht verklebt. Bald rötet sich letztere, schwillt etwas an, und es treten schneidend-stechende Schmerzen, namentlich beim Urinlassen, auf. Es stellt sich dann ein mißfarbiger, später rein eiteriger Ausfluß aus der Harnröhre ein. Die genannten Erscheinungen erreichen in der Regel den höchsten Grad am Ende der ersten acht Tage. In der Nacht stören sehr schmerzhafte Erektionen den Schlaf. Die Schmerzen verbreiten sich in den Hodensack, machen sogar den Stuhlgang und das Sitzen lästig. Beim Urinlassen sind sie ganz besonders heftig. In der zweiten Woche lassen die Entzündungserscheinungen in der Regel etwas nach, aber der Ausfluß bleibt noch bestehen; doch ändert sich später sein Aussehen, er wird mehr schleimig, hört entweder ganz auf, oder wird chronisch: Nachtripper (gonorrhoea chronica, goutte militaire). Dieser Verlauf ist der gewöhnliche. Zuweilen aber schreitet die Entzündung der Harnröhrenschleimhaut auf das Zellgewebe, das unter ihr liegt, fort, und es entstehen dann schmerzhafte Verdickungen, wodurch das Glied bei den Erektionen eine Krümmung macht, die sehr schmerzhaft ist und, wenn sie auszugleichen versucht wird, kleine Blutungen veranlaßt, welche von Einrissen der Schleimhaut herrühren. Schreitet die Entzündung bis zum Blasenhals fort, so entsteht ein heftiger Urinzwang, ja unter Umständen Harnverhaltung. Entzündet sich die Vorsteherdrüse, so klagen die Kranken über heftige Schmerzen am Damm; die geschwollene Drüse ist vom Mastdarm aus fühlbar, Harnlassen und Stuhlgang sind beschwert und äußerst schmerzhaft. Die Kranken können weder gehen, noch sitzen, sondern sind zu liegen genötigt. Auch die Lymphdrüsen in der Leistengegend sind angeschwollen, können sich entzünden und vereitern. Bei dem Nachtripper sind die Erscheinungen weniger heftig, die Schmerzen fehlen oder sind ganz unbedeutend; aber der schleimige Ausfluß kann wochen- und monatelang fortbestehen. Die Mündung der Harnröhre verklebt, namentlich gern über Nacht. Als Folgen des Trippers sind vornehmlich Verengerungen der Harnröhre, die meist tief nach hinten sitzen, hervorzuheben (s. Striktur). Die Behandlung des Trippers erfordert vor allem Ruhe und gleichmäßige Wärme, gegen heftige Entzündungserscheinungen und Hodenschwellung Kälte, Blutegel oder feuchtwarme Bähungen, innerlich kühlende Salze und beruhigende Mittel, fleißiges Wassertrinken und schmale, reizlose Diät. Vor allen Dingen hat sich der Kranke des Biergenusses gänzlich zu enthalten, beim Gehen ein Suspensorium zu tragen. Als spezifische Mittel gelten der Kopaivabalsam und der Kubebenpfeffer, doch kommt man in den allermeisten Fällen bei richtigem Allgemeinverhalten auch ohne sie ans Ziel. Später, wenn die Schmerzen nachlassen, wende man leicht zusammenziehende Einspritzungen (schwache Lösungen von Zinksulfat) in die Harnröhre an, gegen die schmerzhaften Erektionen Opium, Lupulin. Der T. beim weiblichen Geschlecht beschränkt sich fast niemals auf die Harnröhre, er ist vielmehr nur eine Teilerscheinung des bösartigen weißen Flusses (s. d.). Bei beiden Geschlechtern kann der T. mit Syphilis kompliziert sein (s. Syphilis). - Über Eicheltripper s. Eichelentzündung.

Trippergicht (Tripperrheumatismus), eine Gelenkentzündung, welche namentlich bei Männern nicht selten im Verlauf des Trippers, am häufigsten im Stadium des Nachtrippers, sich einstellt. Der Sitz ist meistens das Kniegelenk (Tripperknie); jedoch werden auch Hand-, Fuß- und andre Gelenke befallen. Wie der Tripper selbst durch den Eintritt eines infektiösen Stoffes in den Körper entsteht, so ist auch die T. als bedingt durch die Fortschleppung desselben Gifts in die Gewebe der Gelenke aufzufassen. Verlauf und Behandlung der T. ist dieselbe wie bei jeder anderweit entstandenen Gelenkentzündung.

Tripsis (griech.), Reibung; triptisch, durch Reibung bewirkt.

Triptis, Stadt im weimar. Kreis Neustadt, am Ursprung der Orla, Knotenpunkt der Linien Gera-Eichicht und T.-Blankenstein der Preußischen Staatsbahn, 361 m ü. M., hat 2 Kirchen, einen alten Turm aus der Sorbenzeit, Gerberei, Leimsiederei und (1885) 1632 evang. Einwohner.

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Triptolemos - Tristan da Cunha.

Triptolemos, im griech. Mythus Sohn des Königs Keleos von Eleusis und der Metaneira, Liebling der Demeter, Verbreiter des Ackerbaues und der Kultur überhaupt, Heros der Eleusinischen Mysterien. Er fuhr auf einem mit Drachen bespannten Wagen über die ganze Erde dahin und streute Getreidesamen aus. Nach seiner Zurückkunft nach Eleusis wollte Keleos ihn töten lassen, mußte ihm jedoch auf Befehl der Demeter sein Land abtreten, worauf T. die Thesmophorien (s. d.) stiftete.

Triptychon (griech.), ein aus drei Teilen (Mittelbild und Flügelbildern) bestehendes Altargemälde. S. auch Diptychon.

Tripudium (lat.), der Tanz der römischen Priester um die Altäre, besonders der der Salier und Arvalbrüder.

Triquetrum (parallaktisches Lineal, Instrumentum parallacticum, -Ptolemäische Regel), astronom. Instrument der Alten, dessen sich noch Kopernikus bediente, aus drei Linealen bestehend, die ein gleichschenkeliges Dreieck bilden (s. Figur). Der eine der gleichen Schenkel, A B, steht vertikal, der andre, A C, um den obern Endpunkt A des ersten drehbar, ist mit Absehen (Visieren) versehen und wird nach dem zu beobachtenden Stern gerichtet; auf dem dritten, mit einer Teilung versehenen Lineal B D wird die Länge der ungleichen Seite B C gemessen und dadurch der Winkel an der Spitze, d. h. Zenithdistanz des Sterns, bestimmt.

Triremen, "Dreiruderer", bei den Römern und im Mittelalter gebräuchliche Kriegsschiffe; bei den Griechen Trieren genannt. Sie hatten drei Reihen Ruder übereinander (Fig. 1 u. 2). Vgl. Galeere.

Trisektion des Winkels, Teilung desselben in drei gleiche Teile, ein im Altertum berühmtes geometrisches Problem, mit dem sich Pappus, Proklos, Nikomedes, von den Neuern Vieta, Albrecht Dürer, Newton u. a. beschäftigt haben; mit Zirkel und Lineal (Kreis und gerader Linie) allein nicht lösbar.

Trisetum Beauv. (Goldhafergras), Gattung aus der Familie der Gramineen, der Gattung Avena, Hafer, sehr nahestehend, mit zwei- bis dreiblütigen Ährchen, nur fruchtbaren Blüten und einer am Grund nur wenig dunklern Granne an der Deckspelze. T. pratense Pers. (Avena flavescens L., kleiner Wiesenhafer, s. Fig.), ein perennierendes Gras mit mehr oder weniger fein behaarten Blättern und nur in der Blüte ausgebreiteten, gelbgrünen Rispen, wächst auf guten frischgrundigen Wiesen, gehört zu den Schnittgräsern erster Klasse und gibt reichliches, sehr feines, weiches Heu.

Trishagion (griech., Hymnus angelicus, cherubicus, triumphales), der im Konsekrationsakt der Messe übliche Gesang des "Dreimalheilig", genommen aus Jes. 6, 3, war schon im 4. Jahrh. gebräuchlich und galt als liturgisches Bekenntnis der Dreieinigkeit.

Trismegistos, s. Hermes Trismegistos.

Trismus (griech.), Mundsperre, häufig Teilerscheinung des Starrkrampfes.

Trissino, Giovanni Giorgio, ital. Dichter und Gelehrter, geb. 8. Juni 1478 zu Vicenza, lebte unter den Päpsten Leo X. und Clemens VII. als päpstlicher Nunzius längere Zeit in Venedig und Wien und starb 1550 in Rom. Er ist besonders bekannt als Verfasser der "Sofonisba" (Rom 1524; mit den Anmerkungen von T. Tasso hrsg. von Paglierani, Bologna 1885; deutsch von Feit, Lübeck 1888), der ältesten regelmäßigen Tragödie der Italiener. Dieselbe ist streng nach den Aristotelischen Regeln abgefaßt, in reimlosen fünffüßigen Jamben (versi sciolti), die T. zuerst in die italienische Litteratur eingeführt haben soll, geschrieben und verrät, trotz ihrer Abhängigkeit von antiken Mustern, ein nicht gewöhnliches Talent, hat aber heutzutage fast nur noch einen litterarhistorischen Wert. Trissinos Lustspiel "Isimillimi" (Vened. 1548) ist eine Nachahmung des Plautus. Sein Epos "Italia liberata da' Goti" (Vened. 1547-48, 3 Bde.; Par. 1729, 3 Bde.), in 27 Gesängen, ist unpoetisch und langweilig und gegenwärtig vergessen. Nicht ohne Wert sind dagegen manche seiner "Rime" (Vicenza 1529). Auch ist er Verfasser einer Poetik (Vicenza 1529) sowie verschiedener Schriften über die italienische Sprache und hat Dantes Schrift "De vulgari eloquio" zuerst ins Italienische übersetzt. Eine Gesamtausgabe seiner Werke erschien Venedig 1729. Vgl. Nicolini, Giangiorgio T. (Vicenza 1864); Morsolin, G. T. (das. 1878).

Trist (lat.), traurig, betrübt; öde.

Tristan da Cunha (spr. kúnja), Inselgruppe im südatlant. Ozean, südwestlich vom Kap der Guten Hoffnung, besteht aus drei Inseln vulkanischen Ursprungs, deren größte, vorzugsweise T. genannt, eigentlich nur ein erloschener Vulkan ist, der bis zu 2600 m ansteigt und 116 qkm (2,1 QM.) umfaßt. Sie wurde nach dem portugiesischen Entdecker (1506) benannt, ist rund von Gestalt und wohlbewässert und erscheint als ein günstiger Platz für Schildkrötenfang und zum Wassereinnehmen für Seefahrer, die, nach Indien oder Australien bestimmt, nicht am Kap an-

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Tristan und Isolde - Tritonshörner.

legen wollen. Während der Gefangenschaft Napoleons auf St. Helena hielt die britische Regierung die Insel besetzt; als sie 1821 verlassen werden sollte, erlangten der Korporal William Glaß und zwei Seeleute die Erlaubnis, sich dauernd auf der Insel niederzulassen. So entstand eine kleine Kolonie, welche 1886: 94 Köpfe zählte; sie steht unter dem Schutz des Kapgouverneurs und führt seit 1867 den Namen Edinburgh.

Tristan und Isolde, die beiden Hauptpersonen einer ursprünglich keltischen Sage, welche von mehreren nordfranzösischen Dichtern im 12. Jahrh. behandelt ward und sodann in die spanische, italienische, slawische, skandinavische und sogar in die griechische Litteratur überging. Auf deutschen Boden verpflanzte zuerst Eilhart von Oberge (s. d.) die Sage gegen Ende des 12. Jahrh. durch ein nach dem Französischen bearbeitetes Gedicht, das auch einer spätern Prosaauflösung (zuerst gedruckt 1484; auch in Simrocks "Volksbüchern" enthalten) zu Grunde liegt. Die vorzüglichste deutsche Dichtung aber, welche die Sage von T. u. I. zum Gegenstand hat, ist das ebenfalls nach einem französischen Original bearbeitete Gedicht Gottfrieds von Straßburg. Über den Inhalt der Sage sowie neuere Bearbeitungen derselben s. Gottfried von Straßburg. Vgl. Mone, Über die Sage von Tristan (Heidelb. 1822); Golther, Die Sage von T. u. I. (Münch. 1887).

Tristen, s. Feimen.

Tristichon (griech.), dreiteiliges Gedicht.

Tristien (lat.), Trauerlieder (ursprünglich Titel von Elegien, welche Ovid im Exil schrieb).

Tristychius, s. Selachier.

Trisyllabum (griech.), dreisilbiges Wort.

Triterne (lat.), s. Duernen.

Tritheim (Trittenheim, latinisiert Trithemius), Johannes, eigentlich Heidenberg, berühmter Humanist, geb. 1. Febr. 1462 zu Trittenheim im Trierschen, studierte in Heidelberg, ward 1482 Benediktinermönch und starb 16. Dez. 1516 als Abt zu St. Jakob in Würzburg. Er hat sich um die Beförderung der Wissenschaften Verdienste erworben; doch nahm er in seine geschichtlichen Werke Märchen und Fälschungen ohne alle Kritik auf. Seine "Opera spiritualia" (Mainz 1604) und "Paralipomena" (das. 1605) wurden von Busäus, seine "Opera historica" von Freher (Frankf. 1601, 2 Bde.) herausgegeben. Vgl. Silbernagl, Joh. Trithemius (2. Aufl., Regensb. 1885); Schneegans, Abt J. T. und Kloster Sponheim (Kreuzn. 1882).

Tritheismus (griech.), in der christlichen Dogmengeschichte die die Einheit des Wesens überwiegende Betonung des persönlichen Unterschiedes innerhalb der Trinität (s. d.), wie dieselbe im kirchlichen Altertum dem Monophysiten Joh. Philoponus, später dem Scholastiker Roscellinus schuld gegeben wurde.

Triticum, Pflanzengattung, s. Weizen.

Tritogeneia, Beiname der Athene (s. d.).

Triton, Molch.

Triton, im griech. Mythus Sohn des Poseidon und der Amphitrite, wohnte mit diesen auf dem Grunde des Meers in goldenem Palast. Als seine eigentliche Heimat galt der fabelhafte Tritonsee in Afrika, besonders in der Argonautensage. Man stellte sich ihn mit menschlichem Oberkörper, der in einen Delphinschwanz ausläuft, vor; auch werden ihm kurze Stierhörner und Spitzohren gegeben. Sein Attribut ist eine gewundene Seemuschel, auf der er bald stürmisch, bald sanft bläst, um die Fluten zu erregen oder zu beruhigen. Allmählich bildete sich dann die Vorstellung von einer großen Zahl von Tritonen, die ebenfalls als doppelgestaltige Wesen, bisweilen außer dem menschlichen Oberkörper und dem Fischschweif noch mit den Vorderfüßen eines Pferdes, gedacht und dargestellt werden. Von antiken Bildwerken ist besonders der Torso des vatikanischen Museums (Fig. 1) zu erwähnen, welcher mit der wilden, unbändigen Natur, die sich in Bewegungen und Körperbau ausspricht, jene erregte Wehmut in den Zügen, wie sie allen Seegöttern von der antiken Kunst gegeben wird, vortrefflich vereinigt. Vgl. auch die schöne statuarische Gruppe des Neapeler Museums (Fig. 2), in welcher T., von Eroten umspielt, eine Nereide entführt.

Tritonikon, s. Kontrafagott.

Tritonshörner (Tritoniidae Ad.), Schneckenfamilie aus der Ordnung der Vorderkiemer (Prosobranchia), besitzen einen großen, weit hervortretenden Kopf, einen langen Rüssel und eine lange Atemröhre, große, kegelförmige Fühler mit Augen in der Mitte ihrer Außenseite und eine ei- oder spindelförmige Schabe mit geradem oder leicht aufgebogenem Kanal, dornenlosen Höckern auf den Windungen und gesuchter oder faltiger Spindel. Tritonium nodiferum Lam.

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Tritonus - Triumvirn.

(Kinkhorn, Trompetenschnecke), im Mittelmeer, ist die Buccina der Alten, welche schon die alten Quiriten zu den Waffen rief und auch heute noch zum Signalgeben bei ländlichen Arbeiten Verwendung findet. T. Variegatum Lam., im Indischen Ozean, dient noch jetzt als Kriegstrompete. Eine große Rolle spielten die T. in den mythologischen Darstellungen und dann in den Bildern, Statuengruppen und Reliefs der Rokokozeit. Vgl. auch Faßschnecke.

Tritonus, griech. Name der übermäßigen Quarte, welche ein Intervall von drei Ganztönen ist (z. B. f-h); als Stimmenschritt war der T. im strengen Satz verpönt. Vgl. Stimmführung.

Tritoprismen und Tritopyramiden, s. Deuteroprismen, Deuteropyramiden und Kristall, S. 232 f.

Tritschinapalli (Trichinopolly), Hauptstadt eines Distrikts (9104 qkm od. 165,3 QM. mit [1881] 1,215,033 Einw.) in der indobrit. Präsidentschaft Madras, an der Kaweri und der Südbahn, ist Sitz eines katholischen Bischofs, hat ein meteorologisches Observatorium, mehrere Hospitäler und Kirchen, 3 evang. Missionen (2 englische, eine deutsche) und 2 Colleges. Auf einer 91 m hohen Felsnadel in der Mitte der Stadt ein berühmter Wallfahrtstempel der Hindu. T. hat eine Garnison und (1883) 84,449 Einw. (darunter 11,155 Christen), welche berühmte Zigarren und Goldwaren fabrizieren.

Tritschler, Alexander von, Architekt, geb. 10. Febr. 1828 zu Biberach, besuchte das Polytechnikum in Stuttgart, war von 1848 bis 1859 bei Eisenbahnbauten in Württemberg und der Schweiz beschäftigt und wurde 1860 Professor an der technischen Hochschule in Stuttgart, später Oberbaurat und durch Verleihung der ersten Klasse des württembergischen Kronenordens geadelt. Seine zumeist im Renaissancestil ausgeführten Hauptwerke sind: die Restaurierung der Kapelle des alten Schlosses, das Zentral-Postgebäude, die Realschule, das Haus der Württembergischen Hypothekenbank, die Vergrößerung des königlichen Polytechnikums in Stuttgart.

Tritt, der Abdruck eines Laufs des Wildes; Tritte, die Füße der Hühner, Tauben und kleinen Vögel.

Trittau, Dorf in der preuß. Provinz Schleswig-Holstein, Kreis Stormarn, unweit der Bille, hat eine evang. Kirche, ein Amtsgericht und (1885) 1386 Einw.

Tritteisen, s. Tellereisen.

Trittmaschine, s. Tretrad.

Triumph (lat.), bei den alten Römern der feierliche Einzug eines siegreichen Feldherrn mit seinem Heer in die Stadt Rom. Der Antrag dazu beim Senat ging vom Feldherrn aus und ward, da derselbe vor dem T. die Stadt nicht betreten durfte, im Tempel der Bellona oder auf dem Marsfeld gestellt. Hatte der Senat den auf Kosten des Staats zu veranstaltenden T. bewilligt, so erteilte das Volk dem Feldherrn für den Tag des Triumphs das Imperium in der Stadt. Der Zug bewegte sich vom Marsfeld durch die Porta triunmphalis in den Circus Flaminius, in dem sich ein geeigneter Platz für eine Menge der Zuschauer bot, von dort durch die Porta Carmentalis in die Stadt, dann über das Velabrum und Forum Boarium in den Circus Maximus; weiterhin die Via sacra entlang über das Forum nach dem Kapitol. Den Zug eröffneten die Magistrate und der Senat, ihnen folgten Musiker und eine lange Reihe von erbeuteten Prachtgegenständen, von Abbildungen der eroberten Städte oder Länder und die goldenen Kränze, welche die Provinzen dem Triumphator gewidmet hatten (vgl. die Tafel "Bildhauerkunst IV", Fig. 14, wo eine Gruppe aus dem Triumphzug des Titus mit der Beute des jüdischen Kriegs dargestellt ist). Ein Zug von weißen Stieren mit vergoldeten Hörnern, zum Opfer auf dem Kapitol bestimmt, folgte, denen sich die vornehmen Gefangenen in Ketten anschlossen, die unmittelbar nach dem T. hingerichtet wurden. Endlich hinter seinen purpurgekleideten Liktoren erschien der Triumphator selbst auf einem von vier weißen Rossen gezogenen Wagen. Sein Ornat, die Tunica palmata (s. d.) und die Toga picta (s. d.), war der des kapitolinischen Jupiter selbst und dazu aus dem Tempelschatz hergegeben, in der Rechten führte er einen Lorbeerzweig, in der Linken ein elfenbeinernes, mit einem Adler geschmücktes Zepter. Über seinem Haupt hielt ein Sklave die goldene Krone Jupiters, der ihm aber auch bei dem Jo triumphe, dem Jubelgeschrei des Volkes, zurief: "Bedenke, daß du ein Mensch bist!" Die Söhne und Töchter und die nächsten Verwandten umgaben den Triumphator; durch den Sieg desselben aus der Knechtschaft befreite römische Bürger folgten, und die ganze Armee bildete den Schluß. Auf dem Kapitol verrichtete der Triumphator ein Dankgebet, ließ die Opfertiere schlachten, legte den Lorbeerzweig, später eine Palme in den Schoß des Jupiter nieder und weihte dem Gott einen Teil der Beute. Ein Gastmahl, das er seinen Freunden und den angesehensten Männern der Stadt gab, beschloß den Tag. Eine geringere Art des Triumphs war die Ovation (s. d.). Seit des Augustus, noch mehr aber seit Vespasians Regierung wurden die Triumphe seltener und kamen meist nur noch den Kaisern zu. über die gefeierten Triumphe wurden Verzeichnisse, die sogen. Fasti triumphales, geführt. Außer dem eigentlichen T. kamen noch vor der Triumphus navalis und der Triumphus in monte Albano, welch letzterer von Feldherren, denen der solenne T. nicht zugestanden war, auf dem Albanerberg gehalten wurde.

Triumphbogen (Arcus oder Fornix triumphalis), ein frei stehendes, thorförmiges Gebäude, welches ursprünglich in Rom zu Ehren triumphierender Kaiser oder Feldherren errichtet wurde und entweder nur einen Durchgang oder einen Hauptdurchgang und zwei Nebendurchgänge, sämtlich mit halbkreisförmigem Abschluß, enthält. Noch erhaltene T. in Rom sind, außer den Trümmern des Triumphbogens des Drusus, diejenigen des Titus, Septimius Severus und Constantinus (s. Tafel "Baukunst VI", Fig. 7). Andre Bauten der Art sind Ehrenbogen, wie der des Gallienus, oder Durchgangsbogen, wie die des Janus und der des Dolabella. Außerhalb Roms sind erhalten: der T. des Augustus zu Rimini, dann die zu Susa, Aosta und Fano; die des Trajan zu Ancona und Benevent, der des Hadrian in Athen, der des Marius zu Orange in Frankreich. Außerdem gibt es noch T. zu Pola, Verona, St.-Remy in Südfrankreich und Capara in Spanien. In neuerer Zeit sind T. in Paris (Arc de triomphe de l'Étoile und du Carrousel), Mailand (Arco della Pace), Innsbruck, München (Siegesthor) u. a. O. errichtet worden. Alle diese T. sind mit reichem bildnerischen Schmuck, besonders mit Reliefs (s. Tafel "Bildhauerkunst IV, Fig. 14), ausgestattet. In der altchristlichen und armenischen Basilika heißt T. der vor dem Sanktuarium, in der gotischen Kirche zwischen Schiff und Chor befindliche hohe Scheidebogen, über welchem gewöhnlich der triumphierende Erlöser dargestellt war, oder in welchem ein mächtiges Kruzifix hing.

Triumvirat (lat.), s. Triumvirn.

Triumvirn (Triumviri oder Tresviri, lat., "Drei-

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Triunfo - Trochu.

männer"), in Rom der Name mehrerer aus drei Mitgliedern bestehenden Kollegien, deren Bestimmung durch einen Zusatz näher angegeben wird. Zu den Magistratus minores, den niedern Magistraten, gehörten: die Triumviri capitales, um 289 v. Chr. eingesetzt, welchen die Aufsicht über die Gefängnisse, die Vollstreckung der Todesurteile und die meisten Verrichtungen der niedern öffentlichen Polizei übertragen waren; die T. monetales, die Vorsteher des Münzwesens, wahrscheinlich 269 v. Chr. eingesetzt; die T. nocturni, die für die Sicherheit der Städte zur Nachtzeit zu sorgen hatten, über deren sonstige Obliegenheiten aber und die Zeit ihrer Einsetzung nichts Sicheres zu ermitteln ist. Von weit größerer politischer Bedeutung sind die Vereinigungen von je drei Männern im letzten Jahrhundert der Republik zu dem Zweck, die gesamte Staatsgewalt an sich zu reißen, welche Triumvirate genannt werden. Das erste dieser Triumvirate, das des Cäsar, Pompejus und Crassus, 60 v. Chr. geschlossen, war eine bloße Privatvereinigung. Das zweite ward 43 n. Chr. auf einer Insel des Reno zwischen Antonius, Octavianus und Lepidus geschlossen. Nachdem diese in Rom eingezogen waren, wurden sie 27. Nov. durch ein Gesetz als T. rei publicae constituendae, d. h. für die Ordnung des Staats, mit höchster Gewalt auf die Zeit bis zum letzten Dezember 38 vom Volk bestätigt, und nach Ablauf dieser Zeit wurde ihnen diese Vollmacht auf weitere fünf Jahre verlängert.

Triunfo (El T.), Stadt im südlichen Teil des mexikan. Territoriums Kalifornien, im Innern, mit Silber- und Goldgruben und 4000 Einw.

Trivandrum, Hauptstadt des indobrit. Vasallenfürstentums Travankor, 3½ km vom Indischen Meer, Residenz des Maharadscha in einem alten Fort sowie des britischen Residenten und eines katholischen Bischofs, hat mehrere sehr schöne Gebäude, eine medizinische Schule, College, Museum, Hospitäler, eine Sternwarte, eine evang. Mission u. (1881) 41,173 Einw.

Trivénto, Stadt in der ital. Provinz Campobasso, am Trigno, Bischofsitz, mit Kathedrale und (1881) 4072 Einw.

Trivia, Beiname der Hekate (s. d.).

Trivial (lat.), alltäglich, abgedroschen; Trivialitat, Alltäglichkeit, Plattheit, Gemeinplatz.

Trivialschulen s. Freie Künste.

Trivium (lat.) [s. Freie Künste.]

Trivúlzio, berühmte, aus Mailand stammende, besonders im 16. Jahrh. blühende Familie Italiens. Bemerkenswert sind: Gian Giacomo T.,M archese von Vigevano, geb. 1436 zu Mailand, nahm 1466 teil am Zug nach Frankreich, unterdrückte 1476 den Aufstand der Ghibellinen in Genua, trat 1486 in die Dienste des Königs von Neapel, 1494 in französische, eroberte 1499 das Herzogtum Mailand, wurde dafür Marschall von Frankreich, später Statthalter von Mailand. Verdächtigt, mit Venedig und der Schweiz Verbindungen unterhalten zu haben, fiel er bei dem König in Ungnade, und als er behufs seiner Rechtfertigung 1518 bei Hof erschien, ward er so ungnädig empfangen, daß er aus Alteration darüber bald darauf starb. Vgl. Rosmini, Istoria della vita e della gesta di J. G. T. (Mail. 1815, 2 Bde.). Sein Bruder René stand auf seiten der Ghibellinen und starb in venezianischen Diensten. Dessen Neffe Teodoro trat in französische Dienste, ward später Obergeneral der venezianischen Armee, 1524 Gouverneur von Mailand, dann Marschall von Frankreich und Gouverneur von Genua, übergab dieses an Andrea Doria und starb 1531 als Gouverneur von Lyon.

Troas, Landschaft in Kleinasien, der nordwestlichste, zwischen dem Hellespont und dem Adramyttenischen Meerbusen (Golf von Edremid) vortretende Teil der Halbinsel, seit der Diadochenzeit unter dem Gesamtnamen Mysien mit inbegriffen, ist größtenteils erfüllt von den Verzweigungen des zu 1750 m Höhe steil aufsteigenden waldreichen Idagebirges (Kaz Dagh), zwischen denen nur das eine größere Thal des Skamandros (Menderes), der zum Hellespont hinab mehrere breitere Stufenebenen durchfließt, sich hinzieht. Nach dem vorhistorischen (vielleicht den Illyriern verwandten) Volk der Troer benannt, wurde es, namentlich an der Küste, von peloponnesischen Achäern und böotischen Äoliern besetzt, während sich im Binnenland Reste des alten, mit den Troern einst eng verbundenen Volkes der Dardaner oder Teukrer bis in die Zeit der persischen Herrschaft erhielten. T. entspricht etwa dem heutigen Liwa Tschanak-Kalessi. T. war die Stätte des Homerischen Troja (s. d.). Wichtigere Orte aus historischer Zeit waren Dardanos, Abydos, Lampsakos u. a.

Trocadero, Inselfort bei Puerto Real in der Bai von Cadiz, 21. April 1810 und 31. Aug. 1823 von den Franzosen genommen. Zur Erinnerung an die letztere Einnahme erhielt diesen Namen eine Anhöhe auf dem rechten Seineufer in Paris, gegenüber der Jenabrücke, wo zur Weltausstellung von 1878 von Davioud und Bourdais ein kolossaler Palast von halbelliptischem Grundriß erbaut wurde, dessen Mittelbau zu Festen, Musikaufführungen etc. dient, während die Flügel zu einem kunstgeschichtlichen Museum von Gipsabgüssen eingerichtet sind.

Trochanter major, minor (lat.), der größere, kleinere Rollhügel auf dem obern Abschnitt des Oberschenkels; s. Hüfte.

Trochäus (griech., auch Choreus), zweisilbiger Versfuß, aus einer Länge und darauf folgender Kürze (- ^) bestehend, kommt als Wortfuß vorzüglich im Deutschen außerordentlich häufig vor. Der dreifüßige T., Ithyphallikus genannt, findet sich meist in Verbindung mit andern Rhythmen wie mit Daktylen; der vierfüßige im dritten Vers der Alkäischen Strophe und in der neuern spanischen Romanze. Am gebräuchlichsten war der katalektische Tetrameter (s. d.).

Trochiliden, s. v. w. Kolibris.

Trochilium, s. Glasflügler.

Trochilus, Kolibri; Trochilidae, Familie der Kolibris (s. d.).

Trochisci, s. v. w. Pastillen.

Trochiten, s. Enkriniten.

Trochitenkalk, s. Triasformation, S. 828.

Trochocephalus, s. Brachykephalen.

Trochtelfingen, Stadt im preuß. Regierungsbezirk Sigmaringen, Oberamt Gammertingen, an der Seckach, hat eine kath. Kirche, ein Schloß und (1885) 1246 Einw.

Trochu (spr. -schü), Louis Jules, franz. General, geb. 12. Mai 1815 zu Palais bei Belle-Isle en Mer (Morbihan), trat 1840 als Leutnant in die Generalstabsschule, wurde in Algerien Adjutant von Lamoricière, 1846 wegen seines tapfern Verhaltens Adjutant des Marschalls Bugeaud und kam 1851 als Oberstleutnant ins Ministerium. 1854 ward er Adjutant des Marschalls Saint-Arnaud und nachher des Generals Canrobert in der Krim, 24. Nov. Brigadegeneral, erhielt 1855 die 1. Brigade des 1. Korps und zeichnete sich bei dem Sturm auf den Malakow aus. Als Divisionsgeneral that er sich 1859 in der Schlacht bei Solferino hervor. Nach dem Frieden

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Trockenästung - Trocknen.

trat er wieder ins Kriegsministerium und war von Niel zu seinem Nachfolger ausersehen. Aber seine Schrift "L'armée française en 1867" (Par. 1867, 20. Aufl. 1870), welche mit unerhörtem Freimut alle Schäden der französischen Armee aufdeckte und die einzige Heilung in der Annahme des preußischen Wehrsystems sah, entzog ihm die Gunst des Hofs und machte ihn als Minister des Kaiserreichs unmöglich. Zu Anfang des Kriegs 1870 erhielt er das Kommando der 12. Territorialdivision zu Toulouse und ward dann zum Befehlshaber der Landungsarmee an der deutschen Küste ausersehen. Da diese Landung unterblieb, ernannte ihn der Kaiser im Lager von Châlons 17. Aug. zum Gouverneur von Paris. Indes seine Popularität nützte dem sinkenden Kaiserreich nichts mehr, und als 4. Sept. dasselbe zusammenbrach, trat T. an die Spitze der Bewegung und ließ sich zum Präsidenten der Regierung der nationalen Verteidigung ernennen, blieb aber Generalgouverneur von Paris und Oberbefehlshaber sämtlicher Streitkräfte in der Hauptstadt. Während der Belagerung entfaltete er eine großartige und erfolgreiche Thätigkeit in der Organisation der Verteidigungsarmee; auch war sein Plan, nach Nordwesten, nach Rouen, durchzubrechen, gar nicht unverständig. Derselbe kam jedoch nicht zur Ausführung, weil T. sich mit der Regierung in Tours nicht verständigen konnte und selbst unschlüssig war, denn er hatte kein Vertrauen auf den Erfolg und hielt überhaupt die Verteidigung von Paris für eine "noble Tollheit". Als die Kapitulation, die er mit hochtönenden Phrasen verschworen, unvermeidlich war, legte er sein Amt als Gouverneur 22. Jan. 1871 nieder; Präsident der Regierung blieb er bis zum Zusammentritt der Nationalversammlung. Als Mitglied der Nationalversammlung ergriff er mehrere Male das Wort zu seiner Rechtfertigung; da er indes in der Armeereformfrage Gegner von Thiers war, erhielt er kein Kommando und zog sich 1872 in das Privatleben zurück. Vgl. Trochus Schriften: "L'Empire et la défense de Paris devant le jury de la Seine" (1872); "Pour la vérité et pour la justice" (1873); "La politique et le siége de Paris" (1874) und "L'armée française en 1879, par un officier de retraite" (anonym, 1879).

Trockeaästung, die Beseitigung abgestorbener, daher trockner Äste von jungen Nadelhölzern durch Abschneiden mit der Säge unmittelbar am Stamm zur Verhinderung des Einfaulens der Aststummel und zur Erzielung astreinen Holzes.

Trockenbagger, s. Bagger und Erdarbeiten.

Trockenblumen, Blumen, welche entweder vermöge ihrer trocknen Beschaffenheit nach dem Abschneiden ihre Form und Farbe bewahren, sogen. Immortellen, oder solche, die durch ein künstliches Verfahren diese Eigenschaft mehr oder weniger bekommen. Die Immortellen werden noch etwas vor der vollkommensten Ausbildung geschnitten und, in Bündeln aufgehängt, im Schatten getrocknet und gefärbt. Die schönsten Immortellen kommen aus Frankreich, vom Kap und aus Australien. Wichtiger und interessanter sind die Fortschritte im Trocknen weicher Blumen, welches vor 40 Jahren die ersten Anfänge zeigte. Man trocknet jetzt Rosen, Malven, Nelken, Astern, Veilchen etc. und bindet von allen diesen Blumen prachtvolle Sträuße, Kränze etc. Die nicht immortellen Blumen werden, wenn nötig, mit Säuren behandelt, damit sie ihre Farbe behalten oder trocken eine schönere bekommen. Die ihre Form leicht verlierenden Blumen trocknet man in Sand, welcher heiß mit Walrat und Stearin überzogen wurde. Vgl. Lebl, Zimmergärtnerei (Stuttg. 1878); Hein, Das Trocknen und Färben natürlicher Blumen und Gräser (Weim. 1875); Braunsdorf, Das Trocknen, Bleichen etc. natürlicher Blumen und Gräser (Wien 1888).

Trockendocks, s. Dock.

Trockenfäule (Stockfäule), Kartoffelkrankheit, bei welcher die Knollen Löcher zeigen, die häufig mit gelben oder violetten Pilzmassen ausgekleidet sind, und das gebräunte, zuckerhaltige Gewebe zunderartig locker erscheint. Die Schale ist meist besetzt mit weißlichen, dichten, etwas fleischigen Pilzpolstern. Die T. steht in engster Beziehung zur Naßfäule (s. d.), hat aber mit der durch Peronospora infestans erzeugten Kartoffelkrankheit nichts zu thun und wird wahrscheinlich durch Bakterien hervorgerufen. Die Schimmelpilze siedeln sich erst später an. Die T. trat zuerst 1830 in der Eifel auf, verbreitete sich bis 1842 mit zunehmender Heftigkeit und ist seitdem mehr zurückgetreten.

Trockenfrüchte, nich taufspringende Pflanzenfrüchte, welche keine saftig-fleischige Fruchthülle haben, wie die Achene (s. d.) und die Nuß (s. d.).

Trockenmaschine, Vorrichtung zum Trocknen der Gewebe mittels Wärme, nachdem dieselben gewaschen, gestärkt, gefärbt oder bedruckt sind. Die Trockenmaschinen führen ununterbrochen heiße, trockne Luft über die Zeuge oder bringen letztere mit heißen Körpern in Berührung. Bei der ersten Anordnung ist der Stoff entweder in einen horizontalen Rahmen gespannt, der über einen langen Kasten hinweg bewegt wird, während ein Flügelgebläse heiße Luft von unten gegen das Zeug treibt (Rahmentrockenmaschine), oder das letztere wird im Zickzack über Walzen gezogen, die in geschlossenen Stuben liegen, durch welche mittels Exhaustoren heiße Luft hindurch gesogen wird. Bei der zweiten Anordnung benutzt man ausschließlich 3-15 mit Dampf geheizte, horizontale Drehtrommeln aus Kupfer, mit welchen der zu trocknende Stoff sich bewegt (Trommel-T.), wie bei der Papiermaschine (s. Papier, S. 676) beschrieben wurde.

Trockenobst, s. Obst, S. 310.

Trockenöl, s. v. w. Sikkativ.

Trocknen (Austrocknen), Operation, welche die Entfernung von Wasser aus einer Substanz bezweckt. Sehr wasserreiche Substanzen werden oft durch eine besondere Operation zunächst von einem Teil ihres Wassergehalts befreit (entwässert) und dann erst mehr oder weniger vollständig getrocknet. Da Wasser schon bei gewöhnlicher Temperatur verdunstet, so trocknen viele Körper beim Liegen an der Luft, verlieren aber hierbei ihren Wassergehalt stets nur bis zu einem gewissen, von der Temperatur, der Feuchtigkeit der Luft, der Stärke des Luftwechsels und von ihrer eignen Beschaffenheit abhängigen Grad, sie werden lufttrocken und können durch Erhitzen oder andre Mittel vollständig getrocknet werden. Die wenigsten Körper verharren indes im Zustand völliger Trockenheit, nehmen vielmehr aus der Luft alsbald wieder Feuchtigkeit auf und folgen den Schwankungen des Wassergehalts der Luft. Zum Entwässern dienen je nach der Natur des zu behandelnden Stoffes verschiedene Vorrichtungen. Am häufigsten benutzt man Pressen, oft aber auch Walzen, die häufig mit Filz oder Kautschuk überzogen werden. Den zu entwässernden Stoff leitet man auf endlosem Sieb oder Tuch den Walzen zu und erreicht auf diese Weise die Möglichkeit kontinuierlichen Arbeitens. Für viele Zwecke eignen sich vortrefflich die Zentrifugalmaschinen (Hydroextrakteure), die z. B. zum Entwässern von Geweben und breiförmigen Substanzen

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Trocknen (Trockenvorrichtungen).

sehr häufig angewandt werden. Letztere verarbeitet man auch häufig auf Filterpressen. Mit Wasser durchtränkte Pulver (Niederschläge) bringt man auf ein geeignetes Filtriermaterial, welches z. B. auf einer Schicht von Schamottesteinen ausgebreitet ist, und verdünnt die unter letztern befindliche Luft, indem man den Kasten, in welchem die Schamottesteine liegen, mit einer Luftpumpe oder mit einem Dampfkessel verbindet, der mit Dampf gefüllt und nach Austreibung der Luft verschlossen und abgekühlt wird (Vakuumfilter). In ähnlicher Weise entwässert man kristallinische Massen, indem man sie in konische, an der Spitze durchlöcherte Blechformen bringt und diese auf einen Nutschapparat stellt. Letzterer besteht aus horizontal liegenden Röhren mit zahlreichen kleinen Stutzen, in welche die Spitzen der Formen luftdicht passen. Ist der ganze Apparat mit Formen bestellt, so wird er mit einer Luftpumpe in Verbindung gebracht, welche die zwischen den Kristallen befindliche Flüssigkeit absaugt. Bisweilen legt man auch die breiartige Masse auf poröse Platten aus gebranntem Thon oder Gips, und in manchen Fällen erlaubt die Natur der zu entwässernden Substanz das Erhitzen in Pfannen, um das Wasser zu verdampfen.

Vorrichtungen zum T. an der Luft sind in der Regel sehr einfach: Gewebe werden völlig ausgebreitet aufgehangen, knetbare Massen bringt man in Ziegelform, die auf Stellagen in luftigen Schuppen aufgestellt werden, und andre Materialien, wie z. B. Leimtafeln, legt man auf Netze, die in Rahmen ausgespannt sind. Das T. an der Luft ist aber der wechselnden Witterungsverhältnisse halber wenig praktisch, und man wendet deshalb ganz allgemein künstliche Trockenvorrichtungen an, die je nach der Natur der zu trocknenden Substanz und der zu erzeugenden Temperatur sehr verschieden konstruiert sind. Ist Temperaturerhöhung überhaupt ausgeschlossen, so ist man meist auf die Herbeiführung starken Luftwechsels, wie auf den Trockenböden oder durch Ventilatoren, beschränkt, da die Anwendbarkeit hygroskopischer Substanzen eine eng begrenzt ist. Beim Arbeiten im kleinen benutzt man einen Exsikkator, eine Glasglocke mit abgeschliffenem Rande, die man auf eine matt geschliffene Glasplatte stellt. Unter die Glocke bringt man eine flache Schale mit konzentrierter Schwefelsäure oder Chlorcalcium und auf einen Dreifuß aus Draht oder Glasstäben eine Porzellanschale, in welche die zu trocknende Substanz gelegt wird. In ähnlicher Weise kann man einen gut schließenden Kasten oder Schrank zum T. von Zigarren anwenden.

Bei den Trockenvorrichtungen mit erwärmter Luft hat man zu unterscheiden, ob die Substanz in dem Trockenraum unverändert an einer Stelle verbleibt oder ihren Platz wechselt. Ersteres geschieht z. B. in den Trockenstuben der Zuckerfabriken, in welchen Gestelle angebracht sind, um sie bis zur Decke mit Zuckerbroten füllen zu können. Nahe am Boden liegen Dampfheizröhren und sind Öffnungen angebracht, durch welche trockne Luft einströmt, während die feuchte Luft durch Öffnungen in der Decke abzieht. Die Heizung solcher Trockenkammern, in welchen das Material auch auf Horden ausgebreitet werden kann, geschieht auch durch Röhren, welche von den abziehenden Feuerungsgasen durchströmt werden, durch heiße Luft. durch Kanäle mit eigner Feuerung etc. Bisweilen kann man auch die Feuerungsgase direkt zum T. benutzen, wie in manchen Malzdarren und in den Holzdarröfen, welche aus langen Kanälen zur Aufnahme des Holzes bestehen, vor denen die Feuerung angebracht ist. Um in diesem Fall das Überschlagen der Flamme, Funkenfliegen und Schwärzung des Holzes durch Ruß zu vermeiden, hat man eine Feuerung konstruiert, bei welcher die Verbrennung von oben nach unten fortschreitet und die Verbrennungsgase durch das Brennmaterial und den Rost strömen und dann aufwärts über eine Mauer steigen müssen, um zu dem zu trocknenden Holze zu gelangen. Der Eingang zur Esse liegt am andern Ende des Trockenraums am Boden. Pulverförmige Materialien werden häufig in Pfannen oder auf Herden aus Eisenblech, Kalksteinplatten od. dgl. getrocknet, welche man mit aus Abdampfpfannen entweichenden Dämpfen oder mit Feuerungsgasen, nachdem sie unter Abdampfpfannen zirkuliert haben, heizt. Die Feuerungsgase geben eine höhere Temperatur als Dampf. Bei der Kastentrocknung bringt man die zu trocknende Substanz auf Horden, die den Boden eines Kastens bilden, leitet durch eiserne Röhren, welche auf irgend eine Weise erhitzt werden, warme, trockne Luft unter die Horden, so daß dieselbe das zu trocknende Material durchströmt, und läßt sie über demselben durch die Esse entweichen. Ähnlich sind Malzdarren konstruiert, bei welchen das Malz auf einem horizontalen Drahtgeflecht, auf durchlochtem Blech etc. ausgebreitet wird. Unter diesem Boden liegen Röhren oder Kanäle, die von heißer Luft durchströmt werden, und zwischen denselben steigt die Luft auf, welche die Malzschicht durchdringen soll. Vorteilhaft bringt man über der letztern noch eine oder zwei Darrflächen an, welche von der warmen, noch nicht völlig mit Dampf gesättigten Luft, die von der ersten Darrfläche aufsteigt, durchströmt werden müssen. Sehr beschleunigt wird das T., wenn man die Verdampfung des Wassers und die Ableitung der gebildeten Dämpfe durch Anwendung einer Luftpumpe befördert. Man bringt die zu trocknende Substanz in luftdicht verschließbare eiserne Gefäße, erhitzt diese von außen durch Dampf und setzt sie dann mit einer Luftpumpe in Verbindung. Hat man brei- oder pulverförmige Substanzen zu trocknen, so muß man durch Umrühren für beständige Erneuerung der Oberfläche sorgen. Beim T. der Exkremente werden dieselben zunächst im Vakuum zu dickem Brei eingedampft, den man durch langsam rotierende Bürsten auf mit Dampf gegeheizte kupferne Walzen in dünnen Lagen aufträgt. Während die Walzen sich langsam umdrehen, trocknet die Masse und wird durch andre kleine, mit Spitzen besetzte Walzen von der Trockenwalze abgelöst und in Pulver verwandelt. Ein sehr brauchbarer Apparat zum T. von Salz besteht aus sechs übereinander zwischen vier Säulen angebrachten hohlen und durch Dampf heizbaren Scheiben, durch welche eine rotierende vertikale Welle hindurchgeht. An dieser Welle sind Rührapparate befestigt, die das Salz abwechselnd nach der Peripherie und der Mitte der Scheibe befördern, von wo es durch Löcher von einer Scheibe auf die andre gelangt. Außerdem rollt auf der dritten und der letzten Scheibe eine Walze, welche Salzklümpchen zerkleinert. Dieser Apparat gestattet kontinuierliche Arbeit ebenso wie die Malzdarren mit mehreren Darrflächen, bei denen das Malz von der obersten allmählich auf die unterste und heißeste Darrstäche gelangt. Ein ähnliches Prinzip findet bei den Trockenapparaten Anwendung, bei welchen heiße Luft einen langen Kanal durchströmt, während die zu trocknende Substanz in Behältern oder auf endlosen Tüchern oder Ketten durch den Kanal dem Luftstrom entgegengeführt wird. Dies muß so langsam geschehen, daß sie völlig getrocknet am heißesten Ende des Kanals anlangt. Gewebe werden auch über Walzen durch einen geheizten Raum

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Trockner Wechsel - Troizko-Sergiewsches Kloster.

geleitet, oder man leitet sie wie auch das Papier über hohle, durch Einleiten von Dampf erhitzte Walzen (vgl. Trockenmaschine). Derartige Walzen kann man auch zum T. von Pulver benutzen, wenn man dies auf endlosen Tüchern über die Walzen leitet. - Zum T. von Flüssigkeiten genügt anhaltendes Erhitzen, wenn der Siedepunkt der betreffenden Flüssigkeit bedeutend höher liegt als der des Wassers. Flüchtige Flüssigkeiten kann man vorteilhaft destillieren und unter Anwendung von Rektifikatoren und Dephlegmatoren, wie sie zur Trennung des Alkohols vom Wasser in der Spiritusfabrikation benutzt werden, vom Wassergehalt befreien. Ein vollständiges T. erreicht man indes auf diese Weise in der Regel nicht, vielmehr muß man zur Entfernung der letzten Spuren von Wasser hygroskopische Substanzen anwenden, welche bei längerm Verweilen in der Flüssigkeit die Feuchtigkeit vollständig absorbieren. Oft führt nur wiederholte Destillation über solche Substanzen zum Ziel. Die Auswahl der letztern richtet sich nach der Natur der Flüssigkeit, die nicht chemisch auf die Trockensubstanz einwirken darf. Am häufigsten benutzt man Chlorcalcium, gebrannten Kalk, wasserfreies kohlensaures Kali oder schwefelsaures Kupferoxyd, wassersreie Oxalsäure, Phosphorsäureanhydrid etc. - Gase verlieren den größten Teil ihres Wassergehalts durch starkes Abkühlen in einer Röhrenleitung von hinreichender Länge (vgl. Leuchtgas, S. 734). Wo dies nicht genügt, kann man sie durch Trockenröhren leiten, welche mit porösem Chlorcalcium gefüllt sind, oder durch konzentrierte Schwefelsäure. Man befeuchtet mit letzterer auch Bimsstein, den man in Röhren füllt, oder läßt die Schwefelsäure in einem mit Koks gefüllten Turm in gleichmäßiger Verteilung herabfließen, während das Gas unten in den Turm eintritt und der Säure entgegenströmt.

Trockner Wechsel, s. Wechsel.

Trockner Weg, s. Nasser Weg.

Troctes, Bücherlaus.

Troddelblume, s. Soldanella.

Trödelhandel (Trödelgewerbe), Kleinhandel, durch welchen gebrauchte Sachen (gebrauchte Kleider, Betten, Wäsche, altes Metallgerät, Metallbruch u. dgl.) umgesetzt werden. Mit Rücksicht darauf, daß der T. leicht zur Hehlerei mißbraucht werden kann, ist in der deutschen Gewerbeordnung (§ 35) bestimmt, daß dieser Handel untersagt werden kann, wenn Thatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbtreibenden in Bezug auf diesen Gewerbebetrieb darthun. Im Umherziehen darf der T. nicht ausgeübt werden (deutsche Gewerbeordnung, § 56, Ziffer 2).

Trödelvertrag (Contractus aestimatorius), der Vertrag, vermöge dessen jemand einem andern eine Sache mit der Auflage übergibt, nach einer gewissen Zeit entweder diese Sache zurückzugeben, oder einen bestimmten Geldbetrag dafür zu überliefern. Die Übergabe jener Sache erfolgt in der Erwartung, daß der Trödler dieselbe zu verkaufen suchen werde. Ein etwaniger Mehrerlös kommt, wenn nichts andres verabredet war, dem Trödler zu gute.

Trogen, Dorf und gewissermaßen Hauptort des schweizer. Halbkantons Appenzell-Außer-Roden, am Fuß des Gäbris, mit Kantonschule, Baumwollweberei, Musselinstickerei und (1880) 2629 Einw.; ist mit Hundwyl abwechselnd Sitz der Landsgemeinde, zugleich Sitz des Obergerichts.

Troglodyten (griech., Höhlenbewohner), allgemeine Bezeichnung auf einer niedrigen Kulturstufe stehender Völker, welche in bloßen Erdhütten oder Höhlen wohnten. Troglodytenland (Troglodytica) hieß insbesondere die Küste des heutigen Abessinien von Berenike nach S. zu.

Troglodytes, Schimpanse.

Troglodytes, Vogel, s. v. w. Zaunkönig; Troglodytidae (Schlüpfer), Familie der Sperlingsvögel (s. d. 3).

Trogons (Trogonidae), s. Klettervögel (12).

Trogus Pompejus (oder in richtigerer Ordnung Pompejus Trogus), röm. Geschichtschreiber zur Zeit des Augustus, stammte aus Gallien, schrieb eine Universalgeschichte von Erschaffung der Welt bis auf seine Zeit, welche den Namen "Historiae Philippicae" führte, weil die Geschichte des makedonischen Reichs und der mit diesem in Zusammenhang stehenden Völker den Hauptinhalt bildete. Nur die "Prologi" zu den 44 Büchern (hrsg. von Grauert, Münst. 1827; nebst einigen andern, meist als unecht erwiesenen Fragmenten von Bielowski, Lemb. 1853) und der Auszug des Justinus (s. d. 1) sind auf uns gekommen.

Troika (russ.), s. Kibitka.

Troikart, s. Trokar.

Troilit, Mineral, Bestandteil vieler Meteoriten, besteht aus Schwefeleisen FeS.

Troilos, der von Achilleus getötete jüngste Sohn des Priamos und der Hekabe.

Troina, Stadt in der ital. Provinz Catania (Sizilien), Kreis Nicosia, auf einem Felskamm, 1113 m ü. M., nahe am Fluß T., einem Zufluß des Simeto, gelegen, hat Reste des antiken Imachara, Mützen- und Strumpfwirkerei und (1881) 10,072 Einw. T. ward 1062 von den Normannen unter Roger eingenommen und erhielt 1078 das erste katholische Bistum in Sizilien.

Trois Rivières (spr. troa riwjähr, auch Three Rivers, "drei Flüsse"), Stadt in der britisch-amerikan. Provinz Quebec, an der Mündung des St. Maurice in den St. Lorenzstrom, hat Eisengießerei, Sägemühlen, lebhaften Holzhandel und (1881) 9296 Einw.

Troizk, Kreisstadt im russ. Gouvernement Orenburg, am Ui und der Uwelka, hat 3 griech. Kirchen, 2 Moscheen, besuchte Messen, ein Gymnasium und ein weibliches Progymnasium, einen großen Kaufhof und (1885) 18,497 Einw., welche lebhaften Tauschhandel mit den Kirgisen treiben.

Troizkosawsk, russ. Grenzfestung im sibirischen Gebiet Transbaikalien, Sitz des Befehlshabers der Transbaikalischen Kosaken, ein großer wohlgebauter Ort mit Kirchen und steinernen Gebäuden, freundlich und schmuck wie keine andre sibirische Stadt, nur 4 km nördlich von dem tiefer gelegenen Kiachta (s. d.), hat eine Realschule, ein weibliches Progymnasium und (1885) 6117 Einw.

Troizko-Sergiewsches Kloster (Troiza Lawra Sergiew, "Dreieinigkeitskloster des heil. Sergius"), das größte, reichste und geschichtlich berühmteste Kloster des russischen Reichs, im Gouvernement Moskau, 70 km von Moskau, an der Eisenbahn Moskau-Jaroslaw gelegen. Dasselbe gleicht, mit hohen Mauern, Wällen und Gräben umgeben, einer Festung und enthält einen kaiserlichen Palast, die Wohnung des Metropoliten und des Archimandriten, 11 Kirchen und Kapellen, eine geistliche Akademie mit wertvoller Bibliothek, ein theologisches Seminar, eine Elementarschule für arme Kinder, ein großes Kaufhaus, große Gärten etc. Die größte und schönste Kirche ist die der Verklärung Mariä gewidmete Uspenskikathedrale mit fünf Goldkuppeln und den Grabmälern geschichtlich berühmter Männer und Frauen. Die kleine Kirche der Dreieinigkeit (Troizky Chram) enthält den silbernen, mit Edelsteinen ge-

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Troja.

schmückten Sarkophag des heil. Sergius. Das Kloster soll einen Schatz von 600 Mill. Silberrubel besitzen und hatte 1764 zur Zeit der Einziehung der Klostergüter 106,608 leibeigne Bauern. Die Zahl der dahin Wallfahrenden beträgt jährlich fast eine Million. - Das Kloster ward 1338 vom heil. Sergius unter der Regierung Simeons des Stolzen erbaut und ist den Russen als Ort wichtiger Begebenheiten heilig. Hier segnete Sergius 1380 den Großfürsten Dmitrij, als er in den Kampf gegen Mamai zog; in der Regierungszeit des Wasilij Schuiskij wurde es vom 29. Sept. 1608 bis 12. Jan. 1610 von den Polen unter Lisowski und dem Hetman Sapieha und wieder 1615 von dem polnischen Prinzen Wladislaw vergeblich belagert. Hier fanden 1685 die Zaren Iwan und Peter vor den aufständischen Strelitzen Schutz, und letzterer machte von hier aus der Herrschaft seiner Schwester Sophia ein Ende. Vgl. Philareth, La vie de saint Serge (a. d. Ruff., Petersb. 1841).

Troja (Ilion, Ilios), mythische Hauptstadt des Volkes der Troer in der Landschaft Troas (s. d.), am Fuß einer Anhöhe des Ida an oder in der Küstenebene des Skamandros (heute Menderes) gelegen, war mit starken Mauern umgeben und wurde durch die feste, auf der Spitze der Anhöhe liegende Burg Pergamos beschützt, in welcher sich sämtliche Tempel, vor allen der der Pallas gewidmete Haupttempel, befanden. Nach der gewöhnlichen Annahme wurde T. 1184 (nach andern 1127) v. Chr. von den Griechen zerstört (s. Trojanischer Krieg). Die Lage dieses ältesten Homerischen T. wurde seit Le Chevalier, der 1785-86 die troische Ebene besuchte, auf dem Felsen von Bunarbaschi (144 m ü. M.) gesucht, wo einige aus Feldsteinen aufgeschüttete Hügel als "Grab des Priamos", "Grab des Hektor" etc. bezeichnet werden. Die dort vorhandenen Mauerreste stammen jedoch nach Schliemann meist erst aus hellenistischer Zeit; sie gehören einer Burg an, welche mit einer gegenüber, auf der andern Seite des Skamandros gelegenen Burg das Flußthal beherrschte. Weiter unterhalb macht der Menderes (Skamandros) eine Biegung nach WNW.; ihm parallel zieht sich weiter nördlich der Kalafatli-Asmak (das alte Bett des Skamandros) hin. Auf dessen nordöstlichem Ufer erhebt sich eine zweite Anhöhe, welche nordwärts zum Thal des Dumbrek-Tschai (des alten Simoeis) abfällt; es ist die Höhe von Hissarlyk, 50 m ü. M., 35 m über der Ebene. Hier war zur Zeit, als in Lydien die Mermnaden herrschten (689-546 v.Chr.), also vor der Unterwerfung Kleinasiens durch die Perser und lange nach der Zerstörung Trojas, ein neues äolisches Ilion entstanden, das in der Römerzeit eine gewisse Bedeutung erlangte (Reste eines Athenetempels und eines Thorgebäudes), aber gegenwärtig in Trümmern liegt. Schliemann (s. d.) hat nun durch fortgesetzte, in den Jahren 1870-82 vorgenommene Ausgrabungen nachgewiesen, daß auf dem die Ebene um 18 m überragenden Felsen von Hissarlyk sieben verschiedene untergegangene "Städte" (richtiger Burgen) übereinander gelegen haben. In der zweiten von ihnen, etwa 7-10 m unter der jetzigen Oberfläche glaubt er die Burg der Homerischen Stadt entdeckt zu haben, eine Annahme, die darin eine Stütze findet, daß die Trümmer von einer starken Schicht von Brandschutt überdeckt sind. Schliemanns Ausgrabungen (s. obenstehende Kärtchen) erstrecken sich auf mehrere Thore im S. und W. der Burg, die Mauern auf der Süd- und Westseite, zwei kleinere Gebäude, welche für Teile des ehemaligen Königspalastes gelten dürfen. Von weit höherer Bedeutung ist der sogen. Große Schatz, welcher unweit des Südwestthors in der obern Lehmziegelmauer gefunden wurde. Er enthält außer vielen Kupfergeräten eine Menge Gefäße (Becher, Schalen) und Schmuckgegenstände (Ketten, Armbänder,

[Kärtchen der Ebene von Troja.]

[Plan von Troja (Ausgrabungen Schliemanns).]

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Troja - Trokar.

Diademe, Ringe) aus Gold und Silber, welche eine dem 2. Jahrtausend v. Chr. angehörende Kulturstufe kennzeichnen. Sie sind zum größten Teil in das Museum für Völkerkunde zu Berlin, wenige ins türkische Museum im Serail zu Konstantinopel oder in Schliemanns Haus in Athen gelangt. Schliemanns Hypothese fand sofort die Anerkennung englischer Forscher, die deutschen wiesen sie zunächst zurück, wie z. B. R. Hercher, der noch 1876 behauptete, daß Homers Schilderung rein dichterisch die natürlichen Verhältnisse umgestaltet habe und durchaus nicht mit der wirklichen Örtlichkeit zu vereinigen sei. Erst neuerdings hat Schliemann auch in Deutschland mehr und mehr Anklang gefunden. Aus der reichhaltigen Litteratur über T. vgl. außer den ältern Werken von Le Chevalier ("Voyage de la Troade", 3. Aufl., Par. 1802, 3 Bde.), Webb ("Topographie de la Troade", das. 1844), Forchhammer (Frankf. a. M. 1850), Clarke (Edinb. 1863) hauptsächlich die Veröffentlichungen Schliemanns: "Trojanische Altertümer" (Leipz. 1874), "Ilios" (das. 1881), "Reise in der Troas" (das. 1881), "Troja" (das. 1883); ferner Christ, Topographie der trojanischen Ebene und die Homerische Frage (Münch. 1874); Eckenbrecher, Die Lage des Homerischen T. (Düsseld.1875); O. Keller, Die Entdeckung Ilions zu Hissarlik (Freiburg 1875); Steitz, Die Lage des Homerischen T. ("Jabrbücher für klassische Philologie" 1875); Hercher, Über die Homerische Ebene von T. (Berl. 1876); Ed. Meyer, Geschichte von Troas (Leipz. 1877); E. Brentano: Alt-Ilion im Dumbrekthal (Heilbr. 1877), Zur Lösung der trojanischen Frage (das. 1881), T. und Neu-Ilion (das. 1882); Virchow, Beiträge zur Landeskunde der Troas (Berl. 1880).

Troja, Stadt in der ital. Provinz Foggia, Kreis Bovino, am Celone, Bischofsitz, hat ein geistliches Seminar, eine 1093 gegründete schöne Kathedrale und (1881) 6722 Einw. T. ward im 10. Jahrh. von Griechen angelegt; hier 1462 Sieg Ferdinands I von Aragonien über die Anhänger des Herzogs von Anjou.

Trojan, Kreishauptstadt in Bulgarien, am Osem südlich von Lowatz im Balkan gelegen, 400 m ü. M., mit (1881) 6301 Einw., welche hauptsächlich Viehzucht, Acker- und Obstbau treiben.

Trojanischer Krieg, der zwischen Griechen und Kleinasiaten bei Troja nach der gewöhnlichen Annahme von 1193 bis 1184 v. Chr.geführte Krieg. Die Sage berichtet über denselben: Als Paris, der zweite Sohn des Königs Priamos von Troja, das Recht der Gastfreundschaft verletzend, des Königs Menelaos von Sparta Gemahlin, die von Aphrodite ihm bestimmte schöne Helena, entführt hatte, verweigerte Priamos der an ihn geschickten Gesandtschaft deren Herausgabe. Darauf ward von den griechischen Fürsten der Rachezug gegen Troja beschlossen. Die hervorragendsten unter den Helden, welche sich zu Aulis in Böotien versammelten, waren: Menelaos und dessen Bruder Agamemnon, Odysseus, Diomedes, Achilleus, Patroklos, Nestor, Aias der Oilier und Aias der Telamonier, Philoktetes und Idomeneus. Agamemnon ward zum Oberanführer gewählt, und nach einigem durch Windstille verursachten Aufenthalt (s. Iphigenie) segelte die Flotte ab nach Kleinasiens Küste. Unterdes hatten aber auch die Trojaner ihre Stadt befestigt. Ihre Bundesgenossen waren Makedonier, Thraker, Assyrer, Äthiopier und ihr vornehmster Held Hektor, des Priamos ältester Sohn. Neun Jahre lang währte der Kampf ohne Entscheidung, und die Griechen unternahmen während dessen zahlreiche Plünderungszüge in Kleinasien. Im 10. Jahr brach der Zwist zwischen Agamemnon und Achilleus aus, infolge dessen sich dieser eine Zeitlang vom Kampf zurückzog und die Griechen wiederholte Niederlagen erlitten. Schon rieten im Lager der Griechen viele zum Rückzug, aber nach Achills Wiedereintritt in den Kampf und dem Fall Hektors kam für Troja dennoch der Tag des Untergangs. Infolge eines Orakelspruchs schlichen sich Diomedes und Odysseus in die Stadt und entwendeten aus dem Tempel der Athene das ihr geheiligte Bild (Palladium), das Schutzheiligtum der Stadt, wodurch das Glück von den Trojanern wich. Hierauf ließen die Griechen auf des Odysseus Rat ein kolossales hölzernes Pferd erbauen, in dessen hohlem Bauch sich eine auserlesene Schar verbarg. Die übrigen Griechen begaben sich auf ihre Schiffe und fuhren in der Nacht davon. Als nun am andern Tag die Trojaner das Griechenlager verlassen sahen, strömten sie scharenweise aus der Stadt, sich wundernd über das seltsame Ungeheuer, bis ihnen ein im nahen Schilf aufgefundener Grieche, Sinon, berichtete, daß die über den Raub ihres Heiligtums erzürnte Göttin Athene den Trojanern zum Ersatz dies Pferd geschenkt habe. Des warnenden Laokoon Schicksal beschwichtigte jeden Argwohn, es ward ein Stück der Mauer um Troja eingelegt, der Koloß nach der Stadt gezogen und neben dem Tempel der Athene aufgestellt. In der Nacht entstiegen die Griechen dem Bauch des Pferdes, und die griechischen Schiffe kehrten zurück. Ein allgemeines Blutbad begann, die Stadt ward angezündet und geplündert. Nur einer kleinen Schar von Trojanern unter der Anführung des Äneas gelang es, sich durch die Flucht zu retten und in Italien eine neue Heimat zu begründen. Viele der heimkehrenden Griechen fanden unterwegs ihren Untergang; andre, namentlich Odysseus, erreichten erst nach mancherlei Irrfahrten ihr Vaterland; noch andre fanden in der Heimat ihre Herrschersitze von andern eingenommen, weshalb entweder sie selbst oder ihre Söhne in fremden Ländern Kolonien gründeten. Dies ist der Inhalt der Sage, wie sie uns in den Homerischen Gedichten, vor allen in der Iliade, welche aber nur den Zorn des Achilleus und den Tod Hektors erzählt, dann in den Epen der Kykliker und nach diesen in Vergils Äneide überliefert ist. Die griechischen Historiker haben den Trojanischen Krieg für wirkliche Geschichte gehalten und ihn als festen Punkt angenommen, an den sie ihre Zeitrechnung anknüpften. Auch neuere Gelehrte nehmen wenigstens einen historischen Kern der Sage an, während die Ansicht mehr Wahrscheinlichkeit für sich hat, daß der Krieg nur ein Spiegelbild der Kämpfe ist, welche die Äolier und Achäer um 1050 v. Chr. bei der Kolonisation der kleinasiatischen Küste mit den den Griechen stammverwandten Dardanern am Hellespont zu bestehen hatten; an den Thaten ihrer Vorfahren, welche sie in ihren Gesängen verherrlichten, ermutigten und stärkten sich nicht nur die Hellenen in dem langwierigen Kampf, sondern sie glaubten auch durch die Annahme einer frühern Eroberung Trojas durch ihre Väter ein Anrecht auf die begehrten Länder zu erwerben. Vgl. E. Rückert, Trojas Ursprung, Blüte, Untergang (Gotha 1846), und die Litteratur zu Troja; ferner Schneider, Der troische Sagenkreis in der ältesten griechischen Kunst (Leipz. 1886).

Trokar (Troikart, v. franz. trois quarts), dolchartiges chirurg. Instrument, das aus einem dreikantig zugespitzten Stilett von Stahl mit Holzgriff und aus einer Metallhülse zusammengesetzt ist, welche, über den Dolch gestreift, nur dessen Spitze frei läßt. Man bedient sich des Trokars, um aus natürlichen oder

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Troki - Trollope.

krankhaften Körperhöhlen durch Punktion abnorme Flüssigkeiten zu entleeren, da das Stilett, nachdem der Einstich gemacht ist, herausgezogen wird. Durch die Röhre können, wenn der Ausfluß beendet ist, auch Medikamente eingespritzt werden. Anwendung findet der T. bei Wassersuchten aller Art, Wasserbruch, Kropf, Brustfellentzündungen, Echinokokkusblasen, Eierstocksgeschwülsten etc., auch zur Entfernung der Luft aus dem durch zu viel frisches Futter aufgeblähten Pansen der Wiederkäuer. Die Figuren zeigen einen großen (1), zwei kleine (2 u. 3), einen Probetrokar (4) und einen gebogenen T. (5).

[Trokare.]

Troki, Kreisstadt im litauisch-russ. Gouvernement Wilna, an einem See, mit (1885) 2456 Einw.

Trokieren, s. Barattieren.

Troll, in der nord. Mythologie eine Art böser Geister, Zauberwesen in Menschengestalt. Hübsche Sagen von ihnen in Asbjörnsens "Norwegischen Volksmärchen" (Leipz. 1881).

Trollhättafälle, s. Götaelf.

Trollius L., Gattung aus der Familie der Ranunkulaceen, Kräuter mit gelappten Blättern und einzeln stehenden, großen, meist gelben Blüten. Von den neun in der nördlichen gemäßigten Zone heimischen Arten kommt T. europaeus L. (Trollblume, Glotzblume) auf Wiesen auch in Deutschland vor, sie wird wie T. asiaticus L. mit orangegelben Blüten, aus dem nördlichen Asien, und andre Arten in Gärten als Zierpflanze kultiviert.

Trollope (spr. tróllop), 1) Frances, engl. Schriftstellerin, geboren um 1779 zu Heckfield, Tochter des dortigen Vikars Multon, verheiratete sich 1809 mit dem Advokaten Thomas Anthony T., welcher 1835 starb. Eine Frucht ihres dreijährigen Aufenthalts in Amerika war: "Domestic manners of the Americans" (Lond. 1832, neue Ausg. 1849), worin sie schonungslos und einseitig die Schwächen des amerikanischen Volkscharakters rügt. Das Buch wurde mit begreiflicher Entrüstung in Amerika aufgenommen, mag aber doch nicht ohne Einfluß auf die fernere Entwickelung des amerikanischen Charakters geblieben sein. Derselbe satirische Geist spricht aus der Novelle "The refugee in America" (1830, 3 Bde.), während sie indem Reisewerk "Belgium and Western Germany" (1833, 2 Bde.) mehr Anerkennung für die Vorzüge dieser Länder zeigt. Ihren Kampf mit den Amerikanern erneuerte sie in der Novelle "The adventures of Jonathan Jefferson Whitlaw" (1836), welche das Elend der farbigen Bevölkerung in den Sklavenstaaten Amerikas schildert. Zugleich erschien: "Paris and the Parisians in 1835" (1836, neue Ausg. 1842); darauf "The vicar of Wrexhill" (1836, neue Ausg. 1860; deutsch, Aachen 1837, 3 Bde.), ihre beste Novelle, zwar voll von Vorurteilen, jedoch auch voll trefflicher Sittenschilderung, und ein neues Reisewerk: "Vienna and the Austrians" (1838), worin sie sich weit vorurteilsvoller zeigt als in jenem über Belgien. Es folgte eine Reihe von Novellen und ein Reisebericht über Italien ("Visit to Italy". 1842, 2 Bde.). T. starb 6. Okt. 1863 in Florenz.

2) Thomas Adolphus, engl. Romanschriftsteller und Kulturhistoriker, Sohn der vorigen, geb. 29. April 1810, studierte in Oxford und nahm 1842 seinen dauernden Wohnsitz in Florenz, wo er sich in vollem Maß in die italienischen Dinge einlebte, für die er denn auch eine Autorität geworden ist. Er veröffentlichte: "Girlhood of Catharine de Medici" (1856); "Tuscany in 1849 and 1850" (1859); "A decade of Italian women" (1859); "Paul the Pope and Paul the Friar" (1860); "Filippo Strozzi: last days of old Italian liberty" (1860); "Lenten journey in Umbria and the Marches", Reisebild (1882); "History of the commonwealth of Florence", sein Hauptwerk (1865, 4 Bde.); "Papal conclaves" (1876); eine vielfach angegriffene Geschichte des Papstes Pius IX. (1877, 2 Bde.) u. a. Auch hat T. seine Studien italienischen Volkslebens in Romanen niedergelegt, von denen wir nennen: "La Beata" (1861), "Marietta" (1862), "Beppo the conscript" (1864), "Gemma" (1866), "Durnton Abbey"^ (1871) und "Diamond cut diamond" (1875), ein Gemälde italienischen Hirtenlebens, und zuletzt das autobiographische Werk veröffentlicht: "What I remember" (1887, 2 Bde.). - Seine Gattin Frances Eleanor T., seit 1866 mit ihm vermählt, hat ebenfalls eine Reihe von Romanen veröffentlicht, so: "Aunt Margaret's trouble" (1866); "The sacristan's household" (1876); "Veronica" (1876); "Black spirits and whitte" (1877); "Like ships upon the sea" (1883); "My own love-story" (1882); "That unfortunate marriage" (1888) u. a. Mit ihrem Gatten gab sie "The homes and haunts of Italian poets" (1881, 2 Bde.), eine Reihe von anziehenden Aufsätzen, heraus.

3) Anthony, Bruder des vorigen, Romanschriftsteller, geb. 24. April 1815, erhielt seine Erziehung in Winchester und Harrow und bekleidete viele Jahre eine höhere Stellung in der englischen Postverwaltung. Sein erster Roman: "The Macdermots of Ballycleran" (1847), errang großen Erfolg, und hierdurch ermutigt, schritt er rüstig vorwärts auf der eingeschlagenen Bahn, englisches Leben und zwar vorzugsweise das Kleinleben der höhern Stände in künstlerischen Gebilden vorzuführen. Wir nennen von seinen angenehm und mit großem Talent, aber ohne besondere Vertiefung geschriebenen Romanen, deren Zahl sich auf etwa 80 Bande beläuft: "The Kellys and the O'Kellys" (1848); "The Warden" (1855); "The three clerks" (1857); "The Bertrams" (1859); "Castle Richmond" (1860), ein Lebensbild aus dem südlichen Irland; "Rachel Ray" (1863); "Sir Harry Hotspur of Humble Thwaite" (1870); "Lady Anna" (1874); "The American senator" (1876); "Mr. Scarborough's family" (1883) etc. Auch hat T., der in dienstlichen Angelegenheiten wiederholte Reisen nach den Kolonien unternahm, viele Reiseschriften veröffentlicht, so: "West Indies and Spanish main" (1859, 7. Aufl. 1869), "Nortb America" (1862, 2 Bde.), "Travelling sketches" (1866), "Australia and New Zealand" (1873), "South Africa" (4. Aufl. 1878, 2 Bde.), "New South Wales and Queensland" (1874), "Victoria and Tasmania" (1874) u. a. Er starb 6. Dez. 1882 in London. Eine Ausgabe gesammelter Romane erschien 1871 in 11 Bänden. Vgl. seine "Autobiography" (Lond. 1883, 2 Bde.).

4) Francis, Pseudonym, s. Féval.

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Tröltsch - Trommelsucht.

Tröltsch, 1) Eugen, Freiherr von, Kartograph, geb. 28. April 1828 zu Ulm, gehörte bis 1864 der württembergischen Armee an und erhielt 1879 den Majorsrang. Er gab Dislokationskarten der deutschen, französischen und russischen Heere heraus und übernahm im Auftrag der Deutschen Anthropologischen Gesellschaft den Entwurf der prähistorischen Karte von Deutschland und Nachbarländern, von welcher bis jetzt Südwestdeutschland und die Schweiz erschienen sind. Außerdem veröffentlichte er das Werk "Fundstatistik der vorrömischen Metallzeit im Rheingebiet" (Stuttg. 1884), eine prähistorische Karte von Schwaben sowie eine Karte über die Verbreitung der Werkzeuge aus Nephrit, Jadeit und Chloromelanit. T. ist auch Mitarbeiter an dem im amtlichen Auftrag von Paulus herausgegebenen Werk "Die Kunst- und Altertumsdenkmale im Königreich Württemberg".

2) Anton Friedrich, Freiherr von, Mediziner, geb. 3. April 1829 zu Schwabach bei Nürnberg, studierte seit 1847 in Erlangen die Rechte, seit 1848 in München Naturwissenschaft und 1849-53 in Würzburg Medizin. Nachdem er sich noch in München mit Chemie und Physik beschäftigt hatte, widmete er sich in Berlin und Prag der Augenheilkunde und ging nach England und Irland, um unter Toynbee und Wilde die Behandlung der Ohrenkrankheiten zu studieren. Nach einem Winteraufenthalt in Paris kehrte er nach Würzburg zurück und arbeitete hier über die Anatomie des Trommelfells. 1857 begann er seine Praxis, welche er bald ausschließlich auf Ohrenkrankheiten beschränkte. 1860 habilitierte er sich daselbst als Privatdozent, und 1864 wurde er zum Professor ernannt. Einer der bedeutendsten Ohrenärzte der Jetztzeit, hat T. die Ohrenheilkunde durch eigne wissenschaftliche Untersuchungen wesentlich gefördert. Außer vielen anatomischen Arbeiten lieferte er auch eine neue Untersuchungsmethode des Ohrs, nämlich die mit reflektiertem Tages- oder Lampenlicht mittels des von ihm angegebenen Reflektors, eine Methode, welche zur Entwickelung der Ohrenheilkunde wesentlich beigetragen hat und jetzt nahezu allgemein benutzt wird. T. schrieb: "Die Anatomie des Ohrs in ihrer Anwendung auf die Praxis und die Krankheiten des Gehörorgans" (Würzb. 1861); "Lehrbuch der Ohrenkrankheiten" (das. 1862, 7. Aufl. 1881); "Die chirurgischen Krankheiten des Ohrs" (in Pitha und Billroths "Handbuch der Chirurgie", Erlang. 1866); "Krankheiten des Gehörorgans im Kindesalter" (in Gerhardts "Handbuch der Kinderkrankheiten", Tübing. 1870); "Gesammelte Beiträge zur pathologischen Anatomie des Ohrs und zur Geschichte der Ohrenheilkunde" (Leipz. 1883). Im J. 1864 begründete er das "Archiv für Ohrenheilkunde", die erste Zeitschrift in diesem Fach.

Tromba (ital.), s. v. w. Trompete; T. marina (Meertrompete), s. Trumscheit.

Trombe (v. ital. tromba, Trompete), Wettersäule, Windhose, Wasserhose, Sandhose, eine dunkle, oft ganz schmale Säule, die sich wie ein Trichter (oder Trompete) von den Wolken herabsenkt und an ihrem untern Ende, wenn sie über das feste Land hinstreicht, Sand und andre leichte Gegenstände aufhebt und in die Luft hinaufwirbelt (Sandhose), wenn sie über dem Wasser sich bildet, dieses aufwühlt und unter wirbelnder Bewegung gegen den von den Wolken herabhängenden Trichter hinaufsaugt. Die Tromben stellen Tornados (s. d.) in kleinerm Maßstab dar und sind oft von starkem Regen, zuweilen auch von Hagel, Blitz und Donner begleitet. Sie bilden sich vorzugsweise bei ruhiger und stark erwärmter Luft, als Wirkung von aufsteigenden Luftströmen und zeigen sich fast ausschließlich in der heißen Zeit des Jahrs. Die drehende Bewegung der T. kann nach rechts, auch nach links sein, und ihre Kraft ist oft so stark, daß Bäume entwurzelt und Häuser abgedeckt werden. Vgl. Reye, Die Wirbelstürme etc. (Hannov. 1872).

Trombidium, s. Milben; Trombidina (Pflanzenmilben), Familie aus der Ordnung der Milben (s. d., S. 607).

Tromblon, s. Espingole.

Trombooue (ital.), s. v. w. Posaune.

Tromlitz, A. von, Pseudonym, s. Witzleben 1).

Trommel (ital. Tamburo, Cassa; franz. Tambour, Caisse; engl. Drum), bekanntes Schlaginstrument, bestehend aus einem aus Holzdauben gefügten oder blechernen Cylinder (dem sogen. Sarg), der auf beiden offenen Enden mit einem Kalbfell bespannt ist, das durch Holzreifen festgehalten wird. Die Holzreifen sind durch eine im Zickzack gespannte Schnur miteinander verbunden, durch deren schärferes Anziehen vermittelst Schlingen, welche über je zwei Schnurstücke geschoben sind, der Ton der T. heller gemacht werden kann. Auf dem einen Fell der T. wird mit Klöppeln (Trommelstöcken, bei der großen T. mit einem lederbezogenen Schlägel) geschlagen, über das andre Fell ist eine Darmsaite (die Sangsaite) straff gezogen. Wird nun die eine Membran in Schwingung versetzt, so tönt die andre mit und zwar vermöge der immer erneuten Berührung mit der Darmsaite stark schnarrend; ohne die Schnarrsaite ist der Ton kurz und dumpf. Die T. wird nicht abgestimmt und daher wie die übrigen Schlaginstrumente außer der Pauke nur dem Rhythmus nach notiert. Der Trommelwirbel wird wie bei der Pauke auf einer Linie als Triller oder Tremolo notiert. Die verschiedenen Arten der T. sind: 1) Große T. (Gran tamburo, Grosse caisse, Bass-drum), gewöhnlich mit den Becken vereinigt; 2) die Rolltrommel (Caisse roulante), kleiner als die vorige, aber doch noch größer als die 3) Militärtrommel, deren Ton hell und durchdringend ist. Gegen frühere Zeiten werden die Cylinder der Trommeln jetzt stark verkürzt, besonders bei der Militärtrommel. Vgl. Kling, Trommelschule (Hannov. 1882).

Trommel, rotierender Hohlcylinder bei Krempel-, Rauhmaschinen, Zentrifugen; auch eine cylindrische Scheibe zum Aufwinden eines Seils etc. In der Architektur nennt man Trommeln die einzelnen cylindrischen Blöcke von Haustein, aus welchen Säulen zusammengesetzt werden.

Trommelfell, Trommelhöhle, s. Ohr, S. 349.

Trommelinduktor, s. Magnetelektrische Maschinen, S. 79.

Trommelrad, als Tympanum schon den Alten bekannte Wasserhebemaschine, welche aus einem um eine hohle horizontale Welle drehbaren Hohlcylinder besteht. Radiale Wände teilen diesen in eine Anzahl Zellen, deren jede durch eine periphale Schöpföffnung mit der Umgebung, durch eine Ausgußöffnung in der hohlen Welle mit dieser kommuniziert. Bei der Drehung dieses Rades tritt Wasser in die unten gelegenen Zellen, wird dann bis zur Höhe der Achse emporgehoben und entweicht durch diese in eine Rinne. Die Schneckenräder, gleichfalls Tympanons genannt, haben statt der durch radiale Scheidewände gebildeten Zellen spiralförmig gebogene Gqnge, deren äußere Enden Wasser schöpfen und dasselbe während der Drehung nach innen bis in die hohle Achse und von da in ein Gerinne fließen lassen.

Trommelsucht, s. Blähungen und Aufblähen.

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Trommsdorff - Trompete.

Trommsdorff, Johann Bartholomäus, Chemiker, geb. 8. Mai 1770 zu Erfurt, erlernte in Weimar die Pharmazie, übernahm 1794 die Apotheke seines Vaters in Erfurt, erhielt 1795 an der Universität daselbst die Professur der Chemie und Physik und errichtete 1796 eine pharmazeutisch-chemische Lehranstalt, welche bis 1828 blühte. 1823 wurde er Direktor der königlichen Akademie zu Erfurt. Er starb 8. März 1837. Seine Hauptwerke sind: das "Systematische Handbuch der Pharmazie" (Erf. 1792, 4. Aufl. 1831); das "Systematische Handbuch der gesamten Chemie" (2. Aufl., das. 1805-20, 8 Bde.); "Die chemische Rezeptierkunst" (5. Aufl., Hamb. 1845); auch gab er das "Journal der Pharmazie" heraus (1793-1817), das erste pharmazeutische Journal in Deutschland, bis 1834 als "Neues Journal der Pharmazie" fortgesetzt. Biographien erschienen Kopenhagen 1834 und von Mensing (Erf. 1839).

Tromp, 1) Martin Harpertzoon, berühmter holländ. Admiral, geb. 1597 zu Briel, trat jung in den Seedienst, ward 1624 zum Fregattenkapitän ernannt und 1637 zum Admiralleutnant und Befehlshaber eines Geschwaders von 11 Schiffen befördert, mit dem er 18. Febr. 1639 auf der Höhe von Gragelingen eine weit stärkere spanische Flotte schlug. Zum Admiral ernannt, schlug er 21. Okt. 1639 eine spanische Flotte vor den Dünen und eroberte 13 reichbeladene Gallionen. Nachdem er jedoch 1652 durch einen Sturm im Kanal die Hälfte seiner Flotte verloren, mußte er das Oberkommando an de Ruyter abgeben, erhielt es aber noch in demselben Jahr zurück und schlug 10. Dez. die englische Flotte unter Blake bei den Dünen. 1653 bestand er im Verein mit de Ruyter einen dreitägigen Kampf (28. Febr. bis 2. März) gegen die überlegene englische Flotte und brachte die ihm zur Deckung anvertrauten Handelsschiffe glücklich in den Hafen. Ein neuer Angriff auf die englische Flotte 12. und 13. Juni mißlang. Nachdem T. seine Flotte wiederhergestellt hatte, segelte er mit de Ruyter an die Küste von Zeeland, zog hier noch 27 Schiffe unter dem Admiral de With an sich und griff (8. Aug. 1653) bei Ter-Heyde die 120 Schiffe zählende englische Flotte an. Er durchbrach zwar die feindliche Linie, wurde aber vom Feind umzingelt, von seiner Flotte abgeschnitten und fiel 10. Aug. tapfer kämpfend, worauf die völlige Niederlage der Niederländer den zweitägigen Kampf endete. Er soll in 33 Seetreffen gesiegt haben. In der Kirche zu Delft ward ihm ein prächtiges Grabmal errichtet.

2) Cornelis, holländ. Seeheld, Sohn des vorigen, geb. 9. Sept. 1629 zu Rotterdam, befehligte schon in seinem 19. Jahr ein Schiff gegen die afrikanischen Seeräuber und ward zwei Jahre später zum Konteradmiral befördert. Nach der unglücklichen Schlacht bei Solebay (13. Juni 1665) rettete er durch einen geschickten Rückzug die holländische Flotte und ward von de Witt, obgleich Anhänger der oranischen Partei, bis zu de Ruyters Rückkehr mit dem Oberbefehl betraut. In der viertägigen Schlacht bei den Dünen (vom 11.-14. Juni 1666) focht er mit Auszeichnung, ward aber dann, als er im August eine englische Flotte, die er geschlagen, zu hitzig verfolgte, von der Hauptflotte abgeschnitten und, weil er in dieser Lage dem Admiral de Ruyter nicht hatte zu Hilfe eilen können, abberufen. Im Kriege gegen die verbündeten Mächte England und Frankreich 1673 wieder zum Befehlshaber ernannt, bewährte er in den drei blutigen Schlachten 7. und 14. Juni und 21. Aug. sein Talent und seinen Mut in glänzendster Weise und erwarb sich selbst auf gegnerischer Seite solche Achtung, daß ihn König Karl II. von England nach Abschluß des Friedens 1675 zum Baronet ernannte. Hierauf führte T. eine Flotte zur Unterstützung der Dänen gegen die Schweden und ward nach de Ruyters Tod zum Oberbefehlshaber der Flotte der vereinigten niederländischen Provinzen befördert. Er starb 29. Mai 1691 in Amsterdam und wurde zu Delft in dem Grabmal seines Vaters beigesetzt.

Trompe, vorgekragte, eine Fläche doppelter Krümmung bildende Wölbung, welche in der Architektur beim Übergang aus einer Grundform in eine andre größere oder mindestens mit einzelnen Teilen vor jener vorstehende angewandt wird, wenn ein einzelner Kragstein nicht ausreicht. Man unterscheidet äußere oder Ecktrompen und innere, Winkel- oder Nischentrompen (s. Abbild.).

Tromper Wiek, Meerbusen an der Nordwestseite der Insel Rügen, zwischen den Halbinseln Jasmund u.Wittow.

Trompete (ital. Tromba, franz. Trompette, engl. Trumpet), bekanntes Blechblasinstrument, mit den Hörnern und Kornetts eine Familie bildend und der Tonhöhe nach zwischen beiden die Mitte haltend, d. h. T. ist das Oktavinstrument des Kornetts und Kornett das der T. Die T. ist alt, spielte besonders in der Militärmusik (Felttrummet) schon im Mittelalter eine Rolle. Das entsprechende Instrument des Altertums war die Tuba, eine gerade Metallröhre; die Kunst, Röhren zu winden, ist jüngern Datums, und selbst noch die Trompeten des 16. Jahrh. weisen keine in sich zurückgehenden, sondern nur Schlangenlinien auf. Die moderne T. unterscheidet sich vom Horn auch durch die Gestalt der Windungen, welche beim Horn mehr kreisförmig, bei der T. dagegen gestreckter sind. Wie dem Horn wird auch der T. durch Einsatzstücke eine verschiedenartige Stimmung gegeben (in As, A, B, H, C, Des, D, Es, E, F, Fis, G und hoch As). Die T. ist ziemlich eng mensuriert, ihr tiefster Eigenton daher nicht zu brauchen (nur bei den höchsten Trompetenarten von der in F ab), und auch der zweite Partialton ist bei den tiefsten Arten (bis zu der in B) noch von schlechtem Klang. Notiert wird für die T. wie für das Horn (transponierend), nur klingt die T. eine Oktave höher als das Horn, d. h. ein c'' für F-Horn geschrieben klingt wie f'; für F-T. dagegen wie f''. Der Umfang der T. in der Höhe ist für alle Arten ungefähr derselbe, nämlich der wie: [s. Bildansicht] klingende Ton; nur virtuose Bläser beherrschen mit Sicherheit höhere Töne. Der Klang der T. ist scharf und durchdringend, im Verein mit andern Blechblasinstrumenten glänzend und festlich und dann berufenes Melodieninstrument; dagegen klingt eine Trompetenmelodie, die nicht durch andre Blechinstrumente gedeckt oder sehr getragen ist, gemein. Wagner schrieb stets für drei Trompeten, um vollständige Dreiklänge mit Instrumenten derselben Klangfarbe geben zu können. Im Symphonieorchester, wo in der Regel nur zwei Trompeten zu finden sind, bilden diese bald mit den Hörnern, bald (im Gegensatz zu den vier Hörnern) mit den Posaunen eine selbständige Gruppe. Die Naturtrompeten verschwinden jetzt mehr und mehr vor den Ventiltrompeten, die wie die Ventilhörner durch Ventile (Cylinder, Pistons etc.) die Tonhöhe der Naturskala zu verschieben gestatten. Die Ventil-

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Trompetenbaum - Tropen.

trompeten stehen gewöhnlich in F und werden dem entsprechend notiert. Von Schulwerken für T. sind besonders zu empfehlen die "Große Schule für Cornet à pistons und T." von Kosleck (2 Tle.) und die "Orchesterstudien für T." von F. Gumbert. Vgl. Eichborn, Die T. in alter und neuer Zeit(Leipz.1881).

Trompetenbaum, s. Catalpa und Cecropia.

Trompetenblume, s. Bignonia.

Trompetenblütler, s. Bignoniaceen.

Trompetengeige, s. Trumscheit.

Trompetenschnecke, s. Tritonshörner.

Trompetervögel (Psophiidae Bp.), Familie der Watvögel, Vögel mit kräftigem Leib, mittellangem Hals, kurzem Schnabel, hohen, langläufigen, kurzzehigen Füßen, kurzen, gewölbten Flügeln und kurzem, schwachfederigem Schwanz. Der Agami (Psophia crepitans L.), 52 cm lang, schwarz, am Bug purpurschwarz schillernd, an Unterhals und Oberbrust stahlblau schillernd, mit rotbraunem Auge, grünlichweißem Schnabel und gelblich fleischfarbenem Fuß, lebt in zahlreichen Scharen in den Wäldern nördlich vom Amazonas, läuft sehr schnell, fliegt schwach und besitzt eine sonderbare Stimme. Nach einem scharfen, wilden Schrei folgt ein ungemein tiefes Trommeln oder Brummen, welches durch eigentümliche sackartige Anhängsel der Luftröhre hervorgebracht wird. Der Agami nährt sich von Früchten, Körnern, Insekten, nistet an der Erde und legt zehn und mehr hellgrüne Eier. In allen Indianerniederlassungen lebt der Agami als Haustier, als Wächter und Beherrscher des übrigen Geflügels und erscheint auch in den Straßen der Ortschaften.

Tromsö, Hauptstadt des gleichnamigen norweg. Amtes, das sich zwischen den Ämtern Nordland und Finnmarken erstreckt und, in die zwei Vogteien Senjen und T. geteilt, 24,569,6 qkm (446,2 QM.) mit (1876) 54,019 Einw. umfaßt. Die Stadt liegt auf der 8 km langen Insel T., ist Sitz eines Bischofs, eines Amtmanns und eines deutschen Konsuls, hat mehrere Kirchen (auch eine katholische), einige Fabriken, Gymnasium, Lehrerseminar, lebhaften Handel (mit Fischen, Thran, Nickelerz etc.; Wert der Ausfuhr über 2,5 Mill. Frank) und (1876) 5409 Einw. Das gleichnamige Stift, erst 1844 gebildet, umfaßt den nördlichsten und nordöstlichsten Teil des Landes und zwar die Ämter: Nordland, T. und Finnmarken und hat einen Flächeninhalt von 111,609 qkm (2027 QM.) mit (1876) 182,245 Einw.

Trona, s. Soda, S. 1047.

Trouchet (spr. trongschä), Francois Denis, franz. Advokat und Verteidiger Ludwigs XVI., geb. 1726 zu Paris, erlangte als Advokat einen bedeutenden Ruf, wurde 1789 von der Stadt Paris in die Nationalversammlung gewählt, bewies sich hier als Anhänger des konstitutionell-monarchischen Prinzips und ward vom König 1792 zu seinem Verteidiger erwählt. Seine Verteidigung war gründlich gearbeitet, aber von geringer Wirkung, da sie sich streng auf juristischem Boden hielt. Unter Robespierre mußte T. fliehen, unter dem Direktorium trat er in den Rat der Alten, unter dem Konsulat ward er Präsident des Kassationshofs, erhielt nebst Bigot-Préameneu, Mulleville und Portalis die Redaktion des neuen Zivilkodex übertragen und ward 1801 in den Erhaltungssenat berufen. Er starb 10. März 1806.

Tronchiennes (spr. trongschiénn, vläm. Drongen), Flecken in der belg. Provinz Ostflandern, Arrondissement Gent, an der Lye und der Eisenbahn Gent-Brügge, mit großer Krappfabrik und (1888) 4957 Einw.

Trondhjem, Stadt, s. Drontheim.

Tronto (im Altertum Truentus), Küstenfluß in Mittelitalien, entspringt in den Bergen von Campotosto (Provinz Aquila), fließt anfangs nördlich, dann östlich, nimmt bei Ascoli den Castellano auf, wird bei Martino Sicuro für kleine Fahrzeuge schiffbar und fällt nach einem Laufe von 88 km in das Adriatische Meer.

Troon (spr. truhn. "Vorgebirge"), Seestadt im mittlern Ayrshire (Schottland), mit sicherm Hafen, bedeutender Kohlenausfuhr und (1881) 2383 Einw. Zum Hafen gehörten 1888: 53 Fischerboote.

Tropäoleen (Tropaeolaceae), dikotyle, etwa 35 Arten umfassende, in Südamerika einheimische Pflanzenfamilie aus der Ordnung der Gruinales, welche sich durch zygomorphe Blüten mit acht Staubgefäßen und einem dreifächerigen Fruchtknoten von den nächstverwandten Familien unterscheidet.

Tropäolin, s. Azofarbstoffe und Phenylfarbstoffe.

Tropaeolum L. (Kapuzinerkresse), Gattung aus der Familie der Tropäoleen, ein- oder mehrjährige, windende, seltener niedergestreckte Kräuter mit oft knolligen Wurzeln, wechselständigen, schild- oder handförmigen, eckigen, gelappten oder eingeschnittenen Blättern, einzeln achselständigen, gelben, selten purpurnen oder blauen, gespornten Blüten und trocknen oder schwammig-fleischigen Früchten. 35 südamerikanische Arten. T. majus L. (spanische, türkische Kresse, unechte Kaper), einjährig, 1684 aus Peru nach Europa verpflanzt und jetzt in zahlreichen Varietäten in allen Gärten zu finden, mit meist kletterndem Stengel, schildförmigen Blättern und großen, orangegelben bis purpurbraunen Blüten, schmeckt kressenartig und wirkt antiskorbutisch, wird auch als Salat gegessen, während man die Blütenknospen und die unreifen, in Essig oder Salz eingelegten Früchte wie Kapern benutzt. Aus dieser Art und dem ähnlichen T. minus L. aus Peru sind zahlreiche Varietäten, auch Zwergformen gezüchtet worden. T. tuberoseum R. et P., mit knolligem Wurzelstock und fünflappigen Blättern, wird in Peru der genießbaren Knollen halber kultiviert und gedeiht auch bei uns. Andre knollentragende Arten, wie T. Lobbianum Paxt. aus Kolumbien, mit leuchtend kapuzinerroten Blüten (s. Tafel "Zimmerpflanzen I"), T. pentaphyllum Lam. aus Montevideo, mit scharlachroten, grün zugespitzten Blüten, etc., kultiviert man als Zierpflanzen in Gewächshäusern.

Tropea, Stadt in der ital. Provinz Catanzaro, Kreis Monteleone, am Tyrrhenischen Meer, Bischofsitz, mit Kathedrale, Schloßruinen, kleinem Hafen, Fischerei, Fabrikation von Stiefelsohlen und Baumwolldecken und (1881) 5032 Einw.

Tropen (griech.), s. v. w. bildliche Ausdrücke, durch welche der eigentliche Ausdruck mit dem uneigentlichen, die Sache mit dem Bild vertauscht wird, um das Geistige zu versinnlichen und das Sinnliche zu vergeistigen (s. Figur); daher tropisch, s. v. w. bildlich, figürlich (Gegensatz: kyriologisch). Die wichtigsten T. sind: Allegorie, Antonomasie, Epitheton, Hyperbaton, Hyperbel, Ironie, Katachresis, Metalepsis, Metapher, Metonymie, Onomatopöie, Periphrasis, Rätsel und Synekdoche. Vgl. Groß, Die T. und Figuren (2. Aufl., Leipz. 1888). - Im Gregorianischen Gesang heißen T. die verschiedenen Gesangsformeln für den Schluß der dem Introitus angehängten kleinen Doxologie "Gloria patri et filio et spiritui sancto sicut erat in principio et nunc et in secula seculorum amen" (vgl. Evovae). - In der Astronomie heißt tropisch auf den Tierkreis bezüglich;

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Tropfen - Tropikvogel.

tropischer Umlauf eines Himmelskörpers die Zeit, nach welcher er wieder zum Frühlingspunkt zurückkehrt. In der Erdbeschreibung sind T. s. v. w. Wendekreise; daher Tropenländer, die zwischen den Wendekreisen, also in der heißen Zone, gelegenen Länder (auch Äquinoktialgegenden genannt); tropische Gewächse, die dort einheimischen Gewächse (vgl. die Litteratur zum Artikel "Landwirtschaft", S. 480); tropische Krankheiten, die durch das tropische Klima bedingten und daher vorzugsweise in den Tropenländern herrschenden Krankheiten, als Dysenterie, Diarrhöe und Erbrechen, Abdominalplethora, Gallen- und intermittierende Fieber etc. Vgl. Friedmann, Über Arzneikunde und Akklimatisation in den Tropenländern (Erlangen 1850); Sullivan, The endemic diseases of tropical climates (Lond. 1877); Falkenstein, Ärztlicher Ratgeber für Seeleute, Kolonisten, Reisende etc. (Berl. 1882).

Tropfen, für sich bestehende Flüssigkeitsmenge mit abgerundeter Oberfläche. T., auf welche außer ihrer eignen Kohäsion und Massenanziehung keine andre Kraft wirkt, bilden vollkommene Kugeln. Ruht ein T. auf einer Unterlage, so wird er nicht nur durch die Schwere abgeplattet, sondern auch die Adhäsion zur Unterlage übt Einfluß auf seine Gestalt. Die Größe und Gestalt von T., die von einem Körper herabhängen, wird bestimmt durch ihr spezifisches Gewicht, ihre Kohäsion und Temperatur und durch die Adhäsion zu jenem Körper, von welchem die Körper abfließen. Nach Gay-Lussac ist das Gewicht der T. verschiedener Flüssigkeiten, welche aus einer Röhre von bestimmtem Durchmesser herabfallen, nicht den Dichtigkeiten dieser Flüssigkeiten proportional. 100 T. Wasser von 15° wogen 8,9875 g, 100 T. Alkohol (spez. Gew. 0,8543) nur 3,0375 g. Ein T. destillierten Wassers wird gewöhnlich zu 1 Gran angenommen oder 20 T. zu 1 g. Über den "Leidenfrostschen T." s. d.

Tropfgläser, Fläschchen mit einem kleinen Loch im Hals und einem eingeriebenen Glaspfropfen mit einem Kanal, der, auf jenes Loch eingestellt, in die Flasche Luft eintreten läßt, während gleichzeitig ein zweiter Kanal zu einem Ausguß im Flaschenhalsrand führt. T. dienen zu Arzneimitteln, die tropfenweise genommen werden müssen.

Tropfhäusler, s. Bauer, S. 462.

Tropfstein, Mineralien, welche sich als Absatz aus herabtropfenden Flüssigkeiten gebildet haben (vgl. Sinter). T. findet sich in Höhlen, Gewölben, Grubenbauten etc., meist von cylindrischer oder zapfenförmiger Gestalt, bisweilen platt, häufig hohl. Dem allmählichen Absatz entsprechend, ist er meist aus einzelnen, durch verschiedene Färbung oder Haarspalten voneinander abgehobenen Lagen gebildet, und die einzelnen Lagen sind aus faserigen Individuen, welche senkrecht zur Längsachse oder zur Begrenzungsfläche stehen, zusammengesetzt, oder er stellt grobkörnige Aggregate dar, besitzt mitunter aber auch eine durchsetzende Spaltungsrichtung und ist dann also aus einem einheitlichen Individuum gebildet. T. besteht meist aus kohlensaurem Calcium (Kalkspat, seltener Aragonit); doch kommen auch Vitriole, Brauneisenstein, Zinkblende, Bleiglanz, Eisenkies, Malachit, Chalcedon, Eis etc. als T. vor. Man unterscheidet die von der Decke der Gewölbe nach abwärts hängenden Stalaktiten und die denselben entgegenwachsenden Stalagmiten. Vereinigen sich beide zu einer erst sanduhrförmigen, später cylindrischen Gestalt, so entstehen Säulen, deren Mehrheit man auch wohl Orgeln nennt. Berühmte Tropfsteinhöhlen sind: die Sophien- und andre Höhlen in der Fränkischen Schweiz, mehrere Höhlen der württembergischen Alb, die Baumannshöhle u. a. im Harz, die Dechenhöhle u. a. in Westfalen, die Adelsberger Höhle in Krain, die auf der griechischen Insel Antiparos (Aragonit), diejenigen am obern Mississippi (Schwefelmetalle).

Trophäe (lat., griech. Tropäon), bei den Griechen ein an der Stelle, wo sich der besiegte Gegner zur Flucht gewendet hatte, aus erbeuteten Waffen errichtetes Siegesmal. Münzen zeigen oft einen Baumstamm mit Querbalken und daran gehängten Rüstungsstücken und Waffen (s. Figur). Von den Griechen überkamen die Römer den Brauch, pflegten aber als Siegesdenkmäler feststehende Monumente mit Reliefdarstellungen zu errichten. Heute nennt man Trophäen die mit bewaffneter Hand im Kampf eroberten Fahnen, Standarten und Geschütze (früher auch noch die Pauken der Kavallerie), auch Zusammenstellungen von Waffen und Waffenteilen zur Ausschmückung von Zeughäusern etc.

^[T r o p ä o n (böotische Münze).]

Trophoneurosen (griech.), Ernährungsstörungen, welche von Nervenerkrankungen abhängig sind. Das Gebiet der T. ist nicht sicher zu begrenzen, weil wir über die Abhängigkeit der Ernährungsstörungen von den Nerven überhaupt noch nicht genügend unterrichtet sind. Vielleicht gehören gerade die wichtigsten Erkrankungen, nämlich die elementaren Prozesse der Kongestion, der Entzündung, der Exsudation und Sekretion, ihrem Wesen nach zu den T. Zu den T. im engern Sinn rechnet man Atrophien der Muskeln bei Erkrankung der Vorderhörner des Rückenmarks, halbseitige Atrophien des Gesichts, die Gürtelflechte etc.

Trophonios, mythischer Baumeister der Minyer, Sohn des Königs Erginos von Orchomenos in Böotien oder des Apollon, erbaute mit seinem Bruder Agamedes den Apollontempel zu Delphi und verschiedene Schatzhäuser, namentlich das des Hyrieus, Königs von Hyria in Böotien. Bei letzterm hatten die beiden Brüder einen Stein so eingefügt, daß er leicht herausgenommen werden konnte, um sich auf diese Weise Zutritt zu dem Schatze zu verschaffen. Der König legte endlich Schlingen, in denen Agamedes sich fing. Um nicht verraten zu werden, schnitt T. seinem Bruder den Kopf ab und floh in den Wald bei Lebadeia. Hier ward er von der Erde verschlungen, an der Stelle, welche später durch die sogen. Höhle des T. bezeichnet ward, in der Orakel erteilt wurden. Nach andrer Sage sandte Apollon den beiden Brüdern als Lohn für den Tempelbau frühen Tod.

Tropidonotus, s. Nattern.

Tropikvogel (Phaëton L.), Gattung aus der Ordnung der Schwimmvögel und der Familie der Tropikvögel (Phaëtontidae), gedrungen gebaute Vögel mit kopflangem, seitlich stark zusammengedrücktem, auf der Firste seicht ^[sic] gebogenem, an der Spitze geradem, an den eingezogenen Rändern gesägtem Schnabel, langen Flügeln, mittellangem Schwanz, dessen beide fast fahnenlose Mittelfedern sich stark verlängern, und schwachen Beinen, deren Zehen nur durch eine schmale Haut verbunden sind. Der T. (P. aethereus L., s. Tafel "Schwimmvögel III"), einschließlich der beiden etwa 60 cm langen Schwanzfedern 1 m lang, ebenso breit, ist weiß, rosenrötlich überflogen, Zügelstreifen und Außenfahnen der Handschwingen sind schwarz, die hintern Armschwingen

Meyers Konv.-Lexikon, 4. Aufl., XV. Bd.

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Tropisch - Trosse.

schwarz und weiß gesäumt, die Schwanzfedern weiß; das Auge ist braun, der Schnabel rot, der Fuß gelb, Zehen und Schwimmhäute schwarz. Der T. gehört zu den schönsten Vögeln des Weltmeers; er wohnt zwischen den Wendekreisen des Atlantischen, Indischen und Großen Ozeans, entfernt sich oft sehr weit von den Küsten, fliegt vortrefflich, begleitet die Schiffe oft tagelang und erinnert in seinem Wesen am meisten an die Raubseeschwalbe. Er fischt mit kräftigem Stoßen und Tauchen und frißt außer Fischen auch Kopffüßer. Er nistet auf einsamen Inseln und legt die Eier einfach auf den Boden unter Gebüsch, wo er aber öfters beunruhigt wurde, in Höhlungen der Klippen. Das einzige Ei ist lehmfarben, rötlich oder violett gezeichnet und wird von beiden Eltern ausgebrütet. Die langen Federn des Schwanzes dienen auf mehreren Inseln des südlichen Stillen Meers zum Zierat; man erbeutet sie, indem man den Vogel auf dem Nest fängt.

Tropisch, s. Tropen.

Troplong (spr. trolóng), Raymond Théodore, franz. Jurist, geb. 8. Okt. 1795 zu St.-Gaudens, ward nacheinander Staatsprokurator auf Corsica, Generaladvokat zu Bastia, Rat am Pariser Kassationshof, 1848 erster Präsident des Appellationshofs in Nancy, 30. Dez. 1852 erster Präsident des Senats, 1. Febr. 1858 Mitglied des Geheimen Konseils und starb 1. März 1869 in Paris. Sein Hauptwerk: "Le droit civil expliqué suivant l'ordre des articles du Code " (Par. 1833-56, 28 Bde.), enthält eine Reihe von Monographien über das französische Zivilrecht. Vgl. Dufour, T., son oeuvre et sa méthode (Par. 1869).

Tropp (vom griech. tropos), die deklamierende, psalmodierende Vortragsweise der Pentateuchabschnitte nach bestimmten Accenten beim israelitischen Gottesdienst.

Troppau, vormaliges schles. Fürstentum, das jetzt zum Teil den Troppauer Kreis von Österreichisch-Schlesien, zum Teil den Leobschützer Kreis des preußischen Regierungsbezirks Oppeln bildet. Der böhmische König Ottokar II. erhob das Gebiet zum Fürstentum und verlieh es 1261 seinem natürlichen Sohne Nikolaus. Nachdem es unter dessen Nachkommen 1377 in die Fürstentümer Jägerndorf, Leobschütz und T. geteilt worden, fiel es 1460 durch Kauf an den König Podiebrad von Böhmen. Dessen Sohn Viktorin überließ es durch Tauschvertrag 1485 an Matthias Corvinus, dessen Sohn Johann Corvinus es 1501 aber wieder an den König Wladislaw von Böhmen und Ungarn verkaufte, der es 1511 der Krone Böhmen für immer einverleibte. 1526 ward es vom Erzherzog Ferdinand von Österreich als König von Böhmen in Besitz genommen und teilte seitdem die Geschicke Schlesiens. Mit Nichtbeachtung des Landesprivilegiums von 1511 verlieh es Kaiser Matthias 1613 als erbliches Mannlehen an das Haus Liechtenstein, in dessen Besitz es noch jetzt ist. Vgl. Ens, Das Oppaland (Wien 1835 bis 1837, 4 Bde.); Biermann, Geschichte der Herzogtümer T. und Jägerndorf (Tesch. 1874).

Troppau (slaw. Opava), Hauptstadt von Österreichisch-Schlesien wie ehemals von ganz Oberschlesien, liegt 247 m ü. M. in lieblicher Ebene am rechten Ufer der Oppa, welche unterhalb der Stadt die Mohra aufnimmt, nahe der preußischen Grenze, an den Eisenbahnlinien T.-Jägerndorf der Mährisch-Schlesischen Zentralbahn und T.-Schönbrunn der Nordbahn, hat Vorstädte, mehrere schöne Plätze, 6 Kirchen, darunter die alte gotische Hauptpfarkirche und eine evang. Kirche, ein altes Rathaus (neuerlich im gotischen Stil umgebaut), ein fürstlich Liechtensteinsches Schloß, das Landhaus, das Stadttheater, schöne Anlagen um die Stadt (an Stelle der alten Wälle und Schanzen), eine Zuckerraffinerie, Fabrikation von Tuch, Fes, Jutewaren, Hüten, Zündwaren, Pottasche, Spiritus u. Likör, Bierbrauerei, Ringofenziegeleien, Mühlen etc., eine Gasanstalt, lebhaften Handelsverkehr, große Märkte u. (1880) mit 1273 Mann Militär 20,562 Einw. T. ist Stadt mit eignem Gemeindestatut, Sitz der Landesregierung und Landesvertretung, des Landesgerichts, einer Bezirkshauptmannschaft (für die Umgebung), einer Finanzdirektion, einer Handels- u. Gewerbekammer und hat ein deutsches Obergymnasium und ein tschechisches Gymnasium, eine Oberrealschule, eine Lehrer- und eine Lehrerinnenbildungsanstalt, eine Handelsschule, ein Landesmuseum, eine Bibliothek (35,500 Bände), eine Landeskranken- und Irrenanstalt und andre Wohlthätigkeitsanstalten, eine Bodenkreditanstalt, eine Filiale der Österreichisch-Ungarischen Bank und eine Sparkasse. Jenseit der Oppa liegt das Dorf Katharein, mit Rübenzuckerfabrik, Spiritusbrennerei und (1880) 4292 Einw. - T. entwickelte sich als deutsche Ansiedelung in der Nähe der Burg Gräz (Gradec), wird urkundlich zuerst 1195 genannt, 1224 erscheint es bereits als Stadt mit deutschem Recht. Hier ward 20. Okt. bis 30. Sept. 1820 ein durch die neapolitanische Revolution veranlaßter Fürstenkongreß abgehalten, auf welchem sich die Monarchen von Österreich, Preußen und Rußland zur Aufrechterhaltung des Zustandes von 1815 in Europa verpflichteten. Die weitere Ordnung der neapolitanischen Frage wurde dem Kongreß von Laibach (s. d.) überlassen.

^[Wappen von Troppau.]

Troppo (ital.), zu sehr, z. B. Adagio no troppo, langsam, doch nicht zu sehr.

Troquieren (franz., trokieren), s. v. w. barattieren (s. d.).

Trosch., bei naturwissenschaftl. Namen Abkürzung für F. H. Troschel (s. d.).

Troschel, Franz Hermann, Zoolog, geb. 10. Okt. 1810 zu Spandau, studierte seit 1831 in Berlin Mathematik und Naturwissenschaft, fungierte 1835-49 als Lehrer an der Königsstädter höhern Bürgerschule, habilitierte sich 1844 an der Universität als Privatdozent für Zoologie, nachdem er seit 1840 unter Lichtenstein eine Kustedenstelle am zoologischen Museum bekleidet hatte, und folgte 1849 einem Ruf als Professor der Zoologie und der allgemeinen Naturwissenschaft nach Bonn, wo er 6. Nov. 1882 starb. Er schrieb: "System der Asteriden" (mit Joh. Müller, Braunschw. 1842); "Horae ichthyologicae" (mit Joh. Müller, Berl. 1845-49, 3 Hefte); "Das Gebiß der Schnecken zur Begründung einer natürlichen Klassifikation" (das. 1856-79, 2 Bde.). Nach dem Tod Wiegmanns bearbeitete er die 2. Auflage von Wiegmann und Ruthes "Handbuch der Zoologie" (7. Aufl., Berl. 1871). An den Jahresberichten im "Archiv für Naturgeschichte" beteiligte er sich seit 1837 (anfangs über Mollusken, später über Fische, Amphibien, Säugetiere schreibend), und 1849 übernahm er die Redaktion des Archivs.

Trossachs, malerischer Paß in Schottland, zwischen Callander am Teith und dem untern Ende des Loch Katrine.

Trosse, Schiffstaue, welche aus dünnen Hanffäden (Kabelgarnen) hergestellt werden. Die Garne, welche fast stets von gleicher Stärke sind, werden in große-

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Trossin - Troyes.

rer oder geringerer Zahl je nach der Stärke des Taues zu Duchten zusammengedreht, und drei bis vier solcher Duchten liefern beim Zusammenschlagen die T. Schlägt man drei Trossen in entgegengesetzter Richtung zusammen, so erhält man ein Kabel, als dessen Bestandteile die Trossen Kardeele heißen.

Trossin, Robert, Kupferstecher, geb. 14. Mai 1820 zu Bromberg, widmete sich der Kupferstecherkunst von 1835 bis 1846 in Berlin unter Buchhorn und Mandel. Schon seine erste größere Arbeit, der italienische Fischerknabe nach Magnus, zeigte eine gediegene Technik, die sich dann in den Porträten von Alex. v. Humboldt und E. M. Arndt weiter vervollkommte. 1850 wurde er zur Leitung der Kupferstecherschule nach Königsberg berufen, wo die Blätter: Jephthas Tochter nach Jul. Schrader, mehrere Porträte für die Ausgabe der Werke Friedrichs d. Gr., der betende Mönch am Sarg Heinrichs IV. nach Lessing, das Dilettantenquartett nach Hiddemann, Sonntags-Nachmittag in einem schwäbischen Dorf nach Vautier, Morgengruß nach Karl Becker, die Mater dolorosa nach Guido Reni und die Vision des heil. Antonius nach Murillo (im Berliner Museum) entstanden. 1885 siedelte er nach Berlin über, wo er unter anderm Im Witwenschleier nach Defregger und das venezianische Mädchen nach Savoldo (im Berliner Museum) stach.

Trostberg, Flecken im bayr. Regierungsbezirk Oberbayern, Bezirksamt Traunstein, an der Alz, 502 m ü. M., hat 2 schöne Kirchen, ein Amtsgericht und (1885) 1235 kath. Einwohner.

Trotha, Dorf im preuß. Regierungsbezirk Merseburg, Saalkreis, an der Saale und der Linie Halle-Zellerfeld der Preußischen Staatsbahn, hat eine evang. Kirche, eine Zuckerfabrik, eine chemische Fabrik, ein Farbenwerk, Schiffahrt und (1885) 2878 Einw.

Trott (franz. trot), s. v. w. Trab, s. Gangarten des Pferdes.

Trottel, s. v. w. Kretin.

Trottoir (franz., spr. -toahr, von trotter, traben), der Fußweg zur Seite der städtischen Straßen, liegt meist etwas höher als das Straßenpflaster, ist gegen dieses durch größere Pflastersteine, besser durch Bordschwellen aus Granit, Zementguß etc. abgegrenzt und besitzt nach der Straße ein schwaches Gefalle. Das T. wird mit kleinen Steinen (Mosaikpflaster), Klinkern oder sorgfältig behauenen Steinen gepflastert, häufiger und besser mit Steinplatten oder Asphalt belegt. Derartige Steige wurden bereits in Pompeji angetroffen, und im Mittelalter legte man den Bürgersteig in die Mitte der Straße.

Trotzendorf, s. Friedland, Valentin.

Trotzkopf, s. Klopfkäfer.

Troubadour (spr. trubaduhr), s. Provençalische Litteratur.

Trousseau (franz., spr. trussoh), Schlüsselbund; dann Aussteuer, Ausstattung einer Braut, insbesondere die von Prinzessinnen.

Trouvère (spr. truwähr), in der nordfranz. Litteratur des Mittelalters die Dichter und Erfinder von Gesängen, die beim Vortrag derselben von den Weisen der Jongleure (s. d.) begleitet wurden. Vgl. Französische Litteratur, S. 591.

Trouville (spr. truwil, T. sur Mer), Stadt im franz. Departement Calvados, Arrondissement Pont l'Evêque, an der Mündung der Touques, über welche eine Brücke nach dem gegenüberliegenden Seebadeort Deauville (s. d.) führt, und an der Westbahnlinie Lisieux-T., hat ein Hafenbassin, ein besuchtes Seebad (Lieblingsbad der vornehmen Pariser), schöne Villen, Schiffahrt und (1886) 5749 Einw.

Trowbridge (spr. traubridsch), Stadt im westlichen Wiltshire (England), auf einer felsigen Anhöhe im Thal des Biß, 16 km südöstlich von Bath, hat blühende Fabrikation von feinen Tuchen und andern Wollwaren, Käsemärkte und (1881) 11,040 Einw.

Troxler, Ignaz Paul Vital, schweizer. Naturphilosoph und liberaler Politiker, geb. 17. Aug. 1780 zu Beromünster im Kanton Luzern, studierte in Jena unter Schelling, dann zu Göttingen Philosophie und Medizin, praktizierte sodann abwechselnd in Luzern und Wien, ward 1820 Professor der Philosophie und Geschichte am Lyceum zu Luzern, gründete hierauf zu Aarau ein Erziehungsinstitut, ging 1830 als Professor nach Basel, ward im folgenden Jahr, der Teilnahme am Aufstand von Baselland verdächtigt, abgesetzt, 1832 Mitglied des Großen Rats des Kantons Aargau, 1834 Professor an der Universität Bern, starb 6. März 1866 aus seinem Landgut bei Aarau. Als Philosoph anfänglich Schelling, seit 1834 Jacobi folgend, schlug er eine mystische Richtung ein, in welcher Ahnung und Gemüt eine Rolle spielen; als Politiker gehörte er zu den eifrigsten Verfechtern der schweizerischen Einheitsbestrebungen. Von seinen zahlreichen (auch publizistischen) Schriften seien hervorgehoben: "Naturlehre des menschlichen Erkennens" (Aar. 1828); "Logik" (Stuttg. l829, 3 Bde.); "Vorlesungen über Philosophie" (Bern 1835, 2. Ausg. 1842).

Troy (spr. treu), Stadt im nordamerikan. Staat New York, links am Hudson, auf einer von Hügeln beherrschten Alluvialebene, hat ein polytechnisches Institut, ein kath. Seminar, Eisengießereien, Wagenbau, Woll- und Baumwollfabrikation etc. und lebhaften Handel und (1880) 56,747 Einw. Gegenüber liegt West T., mit großartigem Zeughaus (Watervliet Arsenal) der Vereinigten Staaten und 8820 Einw. T. wurde 1752 von den Holländern gegründet.

Troy, Jean François de, s. De Troy.

Troya (spr. troja), Carlo, ital. Geschichtschreiber, geb. 7. Juni 1784 zu Neapel als Sohn eines Hofchirurgen, wuchs als Taufpate der Königin Karoline im königlichen Palast auf, widmete sich dem Studium der Rechte und bekleidete hierauf Ämter unter dem König Joachim Murat. Nach der Rückkehr der Bourbonen Advokat, beteiligte er sich an den revolutionären Bestrebungen von 1820 und wurde zur Strafe dafür in die Verbannung geschickt. Er bereiste Italien, durchforschte die Bibliotheken und die Archive der Klöster und veröffentlichte 1826 zu Florenz seine Schrift "Il veltro allegorico di Dante", ein äußerst reichhaltiges und bedeutendes Werk historischer Forschung, aber in papstfreundlichem Sinn geschrieben. Neue Studien, neue Reisen und unermüdliche Durchforschunggen der Archive befähigten ihn zu dem noch großartigern Unternehmen seiner "Storia d'Italia del medio evo" (1839-59, 17 Bde.), eines Werkes, das den Zeitraum von 476 bis zu Dantes Tod (1321) umfassen sollte, jedoch nur bis auf Karl d. Gr. fortgeführt ist. Seiner papstfreundlichen Gesinnung ungeachtet übertrug man ihm 1848 die Präsidentschaft des Revolutionsministeriums, welche er vom 3. April bis 14. Mai bekleidete. Er starb 27. Juli 1858 in Neapel.

Troyer (spr. treuer), in der deutschen Marine das blauwollene Hemd der Mannschaften, in Österreich Bordhemd genannt.

Troyes (spr. troá), Hauptstadt des franz. Departements Aube, vormals Hauptstadt der Champagne, an der hier in mehrere Arme geteilten Seine, am Oberseinekanal und an der Ostbahnlinie Paris-Belfort (Abzweigungen nach Châlons sur Marne, Châtillon und Sens), war früher befestigt, ist jetzt mit

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Troygewicht - Truchseß.

schönen Promenaden, Obst- und Weinpflanzungen sowie zahlreichen Bewässerungskanälen umgebenem Innern jedoch größtenteils eng und unregelmäßig gebaut. Unter den Kirchen zeichnen sich namentlich die Kathedrale zu St.-Pierre, ein schöner gotischer Bau mit prächtigem Portal und alten Glasmalereien, sowie die Kirchen St.-Urbain, Ste.-Madeleine und St.-Remy aus. Die übrigen hervorragenden Gebäude sind: das Rathaus, das Spital, das Lyceal-Gebäude, das Theater und die Kaufhallen. Die Zahl der Einwohner beträgt (1886) 44,864 (als Gemeinde 46,972). T. hat eine Ackerbau- und Handelskammer, eine Filiale der Bank von Frankreich, zahlreiche Spinnereien für Schafwolle und Baumwolle, Fabrikation für wollene, baumwollene und leinene Stoffe, Wirkwaren, Handschuhe, Stickereien, künstliche Blumen, Blechwaren, Nadeln, Leder, Wachsleinwand, Pergament, Papier etc., Brauereien, Brennereien, Bereitung von berühmten Cervelatwürsten und geräucherten Hammelzungen und lebhaften Handel. Es hat ein Lyceum, eine Zeichen- und Bauschule, eine Handels- und Gewerbeschule, einen Kursus für angewandte Chemie, Normalschulen für Lehrer und Lehrerinnen, eine öffentliche Bibliothek von 110,000 Bänden und gegen 5000 Handschriften, eine Gemäldegalerie, Münz- und Antikensammlung und mehrere gelehrte und industrielle Gesellschaften. T. ist der Sitz eines Bischofs, des Präfekten, eines Gerichtshofs und eines Handelsgerichts. - T. war im Altertum die Hauptstadt der keltischen Tricasser und hieß Noviomagus, erhielt von Augustus den Namen Augustobona und nahm im 5. Jahrh. den Namen Trecä an. In der Nähe, bei Mery, fand 451 die große Hunnenschlacht (s. d.) statt. 889 von den Normannen zerstört, ward es 950 wieder aufgebaut, kam 1019 in den Besitz der Grafen von Champagne als deren Hauptstadt und fiel 1339 mit der Champagne an die Krone Frankreich. 1111 wurde hier ein Konzil abgehalten, auf welchem die Gregorianischen Edikte wegen der Investitur erneuert wurden. 1415 wurde T. von dem Herzog Johann von Burgund zerstört. Am 21. Mai 1420 wurde hier der Friede zwischen Frankreich und England geschlossen, in welchem der König Heinrich V. von England mit der Hand Katharinas, der Tochter des Königs Karl VI. von Frankreich, die Anwartschaft auf den französischen Thron nach des Schwiegervaters Tod und bis dahin die Regentschaft in Frankreich erhielt. 1429 eroberte es Karl VII. wieder. Im Feldzug von 1814 war T. als einer der Hauptoperationspunkte der österreichischen Armee von Wichtigkeit. Vgl. Boutiot, Histoire de la Ville de T. (Troyes 1870-80, 5 Bde.).

Troygewicht (spr. treu-), Gewicht in England für Gold, Silber und Juwelen, das auch als Apothekergewicht und für wissenschaftliche Gewichtsvergleichungen dient. Das Troypfund wird eingeteilt in 12 Unzen zu 20 Pfenniggewicht (dwt.) à 24 Grän, also 5760 Troygrän, und wiegt 373,242 g. Apotheker teilen dieses Pfund in 12 Unzen (^) zu 8 Drachmen (^) zu 3 Skrupel (^)) zu 20 Grän ein. 7000 dieser Grän Troy sind gleich einem Pfund Avoirdupois, so daß 175 Pfd. Troy = 144 Pfd. Avoirdupois sind. Der Name T. kommt von der Stadt Troyes her (vgl. Avoirdupois).

Troyon (spr. troajóng), Constant, franz. Maler, geb. 25. Aug. 1810 zu Sèvres, bildete sich bei Riocreux und Poupart, wurde aber erst durch den Einfluß von Roqueplan auf das unmittelbare Studium der Natur hingelenkt, welchem er schon seit 1836 in seinen Landschaften Ausdruck gab. Eine 1847 nach Holland unternommene Reise vollendete seinen Übergang zu einer völlig realistischen Naturanschauung, mit welcher er Größe der Auffassung und Energie und Breite der koloristischen Behandlung verband. Er belebte seine Landschaften besonders mit Tieren (Rindvieh, Pferden, Schafen), welche einen immer breitern Raum einnahmen. Schließlich wurde T. als Tiermaler ebenso bedeutend wie als Landschafter, und es gelang ihm, selbst naturgroße Darstellungen von Tieren mit landschaftlichem Hintergrund eindrucksvoll und fesselnd zu gestalten, wobei er die Wirkungen des Sonnenlichts zu Hilfe nahm. Seine Hauptwerke sind: die Rückkehr aus der Meierei (1849, im Louvre), das Thal der Touque, die zur Feldarbeit getriebenen Ochsen (1855, im Louvre), der Wagen mit dem Esel, ein Spätsommertag in der Normandie, die Furt, Schafherde nach dem Gewitter, Schafe am Morgen. Die Motive zu seinen Landschaften entnahm er zumeist der Umgegend von Paris, der Touraine und der Normandie. Überanstrengung führte 1863 eine Geisteskrankheit herbei, der er 21. Febr. 1865 erlag. Vgl. Dumesnil, T. (Par. 1888).

Troypfund, s. Troygewicht.

Troyunze (abgekürzt oz.), im engl. Bankverkehr die Gewichtseinheit, nach welcher Gold und Silber gehandelt werden (s. Troygewicht). Dieselbe wird für Silber in Zehntel-, für Gold in Tausendstelunzen eingeteilt.

Trözen (Trözene), im Altertum Stadt in der griech. Landschaft Argolis, 20 Stadien von der Ostküste, an welcher die dazu gehörigen Häfen Kelenderis und Pogon lagen, ursprünglich von Ioniern bewohnt, ward nach der Wanderung der Herakliden dorisiert, gelangte zu Macht und Blüte auch auf der See und nahm am Perserkrieg rühmlichen Anteil. 430 und 425 v. Chr. brandschatzten die bisher mit T. befreundeten Athener das Land. Im korinthischen Krieg 394 stand T. auf seiten der Lakedämonier, ebenso kämpfte es 373 gegen Athen. In der makedonischen Zeit ging es aus einer Hand in die andre und kam endlich an den Achäischen Bund. Zu Pausanias' Zeit war es noch eine ansehnliche Stadt. Unbedeutende Reste beim heutigen Dorf Damalá.

Trübau, 1) (Mährisch-T.) Stadt in Mähren, an der Trebowka, Sitz einer Bezirkshauptmannschaft und eines Bezirksgerichts, mit Obergymnasium, fürstlich Liechtensteinschem Schloß, Seiden-, Leinwand- und Kattunweberei, Färberei und Druckerei sowie (1880) 6056 Einw. In der Nähe Steinkohlenbergbau. -

2) Stadt, s. Böhmisch-Trübau.

Trübmaß (Trübeichmaß), s. Altmaß.

Trübner, Nikolaus, Buchhändler und Bibliograph, geb. 12. Juni 1817 zu Heidelberg, begründete 1852 ein Verlagsgeschäft (T. u. Komp.) in London, das sich durch seine Umsicht und Thätigkeit zu einem der ersten der Welt aufgeschwungen hat und einen bedeutenden Vermittelungseinfluß in der Weltlitteratur ausübt. Er verfaßte: "Bibliographical guide to American literature" (1859) und gab in Monatsheften "Truebner's American and Oriental literary Records" (seit 1865) heraus. Er starb 30. März 1884.

Trubtschewsk, Kreisstadt im russ. Gouvernement Orel, an der Desna, mit (1885) 5275 Einw. und Getreidehandel nach Riga und Petersburg.

Truchmenen, Volksstamm, s. v. w. Turkmenen.

Truchseß (v. altd. truhtsâzo, "Vorgesetzter der truht", des Trosses; auch Seneschall, lat. Dapifer. franz. Écuyer de cuisine, Écuyer tranchant, engl. Steward), im mittelalterlichen Königtum der Küchenmeister, zugleich der erste Diener des Monarchen

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Truchtersheim - Trüffel.

bei der Tafel, dann der Oberaufseher über den ganzen Hofhalt. Im vormaligen Deutschen Reich gehörte seit Otto I. das Truchsessenamt zu den Erzämtern (s. d.). Erztruchseß war bis 1623 der Kurfürst von der Pfalz, dann der Kurfürst von Bayern, 1706-1714 wieder Pfalz, und von da bis zur Auflösung des Reichs wieder Bayern. Als Erbtruchseß fungierte der Graf von Waldburg. Am österreichischen Hof rangieren die Truchsesse unter den Kämmerern. Diese Truchsessenwürde ist häufig mit dem Besitz von Gütern verbunden.

Truchtersheim, Dorf und Kantonshauptort im deutschen Bezirk Unterelsaß, Landkreis Straßburg, hat eine kath. Kirche, ein Amtsgericht, eine Mineralquelle, Weinbau und (1885) 639 Einw.

Truck (Ruck), Insel der span. Gruppe der Karolinen (s. d.).

Truckee (spr. tröcki), Stadt im nordamerikan. Staat Kalifornien, an der Pacificbahn, 1774 m ü. M., westlich vom 2139 m hohen T.-Paß der Sierra Nevada, hat Sägemühlen und (1880) 1147 Einw.

Trucksystem (spr. tröck-, v. engl. truck, "Tausch, Tauschhandel"), das Verfahren, Arbeiter, besonders Fabrikarbeiter, nicht in barem Geld, sondern in Naturalien, namentlich in Anweisungen auf einen vom Arbeitgeber gehaltenen Laden abzulohnen. Vielfach von habsüchtigen Fabrikanten mißbraucht, wurde dasselbe schon früher in England heftig bekämpft und meist gesetzlich verboten. (Das erste gegen das T. ankämpfende Gesetz wurde in England 1464 erlassen; zu demselben kamen in den folgenden Jahrhunderten noch eine Reihe [etwa 16] weiterer Gesetze. Dieselben wurden durch das noch bestehende Gesetz von 1831 aufgehoben, welches durch die Truck-Amendment Act vom 16. Sept. 1887 ergänzt und erweitert wurde. In Preußen allgemeines Verbot 1847, während im Bergbau und in der Textilindustrie schon im 16. Jahrh. Verbote vorkamen; Verbot in Belgien durch Gesetz vom 16. Aug. 1887.) Die deutsche Gewerbeordnung verpflichtet die Arbeitgeber (ursprünglich nur die Fabrikinhaber sowie diejenigen, welche mit Ganz- oder Halbfabrikaten Handel treiben, seit 1878 alle Gewerbtreibenden, vgl. Fabrikgesetzgebung, S. 1002), die Löhne ihrer Arbeiter bar auszuzahlen; sie dürfen denselben keine Waren kreditieren; zuwiderlaufende Verträge sind nichtig. Nun gibt es freilich auch Fälle, in denen die Gewährung von Naturalien nicht zu umgehen und für den Arbeiter selbst vorteilhaft ist. Deshalb wurde auch gestattet, den Arbeitern Wohnung, Feuerungsbedarf, Landnutzung, regelmäßige Beköstigung, Arzneien und ärztliche Hilfe sowie Werkzeuge und Stoffe zu den von ihnen anzufertigenden Fabrikaten unter Anrechnung bei der Lohnzahlung zu verabfolgen. In Rußland ist das T. in verschiedenen Formen noch sehr verbreitet.

Trude, Trudenfuß, s. Druden, Drudenfuß.

Trudpert, Missionär im Breisgau, soll um 650 (nach den sehr dürftigen Nachrichten) von einem Grafen Othbert in einem Thal des Flüßchens Neumage ein Grundstück zu einer geistlichen Stiftung erhalten haben, doch bei der Herstellung des Gebäudes ermordet worden sein. Deshalb wurde er als Heiliger verehrt. Vgl. Körber, Die Ausbreitung des Christentums im südlichen Baden (Heidelb. 1878).

Trueba (T. y la Quintana), Antonio de, span. Dichter und Novellist, geb. 24. Dez. 1821 im baskischen Dörfchen Montellana (Provinz Viscaya) als der Sohn armer Landleute, kam mit 15 Jahren nach Madrid, um die Kaufmannschaft zu erlernen, trieb nebenbei mit großem Eifer Studien und erlangte an der Universität mehrere Grade. 1846 endlich dem Handelsstand Valet sagend, wandte er sich ganz der litterarischen Thätigkeit zu und machte sich durch seine in Zeitschriften erscheinenden Lieder und Gedichte einen Namen. Königin Isabella ernannte ihn 1862 zum Archivar von Viscaya mit einem Gehalt von 18,000 Realen und verlieh ihm den Titel eines Poeta de la reina, den er nach der Revolution von 1868, infolge deren er sein Amt verlor, mit dem eines Poeta del pueblo vertauschte. Seitdem wieder in Madrid lebend, starb er daselbst 10. März 1889. T. ist der populärste spanische Dichter der Gegenwart. Seine Lieder, gesammelt in dem oft aufgelegten "Libro de los cantaras" (Madr. 1852), leben im Munde des Volkes und haben ihm den Namen des "spanischen Béranger" verschafft. Sie verherrlichen vorzugsweise die baskische Heimat des Dichters und zeichnen sich aus durch Treuherzigkeit der Gesinnung, gefällige Form und natürliche Sprache wie durch Tiefe der Emfindung bei meist melancholischem Grundton. Außerdem veröffentlichte er eine große Anzahl von Erzählungen (Novellen, Märchen, Schwänke) unter verschiedenen Titeln: "Cuentos de color de rosa" (1859), "Cuentos campesinos" (2. Aufl. 1862), "Cuentos de vivos y muertos" (1866), "Marta Santa" (1874), "Cuentos de varios colores" (1874), "Narraciones populares"(1875), "Cuentos de madres é hijos"(1879), "Nuevos cuentos populares" (1880) etc., welche gleiche Beliebtheit wie sein Liederbuch erlangten und zum Teil auch ins Deutsche, Französische, Englische, Russische und Italienische übersetzt wurden. Sie sprechen an durch die natürliche Einfachheit der Erzählung und die Anmut in der Beschreibung des ländlichen Lebens, lassen aber die reaktionäre Gesinnung und ultramontanen Sympathien des Verfassers zu sehr hervortreten. Endlich sind von T. auch historische Romane, wie "El Cid Campeador", "El redentor moderno" (1876) u. a., und seine neuesten Werke: "Arte de hacer versos" (1881), "De flor en flor" (1882), "El gaban y la chaqueta" (1884), zu erwähnen. Eine Auswahl aus seinen Schriften enthält die "Coleccion de autores españoles" (Leipz. 1874 ff.).

Trueba y Cosio, Telesforo de, span. Dichter, geb. 1805 zu Santander, machte, zur diplomatischen Laufbahn bestimmt, seine darauf bezüglichen Studien in London und Paris und wurde sodann Attache bei der dortigen Gesandtschaft. Nach seiner Rückkehr in das Vaterland 1822 stiftete er mit andern die Akademie, in welcher sich damals alle jüngern Dichter Spaniens vereinigten. Zu Cadiz, wohin er als Anhänger der Cortesregierung 1823 flüchten mußte, schrieb er die beiden Lustspiele: "El veleta" und "Casarse con 60,000 duros", die ihm für immer einen Platz unter den besten spanischen Dramatikern sichern. Nach der Wiederherstellung des Absolutismus in Spanien wandte sich T. nach London. Hier schrieb er in englischer Sprache mehrere historische Romane, unter welchen "Gomez Arias" (1828) und "The Castilian" (1829) am bekanntesten sind, das historisch-biographische Werk "Lives of Cortes and Pizarro" (1830), das große Verbreitung fand, viele Lustspiele und das historische Drama "The royal delinquent". Den bedeutendsten Ruf aber verschaffte ihm das Sittengemälde "Paris and London" (1833). 1834 nach Spanien zurückgekehrt, ward er hier zum Prokurator und dann zum Sekretär der Zweiten Kammer gewählt. Er starb 4. Okt. 1835 in Paris.

Trüffel (Speisetrüffel, Tuber Mich.), Pilzgattung aus der Unterordnung der Tuberaceen und der

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Trüffel.

Ordnung der Askomyceten, meist vollständig unterirdisch wachsende Pilze mit einem im Boden verbreiteten fädigen Mycelium und ziemlich großen, knollenförmigen, festen, fleischigen Fruchtkörpern (Peridien), welche nicht hohl, sondern auf dem Querdurchschnitt durch marmorartige Adern in unregelmäßige, massive Kammern geteilt sind. Man unterscheidet feine, dunkel gefärbte Adern, welche von der Peridie ausgehen und die eigentlichen Kammerwände darstellen, auf denen das stark entwickelte, braune, fruchtbare Gewebe (Hymenium) aufsitzt, während weiße Adern das zwischen dem Hymenialgewebe befindliche lufthaltige Füllgewebe der engen, gewundenen Kammern darstellen. In dem dicken Hymenialgewebe nisten zahlreiche große, runde oder eirunde Sporenschläuche mit je 1-8, meist 4 ordnungslos liegenden, kugeligen oder elliptischen, mit stachligem oder netzförmig gezeichnetem, gefärbtem Episporium versehenen Sporen (vgl. Tafel "Pilze II", Fig. 11). Die Peridie ist an der Oberfläche warzig oder glatt, im reifen Zustand stets schwarz oder braun gefärbt. Die Gattung zählt ungefähr 20 Arten, welche in der gemäßigten Zone Europas, besonders in Frankreich und Italien, in Deutschland und England, aber auch in Asien, Afrika und Nordamerika vorkommen. Die seit dem Altertum wegen ihres aromatischen Geruchs und Geschmacks als kulinarischer Luxusartikel berühmten Trüffeln sind sehr nahrhaft und werden bald für sich allein, gebraten oder mit Rotwein gekocht und mit Butter, genossen, bald als Bestandteil von Pasteten (Straßburger Gänseleberpasteten) oder als Zusatz in Fleischspeisen, Brühen, Suppen etc. verwendet. Sie wachsen herdenweise in der Erde und zwar alljährlich immer an denselben bestimmten Plätzen, den sogen. Trüffelplätzen (truffières). Nach Ascherson fehten sie gegenwärtig in der Mark, dagegen sind sie in den Laubwäldern um Bernburg seit langer Zeit bekannt und treten hier am reichlichsten unter Eichen und Roßkastanien auf. Andre Fundorte sind: München-Nienburg, Neugatersleben im Bodethal, das Forstrevier Lödderitz bei Dessau, Zerbst, mehrere Orte Thüringens, Ahrbergen und Eberholzen unweit Hildesheim, die Rheinwaldungen bei Rastatt. Im Nordosten Deutschlands finden sich Trüffeln (Tuber mesentericum, die auch in Böhmen und Mähren häufig ist) in der Weichselniederung bei Kulm sowie bei Ostromatzko gegenüber der Brahemündung. Das Vorkommen der schwarzen T. scheint auf den Peisterwitzer Odenwald bei Ohlau und auf Tillowitz unweit Falkenberg beschränkt zu sein. Dafür ist die weiße T. (Choiromyces maeandriformis) in Oberschlesien, Böhmen, Mähren, Ungarn, Siebenbürgen, Italien und Rußland nicht selten. Die Fundplätze haben meist einen kalkigen oder aus Kalk und Thon oder Sand gemengten Boden. Überall aber ist die Anwesenheit von Bäumen eine notwendige Bedingung. Wenn der Waldbestand abgetrieben wird, so verschwinden auch die Trüffeln; aber sie erscheinen nach Jahren genau an denselben Stellen wieder, wenn der Boden wieder mit Gehölz bewachsen ist. Vorzüglich kommen sie unter Eichen und Hainbuchen, aber auch unter Kastanien, Haselnußsträuchern, Rotbuchen und zahlreichen andern Holzpflanzen vor. Man findet sie im Umkreis der Bäume, bis wohin die Wurzeln, nicht aber der Schatten derselben reichen; überhaupt lieben sie lichte Gehölze, in denen die Bäume in größern Entfernungen stehen. Das Mycelium schmarotzt perennierend auf den Wurzeln von Holzgewächsen, wie schon daraus hervorgeht, daß junge in den Boden eingesetzte Trüffeln sich nicht weiter entwickeln. Für eine mit der T. nahe verwandte Art, die Hirschtrüffel (Elaphomyces granulatus Nees), wurde der Parasitismus durch Boudier und Rees direkt bewiesen. Da auf den Wurzeln zahlreicher einheimischer Gewächse durch Frank parasitische Hüllen von Pilzmycelien aufgefunden wurden (s. Mycorhiza), so lag der Gedanke nahe, ein ähnliches symbiotisches Verhältnis auch zwischen den Mycelien der echten T. und den Wurzeln bestimmter Holzpflanzen anzunehmen. Direkte Kulturversuche fehlen zur Zeit noch. Ganz junge Trüffeln sind nur erbsengroß, blaß oder rötlich; sie scheinen ein Jahr zu ihrer Reife zu bedürfen. Im Herbst oder Winter findet man reif nur Tuber brumale und T. melanosporum, Ausgang Winters, im Frühling und Sommer Tuber aestivum und T. mesentericum; die letztern werden daher in den ersten Monaten des Jahrs noch unreif gesammelt und in der Provence als Maitrüffeln bezeichnet. Man läßt die Trüffeln von abgerichteten Hunden (Trüffelhunden; Burgund, Italien, Deutschland) oder von Schweinen (Provence, Poitou, auch in Westpreußen), in Rußland früher auch von Bären aufsuchen, welche durch ihren Geruch die 5-16 cm unter der Erde verborgenen Pilze aufspüren. Nach Deutschland kamen um 1720 die ersten dressierten Trüffelhunde, von welchen der König August II. von Polen in Italien zehn Stück angekauft hatte. Die Trüffeljagd findet statt vom November bis Februar. Der französische Trüffelhandel datiert seit 1770 und erstreckt sich jetzf fast über ganz Mittel- und Südfrankreich. Am meisten produzieren die Provence, besonders das Departement Vaucluse mit dem Zentralort Carpentras, ferner die Dauphiné, Périgord, Dordogne, Charente, Niederalpen und Lot; besonders berühmt sind die Trüffelkulturen am Fuß des Mont Ventoux im Departement Vaucluse, der 1858 mit Eichen aufgeforstet wurde. Die Ausfuhr aus Frankreich beziffert sich auf 1,5 Mill. kg; im Departement Vaucluse, in der Stadt Apt, kommt zur Winterszeit eine Trüffelernte von 15,000 kg zu Markt. Große Bedeutung haben die Trüffeln auch im Orient. Barth berichtet über das häufige Vorkommen einer Trüffelart (jedenfalls Terfezia leonis Tul.) in der nördlichen Sahara. Zu derselben Art gehören auch die hellfarbigen Trüffeln, welche in der Syrisch-Arabischen Wüste stellenweise massenhaft vorkommen und kamelladungsweise in die syrischen Städte gebracht werden. In diesen Gegenden gilt Helianthemum salicifolium Pers. als sicheres Anzeichen des Vorkommens der T. Die Ernte währt in Syrien und Palästina von Mitte Februar bis Mitte April, sie ist abhängig von den Regen im Oktober und November, durch welche auch die Kräuterdecke hervorgerufen wird, mit deren üppigkeit die Häufigkeit der T. steigt und sinkt. In Algerien findet sich die oben genannte Terfezia leonis im Schatten des strauchartigen Helianthemum halimifolium, und auf der kanarischen Insel Fuertaventura sucht man Trüffeln unter Helianthemum canariense. Die gewöhnlichsten, als Speisetrüffeln verwendeten Arten sind: Tuber brumale Vittad., mehr oder weniger kugelig, schwarz, auf der Oberfläche mit polygonalen Warzen, nuß- bis faustgroß und dann bis 1 kg schwer, innen schwärzlich aschgrau, weiß geädert, mit zahlreichen vier- bis sechssporigen Sporenschläuchen, die Sporen mit stachligem Episporium, ist im Winter in den Trüffelgegenden Frankreichs und Italiens sehr häufig, selten in den Rheingegenden. T. melanosporum Vittad. (T. cibarium Pers.), von voriger Art durch rötlichschwarze Farbe, rötliche Flecke auf den War-

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Trüffelpilze - Trumpp.

zen und durch rötlich- oder violettschwarzes Innere mit weißen, zuletzt rötlichen Adern unterschieden, hat das gleiche Vorkommen. T. aestivum Vittad., 2,5-5,5 cm, unregelmäßig kugelig, schwarzbraun, mit sehr großen Warzen, innen blaßbraun, mit elliptischen, braunen, mit netzförmig gezeichnetem Episporium versehenen Sporen, im Sommer und Spätsommer in Frankreich und in Italien sehr häufig, stellenweise in Deutschland, z. B. in Thüringen, und England. T. mesentericum Vittad., von voriger Art durch schwarze Farbe und dunkleres Fleisch mit vielen sehr eng gewundenen, weißen Adern unterschieden, an der Basis oft gehöhlt, kommt wie vorige Art und oft mit ihr zusammen vor. Nur in Italien, wo sie häufig gegessen wird, stellenweise in Deutschland kommt vor T. magnatum Pico (Rhizopogon magnatum Corda). 1,5-11 cm, unförmig lappig, von den andern Arten durch die wurzelartige Basis und durch die glatte Oberfläche unterschieden, anfangs weiß, später blaß ockerbraun, daher von den Lombarden Trifola bianca genannt, innen gelblich, bräunlich oder rötlich mit weißen Adern, von stark knoblauchartigem Geruch, reift im Spätsommer. Die weiße T. (Choiromyces maeandriformis Vittad., Tuber album Sow., Rhizopogon albus Fr.) ist glatt, hellbraun, faustgroß und von allen echten Trüffeln unterschieden durch das weiße, fleischige Innere, welches nur von einerlei feinen, dunklern Adern (Hymenium) durchzogen ist. S. Tafel "Pilze I" u. Taf. H, Fig. II. Vgl. Vittadini, Monographia Tuberacearum (Mail. 1831); Tulasne, Fungi hypogaei (Par. 1851); Chatin, La truffe (das. 1869); Planchon, La truffe (das. 1875); Rees u. Fisch, Untersuchungen über Bau und Lebensgeschichte der Hirschtrüffel (Kassel 1887); Bosredon, Manuel du trufficulteur (Périgueux 1887); Ferry de la Bellone, La truffe (Par. 1888).

Trüffelpilze, s. Pilze (13), S. 72.

Trugdolde, eine Art des Blütenstandes (s. d., S. 81).

Trugdoldenrispe (Corymbus cymiformis), reichverzweigte Schirmrispe mit quirlig gestellten Hauptverzweigungen, wie beim Holunder.

Trugratten (Echimyidae), s. Nagetiere (5).

Trugschluß (Sophisma), ein auf falschen Voraussetzungen oder falscher Verknüpfung derselben oder auf zweideutig gebrauchten Wörtern beruhender Fehlschluß, bei dem man die Absichtlichkeit einer Täuschung voraussetzt; s. Schluß, S. 544. - In der Musik heißt T. (Trugkadenz, ital. Inganno, franz. Cadence trompeuse) das Vermeiden eines nach der vorausgegangenen Akkordfolge erwarteten Schlusses durch Substitution eines andern Akkords für den tonischen (vgl. Kadenz und Auflösung).

Truhe, langer, niedriger hölzerner Kasten mit Deckel, welcher seit den frühsten Zeiten des Mittelalters zur Aufbewahrung von Kleidungsstücken, Kostbarkeiten und zugleich als Sitzmöbel diente. Anfangs war es mit der Wandvertäfelung verbunden, wurde aber später transportabel und auch auf Reisen mitgeführt. Die Truhen wurden bemalt oder an den vier Seiten, später auch am Deckel, mit reichem Schnitzwerk, Bemalung und Vergoldung versehen. Die Brauttruhen, welche die Ausstattung der Braut enthielten, wurden besonders reich verziert, zumeist mit auf Liebe und Ehe bezüglichen Emblemen oder Darstellungen aus der antiken Sage (s. Tafel "Möbel", Fig. 11). Zur größern Sicherung wurden die Truhen auch mit eisernen Bändern beschlagen oder auch mit eisernen Deckeln in durchbrochener Arbeit versehen (s. Tafel "Schmiedekunst", Fig. 15).

Trujillo (Truxillo, beides spr. truchhílljo), Sektion des Staats Andes der Bundesrepublik Venezuela, 13,549 qmn (246,1 QM.) groß mit (1873) 108,672 Einw., ist im südöstlichen Teil, wo die Andeskette von Merida fortsetzt, hohes Gebirgsland, im nordwestlichen niedrig, wird vom Rio Motaban, der dem See von Maracaibo zufließt, bewässert, hat alle Klimate (vom heißen bis zum kalten) und erzeugt vorzüglichen Kaffee und alle Südfrüchte sowie etwas Weizen. - Die Hauptstadt T., in einem engen Kessel gelegen, 826 m ü. M., hat eine höhere Schule, Handel (hauptsächlich Kaffee- und Weizenexport) und 2648 Einw. T. wurde 1559 gegründet, und war bis 1668, wo Flibustier sie zerstörten, eine der schönsten Städte des Landes. Nordwestlich davon liegt das Dorf Santa Ana, durch den Friedensschluß zwischen den beiden Generalen Bolivar u. Morillo 26. Nov. 1820 bekannt.

Trujillo (Truxillo, beides spr. truchhílljo), 1) Bezirkshauptstadt in der span. Provinz Caceres, teils auf einem Felsen, teils am Fuß desselben in 485 m Höhe gelegen, hat 5 Kirchen und (1878) 9428 Einw welche sich mit Leinweberei, Gerberei und Töpferei beschäftigen. T. ist Geburtsort Pizarros. -

2) (Chimú) Hauptstadt des Departements Libertad (Peru), in fruchtbarer, von Wüsten umgebener Gegend am Chimú, 65 m ü. M., ist gut gebaut und von Wällen und Bastionen umgeben, die 1686 als Schutz gegen die Flibustier errichtet wurden, hat eine Kathedrale, eine 1831 gegründete Universität, ein bischöfliches Seminar, eine höhere Schule und (1876) 7538 Einw., die lebhaften Handel treiben. Die Häfen der Stadt sind das 5 km entfernte Huanchaco und das wichtigere Salaverry, der Ausgangspunkt der ins Innere führenden Eisenbahn und mit Hafendamm (Molo). T. wurde 1535 von Pizarro gegründet, litt wiederholt durch Erdbeben und war 1823 Sitz des Kongresses. 2 km westlich davon liegen die Ruinen von Gran Chimú, der angeblichen Hauptstadt des alten Chimúreichs. -

3) Stadt im Departement Yoro des zentralamerikan. Staats Honduras, am Karibischen Meer, 1524 gegründet, hat einen guten Hafen und 4000 Einw.; die Ausfuhr(1887: 628,100) Pesos) besteht aus Bananen, Kokosnüssen, Mahagoni, Häuten, Gummi etc.

Trullanische Synoden heißen von Trullos, dem gewölbten Saal des kaiserlichen Palastes zu Konstantinopel, darin sie gehalten worden, das sechste ökumenische Konzil (s. Monotheleten) und das sogen. Quinisextum (s. d.).

Trum (Plur. Trume oder Trümer, fälschlich Trümmer), in der Geologie ausgefüllte Nebenspalten einer Hauptspalte (Gang) von größern Dimensionen, im Gegensatz zu den kleinern Apophysen; besonders eine durch Gabelung sich rasch auskeilende Gangmasse (vgl. Gang, S. 890); im Bergbau auch s. v. w. Förderseil.

Trümeau (franz., spr. -moh), Fensterpfeiler; ein denselben deckender Wandspiegel, überhaupt ein bis nahe an den Fußboden gehender Wandspiegel.

Trümletenthal, s. Jungfrau.

Trümmergesteine, s. Gesteine.

Trumpp, Ernst, Orientalist, geb. 13. März 1828 zu Ilsfeld im württemb. Oberamt Besigheim, studierte in Tübingen evangelische Theologie und orientalische Sprachen, ging später zur Fortsetzung seiner orientalischen Studien nach England und trat hier in die Dienste der Church Missionary Society, in deren Auftrag er 1854-55 und 1857 die Sprache des Induslandes erforschte und bearbeitete, während er den größten Teil des Jahrs 1856 zur Erlernung des Neuarabischen in Ägypten und Syrien zubrachte. 1858 ging er nach Peschawar, um die Sprache der Afghanen zu untersuchen und zu bearbeiten. Aus Gesund-

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Trumscheit - Trunksucht

heitsrücksichten 1860 in die Heimat zurückgekehrt, privatisierte er zunächst in Stuttgart, nahm 1864 die Diakonatsstelle in Pfullingen an, begab sich aber 1870 im Auftrag der englischen Regierung von neuem nach Indien und zwar nach Lahor im Pandschab, um daselbst in Verbindung mit einigen Sikhpriestern eine Übersetzung der heiligen Bücher der Sikh auszuführen. 1872 habilitierte er sich in Tübingen als Privatdozent und erhielt 1874 die ordentliche Professur der orientalischen Sprachen an der Universität zu München, wo er 5. April 1885 starb. Sein Hauptwerk ist "The Adi Granth, or the holy scriptures of the Sikhs, translated from the original Gurmukhi" (Lond. 1877). Außerdem veröffentlichte er: "Materialien zum Übersetzen aus dem Deutschen ins Hebräische" (Heilbr. 1854); "Sindhi reading book" (Lond. 1858); "Über die Sprache der sogen. Kasirs im indischen Kaukasus" (im 20. Bd. der "Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft"); "The Sindhi Diwan of Abd-ul-Latif Shah" (1866); "Grammar of the Sindhi language" (Lond. 1872); "Grammar of the Pashto or language of the Afghans etc." (das. 1873); "Einleitung in das Studium der arabischen Grammatiker" (Münch. 1876); "Das Taufbuch der äthiopischen Kirche" (äthiopisch u. deutsch, das. 1876); "Der Kampf Adams" (äthiopischer Text, das. 1880); "Die Religion der Sikhs" (Leipz. 1881); "Der arabische Satzbau" (Münch. 1879); "Grammatische Untersuchungen über die Sprache der Brahuis" (das. 1881); "Das Hexaemeron des Pseudo-Epiphanius" (äthiopisch und deutsch, das. 1882); "Der Bedingungssatz im Arabischen" (das. 1882) etc.

Trumscheit (Trumbscheidt, Scheidtholt, Trompetengeige, Tromba marina, Tympanischiza), primitives, in Deutschland im 14.-16. Jahrh. und noch länger beliebtes Streichinstrument, bestehend aus einem langen, schmalen, aus drei Brettchen zusammengesetzten Resonanzkörper, über den eine einzige Saite gespannt war, wenigstens nur eine Griffsaite, während etwa noch hinzugefügte Saiten als Bordune unabänderlich mitgestrichen wurden. Der zweifüßige Steg des Trumscheits war nur mit einem Fuß aufgeleimt, während der andre, wenn die Saite schwang, durch schnelles Berühren des Resonanzbodens einen etwas schnarrenden Ton hervorbrachte.

Truncus (lat.), der Stamm der Bäume etc.; vgl. Stengel und Baum.

Trunkelbeere, s. Vaccinium.

Trunkenheit, im allgemeinen der durch den Genuß betäubender Stoffe, z. B. Opium, Alkohol, Haschisch, Kumys und andrer gegorner Getränke, auf den Organismus hervorgebrachte abnorme Zustand der Gehirnthätigkeit etc. Für gewöhnlich wird die T. erzeugt durch alkoholhaltige (spirituöse) Getränke. Man unterscheidet als den ersten Grad der T. den Rausch. Derselbe gibt sich anfangs in einer Steigerung des ganzen Lebensprozesses kund, die sich besonders als eine höhere gemütliche Anregung im Gemeingefühl durch Heiterkeit und Wohlbehagen, raschern Puls, gerötetes Gesicht, belebte, glänzende Augen, lebhafte, wechselnde Vorstellungen und leicht zu Gemütsbewegungen sich steigernde Gefühle zu erkennen gibt. Beim zweiten Grade, der Betrunkenheit (ebrietas), sind alle jene physischen Erscheinungen gesteigert, zuweilen bis zu einer Art von Tobsucht und Zerstörungswut, das Bewußtsein ist getrübt, die Geistesthätigkeiten verwirren sich, und es entsteht Delirium. Als dritten Grad unterscheidet man die sinnlose Besoffenheit, bei der die sensorische Nerventhätigkeit völlig ruht, so daß dem Menschen Bewußtsein, Empfindung und willkürliche Bewegung verloren gehen. Den zur Gewohnheit gewordenen übermäßigen Genuß spirituöser Getränke bezeichnet man als Trunksucht oder Trunkfälligkeit (ebriositas). Diese hat nach und nach eine dauernde Verderbnis des Bluts, den Alkoholismus oder die Säuferkrankheit, zur Folge. Da das preußische Strafgesetz für Verbrechen, welche im trunkenen Zustand begangen sind, mildernde Umstände bewilligt, so ist es für den Gerichtsarzt wichtig, das Vorhandensein von T. zu konstatieren. Diese Aufgabe erfordert große Vorsicht und Beurteilung des individuellen Falles, da die Menge des genossenen Getränks, welche erforderlich ist, um T. zu bedingen, bei verschiedenen Personen äußerst verschieden groß ist. Jedenfalls wird der Nachweis erbracht werden müssen, daß zur Zeit der strafbaren Handlung ein so starker Rausch bestanden hat, daß dadurch das Bewußtsein getrübt und die freie besonnene Aktion aufgehoben worden ist. S. Trunksucht.

Trunkmaschine, s. Dampfmaschine, S. 468.

Trunksucht, der gewohnheitsmäßige Mißbrauch alkoholischer Getränke, welcher zu einer Schädigung des körperlichen, geistigen und sittlichen Lebens (Alkoholismus) führt. Unmäßiger Alkoholgenuß zerstört alle Gewebe und Systeme des Körpers und vernichtet die normale Konstitution des Individuums und der Rasse. Am frühsten erkrankt der Verdauungsapparat bei dem Trunksüchtigen; auf der anfänglich katarrhalisch erkrankten Magenschleimhaut entstehen Geschwürsbildungen, ein beständiges Gefühl von Druck und Schmerz in der Magengegend, Säurebildung, Appetitlosigkeit, häufiges, bald täglich wiederkehrendes Erbrechen von zähem Schleim, besonders des Morgens, auch Blutbrechen. Der absorbierte Alkohol wird der Leber zugeführt, und je konzentrierter er war, desto früher und desto intensiver sind die Veränderungen dieses Organs. Wein- und Biertrinker erleiden niemals jene schweren Formen der Leberdegeneration wie Schnapstrinker. Fettleber, Lebercirrhose, Entzündung der Leber mit Schwund ihrer Bestandteile, Gelbsuchten sind häufige Krankheiten der Trinker. Bei gewohnheitsmäßigen Trinkern findet sich immer eine Vergrößerung des Herzmuskels (Hypertrophie), später fettige Entartung in demselben und in den Blutgefäßen. Der Katarrh des Kehlkopfes, kenntlich durch die eigentümlich rauh belegte Stimme, geht auf die innern feinen Luftröhrenverzweigungen und Lungenbläschen über; Ausweitungs- und Zerstörungsprozesse führen zur Verkleinerung der Lungenoberfläche, zur Behinderung der Blutzirkulation und des Gasaustausches in den Lungen und erzeugen die bläuliche Gesichtsfarbe und die Kurzatmigkeit der Trinker. Die gesteigerte Thätigkeit der Nieren nach Aufnahme von alkoholischen Getränken führt nicht selten zur sogen. Brightschen Niere, zur Nierenschrumpfung, einer Krankheit, die meist zum Tod führt und auch in der Blutbeschaffenheit der Trinker und in den vielen schädlichen Einwirkungen, Durchnässungen etc., denen Trinker ausgesetzt sind, ihre Ursache findet. Auch der Genitalapparat erleidet bei T. krankhafte Veränderungen. Sehr mannigfach sind die Störungen des Nervensystems. Die Anhäufung von Blut in den Hirnhäuten und im Gehirn selbst, der Austritt von Blut (Schlaganfall) mit der großen Reihe von krankhaften Störungen durch diese Vorgänge, Entzündung der Hirnsubstanz und Schwund, ähnliche Erkrankungen und Veränderungen im Rückenmark und seinen Häuten sind die Ursachen vieler Erscheinungen: Gefühl von Taubheit, Kribbeln, Ameisenlaufen, Empfindungslosigkeit, Muskelzittern,

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Trunksucht (gesetzliche Maßregeln, Trinkerasyle).

Krämpfe, Schwäche und Lähmung der Glieder, Störungen der Intelligenz bis zum vollen Wahn- und Blödsinn und zur allgemeinen Paralyse. Auch das Auge, das Ohr und die Haut werden in ihren Funktionen durch den anhaltenden Mißbrauch der spirituösen Getränke beeinträchtigt. Das Blut der Trinker wird reicher an Wasser und ärmer an Faserstoff und verändert sich in noch unbekannter Weise in seiner Beschaffenheit; in den frühen Stadien des Alkoholismus findet eine exzessive Fettbildung statt. In allen Organen und Geweben tritt eine abnorme Anhäufung von Fett auf, die selbst im Blut sich kenntlich macht. Es ist erwiesen, daß Trinker viel häufiger erkranken als Nichttrinker, nicht nur an den von der toxischen Einwirkung des chronischen Alkoholgenusses direkt verursachten krankhaften Veränderungen der einzelnen Organe, sondern daß sie wegen ihrer gesunkenen Widerstandskraft auch mehr den allgemeinen Krankheitseinflüssen ausgesetzt sind. Die Trinker verfallen auch allen Krankheiten in einem viel intensivern Grad als Nichttrinker; nicht nur, daß bei allen entzündlichen Krankheiten, bei allen operativen Eingriffen und Wundverletzungen jene den Säufern eigentümliche Erkrankung des Gehirns, das Delirium tremens, hinzutritt und den Verlauf der Krankheit sehr erheblich beeinflußt, sondern wegen der schlechten Blutbeschaffenheit und der geschwächten Lebenskraft nehmen die auftretenden, sonst relativ ungefährlichen Krankheiten einen bösartigen Charakter an. Die T. steigert die Sterblichkeit, indem viele Trinker nach Art einer akuten Vergiftung oder nach einem Alkoholexzeß sterben; viel mehr aber gehen an den geschilderten Folgen der T. und an Verunglückungen in der Trunkenheit zu Grunde. Eine beträchtliche Anzahl von Selbstmorden geschehen in und aus T. Die Lebensdauer der Trinker ist in dem Maß verkürzt, daß, während ein normal Lebender im Alter von 20 Jahren eine Lebensdauer von 44,2 Jahren zu erwarten hat, ein Trinker in gleichem Alter nur noch auf 15,6 Jahre rechnen darf. Die in der T. erzeugte Nachkommenschaft ist schwächlich und kränklich und disponiert besonders zu Idiotie, Konvulsionen, Epilepsie etc. In Gegenden, wo T. weit verbreitet ist, zeigt sich die Militärbrauchbarkeit der Jugend herabgemindert. T. erzeugt Müßiggang und Liederlichkeit und wird dadurch eine der wirksamsten Ursachen der Einzel- und Massenarmut, zugleich aber auch der Vermehrung der Verbrecher und der Verbrechen. Mehr als Armut und Unwissenheit ruft T. die Neigung zum Verbrechen hervor und beschönigt sie.

In dem Kampf gegen die T. sind nur solche Mittel anzuwenden, die, den Anschauungen des Volkes angepaßt, auf Anerkennung und Mitthätigkeit der Gesellschaft rechnen dürfen. Auch hier sollte man nur das zu erreichen suchen, was zu erreichen möglich ist. Die absolute Unterdrückung des Genusses alkoholischer Getränke, die von vielen Seiten zum Prinzip erhoben ist, wird nur in sehr beschränktem Maß zu erreichen sein und nur in einzelnen Ländern ein erstrebenswertes Ziel bleiben. Der Kampf gegen die T. ist mit großer Energie von Vereinigungen selbstloser Männer unter verschiedenen Formen und nicht ohne Verirrungen geführt wordene (s. Mäßigkeitsvereine). Die gesetzlichen Maßregeln gegen die T. haben nicht immer den beabsichtigten Erfolg gehabt, weil sie aus fiskalischen Gründen nicht immer streng durchgeführt werden, weil sie leicht zu umgehen sind, und weil es fast unmöglich ist, eingewurzelte Gewohnheiten und Neigungen aus dem Volk durch das Gesetz mit einemmal zu vertilgen. So hat das Gesetz, welches den Verkauf aller spirituösen Getränke bei hohen Strafen absolut verbietet und 1851 im Staat Maine (Liquor Maine law) und später auch in mehreren andern Staaten von Nordamerika eingeführt wurde, in keiner Weise bewirkt, was seiner Rigorosität und den Anstrengungen, es durchzuführen, entspricht. Als wirksame Angriffspunkte der Gesetzgebung sind die Verminderung der Zahl der kleinen Brennereien, namentlich der Hausbrennereien, anzusehen, ferner die Einschränkung des Kleinhandels mit Spirituosen, Verminderung der großen Zahl der Schankstellen durch strenge Prüfung der Bedürfnisfrage und der Moralität des Schenkwirts. (England: Gesetze von 1828 und 1872, nach denen der Betrieb eines Schankgewerbes nur auf Grund einer alljährlich zu erneuernden Konzession gestattet ist. Gesetze in Norwegen 1871, in Schweden 1857 und 1869, nach denen in jeder Gemeinde die Zahl der Schenken durch die Behörde unter Mitwirkung der Gemeindeorgane festgesetzt und die Schenken auf bestimmte Zeit an den Meistbietenden verpachtet werden; niederländisches Gesetz von 1881, in Kraft getreten 1885; Gesetz für Galizien und die Bukowina von 1877, weitergehende Bestimmungen enthält ein für ganz Österreich geplantes "Gesetz zur Hintanhaltung der Trunkenheit". Entsprechende Bestimmungen für Deutschland enthalten die Gewerbeordnung von 1869, die Ergänzungsgesetze vom 23. Juni 1879 und vom 7. Mai 1883, dann das Reichsstrafgesetz, § 361. Weiter als letzteres Gesetz gehen die Polizeistrafgesetze einzelner Bundesstaaten sowie Gesetze in Schweden [1864], England [1872], Frankreich [1873] etc., welche diejenigen mit Strafe bedrohen, welche in Wirtschaften, auf der Straße oder an andern öffentlichen Plätzen im Zustand offenbarer oder Ärgernis erregender Trunkenheit gefunden werden.) Weniger zuverlässig ist die Branntweinsteuer, weil eine zu hohe Besteuerung die Defraudation geradezu provoziert, während eine zu geringe Steuer den Alkoholkonsum allerdings ganz direkt begünstigt.

Nachahmenswert ist die Maßnahme, die in Schweden, zuerst in Gotenburg (gotenburgisches System), ergriffen ist, um die Zahl der Schankstellen zu vermindern und die Beförderung des Alkoholkonsums durch die Habgier der Schenkwirte zu verhüten. Hier hat sich eine Aktiengesellschaft gebildet, um die Schankstellen (s. oben) anzukaufen und ohne jeden Nutzen für sich den Handel im Sinn der Mäßigkeit zu betreiben. In einzelnen Staaten von Nordamerika wird der Schenkwirt gesetzlich für alle Folgen der Trunkenheit, zu welcher er verholfen, haftbar, so daß er bei Verunglückungen eines Trinkers an dessen Familie Schadenersatz leisten muß und auch mit bestraft werden kann, wenn ein Trinker, dem er die Getränke verabfolgt, ein Verbrechen begeht. Von größter Bedeutung sind die Trinkerasyle zur Heilung Trunksüchtiger. In diesen Anstalten, in welchen nicht die unbeugsame Strenge eines Gefängnisses, aber auch nicht die nachsichtige Zucht einer Krankenanstalt herrschen darf, sollen alle Personen zwangsweise verwahrt werden, welche durch T. die Herrschaft über sich verloren haben, die Pflichten gegen sich und ihre Angehörigen anhaltend vernachlässigen, sich und andern eine Gefahr werden können. In diesen Asylen sollen ferner diejenigen Personen untergebracht werden, welche in der Trunkenheit eine gesetzwidrige Handlung begangen haben und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt sind. Das erste Trinkerasyl wurde 1857 in Boston errichtet, bald waren alle Staaten der Union diesem Beispiel gefolgt, und noch

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Trupial - Truppen.

jetzt ist die Zahl dieser staatlichen und privaten Asyle im Zunehmen begriffen. Diese Asyle werden teils durch Beiträge von Privaten, teils auch mit Unterstützung von seiten des Staats oder auch ganz auf Kosten des letztern unterhalten. Das Washingtonian Home in Boston, das älteste Institut dieser Art, das anfangs nur durch Privatwohlthätigkeit erhalten wurde und sehr bald so ausgezeichnete Erfolge aufweisen konnte, daß der Staat ihm eine jährliche Unterstützung von 5000 Dollar zuwies, wurde 1869 als eine Staatsanstalt anerkannt. In dieser Anstalt waren 1857-72: 3811 trunksüchtige Personen behandelt worden, von denen mehr als die Hälfte aus freien Stücken zugegangen und die andern auf richterlichen Ausspruch zugebracht waren. Von 400 Kranken, die 1875 hier behandelt waren, gehörten 189 den wohlhabenden Ständen an. Das Prinzip der Behandlung bestand hier in der vollen Enthaltsamkeit von allen berauschenden Getränken, in der Beseitigung jedes Zwanges, in der Wiederherstellung der körperlichen Gesundheit und in der Kräftigung des sittlichen Moments. Bis zum 1. Mai 1876 sind in dieser Anstalt ca. 5000 Kranke behandelt worden, und es soll wenigstens ein Drittel vollkommen geheilt, ein Drittel erheblich gebessert und würde von dem letzten Drittel auch noch ein erheblicher Teil unter andern günstigen Verhältnissen gebessert sein. Ein Trinkerasyl in Brooklyn (The Inebriate Home for Klug's County, Brooklyn, New York), welches 1866 durch Privatmittel gegründet wurde, nimmt lediglich Personen auf, die wegen T. zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden. Hier ging man von der sehr richtigen Erfahrung aus, daß solche Personen in den Gefängnissen eher verschlechtert als gebessert würden, und daß anstatt der bisherigen Bestrafung eine eigne Behandlung der Trinker eintreten müsse. Ein besonderes Gesetz ermächtigt, daß alle verurteilten Gewohnheitstrinker aus den Grafschaftsgefängnissen in diese Anstalt verbracht werden, und daß der Richter trunksüchtige Personen bis auf ein Jahr in dieses Institut verbringen lassen könne. Die Kranken, Männer und Weiber, werden in besondern Werkstätten und beim Landbau zwangsweise beschäftigt. Über den Wert dieser Einrichtungen ist ein vollgültiges Urteil noch nicht gesprochen. Man macht den amerikanischen Asylen den Vorwurf, daß sie ihre Insassen, die durchaus nicht immer als Kranke gelten können, mit zu vieler Sentimentalität und Milde behandeln, so daß diese Leute in ihren Neigungen und in ihren lästerten Angewohnheiten eine gewisse Glorifizierung erblicken, daß nicht überall nach geordneten strengen Grundsätzen verfahren werde, daß in einzelnen Anstalten die Insassen selbst leicht zu dem Genuß von Spirituosen gelangen können, daß mehrere Anstalten unter der Verwaltung von Nichtärzten sich befinden, und daß dies im ärgsten Widerspruch mit dem immer proklamierten und hervorgehobenen Grundsatz steht, daß T. eine Krankheit sei (intemperance is a disease). Indessen sind die angeführten Thatsachen durchaus nicht geeignet, den Grundwert dieser Einrichtung, den hohen Nutzen derselben und ihre Nachahmungswürdigkeit zu diskreditieren. In England haben schon seit vielen Jahren ganz vornehmlich die Irrenärzte die Zweckmäßigkeit und die unentbehrliche Notwendigkeit solcher Anstalten hervorgehoben und verlangt. Privatasyle haben hier mehrfach schon seit Jahren existiert, und vielfältig ist hier die Frage erörtert worden, ob nach der bestehenden Gesetzgebung trunksüchtige Personen in Irrenanstalten aufgenommen werden dürfen. Aber auch hier war die Ansicht vorherrschend, daß zur Aufnahme und Behandlung von Gewohnheitstrinkern ganz besondere Anstalten vorhanden sein müßten, daß ihre Einschließung auf gesetzlichem Wege geregelt und bis auf ein Jahr ausgedehnt werden müßte. Ein 1880 auf die Dauer von zehn Jahren in Kraft getretenes Gesetz läßt jedoch nur Privatinstitute zu, und in diese können Personen freiwillig eintreten, wenn sie ihren Willen in einem schriftlichen Antrag erklärt haben, und wenn dieser Antrag von zwei angesehenen Bürgern, welche vor einem Friedensrichter bezeugen, daß der Antragsteller ein Gewohnheitstrinker sei, mit unterzeichnet worden. Diese Asyle dürfen nur auf eine besondere Lizenz hin errichtet werden, und wie die Irrenanstalten werden auch sie alljährlich von königlichen Beamten inspiziert. Auch in Deutschland hat man Trinkerasyle aus Privatmitteln errichtet. In sehr wirksamer Weise wird die T. bekämpft durch Beförderung der Verbreitung derjenigen Getränke, die einen Ersatz für den Branntwein gewähren: Begünstigung des Konsums von leichtem Wein und besonders von gutem, billigem Bier, von Kaffee und Thee. In England hat man von philanthropischer Seite große Kaffeehäuser für die arbeitenden Klassen errichtet. Ebenso wichtig ist die Förderung des körperlichen Wohls der arbeitenden Klassen durch Beschaffung billiger und gesunder Nahrungsmittel und menschenwürdiger Wohnung, die Stärkung des sittlichen Gefühls im Volk durch Hebung des Wissens und der Bildung vermittelst der Schule und der Kirche. Volksbibliotheken, belehrende Vorträge, Theater mit sittlicher Tendenz, Museen, Arbeitervereine erweisen sich mit der Verbreitung von gesunder Aufklärung als gute Waffen gegen den gemeinsamen Feind des Volksglücks, gegen die T. Vgl. Huß, Chronische Alkoholkrankheit (a. d. Schwed., Stockh. 1852); Baer, Der Alkoholismus (Berl. 1878); Monin, L'alcoolisme (Par. 1888); "Mitteilungen zur Bekämpfung der T." (hrsg. von Böhmert u. a., Leipz. 1889 ff.).

Trupial (Icterus Briss.), Gattung aus der Ordnung der Sperlingsvögel, der Familie der Stärlinge (Icteridae) und der Unterfamilie der Beutelstare (Icterinae), Vögel mit schlankem, fein zugespitztem, auf der Firste gerundetem, schneppenartig in das Stirngefieder eingreifendem, durch hohen Mundwinkel ausgezeichnetem Schnabel, ziemlich kräftigen, langzehigen Füßen mit hohen, stark gekrümmten Nägeln, ziemlich langen Flügeln, unter deren Schwingen die zweite die längste ist, langem, abgerundetem, seitlich stufig verkürztem Schwanz. Der Baltimorevogel (I. Baltimore L.), 20 cm lang, 30 cm breit, an Kopf, Hals, Kehle, Mantel, Schultern, Flügeln und den beiden mittelsten Schwanzfedern schwarz, an den Oberflügeldecken, dem Bürzel und den Oberschwanzdeckfedern und den übrigen Unterteilen feurig orange, auf den Flügeln mit breiten, weißen Querbinden, die äußern Schwanzfedern halb orange, halb schwarz; das Auge ist braun, Schnabel und Fuß grau. Er bewohnt die Oststaaten Nordamerikas, geht im Winter bis Westindien und Mittelamerika, lebt besonders an Flußufern, baut ein an Baumzweigen hängendes, sehr künstlich geflochtenes Nest und legt 4-6 blaßgraue, dunkler gefleckte und gestrichelte Eier. Ernährt sich im Frühjahr fast ausschließlich von Kerbtieren, aber im Sommer richtet er an Feigen und Maulbeeren oft großen Schaden an. Wegen seines angenehmen Gesangs hält man ihn viel im Käfig.

Truppen, militärische Abteilungen, die ihrer Organisation nach ein in sich geschlossenes Ganze bilden, z. B. Bataillon, Regiment. Im Gegensatz zu den

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Truppenverbandplatz - Tsad.

Garden unterscheidet man Linientruppen, zu den T. der aktiven Armee Reserve-, Landwehr- und Landsturmtruppen, reguläre, irreguläre und Miliztruppen. Truppenkorps bestehen aus gemischten Waffen; T.- oder Waffengattungen unterscheiden sich nach ihrer Ausrüstung, Bewaffnung, Kampfweise etc. als Infanterie, Kavallerie, Feld- und Fußartillerie etc. Truppenkörper, Truppenteil bezeichnen gewisse Einheiten verschiedener Größe. Truppenfahrzeuge, s. Bagage.

Truppenverbandplatz, bei jedem größern Gefecht von dem beteiligten Truppenteil durch Aufstellung seines Medizinwagens, bez. Medizinkastens errichteter Verbandplatz, auf welchem die Hälfte der Ärzte und Lazarettgehilfen verbleiben. Derselbe soll dem Gewehrfeuer möglichst entgegen und leicht zugänglich sein. Hier erhalten die Verwundeten die erste Hilfe. Die Truppenverbandplätze sind möglichst bald mit dem Hauptverbandplatz zu vereinigen, damit Personal und Material derselben baldthunlichst sich ihren Truppenteilen wieder anschließen können.

Truro, 1) Stadt in der engl. Grafschaft Cornwall, am gleichnamigen Fluß, der hier in den Falmouthhafen mündet, die schönste Stadt der Grafschaft, mit neuer Kathedrale, Museum, anglikan. Seminar, Schmelzhütten, Papiermühlen u. (1881) 10,619 Einw. -

2) Stadt in der britisch-amerikan. Provinz Neuschottland, am obern Ende der Cobequidbai, in fruchtbarer Gegend, mit (1881) 3461 Einw.

Trüsche, s. Quappe.

Truthuhn (Meleagris L.), Gattung aus der Ordnung der Hühnervögel (Rasores) und der Familie der Hokkovögel (Cracidae), große, hochbeinige, kurzflügelige und kurzschwänzige Vögel mit unbefiedertem, warzigem Kopf und Oberhals, zapfenförmiger, ausdehnbarer Fleischklunker an der Oberschnabellade und schlaffer Haut an der Gurgel, kurzem, starkem, oben gewölbtem und gebogenem Schnabel, ziemlich hohen, langzehigen Füßen, sehr gerundeten Flügeln und aufrichtbaren Schwanzfedern; einzelne Federn der Vorderbrust wandeln sich in borstenartige Gebilde um, welche das übrige Gefieder an Länge weit überragen. Das T. (Puter, kalikutisches Huhn, M. Gallopavo L.), 100-110 cm lang, bis 150 cm breit, ist oberseits bräunlichgelb, metallisch schimmernd, mit schwarz gesäumten Federn, am Unterrücken und an den Schwanzdeckfedern dunkelbraun, grün und schwarz gebändert, auf der Brust gelblichbraun, am Bauch und an den Schenkeln bräunlichgrau, in der Steißgegend schwarz, Schwingen und Steuerfedern schwarzbraun, letztere schwarz gewellt, an den nackten Kopf- und Halsteilen blau mit roten Warzen; der Schnabel ist hornfarben, das Auge gelbblau, der Fuß violett oder rot. Das T. lebt in Ohio, Kentucky, Illinois, Indiana, Arkansas, Tennessee und Alabama in großen Waldungen, zeitweilig gesellig, macht unregelmäßige Wanderungen, geht im Herbst in Gesellschaften, die nur aus Männchen oder aus Weibchen mit den Jungen bestehen, in das Tiefland des Ohio und Mississippi, immer zu Fuß wandernd und nur mit Überwindung größere Ströme überfliegend. Nachts ruhen sie auf Bäumen. Die Henne legt in einer seichten Vertiefung 10-15 oder 20 bräunlichgelbe, rot punktierte Eier und bebrütet diese mit großer Treue; namentlich gegen Ende der Brutzeit verläßt die Henne das Nest unter keiner Bedingung. Bisweilen benutzen mehrere Hennen ein gemeinsames Nest. Das T. frißt Gras und Kräuter, besonders Pekannüsse und die Früchte der Winterrebe, Getreide, Kerbtiere etc. Nicht selten mischen sich abgemattete Truthühner gezähmten Hühnern bei, gehen in die Ställe, begatten sich auch mit zahmen Truthennen. Von letztern ausgebrütete Eier der wilden Hühner liefern Junge, welche fast vollständig zahm werden. Man jagt das T. mit großem Eifer, ähnlich wie den Auerhahn, fängt es aber auch ohne Mühe in Fallen. Schon früh hat man angefangen, es zu züchten, und gegenwärtig ist es sehr verbreitet. Man findet es überall auf Hühnerhöfen, doch ist es seines jähzornigen, zanksüchtigen Wesens halber wenig beliebt; seine Dummheit ist erstaunlich, und namentlich wenn es Küchlein führt, gebärdet es sich oft lächerlich. Man hält auf einen Hahn 4-10 Hennen und läßt sie ein-, auch zweimal im Jahr brüten. Die Zahl der Eier beträgt 12-24. Die Henne brütet sehr eifrig vier Wochen (man benutzt sie auch als zuverlässigste Brüterin in der Hühnerzucht), und man muß Futter und Wasser ganz in die Nähe stellen, den Hahn aber und andre Hennen entfernt halten. Die jungen Hühnchen sind sehr weichlich, dumm und ungeschickt und müssen sehr sorgfältig vor Nässe, auch vor zu starker Hitze geschützt und mit gekochten Eiern, gemischt mit Brotkrume, Grütze, gequetschtem Hanfsamen und gehacktem Grünzeug gefüttert werden. Nach vier Monaten kann man sie auf Stoppelfelder und Wiesen treiben. Für den Markt werden sie gemästet. Zweijährige Truthühner wiegen oft 10-15 kg. Das Fleisch ist sehr geschätzt, und ein mit Trüffeln gefüllter Truthahn gilt namentlich in Frankreich als beliebtester Braten. Das T. kam ziemlich früh nach Europa, Gyllius erwähnt es als Hausvogel der Europäer; in England soll es 1524, in Deutschland zehn Jahre später, bald darauf auch in Frankreich eingeführt worden sein. 1557 war es aber noch so kostbar, daß der Rat von Venedig bestimmte, auf welche Tafel "indische Hühner" kommen durften. Gegenwärtig ist es wohl am häufigsten in Spanien, wo man Herden von mehreren hundert Stück trifft. Vgl. Rodiczky, Monographie des Truthuhns (Wien 1882); Mariot-Didieux, Die Truthühnerzucht (2. Aufl., Weim. 1873); Schuster, Das T. (Kaisersl. 1879).

Trutta, Lachs.

Trutzfarben, s. Darwinismus, S. 566.

Trutzwaffen, die Angriffs-, Kampfwaffen, gegenüber den Schutzwaffen.

Truxillo, s. Trujillo.

Trybock, mittelalterliche Kriegswurfmaschine, s. v. w. Balliste.

Trygon, s. Rochen.

Trypeta, Bohrfliege.

Tryphiodoros (richtiger Triphiodoros), griech. Dichter zu Ende des 5. Jahrh. n. Chr., aus Ägypten, Verfasser eines epischen Gedichts von der "Eroberung Trojas" in 691 Versen. Ohne dichterischen Schwung, ist es in leidlicher Sprache geschrieben (hrsg. von Wernicke, Leipz. 1819, und Köchly, Zürich 1850; deutsch von Torney, Mitau 1861).

Tryphoniden (Tryphonides), s. Schlupfwespen.

Trypograph (griech.), s. Hektograph.

Trypsin, s. Bauchspeichel.

Trzemeszno, Stadt, s. Tremessen.

Tsad (Tschad), großer Süßwassersee im Sudân (Afrika), stellt das Zentrum der Abflachung dar, in welcher sich die Abflüsse Bornus, Bagirmis, der Länder im S. Wadais und eines Teils der Haussastaaten sammeln,und liegt zwischen 12°30'-14°30' nördl. Br. und 13°-15° östl. L. v. Gr. in 244 m Meereshöhe (s. Karte "Oberguinea"). Im SO. setzt sich derselbe durch das gelegentlich von ihm überströmte, 500 km lange, nach NO. ziehende Thal des Bahr el Ghazal

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Tsanasee - Tschandarnagar.

oder Gazellenflusses (s. d. 2) fort, welches in den Niederungen von Egai und Bodele endigt. Während der See aus der Wüste im N. keine Zuflüsse erhält, münden von W. her der spärlich Wasser führende Waube, von S. der gleichfalls nicht bedeutende Mbulu und von SO. der allezeit wasserreiche Schari in denselben. Der T. hat einen sehr schwankenden Wasserstand, der im November infolge der Flut des Schari am höchsten ist; seine Ufer sind teilweise ganz unbestimmt, man schätzt seinen Flächeninhalt aus 27,000 qkm (fast 500 QM.). Er hat eine dreieckige Gestalt und besteht in seinem westlichen Teil aus offenem Wasser, während der östliche nur ein netzartig verzweigtes Gewirr von Wasseradern mit zahlreichen Inseln ist, auf denen das Volk der Jedina oder Budduma haust. Sind die Regenfälle sehr stark, so müssen die Inselbewohner wohl auf das Uferland flüchten, während lange Trockenheit die Vereinigung der Inseln mit dem Ufer herbeiführt. Häufig sind die Ortschaften an den Ufern durch die Anschwellungen des Sees vernichtet worden. Nahe dem Westufer liegt Kuka, die Hauptstadt Bornus. Die Umwohner sind Kanembu, Bornuaner, im SO. nomadisierende Araber. Die ersten Europäer, welche den See erblickten, waren Clapperton, Denham und Oudney; der erste aber, welcher ihn befuhr, war oer Deutsche A. Overweg (1851); Vogel untersuchte ihn 1853, Nachtigal 1870. Vgl. Nachtigal in der Berliner "Zeitschrift für Erdkunde" (Bd. 12); Derselbe, Sahara und Sudân, Bd. 2 (Berl. 1880).

Tsanasee, s. Tanasee.

Tsang, Getreidemaß, s. Thang.

Tsch..., slaw. Worte, die hier vermißt werden, suche man unter C oder Cz...

Tschabuschnigg, Adolf, Ritter von, österreich. Staatsmann und Dichter, geb. 9. Juli 1809 zu Klagenfurt, studierte in Wien die Rechte, trat 1832 in den Staatsdienst, ward 1850 Oberlandesgerichtsrat in Klagenfurt, 1854 in Graz, 1859 Hofrat beim obersten Gerichtshof in Wien, 1861 Mitglied des Reichsrats, 1870 des Herrenhauses, war vom 12. April 1870 bis 4. Febr. 1871 Justizminister im Kabinett Potocki; starb 1. Nov. 1877. Er schrieb: "Gedichte" (Dresd. 1833; 4. Aufl., Leipz. 1872); "Neue Gedichte" (Wien 1851); "Aus dem Zauberwalde", Romanzenbuch (Berl. 1856); Novellen und Romane: "Die Ironie des Lebens" (Wien 1841), "Der moderne Eulenspiegel" (Pest 1846), "Die Industriellen" (Zwick. 1854), "Sünder und Thoren" (Brem. 1875) u. a. Seine "Gesammelten Werke" erschienen Bremen 1875-77, 6 Bde. Vgl. v. Herbert, A. Ritter v. T. (Klagenf. 1878).

Tschad, See, s. Tsad.

Tschadda, Nebenfluß des Niger, s. Binuë.

Tschadir (türk., "Zelt"), in Persien Name des langen Stückes blauer Leinwand, in welches die Perserinnen sich außer dem Haus einhüllen.

Tschagatai (Dschaggatai), der zweite Sohn des Dschengis-Chan, dem nach dessen Tode die Länder am Oxus und Jaxartes, die Bucharei und Turkistan zufielen, die in jenen Teil des mongolischen Reichs einverleibt wurden, welcher unter dem Namen "Chanat von Tschagatai" von den uigurischen Pässen bis nach Amaje am Oxus sich erstreckte. T. starb 1241, seine Nachkommen behaupteten sich bis auf Timur.

Tschagischer Thee, die Blätter der sibir. Saxifraga crassifolia, werden in Rußland als Thee benutzt.

Tschai (türk.), Fluß.

Tschaïken (Csaïken), kleine galeerenartige, mit Segeln und Rudern versehene Boote, welche, mit Kanonen und Haubitzen ausgerüstet, im ehemaligen österreichisch-ungarischen Militärgrenzland zur Beschützung und Bewachung der Wassergrenze gegen die Türken dienten. Es waren 25 solcher Schiffe im Gang, mit 1-8 Kanonen und mit dem Tschaikistenbataillon bemannt, das den Marktflecken Titel (Titul) an der Theißmündung zum Stabsort hatte.

Tschaikowsky, Peter Iljitsch, Komponist, geb. 25. Dez. 1840 auf dem Hüttenwerk Wotkinsk im Gouvernement Perm im östlichen Rußland, studierte Rechtswissenschaft in Petersburg und arbeitete von 1859 an im Justizministerium, bis er, seiner Neigung zur Musik folgend, den Staatsdienst verließ und in das von A. Rubinstein neubegründete Konservatorium eintrat. Nach Absolvierung seiner Studien (1866), und nachdem er für eine Kantate nach Schillers Gedicht "an die Freude" die Preismedaille errungen, erhielt er die Stelle eines Kompositionslehrers am Konservatorium zu Moskau, die er bis 1877 bekleidete, in welchem Jahr er aus Gesundheitsrücksichten seine Entlassung nahm. T. lebt seitdem zurückgezogen teils in Italien und in der Schweiz, teils in Rußland. Seine namhaftesten Werke sind: die Opern "Vakula der Schmied" und "Eugen Onägin", "Opritschnik", 4 Symphonien, die symphonischen Dichtungen: "Der Sturm", "Romeo und Julie", "Francesca da Rimini", 3 Streichquartette, 2 Klavierkonzerte, Sonaten und andre Klavierstücke, Kompositionen für Violine und Violoncello etc. Auch veröffentlichte er eine "Harmonielehre" und eine russische Übersetzung von Gevaerts "Traité d'instrumentation".

Tschako (ungar. Czakot), eine seit dem Anfang dieses Jahrhunderts übliche militärische Kopfbedeckung in Form einer hohen Mütze, entweder oben und unten gleich weit, oder oben schmäler als unten, wie der jetzige T. der Jäger und des Trains, oder oben breiter als unten, in welcher unpraktischen Form er überall verschwunden ist; gewöhnlich von Filz, mit ledernem Deckel und Kopfrand, vorn mit einem Schild versehen.

Tschamara (tschech.), mit einer engen Reihe kleiner Knöpfe besetzter Schnurrock mit niedrigem Stehkragen, tschechische Nationaltracht.

Tschambal, Hauptfluß der Landschaft Malwa in Zentralindien, entspringt im Windhyagebirge, fließt gegen NO. und mündet in die Dschamna; 689 km lang.

Tschambesi, Fluß in Zentralafrika, mündet an der sumpfigen Ostseite des Bangweolosees und könnte somit als Quellfluß des Congo angesehen werden.

Tschanak-Kalessi ("Topfburg"; bei den Europäern Dardanellen genannt), Hauptstadt des zum türk. Wilajet Karasi gehörigen, etwa die alte Landschaft Troas umfassenden Liwa Bigha, an der engsten Stelle des Hellespont auf asiatischer Seite gelegen, Sitz zahlreicher militärischer und Zivilbehörden, eines internationalen Telegraphenamtes, eines Quarantäne- und Hafenamtes, mit über 7000 Einw. (zur Hälfte Mohammedaner). T. ist Transithafenplatz für Holz, Galläpfel, Wolle und Getreide, betreibt Schiffbau, exportiert viel Töpferwaren und hat ein Regierungsgebäude, eine Kaserne, 10 Moscheen, 3 Kirchen, 2 Synagogen, 9 türkische, 4 christliche und 2 jüd. Schulen, 11 Vizekonsulate etc. Am Meer das alte Fort Kale Sultanie, dessen Name häufig für die Stadt selbst gebraucht wird.

Tschandal, eine der niedrigsten Hindukasten in Bengalen und Assam, nichtarischen Bluts und 1881: 1,749,608 Köpfe stark. Sie sind sehr geschickte Schiffer, kräftig und waren von den Ariern tief verachtet, aber zugleich auch gefürchtet; sie bekennen sich zum Teil zum Islam.

Tschandarnagar (Chandernagur), franz. Enklave in der britisch-ind. Provinz Bengalen, am Hugli,

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Tschang - Tschechische Litteratur.

^85 km oberhalb Kalkutta, 10 qkm groß mit (1885) 25,842 Einw., steht unter einem von dem Generalgouverneur in Ponditscherri abhängigen Beamten und hatte 1883 eine Einnahme von 210,009, eine Ausgabe von 166,500 Frank. T. erhält von der britisch-indischen Regierung jährlich 300 Kisten Opium unter der Bedingung, daß es selbst kein Opium bereitet. Es wurde 1673 von den Franzosen besetzt, der Ort erlangte schnell große Bedeutung als Handelsplatz, wurde von den Engländern mehrmals erobert, 1815 endgültig zurückgegeben, hat sich aber nicht wieder erholen können. Vgl. Fras, Études sur Chandernagor (Lyon 1886).

Tschang, Längenmaß in China, à 10 Tschih; im Zollamt nach englischen Verträgen = 3,58, nach französischen = 3,55 m.

Tschangscha, s. Hunan.

Tschantabon, Handelsstadt im südöstlichen Siam, an der Mündung des gleichnamigen Küstenflusses in den Golf von Siam, mit angeblich 6000 Einw.

Tschapat (türk.), Post, das Postwesen, auch Postreiter in Persien. T.-Chan, Poststation.

Tschardaken, Wachthäuser an der österreichisch-türk. Militärgrenze für Militär- und Zeltwache und den Pestkordon. Vgl. Karaul.

Tschardas, s. v. w. Csárdás.

Tscharka, Flüssigkeitsmaß, s. Kruschka.

Tscharnikau, s. Czgrnikau.

Tschaslau (tschech. Cáslav), Stadt in Ostböhmen, in fruchtbarer Ebene, an der Österreichischen Nordwestbahn, Sitz einer Bezirkshauptmannschaft, einer Finanzbezirksdirektion und eines Bezirksgerichts, hat eine Dechanteikirche mit hohem Turm, eine neue evang. Kirche, ein schönes Rathaus, ein Denkmal Ziskas, ein Theater, ein Untergymnasium, eine tschechische evang. Lehrerbildungsanstalt, eine Rübenzuckerfabrik (außerdem 7 in der Umgebung von T., einem Hauptsitz dieser Industrie), Bierbrauerei, Dampfmühlen, Fabrikation von Spiritus, Preßhefe, Seife und (1880) 7178 Einw. Von T. führt eine Lokalbahn nach Butschitz (mit Zuckerfabrik und Eisenwerk Hedwigsthal) und Zawratetz. T. ist sehr alt, war ein Hauptplatz der Hussiten und litt sehr im Dreißigjährigen Krieg.

Tschataldscha, 1) Städtchen 60 km westlich von Konstantinopel, an der Eisenbahn nach Adrianopel, nach welchem die umfangreichen, 1878 zum Schutz Konstantinopels errichteten Verteidigungswerke benannt werden; Sitz eines Mutefsarif. -

2) Früherer türk. Name der jetzt griech. Stadt Pharsalos (s. d.).

Tschatschak, Hauptstadt eines Kreises im Königreich Serbien, rechts an der Morawa, mit Kirche, Untergymnasium und (1884) 3137 Einw. Hier zweimal (1806 und 1815) Sieg der Serben über die Türken. Der Kreis umfaßt 3164 qkm (57,4 QM.) mit (1887) 82,358 Einw.

Tschausch (türk.), ehemals Leibgardist oder Polizist, deren Vorgesetzter (T.-Baschi) mit wichtigen Staatsfunktionen betraut war; jetzt s. v. w. Wachtmeister, auch Vorreiter eines Wesirs; in Persien Unternehmer und Anführer von Pilgerkarawanen; in Serbien der Spaßmacher bei der Hochzeit.

Tschaussy, Kreisstadt im russ. Gouvernement Mohilew, hat eine griechisch-orthodoxe und eine Uniertenkirche, Fabriken in Leder, Wolle, Seife und Talg und (1885) 5202 Einw., zur Hälfte Juden.

Tschautschau, Handelsstadt in der chines. Provinz Fukien, mit katholischer und evang. Mission und angeblich 1 Mill. Einw. T. sollte nach dem Vertrag von Tientsin (1858) den Fremden als Vertragshafen geöffnet sein. Da es aber infolge seiner Lage oberhalb der Mündung des Han der Schiffahrt schwer zugänglich ist, so wird das an der Mündung gelegene Swatau (s. d.) als Vorhafen benutzt.

Tschay (Czay), Mischung von Thee, Zucker und Rum oder Rotwein; auch ein aus gestoßenem Mais, heißem Wasser, Zucker und Rum bereitetes, in Rußland und Ungarn sehr beliebtes Getränk.

Tschebokssary, Kreisstadt im russ. Gouvernement Kasan, an der Wolga, mit 12 Kirchen, dem Troizti-Kloster mit wundertätigem Bilde des heil. Nikolaus und (1885) 5081 Einw., welche Juftengerberei und Handel mit Honig und Wachs treiben.

Tschech, Heinrich Ludwig, geb. 1789 zu Klein-Kniegnitz in Schlesien, studierte die Rechte und wurde Bürgermeister in Storkow. Aus Privatrache machte er 26. Juli 1844 in Berlin einen Mordversuch auf Friedrich Wilhelm IV. und wurde 14. Dez. d. J. in Spandau enthauptet.

Tschechen (Tschechoslawen, ^Ce^si), Volksstamm der Nordslawen in der österreichisch-ungar. Monarchie, vorwiegend in Böhmen und Mähren seßhaft, wohin sie zu Ende des 5. Jahrh. n. Chr. aus dem Karpathenland an der obern Weichsel nebst andern verwandten Stämmen einwanderten. In Böhmen erlangten sie bald ein solches Übergewicht, daß ihr Name bereits im 9. Jahrh. die allgemeine Bezeichnung für sämtliche im Land wohnende Slawen ward und Böhmen selbst die Bezeichnung Tschechy erhielt. Ihr Name stammt nach gewöhnlicher Annahme von ihrem ersten Anführer, Tschech. Der tschechische Stamm umfaßt außer den eigentlichen T. in Böhmen auch die Mähren oder mährischen T. (Moravani) in Mähren (im westlichen Gebirge Horaken, in der Hanna Hannaken, im östlichen Gebirge Walachen genannt), zum Teil auch in Schlesien, ferner die Slowaken im nordwestlichen Teil Ungarns. Sonst sind die T. in einzelnen Ansiedelungen auch in andern Kronländern vertreten. Ein starker Zuzug tschechischer Handwerker und Arbeiter (namentlich Erd- und Bauarbeiter) findet nach Niederösterreich, insbesondere nach Wien statt. Die Gesamtzahl der T. beträgt 7,14 Mill. Die tausendjährige Anstrengung, das eigne Wesen vor dem mächtigern Deutschtum zu retten, hat dem T. manchen Charakterzug aufgedrückt, der sonst den Slawen fremd ist: Mißtrauen, Verschlossenheit und eine gewisse verbitterte nationale Erregtheit, da er sich immer durch den Deutschen gedrückt meint, hinter dem er, mit Vorliebe dem Ackerbau obliegend, in Gewerbe und Handel zurückbleibt. Seine Natur zeigt aber manche schöne Eigenschaften. Er ist arbeitsam, tüchtig als Soldat und Beamter, hat natürlichen Verstand und rege Phantasie, faßt schnell, eignet sich leicht fremde Sprachen an und treibt gern Poesie, Musik und Wissenschaft. Eine gemeinsame Nationaltracht aus älterer Zeit hat sich nicht erhalten; dagegen besitzen einzelne Gegenden, wie die Hanna, malerische Kostüme. Die volkstümliche Bauart des Block- und Pfahlwandbaues mit geringer Breite des Hauses, hohem Dach u. waldkantig behauenen Blöcken, die auf gemauertem Unterbau ruhen, und deren Zwischenräume mit Lehm und Moos verstopft sind, hat sich nur im östlichen Teil Böhmens erhalten. Weiteres s. in den Artikeln "Böhmen", "Österreich", "Slawen" etc. Vgl. Vlach, Die ^Cecho-Slawen (Teschen l883).

Tschechische Litteratur. Die t. L. hat sich unter den slawischen Literaturen am frühsten entwickelt, wurde jedoch in der hussitischen Zeit von theologisch-polemischen Schriften überflutet und durch die Reaktion nach der Schlacht am Weißen Berg (1620) fast voll-

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Tschechische Litteratur (bis zum 16. Jahrhundert)

ständig unterbrochen. In den 20er Jahren des 19. Jahrh. beginnt ihre Erneuerung und zwar vorwiegend in wissenschaftlicher Richtung unter starker Anlehnung an gesamtslawische Ideen.

I. Periode.

Von den ältesten Zeiten bis zu Huß (800-1410).

Die ältesten Proben tschechischer und überhaupt slawischer Poesie sind die sogen. "Grünberger Handschrift" (s. d.), angeblich aus dem 9. Jahrhundert, und die "Königinhofer Handschrift" (s. d.), die in das 13. oder 14. Jahrh. verlegt wird und eine Reihe epischer und lyrischer Gedichte enthält, von denen einige aus vorchristlicher Zeit stammen sollen. Die exklusiv nationale Richtung, wie sie in den Dichtungen dieser Handschriften (deren Echtheit übrigens seit ihrer Entdeckung bis auf den heutigen Tag mannigfach angezweifelt wird) zu Tage tritt, konnte sich dem Andrang der westeuropäischen Zivilisation gegenüber nicht lange behaupten. Schon unter Wenzel I. und Ottokar I. drangen mit deutscher Rittersitte auch die damals beliebten poetischen Stoffe nach Böhmen. So ward die "Alexandreïs" Walters von Châtillon von einem unbekannten Dichter tschechisch bearbeitet (13. Jahrh.), ebenso die Artussage in "Tristram", mit starker Nachahmung Gottfrieds von Straßburg, und in "Tandarias a Floribella" (14. Jahrh.). Höher an poetischem Wert stehen indessen die dem Dalimil (s. d.) zugeschriebene (in Wirklichkeit von einem unbekannten Ritter kurz nach 1314 verfaßte) Reimchronik der böhmischen Geschichte und die in trefflicher Prosa geschriebene Erzählung "Tkadlecek" aus dem 14. Jahrh. (hrsg. von Hanka, Prag 1824). Auch didaktische Dichtungen, namentlich Tierfabeln, waren damals in Böhmen sehr verbreitet (darunter "Nová Rada" und "Radazvirat" des Smil Flaska von Pardubitz) wie nicht minder kirchliche Poesien (bemerkenswert die "Legende von der heil. Katharina", aus dem 14. Jahrh., 1860 von Erben herausgegeben) und religiöse Dramen oder "Mysterien", als deren älteste bekannte Probe der nur in einem Fragment erhaltene "Mastickár" ("Salbenkrämer"), aus dem Anfang des 14. Jahrh., zu nennen ist (hrsg. von Hanka im "Vybor"). - Die tschechische Prosa begann mit Bibelübersetzungen. Ein kleines Fragment des Evangeliums Johannis, der Schrift nach aus dem 10. Jahrh., ist neben der Grünberger Handschrift das älteste Denkmal der tschechischen Litteratur. Die Gründung der Prager Universität 1348 gab dann den Wissenschaften in Böhmen einen raschen Aufschwung. Einer ihrer ersten Schüler war Thomas v. Stitny (s. d.), dessen theologisch-philosophische Abhandlungen von der herrschenden Scholastik stark abwichen. Die älteste Chronik in tschechischer Prosa ist die des Priesters Pulkava von Hradenin (gest. 1380), der sich die übersetzung der Reisen des Engländers Mandeville von v. Brezow und die des Marco Polo anschlossen. Das älteste Denkmal endlich der böhmischen Rechtsgeschichte ist die "Kniha starého pána z Rozenberka" aus dem Anfang des 14. Jahrh.

II. Periode. Von Huß bis zur Schlacht am Weißen Berg (1410-1620). Das Jahr, in welchem Joh. Huß seinen Bruch mit der römischen Kurie vollzog, wird mit Recht als der Anfang einer neuen Periode der tschechischen Litteratur bezeichnet. Um sich in dem Streit mit Rom die Unterstützung der Volksmassen zu sichern, schlug Huß kühn die Bahnen ein, welche vor ihm bereits Thomas v. Stitny betreten hatte, gab die lateinische Gelehrtensprache auf und wandte sich in gemeinverständlichen tschechischen Predigten und Schriften an das Volk. Hierbei entwickelte er die tschechische Sprache nicht nur praktisch, sondern unterzog sich auch der Mühe, die bis dahin außerordentlich schwankende Orthographie in einer besondern Schrift zu regeln (vgl "M. J. Husi ortografie ceská". hrsg. von Sembera 1857). Diese Bemühungen um die Vervollkommnung der tschechischen Sprache wurden im 15. und 16. Jahrh. eifrig fortgesetzt von der Gemeinschaft der Böhmischen oder Mährischen Brüder (s. d.), welche die vorzüglichsten tschechischen Stilisten hervorbrachte und zuerst in Jungbunzlau und Leitomischl, darauf in Prerau Druckereien anlegte. Wesentlich gefördert wurde der Aufschwung der tschechischen Litteratur auch durch humanistische Einflüsse, namentlich unter Wladislaw II. (1471-1516), als Bohuslaw v. Lobkowitz, welcher eine der reichhaltigsten Bibliotheken seiner Zeit sammelte, und nach ihm eine Reihe namhafter Gelehrten ausgezeichnete lateinische Gedichte schrieben und ein andrer Kreis böhmischer Humanisten, an deren Spitze der Rechtsgelehrte Cornelius v.Vsehrd stand, die klassischen Studien für die tschechisch-nationale Litteratur zu verwerten suchte. Gleichwohl konnte sich unter den erbitterten nationalen und religiösen Kämpfen die tschechische Poesie nicht in dem Maß fort entwickeln, als es sonst ihre glänzenden Anfänge versprachen. Satire und Kriegslieder traten in den Vordergrund. Der "Májovy sen" ("Maitraum") des Prinzen Hynek Podiebrad (1452-91) ist nur seines Verfassers wegen zu erwähnen; das satirische Gedicht "Prostopravda" des Nikolaus Dacicky von Heslow (1555 bis 1626) hat nur noch für die Kulturgeschichte Wert. Der bedeutendste tschechische Dichter dieser Zeit ist Simon Lomnicky (gestorben nach 1622), obschon es ihm an sittlichem Gehalt fehlte, um als didaktischer und moralisierender Dichter Großes zu leisten. Für seine Hauptwerke gelten: "Krátké naucení mladému hospodári" ("Kurze Anleitung für einen jungen Hauswirt), ein didaktisches Gedicht mit Zügen der damaligen Sitten, und die Satire "Kupidova strela" ("Die Hoffart des Lebens"), welche ihm bei Rudolf II. den Adel und einen Jahrgehalt einbrachte; auch versuchte er sich in kirchlichen Dramen. Unter den zahllosen kirchlichen Gesängen sind besonders die von dem Bischof der Böhmischen Brüder, Joh. Augusta (1500 bis 1572), größtenteils im Gefängnis verfaßten schwungvollen Lieder hervorzuheben.

Auch in der tchechischen Prosa dieser Periode überwiegt die theologisch-polemische Richtung, indem Kalixtiner, Katholiken und später Protestanten in kirchlicher Propaganda litterarisch wetteiferten. Am wertvollsten sind die teils lateinischen, teils tchechischen Schriften von Joh. Huß, dem Begründer des Protestantismus (1369-1415), von denen die letztern neuerdings von Erben (Prag 1865-68, 3 Bde.) herausgegeben wurden. Auf katholischer Seite zeichnete sich der Prager Dekan Hilarius von Leitmeritz (Litomericki, gest. 1469) aus. Durch kernhaften Stil ragen des genialen Peter Chelcicky (s. d., 1390-1460) Schriften hervor, welche der Böhmischen Brüderschaft als Richtschnur galten. Unter den theologischen Schriftstellern dieser Brüderschaft zeichnete sich besonders Lukas (1458-1528) durch glänzenden Stil aus. Die erste tschechische Übersetzung des Neuen Testaments von Lupác erschien 1475. die erste Gesamtübersetzung der Bibel 1488; bis 1620 erschienen 15 tschechische Bibeln, die beste davon ist die 1579-93 in Mährisch-Kralitz auf Kosten des Johann von Zerotin veröffentlichte ("Bible Kralicka"), die noch heute für das höchste Muster der tschechischen Sprache gilt. Die Begründer der böhmischen Rechtswissenschaft

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Tschechische Litteratur (16.-18. Jahrhundert).

sind Viktorin v. Vshehrd ("Neun Bücher vom Recht und Gericht und von der Landtafel in Böhmen", 1550; hrsg. von Jirecek, Prag 1874), der Landmarschall Ctibor von Cimburg in dem sogen. "Tobitschauer Buch" (für Mähren) und P. Chr. v. Koldin (1579), dessen Schrift "Prava mestska Kralostvi ceskeho" für die Städteordnungen in Böhmen und Mähren maßgebend wurde. Eifriger Pflege erfreuten sich die historischen Wissenschaften. Den Übergang zur zweiten Periode bilden die "Stari letopisove cesti", anonyme Annalisten der Jahre 1378 bis 1527 (hrsg. von Palacky 1829). Bedeutende Förderung erhielt dann die tschechische Geschichtschreibung durch Adam v. Veleslavín (1546-99), der zahlreiche eigne und fremde historische Werke in musterhafter Sprache veröffentlichte (Übersetzung der "Historia bohemica" von Äneas Sylvius, "Politia historica", "Kalendar historicky" u. a.). Die Kämpfe zwischen den Kalixtinern und den Protestanten in Prag 1524-30 wurden von dem eifrigen Lutheraner Bartos (gest. 1535) parteiisch, aber anschaulich geschildert; den Widerstand der böhmischen Stände gegen Ferdinand I. 1546-48 beschrieb Sixt v. Ottersdorf (1500-1583) ebenfalls vom protestantischen Standpunkt aus, aber durchaus pragmatisch und in klassischem Stil. Die gesamte böhmische Geschichte behandelte der Kanonikus Vaclav Hajek von Libocan (1495-1553), dessen "Chronik" eine beliebte Lektüre, aber wenig zuverlässige Geschichtsquelle ist. Joh. Blahoslaw (1523-71) von der Böhmischen Brüderschaft verfaßte eine wertvolle Geschichte der letztern. Ein andrer Bruder, Vaclav Brezan (1560-1619), Archivar des Grafen Rosenberg, schilderte in einer Biographie dieses Magnaten die Ereignisse von 1530 bis 1592; doch kommt dieses Werk stilistisch den Schriften Blahoslaws nicht gleich. Zur Brüdergemeinde gehört ferner der Historiker Jaffet (gest. 1614), der außer andern Werken eine Geschichte vom Ursprung der Brüderunitäten schrieb. Wertvolle Beiträge zur politischen und Kulturgeschichte Böhmens enthalten die Briefe des Karl v. Zerotin (s. d.), neben dem noch der polnisch-tschechische Historiker Barthol. Paprocki (1540-1614, Beschreibungen der böhmischen, mährischen und schlesischen Adelsgeschlechter) und der Hofhistoriograph des Königs Mathias, Georg Zaveta, Verfasser einer "Hofschule" ("Scholaaulica",Prag 1607) zu erwähnen sind. Endlich gehört hierher die reichhaltige Korrespondenz der Herren v. Schlik, Rabstein, Sternberg, Rosenberg, Cimburk, Wilh. v. Pernstein und des Königs Georg von Podiebrad. - In der Länder- und Sittenkunde tritt uns zuerst die"Kosmografie ceska" des Siegmund v. Puchov (1520-84) entgegen, der sich die Beschreibung der Reisen des Joh. v. Lobkowitz nach Palästina (1493), Vratislavs v. Mitrowitz nach Konstantinopel (1591; hrsg. in der "Staroceska biblioteka", Bd. 3), Harants von Polzic nach Ägypten, Jerusalem etc. (1598; neue Ausg. von Erben, 1854) u. a. anschlossen. Unter den Humanisten zeichneten sich aus: Gregor Hruby Jeleny (1450-1514) als Übersetzer von Cicero u. a., Siegmund Hruby Jeleny (gest. 1554), Verfasser eines "Lexicon symphonum" der griechischen, lateinischen, tschechischen und deutschen Sprache, Vaclav Pisecki (gest. 1511), der Übersetzer des Isokrates. Auch die tschechische Sprachforschung verdankt der Böhmischen Brüdergemeinde vielfache Förderung ("Grammatika ^eska" von Joh. Blahoslaw, 1571). Naturwissenschaftliche Schriften hinterließen Tadeus Hajek (gest. 1600) und Adam Zaluzanski (gest. 1613).

III. Periode. Die Unterdrückung der tschechischen Sprache; die Exulanten (1620-1774). Die Niederlage der Böhmen in der Schlacht am Weißen Berg, die gewaltsame Austreibung und Auswanderung von 30,000 Böhmen, darunter viele durch hervorragende Stellung und Vermögen einflußreiche Förderer der nationalen Litteratur, die Vernichtung des Wohlstandes und die allgemeine Verwilderung während des Dreißigjährigen Kriegs schienen den Untergang der tschechischen Litteratur herbeizuführen. Gegen die alten Schätze derselben wüteten die Sieger unter dem Vorwand, daß sie von hussitischen oder protestantischen Tendenzen durchdrungen seien. So gingen von den ältern Werken viele unter, andre wurden außerordentlich selten. Bald verwilderte denn auch die tschechische Sprache, die immer allgemeiner als Bauerndialekt verachtet und endlich vom Kaiser Joseph II. durch Dekret vom 6. Jan. 1774 aus Amt und Schule ausgeschlossen wurde. Damit war das 1620 unternommene Werk formell beendet, allein sofort trat eine kräftige Gegenwirkung zu Tage. Die litterarischen Traditionen der zweiten Periode wur den zunächst von den Emigranten oder Exulanten fortgesetzt. Karl v. Zerotin setzte von Breslau aus, wohin er 1628 ausgewandert war, seine litterarisch wertvolle Korrespondenz mit seinen Freunden, namentlich mit den Böhmischen Brüdern, fort. In enger Verbindung mit seinem Namen erscheint der des bedeutendsten tschechischen Schriftstellers jener Zeit, J. Amos Komenskys (genannt Comenius, 1592 bis 1670), dem die t. L. die großartige, wenn auch zuweilen in Pietismus ausartende allegorische Dichtung "Labyrint sveta a ráj srdce" ("Labyrinth der Welt", 1623) verdankt, worin er dem tiefen Schmerz seiner Seele in ergreifenden Tönen Ausdruck verlieh. Von demselben unerschütterlichen Gottvertrauen zeugt seine treffliche metrische Übersetzung der Psalmen. In seinen pädagogischen Schriften trat er gegen die herrschende pädagogische Scholastik und den verkehrten Klassizismus auf (weiteres s. Comenius). Neben Komensky zeichneten sich unter den Exulanten aus: Paul Skála (gestorben nach 1640), der Verfasser einer Kirchengeschichte in 10 Bänden, Martin v. Drazov, Paul Stránsky, (gest. 1657), der in seiner in Amsterdam veröffentlochten "Respublica bojema" eine überaus klare Darstellung der politischen Verhältnisse und des innern Zustandes Böhmens entwirft. Noch spärlicher entwickelte sich die t. L. nach der Katastrophe von 1620 in Böhmen selbst. Eigentümlicherweise verdankt man hier das bedeutendste Werk jenem Grafen Wilhelm Slavata (s. d.), einem der Opfer des berühmten Fenstersturzes, dessen 14bändiges Geschichtswerk ("Spisovani historicke"), ein Gegenstück der vom protestantischen Standpunkt verfaßten Geschichte Skálas, eine wichtige Geschichtsquelle bildet. Im Sinn der kirchlich-politischen Reaktion schrieben ferner der Jesuit Bohuslaw Balbin (gest. 1688), Thomas Pesina (gest. 1680), dessen "Predchudce Moravopisu" die chronologische Geschichte Mährens bis 1658 umfaßt, Joh. Beckovsky (gest. 1725), Verfasser einer böhmischen Chronik: "Poselkyne starych pribehuv", Johann Hammerschmid (gest. 1737), Franz Kozmanecky, der schon ältere Wenzel Sturm, der schlimmste Gegner der Brüdergemeinde (gest. 1601), ferner der jesuitische Fanatiker Anton Konias (gest. 1760) u. a.

IV. Periode. Die Wiedererweckung (1774 bis 1860). Die plötzliche Unterdrückung der tschechischen Sprache in Amt und Schule rief alsbald ernste

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Tschechische Litteratur (18. und 19. Jahrhundert).

Proteste hervor. Kurz nach dem Erscheinen des betreffenden kaiserlichen Patents forderte Graf Franz Kinsky in der deutschen Schrift "Erinnerungen über einen hochwichtigen Gegenstand" (1774) die Erhaltung und Ausbildung der tschechischen Sprache, und ein Jahr darauf gab Franz Pelcel eine lateinische Verteidigungsschrift der tschechischen Sprache des oben genannten Balbin ("Dissertatio apologetica linguae slovenicae") heraus. Wichtiger aber für das Wiedererwachen der tschechischen Nationalität war der Aufschwung der historischen Forschung unter der Regierung Maria Theresias und Josephs II. Zuerst untersuchte Fel. Jak. Dobner (s. d.) die alten tschechischen Geschichtsquellen und gründete 1769 einen wissenschaftlichen Verein, welcher 1784 zur königlich böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften erhoben wurde. Unter dem anregenden Einfluß dieser Gesellschaft erwachte das Interesse für die Sprache und Litteratur der Tschechen, für welche 1793 F. Pelcel als ordentlicher Professor an der Prager Universität angestellt wurde, während Joseph Dobrovsky (s. d., 1753-1829) die eigentliche Grundlage der neuern tschechischen Sprachforschung schuf. Mit dem 1818 durch den Grafen Sternberg begründeten Nationalmuseum, das bald eine Zeitschrift in deutscher und tschechischer Sprache herausgab und später den wichtigen Verein der Matice ceska zur billigen Verbreitung von tschechischen Schriften zu Tage förderte, erhielt dann die litterarische Bewegung der Tschechen einen festen Stützpunkt. Den Übergang von diesen ersten Versuchen der Wiedererweckung der tschechischen Litteratur zu dem ansehnlichen Aufschwung dieser Litteratur nach 1820 bildet die fruchtbare Thätigkeit Joseph Jungmanns (s. d., 1773-1847), der sich namentlich durch zwei Werke, seine "Geschichte der tschechischen Litteratur" (1825) und sein "Tschechisch-deutsches Wörterbuch" (1835-39, 5 Bde.), die größten Verdienste erwarb. Auf dem Gebiet der Poesie wirkte, nach den schwachen Anfängen Puchmajers, Polaks und Jungmanns, die Auffindung der Königinhofer und der Grünberger Handschrift (1817) epochemachend und befruchtend. In der nationalen Richtung gingen voran Joh. Kollar (1793-1852) und Wladislaw Celakowsky (1799-1852). Zahlreiche andre Lyriker, wie Vaclav Hanka (1791-1864), Vlastimil Kamaryt (gest. 1833; "Pisen vesnicanuv"), Fr. Jaroslaw Vacek (gest. 1869), ferner Vinaricky, Chmelenski, Picek, Pravoslav Koubek, Boleslav Jablonsky, W. Stulc u. a., schlossen sich ihnen an. - Die epische Dichtung, besonders angeregt durch die Auffindung der genannten nationalen Handschriften, fand ihre Pflege durch den Slowaken Joh. Holly (1785-1849; "Svatopluk"), den Romanzendichter Erasm. Vocel (1803-71), Joh. Marek (1801-53), Jos. Kalina (1816-47), den unter Byronschem Einfluß stehenden Karl Hynek Macha (1810-36; "Máj"), den vielseitigen Jaromir Erben (1811-70), der indessen schon den Übergang zu der neuen Richtung vermittelt. Unter den Satirikern zeichneten sich Franz Rubes (1814-53) und Karl Havlicek (1821-56) aus. - Die Anfänge des modernen tschechischen Dramas knüpfen sich an das 1785 von Karl und Wenzel Tham in Prag begründete Liebhabertheater. Nep. Stepánek (1783-1844) schuf durch zahlreiche originale oder übersetzte Stücke das tschechische Repertoire; höher stehen der fruchtbare Wenzel Klicpera (1792-1859) und Jos. Kajetan Tyl (1808-56), dessen "Cestmir", "Pani Marjanka", "Strakonicky dudak", "Jan Hus" u. a. sich auf dem Repertoire erhalten haben. Noch sind zu erwähnen: S. Machacek (gest. 1846), Fr. Turinský (gest. 1852), Ferdinand Mikovec (gest. 1862). - Auch das Gebiet des Romans (im Sinn W. Scotts) und der Novelle wurde fleißig angebaut, so namentlich von Tyl, Rubes, K. I. Mácha und Marek, dem Begründer der tschechischen Novellistik, Sabina (1813 bis 1877), Prokop Chocholousek (1819-64), J. Ehrenberger (geb. 1815) und Adalbert Hlinka (pseudonym Franz Prawda, geb. 1817), durch letztern besonders in Erzählungen aus dem Volksleben.

Bedeutender als auf dem Gebiet der Poesie gestaltete sich die neuere t. L. auf dem der Wissenschaften und insbesondere der historischen. Als Historiker stehen in erster Linie: Franz Pelcel (1734-1801), der Verfasser einer Reihe historischer Untersuchungen (darunter Biographien Karls IV., Wenzels IV. etc.) und einer "Nova kronika ceská", die wesentlich zur Erweckung des tschechischen Nationalgefühls beitrug; sodann Paul Jos. Safarik (Schafarik, 1795-1861), der in seinen "Starozitnosti slovanské" den ersten den modernen Bedürfnissen entsprechenden Versuch machte, die slawische Urgeschichte bis zum 10. Jahrh. aufzuhellen, und besonders Franz Palacky (1798-1876), mit dessen monumentaler "Geschichte Böhmens von den ältesten Zeiten bis 1526", deren 1. Band 1836 erschien, die tschechische Historiographie sich plötzlich aus mühsamer und schwerfälliger Altertumsforschung auf die Höhen moderner, künstlerischer Darstellung emporschwang. Auch um die slawische Sprachforschung erwarb sich nach den schon genannten Gelehrten, Dobrovsky und Jungmann, besonders Paul Safarik durch seine "Pocátkové staroceske mluvnice" große Verdienste. Diesen Bahnen folgen: Martin Hattala (geb. 1821), Wenzel Zikmund (1863-73), Jos. Kolar u. a.

V. Periode. Die neueste Zeit. Mit der Einführung der konstitutionellen Ära in Österreich (um 1860) fielen die letzten Schranken, welche das Wiederaufblühen der tschechischen Litteratur bis dahin vielfach gehindert hatten. An Zahl, innerm Gehalt und Formvollendung übertreffen denn auch die Produkte der neuesten Periode alle frühern. Das tritt am auffälligsten auf poetischem Gebiet zu Tage. Hier sei zunächst, gleichsam als Übergang in die Neuzeit, der hyperromantische Lyriker J. Vaclav Fric (pseudonym Brodsky, geb. 1829) erwähnt, der sich auch als Dramatiker einen Namen gemacht hat. In Viteslav Halek (1835-74) erstand sodann der böhmischen Poesie ein Dichter von durchaus moderner Stimmung und trefflicher Naturmalerei. Schwungvoller sind die lyrischen Gedichte von Adolf Heyduk (geb. 1836), der auch in der poetischen Erzählung ungewöhnliches Talent bekundet. Sehr geschätzt werden ferner die geistreichen, im übrigen der dichterischen Unmittelbarkeit entbehrenden Gedichte von Joh. Nerud a (geb. 1834). Der bedeutendste Dichter Böhmens auf lyrisch-epischem Gebiet ist indessen Jaroslaw Vrchlický (eigentlich Frida, geb. 1853). Noch sind unter den Lyrikern zu erwähnen: Eliza Krasnohorska (geb. 1847), die populärste böhmische Dichterin der Neuzeit, der vorwiegend elegische Joseph Vaclaw Sladek (geb. 1845), Spindler, Dörfl, Mokry etc. Als Dichter von epischer Begabung zeigte sich Svatopluk Cech (geb. 1846), doch hat ein Epes im großen Stil die neuere tschechische Poesie bisher nicht zu Tage gefördert. Die bedeutendsten Erfolge sind im Drama errungen worden, besonders durch Franz Wenzel Jerábek (geb. 1836), der im sozialen Schauspiel und der Tragödie Werke von hohem sittlichen und künstlerischen Wert schuf. Von Bedeutung

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Tschechische Litteratur - Tschechische Sprache.

sind der Lustspieldichter Emanuel Bozdech (1841-1889), der nationale Vaclav Vlcek (geb. 1839), bei dem aber zuweilen das epische Motiv überwiegt; der noch der ältern Schule angehörende fruchtbare Schauspieler Jos. Georg Kolar (geb. 1812), der mit besonderm Geschick düstere Helden- oder Intrigantentypen zur Geltung bringt; Fr. A. Subert, gegenwärtig Direktor des böhmischen Nationaltheaters. Weniger glücklich war der oben erwähnte Jaroslaw Vrchlický in seinen dramatischen Versuchen. Sonst sind noch zu erwähnen Stroupeznicky ("Cerne duse" etc.), Neruda, Zakreys, Durdik ("Stanislav i Ludmila"), Stolba, Samberk, Krajnik etc. - Als die Gründerin des tschechischen Romans gilt Frau Karoline Svetlá (eigentlich Johanna Muzák, geb. 1830), die Verfasserin zahlreicher dem Volksleben entnommener Erzählungen. In erster Reihe steht gegenwärtig der bereits unter den Dramatikern erwähnte Vaclav Vlcek, dessen "Zlatov ohni" (neue umgearb. Ausg. 1883) sowohl durch großartig angelegten Plan (Naturgeschichte der Familie von der Ehe bis zur Völkerfamilie) als auch durch meisterhafte Detailmalerei hervorragt. Auf dem Gebiet des historischen Romans waren vor andern Jos. Georg Staúkovský (gest. 1880; "König und Bischof", "Die Patrioten der Theaterbude" etc.) und der schon unter den Dramatikern genannte Fr. A. Subert (15. Jahrh.), auf dem des sozialen Svatopluk Cech thätig. Ferner sind als Erzähler zu nennen: Gustav Pfleger-Moravsky (gest. 1875; "Aus der kleinen Welt") und Aloys Adalbert Smilowski (gest. 1883), beide auch als Lyriker und Dramatiker bekannt; Jakob Arbes (geb. 1840); der schon unter den Dichtern erwähnte Joh. Neruda ("Erzählungen von der Kleinseite"); Aloys Jirásek (geb. 185l; "Die Felsenbewohner", "Am Hof des Wojewoden", "Eine philosophische Geschichte" etc.); Bohumil Havlasa (gest. 1877; "Im Gefolge eines Abenteurerkönigs", "Stille Wasser" etc.); Servac Heller, Julius Zeyer, Franz Herites (geb. 1851), Joseph Stolba (geb. 1846) u. a.

Die moderne böhmische Geschichtsforschung wurde von Fr. Palacky (s. oben) begründet; seine große "Geschichte Böhmens" gelangte 1876 zum Abschluß und hat auf alle Zweige des öffentlichen Lebens, auf Politik, Kunst und Wissenschaft, in Böhmen den nachhaltigsten Einfluß ausgeübt. Sein Nachfolger als böhmischer Landeshistoriograph, Anton Gindely (geb. 1829), hat sich durch die groß angelegte (deutsch geschriebene) "Geschichte des Dreißigjährigen Kriegs" einen Namen gemacht, während ihm von nationaler Seite Mangel an patriotischer Wärme vorgeworfen wird. Durch Bienenfleiß zeichnet sich Vaclav Vladivoj Tomek (geb. 1818) aus, dessen "Geschichte der Stadt Prag" (1855 ff.) eine in solcher Vollständigkeit fast beispiellose Monographie der böhmischen Hauptstadt bringt und sich zugleich zu einem überreichen Material für die Geschichte Böhmens gestaltet. Von den übrigen Historikern sind besonders der populäre K. Vladislaw Zap (gest. 1870), Anton Bocek (gest. 1847) und Beda Dudik (geb. 1815; "Geschichte Mährens") namhaft zu machen. Eine fruchtbare Thätigkeit auf literarhistorischem, linguistischem und historischem Gebiet entfaltet Joseph Jirecek (geb. 1825), der Verteidiger der Königinhofer Handschrift. Einzelne Epochen der böhmischen Geschichte bearbeiteten Karl Tieftrunk, Fr. Dworsky, Rezek, Ferd. Schulz, Koran, Bilek u. a., die Geschichte slawischer Völker W. Krizek (gest. 1882), Konstantin Jirecek (geb. 1854; "Geschichte der Bulgaren"), Joseph Perwolf (geb. 1841; "Die Geschichte der slawischen Idee" etc.). Wichtige Beiträge zur böhmischen Rechtsgeschichte lieferten, außer Palacky, Vorel und Tomek, in der neuesten Epoche Hermenegild Jirecek (s. d.), der mährische Landesarchivar Vinzenz Brandl (geb. 1834; "Die Anfänge des Landrechts" etc.), Joseph Kalousek ("Die böhmische Krone"), Karl Jicinsky, Tornan, Emler, Rybicka u. a. In der Rechtswissenschaft hat sich Randa (s. d.) einen weit über die Grenzen Böhmens bekannten Namen erworben. Ferner sind hier zu nennen: I. Slavicek, A. Meznik, J. Skarda, Havelka, A. Pavlicek u. a.

Die philosophische Litteratur beginnt in Böhmen erst 1818 mit einem Aufsatz von W. Zahradnik (in der Zeitschrift "Hlasitel"). Palacky, Purkyne, Marek, Hanus, Kvet behandelten in Zeitschriften einzelne Zweige der Philosophie. Erst Dastich (geb. 1834), Professor der Philosophie an der Prager Universität, veröffentlichte größere Werke philosophischen Inhalts ("Formelle Logik", "Empirische Logik","Erläuterungen zum System des Thomas Stitny" etc.). Der bedeutendste Vertreter der philosophischen Litteratur ist gegenwärtig I. Durdik (s. d.), der sich entschieden an die neuern deutschen Systeme anlehnt und sich mit Erfolg der Ästhetik zugewendet hat. In den Vordergrund trat neuestens T. G. Masaryk ("Konkrete Logik"), der mit seinen "Slawischen Studien" ("Slovanske studie") auch die slawische Frage zum erstenmal vom rein realistisch-philosophischen, aller Romantik entkleideten Standpunkt behandelt, überdies auch die Echtheit der Königinhofer Handschrift bekämpft. Unter den Naturforschern zeichnen sich die Schüler des Physiologen Purkyne (s. d.): I. Krejci ("Geologie", 1878), der Zoolog A. Fric, der Botaniker L. Celakowsky (s. d. 2), Fr. Studnicka ("Aus der Natur") und der oben erwähnte der Ästhetik zugewandte I. Durdik ("Kopernikus und Kepler", "Über den Fortschritt der Naturwissenschaft" etc.) aus.

Die moderne tschechische Literaturgeschichte wurde von F. Prohazka mit den "Miscellaneen der böhmischen und mährischen Litteratur" (1784) begründet. Reichhaltiger, wenn auch den modernen kritischen Ansprüchen nicht gewachsen ist Jungmanns "Historie literatury ceske" (1825); erst I. Jirecek begann 1874 die Herausgabe einer erschöpfenden tschechischen Literaturgeschichte: "Rukovet k dejinam literatury ceske", während der "Dajepis literatury ceskoslavanske" von Sabina (gest. 1877) die beiden ersten Perioden der tschechischen Litteratur mit ausführlicher Beleuchtung der Kulturverhältnisse behandelt. Als in biographischer Hinsicht ausgezeichnet sind die "Dejiny reci a literatury ceske" von A. Sembera (1869) zu erwähnen. Wertvolle Beiträge zur tschechischen Literaturgeschichte lieferten: W. Nebesky, K. I. Erben, Vrtatko, Brandl (über Karl v. Zerotin), Cupr (über Veleslavin), Kiß (über Sixt v. Ottersdorf und Lomnicky), Hanus (über Celakowsky), Zoubek (über Komensky), Jirecek (über Safarik), Zeleny (über Palacky, Kollar, Jungmann) etc. Auch enthält die große unter Leitung Riegers veröffentlichte Encyklopädie "Slovnik naucny" (1854-74, 12 Bde.) ausführliche Artikel zur tschechischen Litteratur. Vgl. K. Tieftrunk, Historie literatury ceske (Prag 1876); Fr. Bayer, Strucne dejiny literatury ceske (Olmütz 1879); Backovsky, Zevrubné dejiny ceskeho pisemnictv i doby nove ("Eingehende Geschichte der tschechischen Litteratur der Neuzeit", Prag 1888); Pypin u. Spasovic, Geschichte der slaw. Literaturen, Bd. 1 (deutsch, Leipz. 1880 ff.).

Tschechische Sprache (böhmische Sprache) ist ein Zweig des slawischen Sprachstammes, der nebst dem

Meyers Konv.-Lexikon, 4. Aufl., VX. Bd.

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Tschego - Tscherdyn.

nahe damit verwandten Slowakischen (s. Slowaken) im innern Böhmen, in Mähren, um Troppau und in Oberungarn von ungefähr 6½ Mill. Menschen gesprochen wird. Unter allen slawischen Dialekten scheint sie sich am frühsten, schon im Beginn des Mittelalters, ausgebildet und sich lange in ihrer ursprünglichen Reinheit erhalten zu haben; den höchsten Grad ihrer Ausbildung erreichte sie im 16. Jahrh. Seit dem 17. Jahrh. begann die deutsche Sprache mehr und mehr Eingang zu finden; die meisten tschechischen Bücher wurden als ketzerisch verdächtigt, neue in den kriegerisch unruhigen Zeiten nicht geschrieben, und die t. S. blieb fast nur noch Eigentum der untern Schichten des Volkes. Infolge davon verlor sie ihre Eigentümlichkeit immer mehr, bis sich seit der Mitte des 18. Jahrh. gelehrte Patrioten des fast vergessenen Idioms wieder annahmen und 1776 ein Lehrstuhl der tschechischen Sprache an der Wiener und 1793 ein solcher an der Prager Hochschule errichtet wurde. Infolge davon kam die t. S. nach und nach wieder zu solchem Ansehen, daß die österreichische Regierung sich bewogen fand, 1818 die Erlernung derselben auch in den böhmischen Gymnasien wieder anzuordnen und zu befehlen, daß in Böhmen anzustellende Zivilbeamte der tschechischen Sprache mächtig sein sollten. In neuester Zeit haben sich sogar die Deutschen in Böhmen zu beklagen über die übermäßige Protektion, die dem Tschechischen von oben herab, durch das Ministerium Taaffe, zu teil wird. Das Tschechische wird seit 1831 mit lateinischen Buchstaben geschrieben, während früher dafür die deutsche Schrift im Gebrauch war. Die Anzahl der Buchstaben ist verschieden, je nachdem man die accentuierten Vokale und punktierten Laute als besondere Buchstaben aufführt oder nicht; im erstern Fall kommen 42 Buchstaben heraus. Die accentuierten Vokale, z. B. á, é, sind lang zu sprechen, die übrigen sind kurz. Auch r und l kommen als selbständige Vokale vor (wie im Sanskrit), sind aber immer kurz; im Slowakischen erscheinen sie auch als lange Vokale. Eigentümlich sind auch die Vokale ^e = je, ù = ou, ů = u, y = i. Unter den Konsonanten ist c = z, ^c = tsch, ^n = franz. gn in Champagne, ^r = rsch (das sch weich gesprochen), z = franz. j (weiches sch); d' und t' sind mouillierte Dentale, etwa wie dj, tj zu sprechen. Viele Lautveränderungen treten beim Zusammentreffen der Laute in der Wortbildung ein; so verwandelt das j ein folgendes a und e in e und i, ein vorausgehendes a in e. Die Orthographie ist jetzt vollkommen geregelt, während sie sich in der ältern tschechischen Litteratur in einem chaotischen Zustand befand und der nämliche Laut oft auf sechserlei verschiedene Arten ausgedrückt wurde. An Formenreichtum wird die t. S. von andern slawischen Sprachen, namentlich von den serbokroatischen Dialekten, übertroffen; doch finden sich manche später in Abnahme gekommene Formen, z. B. der Dualis und der Aorist, im Altböhmischen noch durchgehends bewahrt, und die meisten grammatischen Verluste sind durch Neubildungen ersetzt worden. Der Wortschatz ist natürlich viel reicher und mannigfaltiger als in den bis in die neueste Zeit fast litteraturlosen südslawischen Sprachen; doch herrscht in dem Gebrauch der vielen neuen Wörter, welche in diesem Jahrhundert von nationaleifrigen tschechischen Schriftstellern eingeführt worden sind, teilweise eine große Unsicherheit. Grammatisch bearbeitet wurde die t. S. zuerst im 16. Jahrh. von den Böhmischen Brüdern, besonders von Blahoslaw. Die brauchbarsten neuern Grammatiken sind die von Negedly (Prag 1804, 1821 u. öfter), Dobrovsky (das. 1809 u. 1819), Trnka (Wien 1832, 2 Bde.), Burian (Königgrätz 1843), Koneczny (Wien 1842-46, 2 Bde.), Hattala (Prag 1854, durch wissenschaftliche Haltung ausgezeichnet), Tomicek (4. Aufl., das. 1865), Censky (3. Aufl., das. 1887) u. a. Ein kurzes Lehrbuch der altböhmischen Grammatik verfaßte Safarik (2. Aufl., Prag 1867). Wörterbücher gaben Tomsa (Prag 1791), Dobrovsky (das. 1821), Palkowicz (das. 1821, dabei auch ein slowakisches Wörterbuch), Hanka (das. 1833), Jungmann (das. 1835-39, 5 Bde.) und Franta-Schumavsky (das. 185l) heraus. Für den praktischen Gebrauch dienen die Wörterbücher von Rank (3. Aufl., Prag 1874) und Jordan (4. Aufl., das. 1887).

Tschego, s. Schimpanse.

Tscheki (Cheky), Handelsgewicht in der Türkei für Opium und Kamelhaare; für Opium = 250 Drachmen = 800,648 g; für Kamelhaare - 800 Drachmen = 2,562 kg; auch Gewicht für Gold und Silber, = ¼ Oka = 100 Drachmen = 321,25 g.

Tschekiang, Küstenprovinz des mittlern China, 92,383 qkm (1678 QM.) groß mit (1885) 11,685,348 Einw., ist Haupterzeugungsgebiet für Seide und Thee; Hauptorte: Hangtschou, Ningpo und Wêntschou.

Tscheljabinsk, Kreisstadt im russ. Gouvernement Orenburg, am Mijash, mit weiblichem Progymnasium und (1885) 9542 Einw.

Tscheljuskin, Kap, s. Taimyr.

Tschembar, Kreisstadt im russ. Gouvernement Pensa, mit Handel in Landesprodukten und (1885) 5753 Einw.

Tschempin, Stadt, s. Czempin.

Tschenab (Tschinab), einer der fünf Ströme des Pandschab, von denen die Provinz ihren Namen empfängt, entspringt in der Landschaft Lahol von Kaschmir, nimmt in der Ebene den Dschelam, später den Rawi auf und mündet unterhalb Bahawalpur in den Satledsch.

Tscheng (Cheng), altes chines. Blasinstrument, bestehend aus einem ausgehöhlten Flaschenkürbis, der als Windbehälter dient und mittels einer S-förmigen Röhre vollgeblasen wird; auf dem offenen obern Ende des Kürbisses steht eine Reihe (12-24) Zungenpfeifen mit durchschlagenden Zungen. Diese letztern wurden dem Abendland erst durch das T. bekannt, fanden seit Anfang dieses Jahrhunderts Eingang in die Orgeln und führten zur Konstruktion der Expressivorgel (Harmonium).

Tschengri, kleinasiat. Stadt, s. Kjankari.

Tschenstochow, s. Czenstochowa.

Tschepewyan (Chippewyan, Cheppeyan), ein zum Stamm der Athabasken gehöriges Indianervolk im brit. Nordamerika, nicht zu verwechseln mit den den Algonkin angehörenden Tschippewäern oder Odschibwä. Sie nennen sich selbst Saw-eessaw-dinneh ("Männer der aufgehenden Sonne") und betrachten die Gegenden zwischen dem Großen Sklavensee und dem Mississippi als ihre ursprünglichen Jagdreviere. Als Jäger der Hudsonbaikompanie stehen sie namentlich mit deren Forts am Großen Sklaven- und Athabascasee in Verbindung. Das von ihnen bewohnte Gebiet ist reich an Renntieren, welche ihnen Subsistenzmittel und Kleidung verschaffen, besteht aber größtenteils aus Barren-Grounds, wodurch sie gezwungen sind, sich im Winter in die Wälder und in die Nachbarschaft der Großen Seen zurückzuziehen. Ihre Zahl dürfte kaum 2000 betragen.

Tscheram (Schelam), ind. Stadt, s. Salem 2).

Tscherdyn, Kreisstadt im russ. Gouvernement Perm, an der Kolwa, mit (1885) 3490 Einw., die sich viel mit dem Bau von Flußfahrzeugen beschäftigen.

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Tscheremissen - Tscherkessen.

Tscheremissen, finn. Volk im europäischen Rußland, am linken Ufer der Wolga, in den Gouvernements Nishnij Nowgorod, Kasan, Orenburg, Simbirsk und Wjatka ansässig. Der Name T. ist ihnen von den Mordwinen beigelegt, sie selbst nennen sich Mara ("Mensch"). Sie sind mittelgroße, meist schwächliche, blonde oder rötliche Leute, träge, furchtsam und gelten für Betrüger. Seit Aufgebung ihres frühern nomadischen Lebens sind sie Hirten, Ackerbauer, Jäger, Fischer und eifrige Bienenzüchter, leben aber nicht in Städten und geschlossenen Dörfern, sondern vereinzelt, besonders in den ausgedehnten Urwäldern an der Wolga. Die Weiber verstehen sich auf das Weben und Färben verschiedener Stoffe. Das Volk, 260,000 Köpfe stark, bekennt sich zwar zur griechisch-russischen Kirche, hat aber eine Menge heidnischer Gebräuche beibehalten, so hat der Getreidegott Agedarem bei ihnen noch große Geltung. Die Sprache der T. gehört zu der finnisch-ugrischen Gruppe des ural-altaischen Sprachstammes. Grammatiken derselben verfaßten Castren ("Elementa grammaticae tscheremissae", Kupio 1845) und Wiedemann (Reval 1847).

Tscherepowez, Kreisstadt im russ. Gouvernement Nowgorod, an der Scheksna, mit Realschule, Lehrerseminar, weiblichem Progymnasium, großer Fischerei, einem besuchten Jahrmarkt und (1886) 6134 Einw. Im Kreis T. ausgedehnte Fabrikation von Nägeln.

Tscheri, die durchaus mohammedan. Gerichtsbehörden des türkischen Reichs, im Gegensatz zu den Nisâmijes, welche für Streitigkeiten zwischen Bekennern verschiedener Religionen dienen. Weiteres über ihre Organisation vgl. Türkisches Reich, S. 923.

Tscheribon (Cheribon, Tjeribon), niederländ. Residentschaft auf der Nordküste von Java, 6751 qkm (122,7 QM.) mit (1886) 1,346,267 Einw. (darunter 708 Europäer, 6859 Chinesen, 380 Araber), ist im nördlichen Teil eben und sumpfig, im südlichen dagegen, wo sich der Pik Tscherimai, ein Vulkan von 3043 m Höhe, erhebt, gebirgig. Hauptprodukte sind: vortrefflicher Kaffee, Indigo und Zuckerrohr. Die Bevölkerung ist halb sundanesisch, halb javanisch. Die gleichnamige Hauptstadt liegt in der Ebene an der Mündung des Flusses T. in die Javasee und hat gegen 15,000 Einw. Nördlich von der Stadt, auf dem Gunong Dschati, ist Kaliastana, das heilig gehaltene Grab des Ibn Mulana, der den Islam auf Java einführte. Der holländische Resident wohnt in Tanakil, 4 km von der Stadt.

Tscherikow (Czerikow), Kreisstadt im russ. Gouvernement Mohilew, an der Sosh, mit 3 griech. Kirchen, evangel. Kapelle, Lehranstalten für Russen, Polen und Juden, großem Kaufhof, mehreren industriellen Etablissements, Getreide- und Holzhandel und (1885) 3987 Einw.

Tscherkasski, Wladimir Alexandrowitsch, Fürst, russ. Staatsmann, geb. 13. April 1821 aus einer alten adelstolzen Familie, studierte in Moskau die Rechte, trat in den Staatsdienst, schloß sich der nationalrussischen, eifrig liberalen Partei der russischen Aristokratie an, wirkte bei der Emanzipation der Leibeignen mit, gehörte zu dem Organisationskomitee, welches während des polnischen Aufstandes 1861-64 Polen auf demokratischer Grundlage neu gestalten wollte, trat nach dem Scheitern dieses Unternehmens aus dem Staatsdienst, war Mitglied der Slawischen Gesellschaft, deren panslawistische Bestrebungen er mit Eifer förderte, und ward Stadthaupt von Moskau. 1877 bei Ausbruch des russisch-türkischen Kriegs erhielt er den Auftrag, die Verwaltung Bulgariens als selbständigen Fürstentums zu organisieren. Er starb 3. März 1878 in Santo Stefano.

Tscherkassy, Kreisstadt im russ. Gouvernement Kiew, am Dnjepr und der Zweigbahn Bobrinskaja T., der älteste Sitz der Saporoger Kosaken, hat 6 griechisch-russische, eine evangelische und eine kathol. Kirche, ein jüd. Bethaus, Zuckerfabriken, einen wichtigen Flußhafen und (1885) 20,755 Einw. (meist Kleinrussen, Polen und Juden). Deutsche und französische Kaufleute treiben hier einen lebhaften Handel mit Wolle, Leinwand, Spiritus, Cerealien und Vieh.

Tscherkessen (s. Tafel "Asiatische Völker", Fig. 26), eine die westliche Familie der nördlichen Abteilung des kaukasischen Stammes umfassende Völkergruppe in der Westhälfte des Kaukasus und den an sie sowie an ihre Zweige sich anlehnenden Ebenen zwischen dem nördlichen Ufer des Schwarzen Meers von der Meerenge von Kertsch bis zu den Grenzen Mingreliens, durch den ganzen Lauf der Flüsse Kuban und Malka, einen Teil des nach N. gerichteten Terekstroms und die kaukasische Hauptkette von der grusinischen Militärstraße bis zum Elbrus. Die T. teilen sich in die Adighe und die Asega oder Abchasen. Die Adighe (Adyche), von den Türken T., von uns danach Cirkassier oder nach ihrem Wohnplatz, der Kabarda, auch Kabardiner genannt, zerfallen in die Abadschen (Abadzen) am Nordabhang der Kaukasuskette in den Thälern der in den Kuban fallenden Flüsse Schaguascha, Laba, Pschisch, Pszekups, Wuanobat und Sup, die Schapszugen und die Natkuadsch oder Natuchaizen in den Gebirgen und den der Festung Anapa angrenzenden Ebenen, die Kabardiner zwischen den Flüssen Malka und Terek und von letztern bis zu den Vorbergen des Kaukasus und zur Sisnischa, die Beszlenei im Kubanbecken zwischen dem Fers, dem Großen und Kleinen Tegen und dem Woarp, die Mochosch im Gebiet des Tschechuradsh, Belogiak und Schede, die Kemgoi und Temirgoi zwischen dem Kuban und der untern Laba und Belaja, die Chatiukai zwischen Belaja und Schisch, die Bsheduchen in den Ebenen des Pschisch und Pszekups, endlich die Shan oder Shanejewzen auf der Kubaninsel Karabukan. Die Asega oder Abchasen grenzen nördlich am Kapoeti an die Adighe, südlich am Enguri an die Mingrelier, westlich ans Schwarze Meer und östlich an die Suanen und die basilianischen Türken. Zu ihnen gehören die Sadzen oder Dschigeten, die Abszne oder Abchasen, die Sambal oder Zebeldiner auf der Südseite des Hauptgebirges im W. der Mingrelier, die Barakin, Bag, Schegerai-Tam, Kisilbek, Baschilbai und Basschog auf der Nordseite der Bergkette im Quellgebiet der Kchoda, Urup, der Kleinen und Großen Laba und des Großen Selentschuk, endlich die Ubychen am Südabhang des Hauptgebirges zwischen den Natuchaizen und den Dschigeten. Die Zahl sämtlicher T. wurde von Bergé auf 490,000 Seelen geschätzt, davon 325,000 Adighe und 125,000 Asega; der größte Teil derselben ist jedoch nach den unglücklichen Kämpfen gegen Rußland auf türkisches Gebiet übergesiedelt, so daß man 1880 nur noch 115,449 T. berechnete. Es beziehen sich daher die vorstehenden und folgenden ethnologischen Bemerkungen nur auf die frühere Zeit. Die T. sind ein sehr schöner und deshalb berühmter Menschenschlag von reichlich mittlerer Statur, schlank und kräftig mit edlen, fein geformten Gesichtern und braunen, zuweilen blonden Haaren. Früher bekannten sie sich teils zum armenischen, teils zum orthodox-griechischen Christentum, haben aber später den Islam angenommen; doch sind nur die Häuptlinge und Vornehmen als Moham-

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Tscherkessen (Geschichte).

medaner anzusehen, bei dem Volk haben sich sowohl christliche Gebräuche als zahlreiche Spuren des alten Heidentums erhalten. Die Richter, die Ältesten des Stammes, urteilen in Ermangelung geschriebener Gesetze, da die T. keine Schriftzeichen besitzen, nach dem Herkommen. Für den Verurteilten ist der ganze Stamm verantwortlich. Der einzige Fall, in welchem ein Gericht auf Tod erkennen kann, ist offener oder geheimer Dienst beim Feinde; doch auch da begnügt man sich meist mit einer hohen Geldstrafe. Dagegen kostet die Blutrache alljährlich vielen T. das Leben, da dieselbe an dem ganzen Stamm des Beleidigers ausgeübt wird. Die Sprache der T., selbständig für sich dastehend, ist kenntlich an vielen Gurgeltönen, reich, zur Poesie geeignet und zerfällt in einen nördlichen (Abesech) und südlichen (Ubuch) Dialekt (s. Kaukasische Sprachen). Sie haben Sänger (Kikoakoa), welche in hohem Ansehen stehen. Vgl. L'Huilier, Russisch-tscherkessisches Wörterbuch und Grammatik (Odessa 1846); Löwe, Circassian dictionary (Lond. 1854). Seit der Einführung des Korans hat die arabische Sprache sich bedeutend ausgebreitet, und in ihr werden auch die Dokumente ausgestellt. Die Verfassung ist eine feudal-aristokratische; die Bevölkerung teilt sich in vier Stände: Pschi (Fürsten), Work oder Elsden (Ritter), Tsokol oder Waguscheh (Freie) und Pschitli (Sklaven). Von den Pschi sollen im Lande der Adighe nur noch vier, aber gliederreiche Familien vorhanden sein; die Work sollen noch einige hundert Höfe besitzen. Die Pschitli sind die Nachkommen kriegsgefangener Frauen und Kinder sowie solcher Adighe, welche durch Richterspruch zur Sklaverei verurteilt wurden. Sie sind jetzt persönlich frel und haben nur einige Naturalabgaben, Fron- und Kriegsdienste zu leisten. Die Geistlichkeit kann man in zwei Klassen teilen; die erste davon ist die alte christlich-heidnische (Dschiur genannt), welche aber von der mohammedanischen Geistlichkeit mehr und mehr verdrängt wird. Die Männer gehen stets bewaffnet und zwar mit Flinte, Säbel, Pistole und Dolchmesser. Eigentümlich sind die auf der Brust getragenen orgelpfeifenähnlichen Patronenhülsen. Die Hauptcharakterzüge des Volkes sind: Anhänglichkeit an die Familie, Tapferkeit, Entschlossenheit, Gastfreiheit, Ehrfurcht vor dem Alter und Gemeinsinn, aber auch Leichtsinn, Roheit, Habgier, Neigung zur Dieberei und namentlich Lügenhaftigkeit. Der Hausvater ist auf seinem Gehöft unumschränkter Herr; die Söhne bleiben, solange er lebt, ihm zur Seite; der älteste Sohn wird Erbe des Hofs und des größern Teils der beweglichen Habe. Das Heiraten geschieht nach freier Wahl, und zwar wird das Mädchen aus dem elterlichen Haus heimlich entführt und erst später nach der Hochzeit der vereinbarte Preis vom Mann bezahlt. Die Stellung der Frauen ist nicht die sklavische wie sonst im Morgenland. Das Mädchen wird früh in weiblichen Handarbeiten, Nähen, Stricken etc., geübt und tummelt sich als Jungfrau mit den Brüdern und Vettern im Gehöft umher, lernt den Bogen spannen und das Roß lenken. Diese Selbständigkeit verhindert aber nicht, daß Mädchen von den eignen Eltern verkauft werden, um in türkischen Harems eine mehr oder minder glanzvolle Rolle zu spielen. Vgl. Kaukasien.

[Geschichte.] Schon im Altertum traten die T. unter dem Namen der Sychen als Seeräuber auf. Im 13. Jahrh. wurden sie von den georgischen Königen unterworfen und zum Christentum bekehrt, doch errangen sie 1424 ihre Unabhängigkeit wieder. Inzwischen hatten sie sich über die Ebenen am Asowschen Meer verbreitet und waren dadurch mit den Tataren in Konflikt geraten. Die Bedrückungen, welche sich der Chan der Krim gegen die Gebirgsstämme erlaubte, nötigten diese, sich 1555 dem russischen Zaren Iwan IV. Wasiljewitsch zu unterwerfen, der ihnen hierauf gegen die Tataren Hilfe leistete. Nach dem Abzug der russischen Truppen überzog Chan Schah Abbas Girai 1570 die Transkubaner mit Krieg, siedelte sie jenseit des Kuban an und zwang sie zur Annahme des Islam. 1600 kehrten sie in ihre alten Wohnsitze zurück; da sie aber von seiten der neuen Ansiedler Hindernisse fanden, zogen sie an den Fluß Bassan und drängten auf die Kabardiner. Daraus entstand ein innerer Krieg, und infolge dessen fand die Teilung des kabardinischen Volkes in die Große und Kleine Kabarda statt. Erst 1705 befreite ein entscheidender Sieg die T. von harter Bedrückung. Nach dem Frieden von Kütschük Kainardschi wurde 1774 Rußland Herr der beiden Kabarden. Seit 1802 Georgien eine russische Provinz geworden war, strebte Rußland, dessen Grenzen bereits bis an den Kuban vorgerückt waren, durch den Besitz des Kaukasus eine Verbindung zwischen jenem Land und Kaukasien herzustellen. 1807 nahmen die Russen Anapa, mußten es aber infolge des Friedens von Bukarest 1812 wieder räumen. Die Türken fanatisierten nun die T. immer mehr gegen die Russen, und die T. unternahmen von jetzt an fortwährend Einfälle ins russische Gebiet. 1824 leisteten sogar mehrere Stämme dem Sultan den Eid der Treue. Im russisch-türkischen Krieg von 1829 fiel Anapa jedoch abermals in die Hände der Russen, und im Frieden von Adrianopel kamen die türkischen Besitzungen auf dieser Küste überhaupt an Rußland. Seitdem begann die systematische Unterwerfung der Bergvölker, welche anfangs angriffsweise ins Werk gesetzt wurde, aber keinen Erfolg hatte. Man gab endlich die verderblichen Expeditionen in das Innere des Landes auf und beschränkte sich auf die Absperrung des Landes, reizte aber durch diese defensive Haltung die Unternehmungslust der Bergvölker. 1843 rief Schamil (s. d.), welcher schon seit 1839 die Tschetschenien und andre östliche Gebirgsstämme zum Kampf gegen die Russen zu begeistern gewußt, auch die T. zur Erneuerung der Angriffe auf, so daß seitdem fast alle Bergvölker vereint gegen Rußland im Kampf begriffen waren. Nach dem Beginn des russisch-türkischen Kriegs von 1853 setzten Schamil und die übrigen Häuptlinge um so energischer den Kampf fort, als sie jetzt von den Türken unterstützt wurden. Nach dem Einlaufen der englisch-französischen Flotte ins Schwarze Meer (Januar 1854) waren die T. namentlich bei der Eroberung und Zerstörung der russischen Küstensorts eifrig mit thätig. Indes wirkte die Spaltung zwischen den Muriden Schamils und den übrigen Mohammedanern einem einheitlichen Handeln entgegen, und als 1856 Fürst Barjatinskij den Oberbefehl im Kaukasus übernahm, hatte er auf der lesghischen Seite nur noch vereinzelte Raubzüge zurückzuweisen. Die Russen besetzten nach und nach wieder die im Krieg verlassenen festen Punkte und setzten die Ausführung ihres Unterwerfungsplans gegen die Bergvölker durch Lichten der Wälder nicht ohne Erfolg fort. Anfang Juli 1857 schlug Fürst Orbeliani II. auf der Hochebene Schalatawia die Hauptmacht Schamils, der am 6. Sept. 1859 in seinem letzten Schlupfwinkel zur Unterwerfung gezwungen wurde. Damit war der Kampf in der Hauptsache beendet; er hatte der russischen Armee im ganzen ½ Mill. Menschen gekostet. Die T. wanderten in den nächsten Jahren in großen Scharen nach der

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Tschermak - Tschernigow.

Türkei aus, bis 1864 im ganzen 450,000 Seelen, wo sie in den Grenzprovinzen, namentlich in Bulgarien und in Thessalien, angesiedelt wurden, um die mosleminische Bevölkerung zu vermehren, aber durch ihre unruhige Wildheit und Roheit viele Klagen hervorriefen. Auch bei der Bekämpfung des Aufstandes in der Herzegowina 1875 und in Bulgarien 1876 sowie im neuen russisch-türkischen Krieg 1877 thaten sich die tscherkessischen Truppen durch Zügellosigkeit und barbarische Wildheit hervor, während ihre kriegerische Tüchtigkeit sich im geregelten Kampf wenig bewährte. Die im Kaukasus zurückgebliebenen T. machten 1877 ebenfalls Aufstandsversuche, doch ohne einheitlichen Plan und daher ohne Erfolg. Als besondere Nation haben die T. aufgehört zu existieren, und ihre Zerstreuung unter fremde Völker wird sie, die keinen Zusammenhang mehr haben, dem Untergang entgegenführen. Vgl. Bodenstedt, Die Völker des Kaukasus (2. Aufl., Berl. 1855, 2 Bde.); Lapinsky, Die Bergvölker des Kaukasus und ihr Freiheitskampf gegen die Russen (Hamb. 1863, 2 Bde.); Berge, Sagen und Lieder des Tscherkessenvolkes (Leipz. 1866).

Tschermak, Gustav, Mineralog, geb. 19. April 1836 zu Littau bei Olmütz in Mähren, studierte 1856 bis 1860 zu Wien, habilitierte sich 1861 an der Universität daselbst, wurde 1862 Kustos am k. k. Hofmineralienkabinett, erhielt 1868 die Professur an der Universität und die Direktion des Hofkabinetts, welch letztere er bis 1877 führte. Von seinen durch Ideenreichtum ausgezeichneten und zum Teil die wichtigsten Mineralien betreffenden Arbeiten, deren viele in den von ihm herausgegebenen "Mineralogischen Mitteilungen" (Wien 1871-77, seit Anfang 1878 "Mineralogische und petrographische Mitteilungen") erschienen sind, seien hervorgehoben: "Untersuchungen über das Volumgesetz flüssiger chemischer Verbindungen" (das. 1859); "Über Pseudomorphosen" (das. 1862-66); "Die Feldspatgruppe" (das. 1864); "Die Verbreitung des Olivins in den Felsarten und die Serpentinbildung" (das. 1867); "Die Porphyrgesteine Österreichs" (das. 1869); "Die Pyroxen-Amphibolgruppe" (das. 1871); "Die Aufgaben der Mineralchemie" (das. 1871); Berichte über verschiedene Meteoriten (das. 1870 ff.); "Die Bildung der Meteoriten und der Vulkanismus" (das. 1875); "Über den Vulkanismus als kosmische Erscheinung" (das. 1877); "Die Glimmergruppe" (Leipz. 1877-78); "Die Skapolithreihe" (das. 1883); "Die mikroskopische Beschaffenheit der Meteoriten" (Stuttg. 1885); auch schrieb er ein "Lehrbuch der Mineralogie" (3. Aufl., Wien 1888).

Tschern, Kreisstadt im russ. Gouvernement Tula, am Fluß T., der in die Suscha fällt, und an der Eisenbahn Moskau-Kursk, hat 4 Kirchen und (1885) 2666 Einw.

Tschernagora (besser Crnagora), slaw. Name für Montenegro; Tschernagorzen, die Montenegriner.

Tschernaja (T.-Rjetschka, Kasulkoi), Fluß im S. der Krim (s. d.), welcher von O. her durch das Thal von Inkerman bei den Ruinen dieses letztern in die Reede von Sebastopol mündet, war im Krimkrieg während der Belagerung von Sewastopol die Scheidelinie der feindlichen Armeen. Hier erfocht Canrobert 25. Mai 1855 einen Sieg über die Russen. Der vom Fürsten Gortschakow 16. Aug. 1855 vergeblich unternommene Angriff auf die Stellung der Alliierten wird die Schlacht an der T. genannt.

Tschernajew, Michael Grigorjewitsch, russ. General, geb. 1828, trat erst in die Armee, kämpfte in der Krim und im Kaukasus, ward dann im diplomatischen Dienst verwendet und russischer Generalkonsul in Belgrad, leitete 1864 als General den Feldzug nach Taschkent, das er eroberte, erhielt aber wegen Unbotmäßigkeit seinen Abschied und ließ sich als Notar in Moskau nieder. Er war einer der thätigsten Führer der panslawistischen Partei und übernahm im Juli 1876 das Kommando des serbischen Heers an der Morawa, ward aber 29. Okt. bei Alexinatz geschlagen. 1877 im russischen Heer nicht verwendet, setzte er die Agitationen für das slawische Wohlthätigkeitskomitee im In- und Ausland fort. Alerander III. ernannte ihn 1882 zum Generalgouverneur von Taschkent, setzte ihn aber schon im Februar 1884 wegen Eigenmächtigkeit wieder ab. Da er die Maßregeln der Regierung in Asien und namentlich die Transkaspische Bahn in den Zeitungen rücksichtslos bekämpfte, ward er 1886 auch seiner Stelle als Mitglied des Kriegsrats entsetzt.

Tschernawoda (Crnavoda, bei den Türken Boghasköi), kleine Stadt in der rumän. Dobrudscha, Distrikt Constanza, rechts an der Donau, von wo die 1860 eröffnete Eisenbahn nach Constanza am Schwarzen Meer führt, hat eine Kirche, eine Moschee, einen Hafen und 2635 Einw. Im April 1854 nahmen die Russen die Stadt.

Tschernebog ("schwarzer Gott"), der oberste der finstern Götter der nordischen Wenden und Slawen, als böses Prinzip der Gegensatz von Swantewit (s. d.), ursprünglich der "schwarze" Gott der Gewitternacht gegenüber dem "lichten" Sonnen- und Tagesgott. Er wurde in abschreckender, kaum menschenähnlicher Gestalt dargestellt und erhielt Trankopfer zur Sühne. Auch mehrere Berge, vorzeiten jedenfalls Opferstätten, führen noch den Namen T. (Corneboh), z. B. einer in der Nähe von Bautzen (558 m).

Tschernigow, ein Gouvernement Kleinrußlands (s. Karte "Polen etc."), wird von den Gouvernements Kiew, Poltawa, Kursk, Orel, Mohilew und Minsk begrenzt und umfaßt 52,397 qkm (nach Strelbitsky 52,402 qkm = 951,58 QM.). Die bedeutendsten Flüsse sind: der Dnjepr, der jedoch nur die Westgrenze berührt, die Desna, Sosh und Trubesch. Außerdem gibt es viele kleinere Flüsse und eine Menge ganz unbedeutender Seen. Das Land ist im allgemeinen eben und sehr flach und wird nur durch einige hügelige Flußufer etwas wellig und schluchtenreich. Der nördliche Teil desselben ist waldreich; im Kreis Gluchow wird der berühmte Gluchowsche weiße Thon gewonnen (jährlich 60,000 Pud), aus dem 9/10 aller Porzellanwaren in Rußland bereitet werden. In geologischer Beziehung ist das rechte, hohe Ufer der Desna bemerkenswert, das aus Kreideschichten besteht, in denen Sandadern mit Kiesel und Muschelteilen vorkommen. Das Klima ist gemäßigt und gesund. Die Bevölkerung belief sich 1885 auf 2,075,867 Einw., 40 pro QKilometer, meist Kleinrussen, außerdem Großrussen, Deutsche, Juden, Griechen. Die Zahl der Eheschließungen war 1885: 17,193, der Gebornen 100,917, der Gestorbenen 66,500. Das Areal besteht aus 54 Proz. Acker, 20,2 Proz. Wald, 16,7 Proz. Wiese und Weide, 9,1 Proz. Unland. T. hat in vielen Kreisen einen zum Ackerbau wenig geeigneten Boden; Getreide wird aus Poltawa und Kursk herbeigeführt. Immerhin bleibt die Landwirtschaft die Hauptbeschäftigung der Bewohner und liefert im N. des Gouvernements als die wichtigsten Produkte Hanf, Hanföl, Runkelrüben u. Flachs (nach Riga), im S. außer Runkelrüben Roggen, Hafer, Buchweizen, Kartoffeln, Gerste, Arbusen, Melonen u. geringe Tabaksorten. Die Ernte betrug 1887: 5,8 Mill. hl Roggen, 2,9 Mill. hl Hafer, 1,2 Mill. hl Buchweizen, 1,5 Mill. hl Kartoffeln. Der

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Tschernij-Jar - Tschernyschew.

Viehstand bezifferte sich 1883 auf 515,334 Stück Hornvieh, 572,182 Pferde, 915,719 grobwollige, 32,236 feinwollige Schafe, 420,000 Schweine, 37,000 Ziegen. Der Waldreichtum liefert einen großen Gewinn durch das Bau- und Brennholz, durch Kohlenbrennerei und Teerschwelen. Die Industrie wurde 1884 in 587 Fabriken und gewerblichen Anstalten mit 14,439 Arbeitern betrieben und der Gesamtwert der Produktion auf 21,384,000 Rubel beziffert. Hervorragend sind Rübenzuckerfabrikation und -Raffinerie (6,1 Mill. Rub.), Tuchweberei (2,4 Mill. Rub.) und Branntweinbrennerei (1,1 Mill. Rub.). Ansehnliche Industriezweige sind ferner: Zündholzfabrikation, Ölschlägerei, Ziegelei, Lederfabrikation, Holzsägerei. In 10 Fabriken wurden 1886/87: 72,600 Doppelzentner weißer Sandzucker produziert. Der Handel ist ziemlich lebhaft und führt die genannten Produkte hauptsächlich auf den Eisenbahnen, die sich bei dem Flecken Bachmatsch kreuzen, aus. Lehranstalten gab es 1885: 631 elementare mit 38,706 Schülern, 18 mittlere mit 3731 Schülern, 4 Fachschulen mit 525 Schülern, nämlich 2 Lehrerseminare, ein geistliches Seminar und eine Feldscherschule. T. zerfällt in 15 Kreise: Borsna, Gluchow, Gorodnja, Konotop, Koselez, Krolewez, Mglin, Njeshin, Nowgorod Sjewersk, Nowosybkow, Oster, Sosniza, Starodub, Surash und T. - Die gleichnamige Hauptstadt, an der Desna, hat eine Kathedrale aus dem 11. Jahrh., 17 andre Kirchen, 4 Klöster, einen erzbischöflichen Palast, ein klassisches Gymnasium, ein Lehrerseminar, ein Mädchengymnasium, eine Gouvernementsbibliothek, etwas Handel und Industrie und (1886) 27,028 Einw. Sie ist Sitz des Erzbischofs von T. und Njeshin. T. wird schon zu Olegs Zeit 907 erwähnt, war längere Zeit die Hauptstadt des tschernigowschen Fürstentums, wurde 1239 vom Mongolenchan Batu erobert und verbrannt, gehörte seit dem 14. Jahrh. den Litauern, später den Polen und wurde 1648 für immer mit Rußland vereinigt.

Tscheruij-Jar, Kreisstadt im russ. Gouvernement Astrachan, an der Wolga, hat alte unbedeutende Festungswerke, Fischerei, Viehzucht, Schiffahrt und (1886) 4871 Einw. Im Kreis in der Nähe des Bergs Bogdo liegt der See Boskuntschat (Bogdo), 123,9 qkm groß, 20 km lang und 9,5 km breit, der vortreffliches weißes Salz liefert.

Tscherning, 1) Andreas, Dichter, geb. 18. Nov. 1611 zu Bunzlau, flüchtete vor den Dragonaden des Grafen Dohna (s. d. 2) nach Görlitz, studierte später in Breslau, seit 1635 in Rostock, wohin ihn M. Opitz an Lauremberg empfohlen hatte, wurde 1644 an des letztern Stelle Professor der Dichtkunst in Rostock; starb 27. Sept. 1659 daselbst. Seine Gedichte, meist Gelegenheitspoesien, die ihn als einen der bessern Nachahmer von Opitz erkennen lassen, erschienen unter den Titeln: "Deutscher Gedichte Frühling" (Bresl. 1642) und "Vortrab des Sommers deutscher Gedichte" (Rost. 1655). Auswahl in W. Müllers "Bibliothek deutscher Dichter des 17. Jahrhunderts" (Bd. 7).

2) Anton Friedrich, dän. Staatsmann, geb. 12. Dez. 1795 auf Frederiksvärk, trat 1813 in das Artilleriekorps, studierte, seit 1816 als Leutnant in Frankreich stehend, in den Artillerieschulen zu Paris und Metz, ward 1820 bei dem Inspektorat der Fabriken auf Frederiksvärk angestellt und 1830 zum Lehrer an der militärischen Hochschule zu Kopenhagen ernannt. Seit 1841 privatisierend, war er anfangs 1848 einer der Hauptleiter der Gesellschaft der Bauernfreunde. Am 24. März d. J. zum Kriegsminister ernannt, entwickelte er besondere Thätigkeit für das dänische Heerwesen, schied aber im November aus dem Ministerium und trat als Oberst in das Privatleben zurück, wirkte jedoch als Mitglied der Grundgesetzgebenden Versammlung. Zum ersten Reichstag in das Volksthing gewählt, war er eine der gewichtigsten Stützen des Ministeriums. 1854 ward er zum Reichsrat ernannt und nahm als hervorragendster Führer der Bauernpartei an den Verfassungskämpfen bedeutenden Anteil. Er starb 29. Juni 1874. Er schrieb "Zur Beurteilung des Verfassungsstreits" (1865).

Tschernomorskibezirk (Bezirk des Schwarzen Meers), eine Provinz der russ. Statthalterschaft Kaukasien, am Südabfall des Kaukasus von der Straße von Kertsch bis etwa zum 38. Meridian gelegen, umfaßt 5287 qkm (96,03 QM.) mit (1885) 22,932 Bewohnern. Dieser schmale, lange Streifen, von Gebirgsrücken durchzogen, wurde früher besonders von tscherkessischen Stämmen bewohnt, die sich infolge des sehr durchschnittenen Terrains in eine Menge Unterabteilungen spalteten. Nach der Auswanderung der Tscherkessen nach der Türkei hoffte man auf die Einwanderung von Russen; dieselbe ist jedoch noch eine spärliche. Noworossijsk und Anapa (s. d.) sind die einzigen Städte.

Tschernomorzen, s. Kosaken, S. 110.

Tschernosem (Tschernosjom, "Schwarzerde"), äußerst fruchtbare schwarze Erde, mitunter bis 6 m mächtig, reich an Phosphorsäure, Kali und Ammoniak, mit 5-16 Proz. organischer Substanz, im mittlern und südlichen Rußland sowie in Südsibirien weitverbreitet, liefert ohne Düngung die reichsten Ernten (vgl. Humus, S. 796). Aus Texas sind ähnliche Erdarten bekannt. Vgl. Kostytschew, Die Bodenarten des T. (Petersb. 1886, russ.).

Tschernyschew, russ. Grafen- und Fürstengeschlecht, das in einer ältern und einer jüngern Linie blüht. Zur letztern gehörte Grigorij T., einer der tüchtigsten Generale Peters d. Gr., geb. 1672. Er ward 1742 durch die Kaiserin Elisabeth in den Grafenstand erhoben und starb 30. Juli 1745. Sein ältester Sohn, Graf SacharT., geb. 1705, Kriegsminister unter Katharina II., befehligte im Siebenjährigen Krieg ein russisches Korps von etwa 20,000 Mann. Nach der Thronbesteigung des Kaisers Peter III. erhielt T. im Mai 1762 den Befehl, sein Korps den Preußen zuzuführen, worauf er, mit Friedrich d. Gr. vereinigt, bei Burkersdorf auf Daun stieß, der Schweidnitz decken sollte. Der König hatte bereits beschlossen, den Feind anzugreifen, als die Order eintraf, daß T. sich sofort von der preußischen Armee trennen solle. Auf Friedrichs Bitten verheimlichte jedoch T. den erhaltenen Befehl und blieb mit seinem Heer bei den Preußen, die nun die Österreicher zurückwarfen. Später ward T. Präsident des Kriegskollegiums und Reichsfeldmarschall; starb 1775. Sein Bruder, Graf Iwan, war russischer Marineminister unter Katharina II. und Paul I., ein dritter Bruder, Graf Peter, russischer bevollmächtigter Minister am preußischen Hof bei Friedrich II. und in Frankreich bei Ludwig XV. Graf Sachar, Enkel des Grafen Iwan, beteiligte sich an der Verschwörung vom 14. Dez. 1825, weshalb er nach Sibirien verbannt wurde. - Der namhafteste Sprößling des ältern Zweigs ist Fürst Alexander Iwanowitsch T., geb. 1779. Er nahm teil an der Schlacht bei Austerlitz sowie an dem Feldzug vom Jahr 1807, wo er insbesondere bei Friedland sehr wesentliche Dienste leistete. Wiederholt erschien er hierauf als Diplomat in Paris. In den Schlachten bei Wagram und Aspern befand sich T. an der Seite Napoleons. Mit einer Mission nach Paris be-

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Tschernyschewskij - Tschetschenzen.

traut, wußte er dort durch Bestechung den französischen Operationsplan gegen Rußland in Erfahrung zu bringen. Im Feldzug von 1812 führte er den kühnen Zug im Rücken der französischen Armee aus, durch welchen er den General Wintzingerode aus der Gefangenschaft befreite. 1813 zum Divisionsgeneral avanciert, bedrohte er im März den französischen General Augereau in Berlin, unternahm im September 1813 einen Streifzug ins Königreich Westfalen, zu dessen Sturz er wesentlich beitrug, und erstürmte 1814 Soissons. Zum Generalleutnant befördert, begleitete er den Kaiser Alexander I. auf den Kongreß zu Wien, später nach Aachen und Verona. Bei der Krönung des Kaisers Nikolaus ward er in den Grafenstand erhoben und 1832 zum Kriegsminister und Chef des kaiserlichen Generalstabs ernannt. 1841 wurde er in den Fürstenstand erhoben und 1848 zum Präsidenten des Reichsrats und des Ministerkonseils ernannt. Er starb 20. Juni 1857 in Castellammare.

Tschernyschewskij, Nikolai Gawrilowitsch, russ. Schriftsteller, geb. 1828 zu Saratow, besuchte zuerst ein geistliches Seminar, studierte dann in Petersburg, wo er den Universitätskursus 1850 absolvierte, redigierte in der Folge eine militärische Zeitschrift und war 1855-64 Mitarbeiter an dem "Zeitgenossen", den er teils mit ästhetischen, teils mit politisch-ökonomischen Artikeln und Abhandlungen versorgte. Nebenbei veröffentlichte er ein Werk über Lessing (1857) und bearbeitete Adam Smiths Werk über den Nationalreichtum unter dem Titel: "Grundlagen der politischen Ökonomie" (1864). Während einer Festungshaft schrieb er den nihilistisch gefärbten, dabei durch die Schilderung neuer gesellschaftlicher und staatlicher Verhältnisse ausgezeichneten Tendenzroman "Was thun?" (2. Aufl. 1877; deutsch, Leipz. 1883), der seine Verbannung nach Sibirien zur Folge hatte. Er lebt, seit 1883 teilweise begnadigt, in Astrachan.

Tscherokesen (Cherokee, Tschilake), ein großes, zu der sogen. Appalachengruppe gehöriges Indianervolk in Nordamerika, bewohnt gegenwärtig, seit seiner Verpflanzung aus dem ursprünglichen Gebiet auf die Westseite des Mississippi, einen Distrikt im N. und O. des Indianerterritoriums von ca. 9,75 Mill. Acres Areal. Das Land wird vom Arkansas und dessen Nebenflüssen reichlich bewässert und ist zum Ackerbau, der fleißig betrieben wird, wohlgeeignet. Die Zahl der T.betrug 1853: 19,367 und 1883: 22,000 Seelen. Sie sind unter den Indianern Nordamerikas jedenfalls die am weitesten in der Kultur vorgeschrittene Nation, haben große Dörfer mit wohnlich eingerichteten Häusern, über 30 öffentliche Schulen mit zum Teil eingebornen Lehrern und 5000 Schülern, betreiben zahlreiche Sägemühlen sowie ausgedehnte Rindvieh-, Schaf- und Pferdezucht. Was sie an Kleidung, Ackergerätschaften etc. bedürfen, fertigen sie selbst an und produzieren auch Salz aus den zahlreichen Salzquellen ihres Gebiets. In den letzten Jahrzehnten haben sie auch schon einen Teil ihrer landwirtschaftlichen Produkte flußabwärts nach New Orléans ausgeführt. Sie haben ihre besondern Gesetze und eine nach dem Muster der Vereinigten Staaten eingerichtete republikanische Regierung mit geschriebener Verfassung. Ihre Sprache, für welche 1821 ein Halbindianer, Sequoyah (G. Gueß), eine eigne syllabische Schrift erfand, besteht aus 85 Zeichen, die zu Wörtern zusammengefügt werden, und ist sehr wohlklingend; sie steht übrigens in der Reihe der nordamerikanischen Sprachen ganz vereinzelt da. Mittelglieder, welche die Sprache mit den Sprachen der südlichen Nachbarn verbanden, sind verloren. Eine kurze Grammatik lieferte H. C. von der Gabelentz in Höfers Zeitschrift; auch im 2. Bande der "Archaeologia americana" finden sich grammatische Notizen. Daneben haben die T. die englische Sprache in großem Umfang angenommen und schon sämtlich ihre Nationaltracht für die europäische aufgegeben. Von der Union erhalten sie noch bedeutende Jahrgelder für ihre im O. des Mississippi abgetretenen Ländereien; auch Handwerkswerkführer werden ihnen kontraktlich von der Zentralregierung geliefert. Zahlreiche Missionäre arbeiten unter ihnen mit gutem Erfolg, auch ihre periodische Presse nimmt einen achtbaren Platz ein. Über die Bedeutung ihres Namens ist man nicht im klaren. Gott nannten sie Oonawleh Unggi ("den ältesten der Winde"). Nach Whipple ("Report on the Indian tribes") hatten sie einen der christlichen Taufe ähnlichen Ritus, der streng beobachtet wurde, weil sonst der Tod des Kindes die unvermeidliche Folge war. Auch besitzen sie phantastische Sagen von einer Sintflut, einer gehörnten Schlange etc. Die T. bewohnten ursprünglich ein großes Gebiet im Innern von Südcarolina, Georgia und Tennessee, lebten anfangs in gutem Einvernehmen mit den europäischen Kolonisten und erkannten 1730 die britische Oberhoheit an. Später kam es jedoch zu Kämpfen zwischen ihnen und den Briten, die von beiden Seiten mit unmenschlicher Grausamkeit geführt wurden, bis sie sich 1785 der Oberhoheit der Vereinigten Staaten unterwarfen. Im Jahr 1819 siedelte ein Teil des Volkes nach Arkansas über, während die übrigen in Georgia, wozu ihr Gebiet nominell gehörte, zurückblieben. Endlich wurden sie 1838 insgesamt genötigt, nach dem Indianerterritorium auszuwandern, wo sie ihr jetziges Gebiet angewiesen erhielten.

Tschers (pers.), aus dem indischen Hanf in Form einer Pasta bereitetes Narkotikum, das, wie in der Türkei das Esrar(s. d.),in Afghanistan, Persien und Mittelasien (hier auch Anascha oder Chab genannt) unter den Tabak gemischt geraucht wird. Vgl. Haschisch.

Tscheschme (bei den Griechen Krene genannt), Hafenstadt im asiatisch-türk. Wilajet Aïdin, am Ägeischen Meer, Chios gegenüber, mit mittelalterlicher Citadelle, Rosinenhandel und ca. 20,000 fast nur griech. Einwohnern. Bei T. wurde in der Nacht vom 5. zum 6. Juli 1770 eine Seeschlacht geliefert, in welcher die Russen die türkische Flotte verbrannten, die sich unvorsichtigerweise in die enge und seichte Bucht nach T. zurückgezogen hatte. Zum Andenken an den Sieg gründete Katharina II. 15 km südlich von St. Petersburg ein gleichnamiges Militärkrankenhaus. Im April 1881 wurde T. durch Erdbeben arg zerstört.

Tschesskajabai, Teil des Nördlichen Eismeers, zwischen der Halbinsel Kanin, der Insel Kalgujew und dem Festland.

Tschetschenzen, die russ. Bezeichnung für die zum kaukasischen Stamm gehörigen, von den Georgiern Khisten (Kisten), von den Lesghiern Mizdscheghen genannten Völkerschaften, die sich selber Nachtschuoi nennen. Ihr Gebiet wird im W. und NW. von Dagheftan, im NO. vom obern Terek, im N. von der Kleinen Kabarda und dem Sundschafluß, im S. vom Kaukasus, im O. vom obern Jakhsai und Enderi begrenzt. Zu ihnen gehören namentlich die Inguschen, Karabulaken, Thusch oder Mosok, Chewsuren, Pshawen und die T. im engern Sinn zwischen den Karabulaken und dem Aksaifluß. Ihre Zahl beträgt etwa 161,500 Seelen. Die Männer zeichnen sich durch schlanken Wuchs und Körpergewandtheit aus; den Frauen ist natürliche Anmut eigen. Die Wohnorte, Aul genannt, sind befestigte Dörfer. Jedes Dorf

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Tschettik - Tschilau.

wählt aus der Mitte seiner Bewohner seine Ältesten. Fürsten gibt es nicht; sie gelten alle als frei und teilen sich in Geschlechter (Tochum), die sich nach den Auls nennen, aus denen ihre Stammväter zur Zeit der Übersiedelung aus dem Gebirge in die Ebene ausgeganzen sind. Ihre Sprachen sind mit keinem andern Sprachstamm verwandt (s. Kaukasische Sprachen). Als Mohammedaner enthalten sie sich des Weins, dafür genießen sie desto mehr Branntwein. Hinsichtlich der Gesittung stehen sie andern Kaukasiern nach; von Gewerbebetrieb und sonstiger friedlicher Beschäftigung ist, von etwas Feldbau und Viehzucht abgesehen, bei ihnen nicht die Rede. 1818 Rußland unterworfen, erhoben sich die T., aufgeregt durch den Muridismus (s. Muriden), in Masse gegen die Fremdherrschaft, und erst 1859, nachdem sich Schamil (s. d.) den Russen hatte ergeben müssen, gelangte die russische Herrschaft im östlichen Kaukasus zu fester Begründung (s. Kaukasien, S. 635). Gleichwohl blieben die T. stets unruhige und unwillige Unterthanen, die noch während des orientalischen Kriegs 1877 gegen die Russen aufstanden, bald aber wieder unterworfen wurden.

Tschettik (Tschettek), s. Strychnos und Pfeilgift.

Tschetwert (Kul), Einheit des russ. Getreidemaßes, = 8 Tschetwerik = 64 Garnetz = 2,099 hl.

Tschi (Covid), Längenmaß in China, = 10 Tsun oder Pant à 10 Fen, Fan oder Fahn = 0,3581 m. Auch Getreidemaß, s. Hwo.

Tschibtscha (Chibcha, auch Muisca), amerikan. Volksstamm, welcher im heutigen Kolumbien vom obern Zuila im N. bis gegen Pasto im S. und von den Quellen des Atrato im W. bis gegen Bogota im O. einen Staat gründete, der sich, wie Reste von Bauwerken beweisen, zu verhältnismäßig hoher Kultur entwickelte (vgl. Amerikanische Altertümer, S. 482, und Sogamoso).

Tschibuk (türk.), Rohr, Pfeifenrohr; die türk. Tabakspfeife im allgemeinen, die aus einem deckellosen Thonkopf (Lule), aus dem Rohr, dem Mundstück (Imame) und dem Verbindungsrohr zwischen dem letztern und der Pfeife besteht. Als beste Sorte der kleinen, breiten und rötlichen Pfeifenköpfe gelten die in einigen Fabriken von Top-Hane verfertigten. Die besten Jasminrohre stammen aus der Umgebung von Brussa; das Mundstück wird aus Bernstein angefertigt. Bisweilen sind diese Pfeifen mit kostbaren Edelsteinen geziert. Der Tabak im Pfeifenkopf wird durch eine glimmende Kohle angezündet und, um das Herabfallen desselben auf den Teppich zu verhüten, eine kleine Metallschale unter den Pfeifenkopf gelegt. Der T. ist ein steter Begleiter des Türken; einem besondern Diener, dem Tschibuktschi, ist die Pflege desselben anvertraut; derselbe folgt mit den Rauchutensilien beständig seinem Herrn und ist zugleich eine Vertrauensperson desselben. Vgl. Vambery, Sittenbilder aus dem Morgenland (Berl. 1876).

Tschichatschew, Peter von, russ. Naturforscher und Reisender, geb. 18l2 zu Gatschina bei St. Petersburg, war Attache bei der Gesandtschaft in Konstantinopel und bereiste 1842-44 Kleinasien, Syrien und Ägypten. Nachdem er dann verschiedene Länder Europas besucht und den Altai im Auftrag des Kaisers erforscht hatte, konzentrierte er seit 1848 seine Hauptthätigkeit auf die Durchforschung Kleinasiens, wo er bis 1853 ganz auf eigne Kosten sechs ausgedehnte Reisen ausführte und zwar in erster Linie als Geognost und Botaniker; auch 1858 war er wieder in Kleinasien und Hocharmenien. Außer den Reisewerken: "Voyage scientifique dans l'Altaï oriental et les parties adjacentes de la frontière de Chine" (Par. 1845, mit Atlas), "Asie Mineure" (das. 1853-68, 8 Bde. mit Atlas), "Lettres sur la Turquie" (Brüss. 1859), "Une page sur l'Orient" (2. Aufl. 1877), "Le Bosphore et Constantinople" (3. Aufl. 1877) und "Espagne, Algérie et Tunésie" (Par. 1880; deutsch. Leipz. 1882) veröffentlichte er auch mehrere wissenschaftliche Arbeiten und politische Schriften sowie eine Übersetzung von Grisebachs Pflanzengeographie und ein kleines Werk: "Kleinasien" (deutsch, das. 1887). Sein Bruder Plato v. T. bereiste gleichfalls Nordafrika, Südeuropa und Südamerika, machte den Feldzug gegen China mit und lebte dann in Italien und Frankreich.

Tschiervaporphyr, s. Granitporphyr.

Tschiftlik (türk.), Landgut, früheres Militärlehen. T.-Sahibi (auch Aga), in Bosnien eine Art Grundherr, der nicht den Zehnten, sondern ein volles Drittel des Rohertrags bezog. T.-Humajun (auch Mici genannt), die Privatgüter des Sultans.

Tschifu (engl. Cheefoo), einer der chines. Traktatshäfen, in der Provinz Schantung am Eingang des Golfs von Petschili gelegen, mit etwa 32,000 Einw. Der fremdländische Handel (Totalwert 1887: 1,6 Mill. Taels) nimmt stetig zu. T. ist Sitz eines deutschen Konsuls und verschiedener Missionen, im ganzen ca. 120 Europäer und Amerikaner.

Tschigirin, Kreisstadt im russ. Gouvernement Kiew, an der Tjasmina (Nebenfluß des Dnjepr) in steppenartiger, aber fruchtbarer Gegend, hat 5 russische und eine evang. Kirche und (1885) 16,009 Einw., welche Branntwein, Seife, Leder (Kalbleder und Juften) und Leinwand zur Ausfuhr bringen. - T., im 16. Jahrh. gegründet, wurde 1546 Hauptort der kleinrussischen Kosaken; 1596 schlug hier der Kosak Nelimaiko den polnischen Hetman Zolkjemski, 1677 und 1678, nachdem die Stadt 1659 russisch geworden war, belagerten die Türken dieselbe, wobei Gordon (s.d. 2) heldenmütigen Widerstand leistete; schließlich mußten die Russen die Festung räumen, ohne daß die Türken dieselbe dauernd zu behaupten vermocht hätten. Diese Kämpfe, die ersten, welche unmittelbar zwischen Russen und Türken erfolgten, werden als die "Tschigirinfeldzüge" bezeichnet.

Tschikasa (engl. Chickasaws), ein den Tschokta verwandter Indianerstamm in Nordamerika, früher ziemlich mächtig und am mittlern Mississippi und Yazoofluß (in den Staaten Alabama und Tennessee) wohnhaft. Die T. zeigten sich früh (1699) den von den Gebirgen Carolinas herabsteigenden und mit ihnen Handel treibenden Engländern geneigt, während sie einen tiefen Haß gegen die den Mississippi heraufkommenden und sie übermütig behandelnden Franzosen nährten. Es kam zu offenen Feindseligkeiten (1736-40), infolge deren der Stamm teils vernichtet oder gefangen, teils aus seinem Gebiet auf das andre Mississippiufer vertrieben wurde. 1786 schlossen die T. mit der Union Freundschaft und wanderten 1837 und 1838 mit den Tschokta nach dem Indianerterritorium aus, dessen südwestlichen Teil sie, 1883 ca. 6000 Köpfe stark, bewohnen. Sie haben ihre eigne Legislatur, bestehend aus Senat und Repräsentantenhaus, dazu gute Schulen, geregelte Finanzen und zeichnen sich überhaupt durch Fortschritte in der Zivilisation vor andern aus. Ihre Sprache ist von der der Tschokta wenig verschieden. Vokabularien derselben finden sich in Adairs "History of the American Indians" (Lond. 1775) und im 2. Bande der "Archaeologia americana".

Tschikischlar, Fort, s. Atrek.

Tschilau (pers.), ein dem türk. Pilaw (s. d.) äzhn-

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Tschili - Tschitschagow.

liches Gericht, das aber weniger fett in luftdichtem Gefäß durch Dampf gekocht wird; es vertritt bei Mahlzeiten die Stelle des Brots.

Tschili, chines. Provinz, s. Petschili.

Tschilka (Chilka), See (richtiger Lagune) in der britisch-ind. Provinz Orissa, an der Westküste des Bengalischen Meerbusens, hat bei 1-2½ m Tiefe je nach der Jahreszeit 891-1165 qkm (16-21 QM.) Umfang und steht mit dem Meer durch einen an 300 m breiten Kanal in Verbindung. Bei Hochwasser frisch, wird das Wasser später ganz salzig.

Tschille (pers.), die 40 Tage der strengen Winterkälte (in Konstantinopel sehr gefürchtet); auch die 40 Tage, welche die Frau nach der Niederkunft in Zurückgezogenheit zu verbringen hat.

Tschimin (türk.), Wasserpfeife in Mittelasien, plumper als der persische Kalian (s. d.), besteht aus einem länglichen Kürbis oder einer Holzflasche mit kurzem Rohr; der Tabak wird nicht in benetztem, sondern in trocknem Zustand geraucht.

Tschin (russ.), Rang; Bezeichnung für die russischen Rangstufen (Tschiny), in welchen die Zivil- und Militärbeamten gemeinschaftlich rangieren. Mit der vierten Klasse (Wirklicher Staatsrat, Generalmajor) ist der Adel verbunden.

Tschinab, Fluß, s. Tschenab.

Tschindana (Tjindana), früher Name der Insel Sumba (s. d.).

Tschinghai, lebhafter Vorhafen der chines. Stadt Ningpo, links am Yungfluß, nahe der Mündung desselben, seit 1842 dem europaischen Handel geöffnet. Eine verfallene Citadelle und eine neuerbaute Batterie von zehn Geschützen verteidigen die Reede. Im Krieg Frankreichs mit China wurde T. 1885 von den Franzosen wiederholt beschossen und das Fort Siaokung zerstört.

Tschingkiang (Chinkiang), Name verschiedener chines. Städte, darunter am wichtigsten die für den europäischen Handel geöffnete Hafenstadt in der Provinz Kiangsu, an der Mündung des Jantsekiang, Sitz eines deutschen Konsuls, mit einer katholischen und evang. Mission und etwa 135,000 Einw. Im Hafen verkehrten 1886: 3526 Schiffe von 2,328,052 Ton., davon 126 deutsche von 72,540 T.; die Einfuhr wertete 1887: 98,000 Haikuan Tael. Die Stadt wurde 1842 von der britischen Flotte bombardiert, 1853 von den Taiping zerstört, später aber wieder aufgebaut.

Tschingtu, Hauptstadt der chines. Provinz Setschuan, an einem Nebenfluß des Jantsekiang, hat breite Straßen, schöne Häuser, einen immer bedeutender werdenden Handel und 350,000 Einw.

Tschintschotscho (Chinchoxo), Faktorei und ehemalige Station der Deutschen Afrikanischen Gesellschaft, im portugiesischen Teil der Loangoküste an der Mündung des Lukulu.

Tschippewäer, Indianerstamm der Algonkin, s. Odschibwä.

Tschirch, Wilhelm, Männergesangskomponist, geb. 8. Juni 1818 zu Lichtenau (Schlesien), machte seine Studien am Lehrerseminar zu Bunzlau und von 1839 an auf Staatskosten am königlichen Institut für Kirchenmusik zu Berlin, wo er gleichzeitig den Kompositionsunterricht von Marx genoß. 1843 wurde er in Liegnitz als städtischer Musikdirektor und 1852 in Gera als fürstlicher Kapellmeister angestellt. Seine Männergesangskompositionen verbreiteten sich in die weitesten Kreise, selbst nach Amerika, woselbst T. auch persönlich enthusiastisch gefeiert wurde, nachdem er einer Einladung zu dem 1869 in Baltimore veranstalteten Sängerfest gefolgt war. Außer seinen Mannerchören, unter denen die von der Akademie der Künste zu Berlin mit dem ersten Preis gekrönte Tondichtung "Eine Nacht auf dem Meere" Erwähnung verdient, komponierte er noch eine Oper: "Meister Martin und seine Gesellen" (aufgeführt 186l zu Leipzig), sowie kleinere Sachen für Orgel und Klavier.

Tschirmen, Flecken im türk. Wllajet Adrianopel, rechts an der Maritza, westlich von Adrianopel, mit Citadelle und 2000 Einw., welche Seidenzucht treiben.

Tschirnau (Groß-T.), Stadt im preuß. Regierungsbezirk Breslau, Kreis Guhrau, an der Linie Breslau-Stettin der Preußischen Staatsbahn, hat eine evangelische und eine kath. Kirche, eine Präparandenanstalt, ein adliges Fräuleinstift, Spiritusbrennerei und (1885) 758 meist evang. Einwohner.

Tschirnhaus (Tschirnhausen), Ehrenfried Walter, Graf von, Naturforscher, geb. 10. April 1651 auf Kieslingswalde bei Görlitz, studierte zu Leiden Mathematik, war 1672 und 1673 Freiwilliger in holländischen Diensten, bereiste seit 1674 Frankreich, Italien, Sizilien und Malta und zog sich später auf sein Gut Kieslingswalde zurück; starb 11. Okt. 1708 in Dresden. Er errichtete in Sachsen drei Glashütten und eine Mühle zum Schleifen von Brennspiegeln von außerordentlicher Vollkommenheit. Er experimentierte mit einem Brennspiegel von 2 Ellen Brennweite und beschrieb die erhaltenen Resultate (1687 und 1688). Ein nicht geringes Verdienst gebührt ihm bei der Erfindung des Meißener Porzellans. Als Philosoph erwarb er sich eine gewisse Bedeutung durch seine "Medicina mentis" (Amsterd. 1687, Leipz. 1695). Auch als Mathematiker hat er sich namhafte Verdienste erworben, und die "Acta Eruditorum" aus den Jahren 1682-98 enthalten von ihm eine Reihe von Arbeiten über Brennlinien, das Tangentenproblem, Quadraturen, Reduktion von Gleichungen u. a. Vgl. Kunze, Lebensbeschreibung des E. W. v. T. ("Neues Lausitzisches Magazin", Bd. 43, Heft 1, Görl. 1866); Weißenborn, Lebensbeschreibung des E. W. v. T. (Eisenach 1866).

Tschirokesen, s. Tscherokesen.

Tschistopol, Kreisstadt im russ. Gouvernement Kasan, an der Kama, hat ein weibliches Progymnasium, Ackerbau, Viehzucht, Fischerei, lebhaften Handel und (1885) 24,288 Einw.

Tschita, Hauptstadt des sibir. Gebiets Transbaikalien, mit (1885) 5728 Einw.

Tschitah, s. Gepard.

Tschitraga, ein hieroglyphisches Zeichen, das die Inder mit rotem Sandelholz oder Asche von Kuhmist oder heiliger Erde auf Brust und Stirn malen, um die religiöse oder philosophische Sekte anzudeuten, zu der sie sich bekennen. Am Stoff der Farbe erkennt man den Gott, den man verehrt. Das Malen selbst wird jeden Tag nach den gewöhnlichen Abwaschungen unter Hersagung eigner Gebetsformeln vorgenommen.

Tschitschagow, Wasilij Jakowlewitsch, russ. Admiral, geb. 1726, nahm 1765 und 1766 an großen Expeditionen im Eismeer teil, befehligte im Türkenkrieg 1773-75 die donische Flottille und wurde 1788 während des schwedisch-russischen Kriegs nach S. Greighs Tod Oberbefehlshaber der baltischen Flotte; er siegte 1790 über die Schweden bei Reval und beschleunigte durch die Erfolge der Russen zur See den Abschluß des Friedens. Er starb 1809. -

Sein Sohn Paul Wasiljewitsch, geb. 1762, ward 1802 zum Vizeadmiral und Dirigierenden des Seeministeriums und 1812 zum Admiral ernannt. Im Mai d. J. übernahm er an Kutusows Stelle den Oberbefehl über die russische Moldauarmee und schloß 28. Mai den

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Tschitschenboden - Tschudi.

Frieden von Bukarest ab; sodann befehligte er die dritte Westarmee, eroberte zwar im November Minsk und Borissow, ward aber 28. Nov. mit 27,000 Mann an der Beresina von 8000 Mann Franzosen, Schweizern und Polen unter Oudinot, Ney und Dombrowski geschlagen und von Ney bis nach Stachowa zurückgeworfen. Deshalb in Ungnade gefallen, nahm er Urlaub auf unbestimmte Zeit und lebte seitdem meist in Frankreich und England, wo er auch zu seiner Rechtfertigung eine Denkschrift: "Retreat of Napoleon" (Lond. 1817), veröffentlichte. Da er dem 1834 erlassenen Ukas, welcher allen im Ausland verweilenden Russen befahl, in ihr Vaterland zurückzukehren, nicht nachkam, ward er aus den Listen der russischen Marine gestrichen, seiner Würde als Reichsrat entsetzt und seiner Güter beraubt. Er starb 1. Sept. 1849 in Paris. Seine "Mémoires" über den Krieg von 1812 erschienen 1855 in Berlin und 1862 in Paris.

Tschitschenboden, die südöstliche Fortsetzung des eigentlichen Karstes (s. d.), welche den größten Teil Istriens erfüllt und sich insularisch in Cherso etc. fortsetzt; nach dem diesen Landstrich bewohnenden kroatischen Stamm der Tschitschen benannt. Er bildet Flächen, die von NW. nach SO. gefurcht sind, und kulminiert im Monte Maggiore (1394 m).

Tschobe, Name des Cuando in seinem untern Lauf, da wo er südlich und dann, sich nach N. biegend, auch nördlich vom 18.° südl. Br. ein langes und breites Sumpfgebiet bildet, ehe er wiederum als Cuando bei Mpalewa sich in den Sambesi ergießt.

Tschoga (türk.), in Afghanistan und Indien langes, weites Oberkleid, in Mittelasien Pelzgewand.

Tschoh, s. Chow.

Tschohadar (Tschokadar, türk.), Diener.

Tschokta (Choctaws, Chactas), großer nordamerikan. Indianerstamm, der ursprünglich in Mexiko wohnte, dann nach dem mittlern Mississippi und Yazoofluß übersiedelte, seit 1837 aber einen Teil des Indianerterritoriums (nördlich am Red River) innehat. Die T. treiben ausgedehnten Ackerbau (Mais und Baumwolle), unterhalten einen ansehnlichen Viehstand, haben gut gebaute Häuser, verstehen sich auf Spinnen, Weben und die wichtigsten Handwerke und haben eine der Unionsverfassung nachgeahmte geschriebene Konstitution mit einem gesetzgebenden Rat (legislature) von 40 Mitgliedern sowie geschriebene Gesetze. Die Exekutivgewalt wird von einem Gouverneur ausgeübt. Alle Männer der Nation sind wehrpflichtig. Die Sprache der T. ist eine der drei Hauptsprachen der Indianer. Für die religiösen Bedürfnisse derselben sorgen die Sendlinge der amerikanischen Missionsgesellschaften. Das Neue Testament und einige andre Bücher sind von ihnen in die Sprache der T. übersetzt worden. Für die 36 Schulen wird ein bestimmter Teil der Jahrgelder verwendet, welche die Union für die Länderabtretungen im Betrag von 36,000 Dollar zu bezahlen hat. Vor Verpflanzung der T. nach dem Westen wurde die Zahl derselben auf 18,500 Seelen geschätzt, 1883 auf 18,000. Eine Grammatik der Tschoktasprache schrieb Byrington (Philad. 1870), ein Wörterbuch Wright (engl., St. Louis 1880).

Tschorba, türk. Nationalspeise, ein Ragout aus Hammelfleisch, Kartoffeln, Reis und Zwiebeln.

Tschorlu, Stadt im türk. Wilajet Adrianopel, am Tschorlu Dere und an der Eisenbahn von Konstantinopel nach Adrianopel, Sitz eines griechischen Bischofs, mit 8000 Einw., meist Griechen. In der Umgegend viel Weinberge und Obstgärten.

Tschouschan (bei den Europäern Tschusan, engl. Chusan), Inselgruppe an der Ostküste von China, in der Provinz Tschekiang, Ningpo gegenüber, 1½ km von der Küste, besteht aus einer 600 qkm großen Hauptinsel mit dem befestigten Hauptort Tinghai (30,000 Einw.) und gegen 400 Eilanden mit 400,000 Einw., darunter das mit Klöstern für 1000 buddhistische Mönche, Tempeln etc. bedeckte Put u. Die Hauptinsel wurde 1840, 1841 und 1860 von den Engländern besetzt und erst nach Eröffnung Chinas für den Handel mit Europa zurückgegeben.

Tschu, japan. Längenmaß, = 60 Keng = 360 Schaku (1 Schaku = 0,3036 m); auch Flächenmaß, = 3000 QKeng = 99,57 Ar.

Tschu (Tschui), Fluß in der asiatisch-russ. Provinz Turkistan, entspringt als Koschkar im Mustagh, fließt nördlich vom Issikul in westlicher Richtung, bis er sich nach NW. wendet, den Kungei-Alatau durchbricht und, nachdem er links den Karagatai aufgenommen, die Wüste Mujunkum bis zum Saumalkul begrenzt, worauf er in den Tatalkul sich ergießt.

Tschuchloma, Kreisstadt im russ. Gouvernement Kostroma, am See T., mit (1885) 1978 Einw.

Tschuden, allgemeiner Name der im russ. Reich verbreiteten finnischen Völkerschaften; im engern Sinn ein zur Gruppe der baltischen Finnen gehöriges, einst weitverbreitetes Volk, das man auch als Wepsen (Wepsälaiset), Wessen oder Nordtschuden bezeichnet, von dem aber nur noch 56,000 Seelen in den am Ladoga- und Onegasee gelegenen Strichen des Gouvernements Olonez und im Gouvernement Wologda übrig sind. Nahe verwandt mit ihnen sind die Woten oder Südtschuden, die sich selbst Waddjalaiset nennen; im ganzen noch 12,000 Köpfe in den Gouvernements Nowgorod und St. Petersburg, aber im Aussterben begriffen. Grammatik von Ahlquist (Helsingfors 1855).

Tschudi, ältestes Adelsgeschlecht der Schweiz im Kanton Glarus. Nachdem dasselbe 906-1288 das säckingische Meieramt besessen, erlangte es durch Jost T., der mehr als 30 Jahre Glarus als Landammann vorstand und 1446 den Sieg bei Ragaz entschied, neues Ansehen. Sein Sohn Johannes T. befehligte die Glarner in den Burgunderkriegen und dessen Sohn Ludwig T. in den Schwabenkriegen. Des letztern jüngerer Sohn war Ägidius (s. unten). Vgl. Blumer, Das Geschlecht der T. von Glarus (St. Gallen 1853). Bemerkenswert sind:

1) Ägidius (Gilg), Geschichtschreiber, geb. 5. Febr. 1505, empfing seinen ersten Unterricht von Zwingli, damals Pfarrer in Glarus, studierte in Basel u. Paris und verfaßte 1528 eine "Beschreibung Rätiens", welche gegen seinen Willen von Seb. Münster gedruckt wurde. In verschiedenen hohen eidgenössischen und kantonalen Stellungen wirkte er anfänglich, obwohl der Reformation entschieden abgeneigt, eifrig im Sinn der konfessionellen Versöhnung. 1558 zum Landammann gewählt, nahm er jedoch als Haupt der katholischen Minderheit in Glarus allmählich eine schroffere Stellung ein. Als er deshalb bei der Neuwahl 1560 von der Landsgemeinde übergangen wurde, widmete er sich bis zu seinem 28. Febr. 1572 erfolgten Tod fast ausschließlich der Vollendung seiner zwei großen Geschichtswerke, der "Gallia Comata", welche neben einer Beschreibung des alten Gallien namentlich die Altertümer und Vorgeschichte der Schweiz enthält, und der viel wertvollern, bis 1470 reichenden "Schweizerchronik", welche bis auf Joh. v. Müller herab als Hauptquelle für die ältere Schweizergeschichte benutzt, aber erst 1734-36 zu Basel gedruckt wurde (2 Bde.). Tschudis Darstellung der Entstehung der Eidgenossenschaft, die auf einer geschickten Verknüpfung von

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Tschudisches Meer - Tschuktschen.

Urkunden, sagenhafter Überlieferung und freier Erfindung des Autors beruht, ist jahrhundertelang die herrschende geblieben und durch Joh. v. Müller und Schiller europäisches Gemeingut geworden. Seit Kopps Forschungen dieselbe als Sage oder Roman haben erkennen lassen, beruht der Wert der Chronik Tschudis, abgesehen von ihrem litterarischen Verdienst, hauptsächlich auf den zahlreichen, jetzt verlornen Urkunden, deren Wortlaut sie uns erhalten hat. Vgl. Euch s, Ägidius Tschudis Leben und Schriften (St. Gallen 1805, 2 Bde.); Vogel, Egidius T. als Staatsmann und Geschichtschreiber (Zürich 1856); Blumer, Ägidius T. (im "Jahrbuch des Historischen Vereins Glarus" 1871 u. 1874); Herzog, Die Beziehungen des Chronisten Ä. T. zum Aargau (Aarau 1888).

2) Iwan von, geb. 19. Juni 1816 zu Glarus, seit 1846 Mitbesitzer der Verlagsbuchhandlung Scheitlein u. Zollikofer in St. Gallen, gest. 28. April 1887 daselbst, machte sich als Alpenforscher besonders verdient durch die Herausgabe eines trefflichen Reisehandbuchs: "Tourist in der Schweiz und dem angrenzenden Süddeutschland, Oberitalien und Savoyen" (1855, 30. Aufl. 1888).

3) Johann Jakob von, Naturforscher, Bruder des vorigen, geb. 25. Juli 1818 zu Glarus, studierte in Leiden, Neuchâtel, Zürich und Paris, später auch in Berlin und Würzburg Naturwissenschaft, bereiste 1838-43 Peru, lebte seit 1848 auf seiner Besitzung Jakobshof in Niederösterreich, bereiste 1857-59 Brasilien, die La Plata-Staaten, Chile, Bolivia und Peru, ging 1859 als Gesandter der Schweiz nach Brasilien, wo er namentlich auch zum Studium der Einwanderungsverhältnisse die mittlern und südlichen Provinzen bereiste, kehrte 1861 zurück, ging 1866 als schweizerischer Geschäftsträger nach Wien und wurde 1868 zum außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister daselbst ernannt. Seit 1883 lebt er wieder auf seinem Gut. Er schrieb: "System der Batrachier" (Neuchât. 1838); "Untersuchungen über die Fauna peruana" (St. Gallen 1844-47, mit 76 Tafeln); "Die Kechuasprache" (Wien 1853, 3 Tle.); "Ollanta, ein altperuanisches Drama, aus der Kechuasprache übersetzt und kommentiert" (das. 1875); "Organismus der Khetsuasprache" (Leipz. 1884); "Peru, Reiseskizzen" (St. Gallen 1846, 2 Bde.); "Antiguedades peruanas" (mit Don Mariano de Rivero, Wien 1851, mit Atlas); "Reisen durch Südamerika" (Leipz. 1866-69, 5 Bde.). Auch bearbeitete er Winckells "Handbuch für Jäger" (5. Aufl., Leipz. 1878, 2 Bde.).

4) Friedrich von, Bruder der vorigen, geb. 1. Mai 1820 zu Glarus, studierte in Basel, Bonn und Berlin Theologie, wurde 1843 Stadtpfarrer in Lichtensteig (Toggenburg), lebte seit 1847 als Privatmann in St. Gallen, übernahm dort seit 1856 verschiedene Beamtenstellungen, saß seit 1864 im Großen Rat, seit 1874 im Regierungsrat, wurde 1877 Mitglied des schweizerischen Ständerats und starb 24. Jan. 1886. Er erwarb sich besondere Verdienste um das Erziehungswesen und führte den Kampf mit dem Klerus ebenso taktvoll wie entschieden. Sein bekanntes Hauptwerk ist: "Das Tierleben der Alpenwelt" (Leipz. 1853, 10. Aufl. 1875; vielfach übersetzt), ein auf eignen Forschungen und sorgfältigster Beobachtung beruhendes, auch sprachlich ausgezeichnetes Buch; andre Schriften von ihm sind: "Der Sonderbund und seine Auflösung" (unter dem Pseudonym C. Weber, St. Gallen 1848); "Landwirtschaftliches Lesebuch" (8. Aufl., Frauenfeld 1888); "Der Obstbau und seine Pflege" (mit Schultheß, 4. Aufl., das. 1887).

Tschudisches Meer, See, s. v. w. Peipus.

Tschugujew, Kreisstadt im russ. Gouvernement Charkow, an der Mündung der Tschugewka in den Donez, hat Obstbau, Handel und (1885) 10,147 Einw.

Tschukiang (Perlfluß), Fluß in der chines. Provinz Kuangtung, welcher aus dem Ssi-, Pe- und Tungkiang zusammenfließt und unterhalb Kanton in eine Bucht des Chinesischen Meers mündet.

Tschuktschen (auch Tschautschen), ein zu den Arktikern oder Hyperboreern gehöriges Volk im nordöstlichsten Sibirien (s. Tafel "Asiatische Völker", Fig. 1). Nach ihrer Lebensweise unterscheidet man nomadisierende oder Renntiertschuktschen und seßhafte oder Jagd und Fischerei treibende T. Die erstern ziehen zwischen der Beringsstraße, Indigirka und der Penschinabai herum, ihre Zahl ist unbekannt. Die andern wohnen in festen oder verrückbaren Zelten am Ufer des Eismeers von Kap Schelug bis zum Ostkap und weiter von hier an den Ufern des Beringsmeers bis zum Anadyrbusen. Die sogen. Tschuktschenhalbinsel ist ein ödes Land mit sterilen Bergen und Thälern, auf denen nur Renntiermoos gedeiht. Die Seßhaftigkeit ist nicht wörtlich zu nehmen; wenn an einem Orte die Lebensmittel mangeln, so wird auch im Winter ein andrer Aufenthalt gewählt. Man schätzt die Zahl der seßhaften T. auf 2000-2500 Köpfe, die beider Abteilungen auf 4-5000. Unzweifelhaft sind die T. hervorgegangen aus der Mischung mehrerer früher kriegerischer und wilder, von fremden Eroberern von S. nach N. gejagter Rassen, die daselbst eine gemeinsame Sprache annahmen, und denen die Lebensbedingungen am Polarmeer einen unvertilgbaren Stempel aufdrückten. Der gewöhnliche Typus ist: Mittellänge, steifes, großes, schwarzes Haar, fein gebildete Nase, horizontal liegende, keineswegs kleine Augen, schwarze Augenbrauen, lange Augenwimpern, hervorstehende Backenknochen und helle, wenig braune Haut, die bei jungen Weibern nahezu ebenso weiß und rot ist wie bei den Europäern. Trotz der großten Unsauberkeit am Körper und in ihren Behausungen erfreuen sie sich doch guter Gesundheitsverhältnisse. Ihre Kleidung besteht aus einem Päsk aus Renntier- oder Seehundsfell, der auf dem bloßen Körper getragen wird, und über den man bei Regen oder Schnee noch einen Rock von Gedärmen oder Baumwollenzeug zieht. Unter dem Päsk, der bis an die Kniee reicht, werden zwei Paar Hosen aus demselben Stoff getragen, das innere mit den Haaren nach innen, das äußere mit den Haaren nach außen. Die Füße stecken in Strümpfen aus Seehundshaut oder in Mokassins mit Sohlen aus Walroß- oder Bärenfell; der Kopf ist mit einer Haube geschützt, über welche bei strenger Kälte noch eine andre gezogen wird. Ihre Nahrung bilden Fisch, Fleisch und Gemüse, soweit sie deren habhaft werden können. Außer Fischfang und Renntierzucht treiben sie Jagd auf Walrosse und Robbenarten. Die Walroßzähne sind ein Haupthandelsartikel im Verkehr mit den Amerikanern, von welchen sie Tabak, Branntwein, Pulver, Blei, Flinten etc. erhalten. Zu den Russen haben sie äußerst geringe Beziehungen; einen Jasak (s. d.) entrichten nur die T., welche nach Nishne-Kolymsk zum Jahrmarkt fahren. Von irgend einer gesellschaftlichen Ordnung gibt es keine Spur; anerkannte Häuptlinge oder dem Ähnliches kennen sie nicht. Sie sind Heiden und haben nicht die geringste Vorstellung von einem höhern Wesen. Die religiösen Begriffe, die sich an vorhandene Schnitzereien (Menschenbilder) knüpfen, sind äußerst unbestimmt und scheinen weniger ein im Volk fortlebendes Bewußtsein als eine Erinnerung von

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Tschuma - Tsuga.

ehemals. Die wenig entwickelte Sprache der T. zeigt mit keiner andern bekannten Sprache als mit den Sprachen der benachbarten Korjaken und Kamtschadalen Verwandtschaft. Den Zahlwörtern liegt das Vigesimal- (Zwanziger-) System zu Grunde. Vgl. die Schilderungen von Nordquist in Nordenskjölds Reisewerk und in Krause ("Die Tlinkitindianer", Jena 1885); Radloff, über die Sprache der T. (in den "Mémoires" der Petersburger Akademie, 1860).

Tschuma, s. Chinagras.

Tschumak (russ.), der kleinruss. Ochsenfuhrmann; insbesondere Bezeichnung der Fuhrleute aus der Ukraine und Podolien, die, zu großen Gesellschaften vereinigt, alljährlich im Frühjahr unter einem eignen Anführer nach dem Schwarzen Meer zogen, um dort Salz und getrocknete Fische zu laden, womit sie dann das innere Rußland versorgten. In der Volkspoesie spielen die Tschumakenlieder eine besondere Rolle.

Tschungking, Stadt in der chines. Provinz Setschuan, an der Mündung des Kialing in den Jantsekiang, eine bedeutende Handels- und Fabrikstadt für Seide und Zucker, mit 120,000 Einw. Seit Abschluß des Vertrags von Tschifu (1876) ist T. den Engländern eröffnet worden, doch beschränkte sich die englische Regierung bis jetzt auf die Unterhaltung eines Konsularbeamten.

Tschupria (Cuprije), Kreishauptstadt im Königreich Serbien, rechts an der Morawa, mit (1884) 3408 Einw. Eine hier stationierte Pontonierkompanie überwacht die Schiffbrücken über die Morawa. Zur Zeit der Römerherrschaft stand hier Horreum Margi, von dem noch Überreste einer steinernen Brücke vorhanden sind. Der Kreis umfaßt 1635 qkm (27,9 QM.) mit (1887) 74,094 Einw. In demselben, beim Dorf Senje, 8 km südöstlich von T., befindet sich ein großes Steinkohlenlager.

Tschusan, Insel, s. Tschouschan.

Tschussowaja (bei den Wogulen Suscha), Fluß im russ. Gouvernement Perm, entspringt am westlichen Abhang des Urals, fließt nordwestlich und westlich und mündet nach einem 500 km langen Lauf oberhalb Perm in die Kama. Die T. hat einen ungewöhnlich raschen Lauf und große Steinmassen in ihrem Bett, wodurch der Transport der Uralprodukte, mit Ausnahme des Holzes, auf ihr erschwert wird.

Tschuwanzen, Volksstamm in Sibirien, eine Unterabteilung der Jukagiren (s. d.).

Tschuwaschen, ursprünglich ein finnisches, jetzt tatarisiertes Volk, das in seiner Lebensweise sehr den Tscheremissen gleicht, aber eine zum türkisch-tatarischen Zweig des uralaltaischen Sprachstammes gehörende Sprache spricht. Sie leben in einer Zahl von 570,000 Köpfen am rechten Wolgaufer und der Sura in den Gouvernements Simbirsk, Samara, Ufa. Sie gelten als phlegmatisch, fleißig, sittenrein, gutartig, sehr reinlich. Die Frauen sind bei ihnen gleichberechtigt. Viele T. sind noch Heiden, die Mehrzahl hat das Christentum angenommen; doch steht auch bei den Christen der Jomsa oder heidnische Zauberpriester in hohem Ansehen. Sie sind Ackerbauer, Vieh- und Bienenzüchter, Fischer und Jäger.

Tseng, Y-Yong, Marquis von, chines. Diplomat, geb. 1839 in der Provinz Honan, stammte aus einer der ältesten Familien Chinas; sein Vorfahr Tseng-Tzü war einer der vier Schüler des Konfucius und Verfasser des klassischen Buches "Taheo". Er begleitete seinen Vater Tseng-Kuo-Fan im Kriege gegen die Taiping und erwarb sich durch Klugheit und Umsicht große Verdienste, ward aber durch die Trauer um seine Eltern lange Zeit von weiterer öffentlicher Thätigkeit fern gehalten. Erst als 1879 Tschunghan in Livadia den Vertrag mit Rußland über Kuldscha abschloß, welchen die chinesische Regierung nicht anerkennen wollte, wurde T. zum Botschafter beim russischen Hof ernannt mit dem Auftrag, eine Änderung des Vertrags zu erwirken. Unterstützt von seinem geschickten Sekretär Macartney, erlangte T. wirklich die Rückgabe der wichtigen Provinz Ili von Rußland. Darauf zum chinesischen Botschafter in London und Paris ernannt, führte er 1882-84 die Verhandlangen mit der französischen Regierung über Tongking. 1885 von Paris abberufen, blieb er Gesandter in London und Petersburg bis 1886 und ist seitdem Mitglied des Tsungli-Yamen.

Tsetsefliege (Glossina morsitans Westw., s. Tafel "Zweiflügler"), Insekt aus der Ordnung der Zweiflügler und der Familie der Fliegen (Muscariae), unsrer gemeinen Stechfliege (Stomoxys calcitrans L.) verwandt, 11 mm lang, mit lang gekämmter Borste an der Wurzel des langen, messerförmigen Endgliedes der angedrückten Fühler, vier schwarzen Längsstriemen auf dem grau bestäubten, kastanienbraunen Rückenschild, zwei dunkeln Wurzelflecken und kräftigem Borstenhaar auf dem schmutzig gelben Schildchen, gelblichweißem Hinterleib mit dunkelbraunen Wurzelbinden auf den vier letzten Ringen, welche nur je einen dreieckigen Mittelfleck von der Grundfarbe freilassen, gelblichweißen Beinen und angeräucherten Flügeln. Die T. findet sich im heißen Afrika, wo ihre Verbreitung von noch nicht hinreichend bekannten Verhältnissen, z. B. dem Vorkommen des Büffels, des Elefanten, des Löwen, abhängig zu sein scheint. Sie nährt sich vom Blute des Menschen und warmblütiger Tiere und verfolgt ihre Opfer besonders an gewitterschwülen Tagen mit der größten Hartnäckigkeit, sticht aber nur am Tag. Dem Menschen und den Tieren des Waldes, Ziegen, Eseln und säugenden Kälbern bringt der Biß keinen Schaden; andre Haustiere aber erliegen dem Anfall selbst sehr weniger Fliegen nach kürzerer oder längerer Zeit, meist kurz vor Eintritt der Regenzeit, so sicher, daß die als "Fliegenland" bekannten Gegenden ängstlich gemieden und mit Weidevieh höchstens nachts durchzogen werden. An den gebissenen Tieren verschwellen zuerst die Augen und die Zungendrüsen; nach dem Tod zeigen sich besonders die Muskeln und das Blut, auch Leber und Lunge krankhaft verändert, während Magen und Eingeweide keine Spur von Störungen zeigen. Nach neuern Beobachtungen ist zweifelhaft geworden, ob Glossina morsitans die berüchtigte T. ist, ja ob die, wie es scheint, sehr übertriebeue Plage überhaupt auf den Stich eines Insekts und nicht vielmehr auf eine Infektionskrankheit zurückzuführen ist.

Tsién (Mas, Mehs), chines. Gewicht, = 3,757 g.

Tsinan, Hauptstadt der chines. Provinz Schantung, Sitz einer katholischen Mission, mit angeblich 60,000 Einw.

Tsing (Taitsing), die seit 1644 in China regierende Mandschudynastie; s. China, S. 17.

Tsjubo (Tsubu), Einheit des japan. Feldmaßes, = 36 QSchaku (Fuß) = 3,319 qm.

Tsuga Endl. (Hemlocktanne), Gattung der Familie der Abietineen, Bäume mit in der Regel nach zwei Seiten gestellten, flachen, am obern Ende fein gezähnelten, auf der Unterfläche mit Ausnahme des Mittelnervs bläulichweißen Blättern und kleinen, gewöhnlich am Ende der Zweige stehenden, meist überhängenden Zapfen, deren Fruchtteller sich nicht von der Achse lösen. T. (Abies) canadensis Carr. (ka-

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Tsun - Tuareg.

nadische Hemlocktanne, Schierlings-, Sprossentanne, s. Tafel "Gerbmaterialien liefernde Pflanzen"), ein 19-25 m hoher Baum mit wagerecht abstehenden untern Hauptästen, pyramidenförmiger, später ausgebreiteter Krone, kurzen, am obern Ende abgerundeten, in der ersten Jugend fein behaarten Nadeln und 2 cm langen, eiförmig länglichen, oft mehrere Jahre am Baum bleibenden Zapfen und geflügelten Samen, wächst in ganz Nordamerika, besonders auf der Ostseite, von Kanada bis Nordcarolina und westwärts bis ins Felsengebirge, liefert Terpentin, Harz, Gerberrinde, und aus den jungen Sprossen bereitet man Bier; bei uns wird er seit etwa 1730 vielfach als Parkbaum angepflanzt. Die Rinde wird in der Gerberei benutzt. T. Douglasii Carr. (Douglasfichte), ein schöner, 70 m hoher Baum mit kurzen oder mäßig langen, am obern Ende stumpfen Nadeln und aufrechten, 6-8 cm langen, länglichen, oben abgerundeten, am Ende sehr kurzer Zweige stehenden Zapfen mit über die Fruchtteller weit hervorragenden, an der Spitze dreiteiligen Deckblättern, bildet im nordwestlichen Nordamerika große Wälder und verdient als prachtvoller, schnell wachsender, auch in Norddeutschland, wenn einmal gut angewachsen, harter Baum größte Beachtung. Man kultiviert ihn in Europa seit etwa 1830. Vgl. Booth, Die Douglasfichte (Berl. 1877).

Tsun, chines. Längenmaß, s. Fen.

Tsungli-Yamên, in China das Ministerium des Auswärtigen, 1860 errichtet, besteht meist aus Präsidenten des exekutiven Departements unter dem Vorsitz eines Prinzen erster Klasse.

Tsungming, Insel an der Ostküste von China, Provinz Kiangsu, vor der Mündung des Jantsekiang in das Chinesische Meer, mit einem Hafenplatz gleiches Namens.

Tu, große Oase in der östlichen Sahara, s. Tibesti.

Tuam, Stadt in der irischen Grafschaft Galway, am Clare, Sitz eines katholischen Erzbischofs und eines protestantischen Bischofs, hat ein katholisches Seminar (St. Jarlath's), 2 Klöster, eine Lateinschule und (1881) 3567 Einw.

Tuamotuinseln (Paumotu- oder Niedrige Inseln), großer Archipel des Stillen Ozeans, erstreckt sich östlich von den Gesellschaftsinseln zwischen 14°5'-23°12' südl. Br. und 135°33'-148°45' östl. L. v. Gr. (s. Karte "Ozeanien"). Es sind durchgängig flache Korallen- und fast ohne Ausnahme Laguneninseln, aber nach Größe und Beschaffenheit der Riffe und Lagunen sehr verschieden. Der dürre und wasserarme Korallenboden trägt eine einförmige und dürftige Vegetation (Kokospalmen, Pandanus); nur in den westlichen Inseln sind von Tahiti aus auch einige Kulturpflanzen (Brotfrucht, Bananen, Arum, Ananas) eingeführt worden. Die Landtiere (Ratten, einige Landvögel, sehr wenige Insekten) zeigen eine gleiche Einförmigkeit; dagegen sind die Seetiere (Delphine, Seevögel, Schildkröten, Fische, Mollusken, darunter besonders Perlenmuscheln, Krustaceen etc.) ebenso häufig wie verschiedenartig. Das Klima gilt für gesund und erfrischend; der Wechsel der Jahreszeiten ist weniger regelmäßig als in andern Archipelen. Der Passatwind (von SO. und NO.) ist der vorherrschende Wind, wird aber nicht selten von Westwinden und Windstillen unterbrochen; Regengüsse und Nebel sind nicht ungewöhnlich. Man teilt den Archipel in fünf Gruppen: eine zentrale Hauptgruppe, darunter Rangiroa (Rairoa), Fakarawa, Anaa, Makemo und Hao; eine nördliche Seitengruppe, darunter Oahe, Raroia, Ahangatu, Fakaina, Disappointmentinsel, Tatakotorou, Pukaruha, Natupe; eine südliche Seitengruppe, darunter Hereheretue, Duke of Gloucester-Insel, Tematangi (Bligh), Mururoa, Actäon- (Amphitrite-) Gruppe, Marutea, die Mangarewagruppe und die Pitcairngruppe, wozu noch die Osterinsel mit Sala y Gomez kommt. Danach berechnet sich das Gesamtareal auf ca. 1100 qkm (20 QM.). Die Inseln stehen mit Ausnahme der Pitcairngruppe, der Osterinsel und Sala y Gomez unter französischem Schutz, also ein Gesamtareal von ca. 1000 qkm (18 QM.) mit (1885) 5500 Einw., davon 49 Europäer, von denen die meisten auf Anaa (s. d.) sich befinden. Die Bewohner (s. Tafel "Ozeanische Völker", Fig. 28) sind Polynesier und im ganzen den Tahitiern ähnlich. Sie führen eine Art Wanderleben, indem sie in Familien oder kleinen Stämmen von Insel zu Insel ziehen und sammeln, was diese an Nahrungsmitteln bieten. Von Charakter zeichnen sie sich durch Redlichkeit, Zuverlässigkeit und Keuschheit aus; dazu sind sie ausdauernde und mutige, aber auch grausame Krieger. Von Körper groß und stark gebaut, übertreffen sie die Tahitier an Kraft und Gewandtheit, sind aber dabei viel dunkler, überaus schmutzig und (namentlich die Frauen) oft von auffallender Häßlichkeit. Früchte der Kokospalme und Pandanus, Fische, Schildkröten, Krebse etc. sind ihre Nahrung. Auf den östlichen Inseln finden sich auch noch Anthropophagen. Ein schmaler, aus Matte geflochtener Gürtel bildet fast ihre einzige Kleidung, die Tättowierung, roh ausgeführt, ihren einzigen Schmuck. Die Bewohner der westlichen Inseln stehen schon seit Ende des 18. Jahrh. unter der politischen Herrschaft von Tahiti und sind von dort aus auch für das (evangelische) Christentum gewonnen worden, während sich in neuester Zeit katholische Missionäre nicht ohne Erfolg mit der Bekehrung der Einwohner der östlichen T. beschäftigt haben. Seit die Europäer auf Tahiti Fuß gefaßt, sind die T. Schauplatz eines nicht unbedeutenden Handelsverkehrs geworden, als dessen Ausfuhrartikel besonders Trepang, Perlen (auch Perlmutter) und Kokosöl sowie etwas Schildpatt zu nennen sind, während Zeuge, eiserne Geräte, Mehl, Tabak etc. eingeführt werden. - Einzelne Inselgruppen fanden schon Quiros, Le Maire und Schouten. Genaueres erfuhr man erst seit 1767. Krusenstern gab ihnen den Namen Niedrige Inseln, Bougainville nannte sie wegen ihrer für die Schiffahrt schwierigen und gefährlichen Natur Gefährliche Inseln, auch Perleninseln sind sie von Händlern genannt worden. Schouten nannte diese Meeresgegend die Böse See, Roggeveen das Labyrinth.

Tuareg (Tuarik, Singul. Targi), arab. Name des zu den Berbern gehörigen Volkes der mittlern Sahara, das sich selbst Imoscharh (Imuharh, Imazirhen) nennt, im N. bis an den Atlas, im S. bis über den Niger, im W. bis zu den maurischen Stämmen und im O. bis zu den Tibbu seine Wohnsitze ausgebreitet hat. Die T. zerfallen in zwei Abteilungen, in die sogen. freien (Ihaggaren) und in die unterworfenen Stämme (Imrhad), und in mehrere, meist einander feindliche Stämme: die Asgar und Hogar im N., die Kelowi, Itissa, Sakomaren weiter südlich, die Auelimiden am Niger u. a. Sie sind ein schöner, bräunlicher Menschenschlag mit echt kaukasischen Gesichtszügen, wo er sich von Negerbeimischung frei erhalten hat. Als Nomaden durchstreifen sie, raubend und Viehzucht treibend, die Wüste; wichtig sind sie als Vermittler des Karawanenverkehrs zwischen dem Nordrand Afrikas und dem Sudan, ausgezeichnet in der Tracht vor den übrigen Völkern

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Tua res agitur - Tuberkulose.

Afrikas durch ein Mundtuch (Litham). Sie werden als treulos und unzuverlässig geschildert; Alexine Tinne, E. v. Bary u. a. fielen ihrer Mordlust zum Opfer. Alle sind fanatische Mohammedaner. Ihre Zahl dürfte 300,000 nicht übersteigen. Ihre Sprache, Ta-Maschek oder Ta-Maschirht, ist als Abkömmling der altlibyschen zu betrachten. Vgl. Duveyrier, Les Touaregs du Nord (Par. 1864); Rohlfs, Quer durch Afrika, Bd. 1 (Leipz. 1874); Nachtigal, Sahara und Sudân, Bd. I (Berl. 1879); Bissuel, Les Touareg de l'ouest (Par. 1889).

Tua res agitur (paries cum proximus ardet, lat.), "es handelt sich um deine Habe (wenn das Haus des Nachbars brennt)", Citat aus Horaz ("Epist.", I, 18, 84).

Tuât, Oasengruppe in der Sahara, bestehend aus den Oasen Tidikelt, T., Gurara u. a., im SO. von Marokko gelegen und zu diesem in einem losen politischen Verhältnis stehend. Es ist ein im allgemeinen flaches Land, bewässert vom Wadi Saura (Msand) und einigen aus dem algerischen Tell kommenden Wadis, welche T. indessen nur unterirdisch erreichen. Unter den Produkten stehen die Datteln obenan; von Getreide baut man Gerste, Weizen und Bischna, jedoch reicht das Korn zur Ernährung der Bewohner nicht aus. Schlecht gedeihen Wein und Granatäpfel, an Gemüse fehlt es nicht. Baumwolle wird kultiviert, Henna und Senna wachsen wild. Opium wird in den nördlichen, Tabak in den südlichen Oasen gewonnen. Als Haustiere hält man Kamele, Esel, wenige Pferde, Schafe und Ziegen. Die Hühner haben die Größe von Küchelchen. Die Bewohner, ca. 300,000 an der Zahl, sind teils Araber, teils Berber (Schellah), beide stark mit Negern gemischt. Gastfreundschaft, Rechtlichkeit, Treue werden ihnen nachgerühmt; als fanatische Mohammedaner verweigern sie Christen den Eintritt in ihr Land, das 1864 von Rohlfs unter der Maske eines Mohammedaners erforscht und im J. 1874 von dem Franzosen Soleillet besucht wurde. Von Tasilet werden Thee und Kattun, aus dem Sudan Goldstaub, Elfenbein und Sklaven eingeführt. Hauptort ist Inçalah oder Ain Salah in der Oase Tidikelt. Vgl. Rohlfs, Reise durch Marokko (Bremen 1869); Derselbe, Mein erster Aufenthalt in Marokko (das. 1873); Soleillet, Exploration du Sahara (Algier 1874).

Tuba (lat., "Röhre"), die Kriegstrompete der Römer, ward zum Signalgeben, beim Zusammenrufen von Versammlungen, dann bei Opfern, Spielen und selbst bei Leichenbegängnissen gebraucht. Die T. unsrer Orchester (Baßtuba in F) ist ein 1835 von Moritz und Wieprecht konstruiertes Blechblasinstrument von weiter Mensur und das tiefste Kontrabaßinstrument, das bis zum Doppelkontra-A und chromatisch hinauf bis zum eingestrichenen as reicht. Sie hat fünf Ventile; ihr Klang ist voller, edler als der des Bombardons, doch ist sie nur zu brauchen, wenn andre (höhere) Blechinstrumente mitwirken, weil sie sonst mit ihrem dicken Ton unangenehm auffällt. In Frankreich behandelt man die Baßtuba als transponierendes Instrument und baut sie auch in Es und D. Die eine Oktave höher stehende Tenortuba ist nach denselben Prinzipien konstruiert. - T. stentorea. das Sprachrohr, auch: erhabener Stil.

[Antike Tuba (Kriegstrompete).]

Tuba Eustach.i.i, Eustachische Röhre, Ohrtrompete (s. Ohr, S. 349). T. Fallopii, Eileiter, Muttertrompete.

Tubai (Motu-iti), die nördlichste Laguneninsel der Gesellschaftsinseln im südöstlichen Polynesien, 12 qkm groß mit 200 Einw. Die Insel wird wegen des Schildkrötenfanges und der roten Federn des Tropikvogels besucht.

Tubalkain, Sohn Lamechs, nach 1. Mos. 4, 22 Erfinder der Erz- und Eisenarbeit (daher der Vulkan der Hebräer, Stammvater der Schmiede und Handwerker).

Tubangummi, s. v. w. Guttapercha.

Tuben, s. Tubus.

Tuber (lat.), Höcker, z. B. T. frontale, Stirnhöcker. In der Botanik s. v. w. Knolle, z. B. T. Mich., Pilzgattung, s. Trüffel; T. Aconiti, Akonitknolle; T. (Radix) Jalappae, Jalappenknolle; T. (Radix) Salep, Salepknolle.

Tuberaceen (Trüffelpilze), eine Familieder Pilze, aus der Ordnung der Askomyceten; s. Pilze (13), S. 72.

Tuberaster, s. Polyporus.

Tuberkel (lat.), ursprünglich kleiner Höcker oder kleines Knötchen, gegenwärtig Name für eine ganz bestimmte Gewebsneubildung, welche in der Form von hirsekorngroßen (miliaren), selten größern Knoten in den verschiedensten Organen und Geweben auftritt und aus einer Anhäufung kleiner Rundzellen ohne Gefäße besteht; s. Tuberkulose.

Tuberkulose (Tuberkulosis), eine Krankheit, bei welcher in den Organen des Körpers kleine, von der Größe des eben Sichtbaren zu Hirsekorngröße wechselnde, graue Knötchen entstehen, welche in ihrer Mitte käsig zerfallen und erweichen. Wenn diese Knötchen in der Haut oder in der Oberfläche von Schleimhäuten liegen, so entstehen durch ihren Zerfall anfangs kleine, linsenförmige (lentikuläre), später durch Hinzukommen immer neuer Knötchen in der Nachbarschaft große, tuberkulöse Geschwüre, durch welche schließlich ein Schwund der Schleimhäute, z. B. des Kehlkopfes, der Luftröhre, des Darms, der Gebärmutter, der Harnblase, des Nierenbeckens, bedingt werden kann, welcher insgemein als tuberkulöse Entzündung dieser Organe oder als Schwindsucht derselben bezeichnet wird. Auch in den Gehirnhäuten kommen solche Knötchen vor, doch führen sie hier wie in dem Gehirn selbst nicht zur Geschwürsbildung, es kommt dagegen oft zu einer eiterigen Gehirnhautentzündung oder zur Bildung größerer Geschwulstknoten. In der Leber kommen entweder sehr kleine, kaum ohne Mikroskop wahrnehmbare, oder größere Knoten vor, welche nicht zerfallen. Ein sehr mannigfaltiges Bild bieten die Lungenschwindsucht (s. d.) sowie die T. der Lymphdrüsen, welche durch käsigen Zerfall des Drüsengewebes ausgezeichnet sind, und die durch T. bedingten Gelenkentzündungen (Tumor albus, s. Gelenkentzündung, S. 58). Die T. wurde zwar schon lange für eine übertragbare Krankheit gehalten, doch ist es erst Koch 1882 gelungen, die eigentliche Ursache in einem Bacillus von außerordentlicher Kleinheit zu entdecken. Dieser Tuberkelbacillus (s. Tafel "Bakterien", Fig. 4) siedelt sich in den Geweben an, ruft durch seine Wucherung jene knotenförmigen und flächenhaft ausgebreiteten Entzündungen hervor, welche unter Einwirkung eigenartiger chemischer Spaltungsprodukte der Bacillen verkäsen, und bringt durch ihren Verfall allmählich ganze Organe zum Schwund. Am Krankenbett stellen sich die Erscheinungen der T. natürlich in höchst mannigfacher Form dar, je nach dem Organ, welches Sitz der T. geworden ist. Am häufigsten ist Hauptsitz der T. der Atmungsapparat, besonders die

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Tuberogemma - Tübingen.

Lungen; bei Kindern nicht selten der Darm, die Gelenke, Knochen und Hirnhäute, während vielleicht in den Lungen wenig oder gar keine Veränderungen vorhanden sind; zuweilen ist der Harn- u. Geschlechtsapparat zuerst befallen, selten die äußere Haut, die Zunge, der Magen. Die T. befällt vorwiegend Kinder und schwächliche, schlecht genährte jüngere Personen; die Anlage zur Erkrankung ist häufig ererbt (s. Skrofeln), indessen kommt T. auch bis ins höchste Alter vor und ist unzweifelhaft diejenige Krankheit, welche bei uns die meisten Opfer fordert, da etwa ein Siebentel aller Menschen an T. zu Grunde geht. Der Verlauf der T. kann sich über Jahre und Jahrzehnte erstrecken, sofern die T. auf einen Teil der Lungen oder eines andern Organs beschränkt bleibt. Sehr gewöhnlich aber werden die Bacillen im Lymphstrom fortgespült, die benachbarten Lymphdrüsen werden ergriffen, die Bacillen gehen ins Blut über, und es erfolgt Verbreitung der T. auf alle Organe. Wenn der übertritt großer Massen von Bacillen ins Blut auf einmal erfolgt, etwa durch Durchbruch käsiger Herde direkt in ein Blutgefäß, so verläuft die T. unter dem Bild einer fieberhaften, typhösen Erkrankung in wenigen Wochen tödlich (akute Miliartuberkulose). Die Behandlung der T. erfordert, wenn der erkrankte Teil chirurgischen Eingriffen zugänglich ist, Entfernung der von Tuberkeln durchsetzten Gewebe, wodurch bei Gelenkentzündungen, Lymphdrüsengeschwülsten, Hoden-, Brustdrüsen- und Hauttuberkulose zuweilen völlige Heilung erzielt wird. Bei Erkrankung innerer Organe ist außer der lokalen Behandlung eine sehr wesentliche Rücksicht auf Hebung des Allgemeinbefindens, gute Ernährung, frische Luft etc. zu nehmen, um den Körper nach Möglichkeit gegen das Vordringen der Bacillen widerstandsfähig zu machen. Unzweifelhaft können selbst weiter vorgeschrittene Zerstörungsprozesse in Lungen und Darm zum völligen Stillstand, d. h. zu relativer Heilung, kommen. Vgl. Villemin, Études sur la tuberculose (Par. 1868); Hérard u. Cornil, La phthisie pulmonaire (das. 1867); Waldenburg, T., Lungenschwindsucht und Skrofulose (Berl. 1869); Langhans, Übertragbarkeit der T. (Marb. 1867); Virchow, Die krankhaften Geschwülste (Berl. 1863 bis 1867, 3 Bde.); Buhl, Lungenentzündung, T., Schwindsucht (2. Aufl., Münch. 1874); Schüppel, Untersuchungen über Lymphdrüsentuberkulose (Tübing. 1871); Predöhl, Geschichte der T. (Hamb. 1888); Cohnheim, Die T. vom Standpunkt der Infektionslehre (2. Aufl., Leipz. 1881); Koch, Berichte aus dem kaiserlichen Gesundheitsamt. - Über T. des Rindes s. Perlsucht.

Tuberogemma, s. Knospenknöllchen.

Tuberose, Pflanzengattung, s. Polianthes.

Tübet, Land, s. Tibet.

Tubifloren, Ordnung im natürlichen Pflanzensystem aus der Abteilung der Dikotyledonen, charakterisiert durch regelmäßige, mit Kelch- und verwachsenen Blumenblättern versehene, fünfzählige Blüten, fünf mit der Blumenkrone verwachsene Staubblätter und 2-5 verwachsene Fruchtblätter, umfaßt nach Eichler die Familien der Konvolvulaceen, Polemoniaceen, Hydrophyllaceen, Borragineen und Solanaceen.

Tübingen, Oberamtsstadt im württemb. Schwarzwaldkreis, am Neckar, Knotenpunkt der Linien Plochingen-Villingen und T.-Sigmaringen der Württembergischen Staatsbahn, in schöner Lage auf einem Bergrücken zwischen dem Neckar und der Ammer, 340 m ü. M., ist unregelmäßig gebaut und hat freundliche Vorstädte. Hervorragende Gebäude sind: das 1535 vollendete Schloß Hohentübingen mit schönem Portal, das 1845 vollendete Universitätsgebände, das Rathaus mit schöner Freskomalerei u. die 1469-1483 erbaute gotische Stiftskirche mit den Grabmälern von zwölf meist württembergischen Fürsten, welche hier residierten. Die Bevölkerung zählte 1885 mit der Garnison (ein Füsilierbat. Nr. 127) 12,551 Seelen, darunter 1749 Katholiken und 106 Juden. T. hat Fabrikation von chemischen Artikeln, Handschuhen, Essig, physikalischen und chirurgischen Instrumenten etc., eine bedeutende Dampfziegelei, Kunstmühlen, Färberei, Buchdruckerei, Buchhandel, Obst-, Hopfen- und Weinbau, besuchte Fruchtmärkte etc. Außer den Verwaltungsbehörden befindet sich dort ein Landgericht. Unter den Schulen steht die Universität (Eberhard Karls-Universität) obenan. Sie wurde 1477 gestiftet und mit derselben 1817 die katholisch-theologische Studienanstalt zu Ellwangen als katholisch-theologische Fakultät vereinigt; außer dieser kamen zu den vier alten Fakultäten 1818 noch eine staatswirtschaftliche und naturwissenschaftliche. Die Gesamtzahl der Dozenten betrug 1888/89: 95, die der Studierenden 1228. Mit der Universität in Verbindung stehen: die Universitätsbibliothek von 300,000 Bänden, ein physiologisches und ein anatomisches Institut, ein botanischer Garten, 2 chemische Laboratorien, verschiedene Kliniken und wissenschaftliche Sammlungen, ein bedeutendes Münz- und Medaillenkabinett, eine große geognostische Sammlung, eine Sternwarte (im Schloß) etc. Außerdem besitzt T. ein höheres evangelisch-theologisches Seminar (das sogen. Stift, 1537 gegründet, im ehemaligen Augustinerkloster) und ein katholisches Konvikt (Wilhelmsstift, in der ehemaligen Ritterakademie), ein Gymnasium und eine Oberrealschule. Zum Landgerichtsbezirk T. gehören die 9 Amtsgerichte zu Herrenberg, Kalw, Nagold, Neuenbürg, Nürtingen, Reutlingen, Rottenburg, T. und Urach. Am Fuß des Österbergs die schöne Besitzung des Dichters Uhland, der hier seinen Wohnsitz hatte, und dem 1873 in T. ein von Kietz modelliertes Denkmal gesetzt wurde. - T. wird zuerst 1078 erwähnt und war frühzeitig der Sitz von Grafen, die 1148 die Pfalzgrafschaft in Schwaben erwarben, doch erscheint es erst 1231 als Stadt. Die Pfalzgrafen von T. teilten sich im 13. Jahrh. in die Linien: Horb, Herrenberg, Asperg und Böblingen. Pfalzgraf Gottfried von Böblingen, dessen Hause Burg und Stadt T. 1294 zugefallen waren, verkaufte sie 1342 an Württemberg. Sein Zweig erlosch als der letzte des pfalzgräflichen Geschlechts 1631. Eberhard im Bart, Graf von Württemberg, stiftete 1477 die Universität T., welche zu Ende des 15. Jahrh. schon 230 Studierende zählte, und verlieh der Stadt 1493 ein neues Stadtrecht. Am 8. Juli 1514 wurde in T. der berühmte Tübinger Vertrag zwischen dem Herzog Ulrich von Württemberg und den Landständen abgeschlossen, die durch Übernahme der Schulden des Herzogs ihn auf dem Thron erhielten und zugleich das Land vor weiterm Druck bewahrten. 1519 ward die Stadt von dem Schwäbischen Bund unter Herzog Wilhelm von Bayern belagert und 25. April erobert. 1647 wurde sie von den Franzosen besetzt, ebenso 1688, bei welcher Gelegenheit auch die Mauern

[Wappen von Tüdingen.]

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Tübinger Schule - Tuch.

geschleift wurden. Vgl. Eifert, Geschichte der Stadt T. (Tübing. 1849); Klüpfel, Die Universität T. in ihrer Vergangenheit und Gegenwart (das. 1877); "T. und seine Umgebung" (2. Aufl., das. 1887, 2 Hefte).

Tübinger Schule, Bezeichnung für die von F. Chr. Baur (s. d. 1) in Tübingen begründete und von seinen Schülern (Zeller, Schwegler, K. R. Köstlin u. a.) befolgte kritische Richtung. Vgl. die betreffenden Artikel.

Tubize (spr. tübihs'), Gemeinde in der belg. Provinz Brabant, Arrondissement Nivelles, an der Senne, Knotenpunkt an der Staatsbahnlinie Brüssel-Quiévrain, mit Eisen- und Baumwollindustrie und (1888) 4386 Einw.

Tubu, Volksstamm, s. Tibbu.

Tubuaiinseln (Australinseln), Gruppe im Stillen Ozean, südlich von den Gesellschaftsinseln und diesen in ihrer Natur sehr ähnlich, besteht aus sieben Inseln: Tubuai, 103 qkm groß mit (1885) 385 Einw., Vavitao oder Raiwawai, 660 qkm groß mit 309 Einw., Rurutu (s. d.), Oparo (s. d.), Rimitara, Morotiri (Baß) und dem unbewohnten Hull oder Narurota, zusammen 286 qkm (5,2 QM.) mit 1350 Einw., welche ebenfalls den Bewohnern der Gesellschaftsinseln gleichen, seit 1822 durch englische Missionäre zum Protestantismus bekehrt sind und in den westlichen Inseln einen tahitischen, in Oparo (Rapa) aber einen rarotongischen Dialekt sprechen. Die Insel Tubuai wurde 1777, Rurutu 1769 von Cook entdeckt. Politisch hingen die T. schon früh von den Gesellschaftsinseln ab, daher dehnten die Franzosen ihr Protektorat zuerst über Tubuai, Vavitao und Oparo, 1889 auch über Rurutu und Rimitara aus, so daß die ganze Gruppe dem französischen Einfluß untersteht.

Tubulus (lat., "Röhrchen", Tubulatur), die mit Stöpseln verschließbaren kurzen Hälse auf den Kugeln der Retorten oder Kolben.

Tubus (lat.), Rohr, Röhre, besonders s. v. w. Fernrohr; Tuben, röhrenförmige Behälter für Ölfarben etc.; Orgeltuben, s. v. w. Orgelpfeifen.

Tucacas, Hafenstadt in der Sektion Yaracuy des Staats Lara der Republik Venezuela, an der Mündung des Aroa. Eine Eisenbahn verbindet sie mit den reichen Kupferminen von Bolivar, am obern Aroa, die 1880-83: 75,200 Ton. Erz und Regulus im Wert von 16,137,951 Frank erzeugten.

Tuch, aus Streichwollgarn hergestellter, meist leinwandartig gewebter Stoff, welcher durch Walken verfilzt und durch Rauhen mit einer Decke feiner Härchen versehen wird, die gewöhnlich durch Scheren gleich gemacht sind und daher eine glatte, feine Oberfläche bilden. Der Tuchmacherstuhl unterscheidet sich von den Webstühlen zu andern glatten Stoffen hauptsächlich nur durch seine große Breite, weil das T. wegen seines beträchtlichen Eingehens in der Walke viel breiter gewebt werden muß, als es im fertigen Zustand erscheint. Ein T., das nach der Appretur 8/4 breit sein soll, muß auf dem Stuhl 14/4-17/4 Breite haben. Aus dem rohen Gewebe (Loden) werden durch das Noppen Holzsplitterchen, Knoten etc. entfernt. Dies geschieht mit Hilfe von kleinen Zangen durch Handarbeit oder mit der Noppmaschine. Nach dem Noppen folgt das Waschen in besondern Waschmaschinen, wodurch Fett, Leim und Schmutz aus dem Loden entfernt werden. Dann wird das Gewebe zum zweitenmal genoppt und unter Zusatz von Seife, gefaultem Urin oder Walkererde gewalkt. Hierdurch verfilzen sich die feinen aus dem Garn hervorstehenden Fäserchen und bis zu einem gewissen Grade die Garnfäden selbst, so daß man aus gut gewalktem T. keinen Faden von einiger Länge unversehrt ausziehen kann. Das gewalkte Gewebe wird wieder gewaschen und auf dem Trockenrahmen unter einer gewissen Spannung getrocknet. Die Appretur (s. Appretur) des Tuches beginnt nun damit, daß die Härchen, welche aus der Filzdecke ohne alle Regelmäßigkeit hervorragen, mehr und gleichmäßiger herausgezogen und nach Einer Richtung niedergestrichen werden (das Rauhen). Hierzu dienen die voll kleiner Widerhaken sitzenden Fruchtköpfchen der Kardendistel (Dipsacus fullonum), mit welchen das nasse T. bearbeitet wird. Die Handrauherei ist gegenwärtig durch die Maschinenrauherei fast vollständig verdrängt worden; aber es ist noch nicht gelungen, für die teuern Weberkarden einen genügenden Ersatz zu finden. Ungemein erleichtert wird das Rauhen, wenn man auf das T., während die Karden darauf einwirken, Wasserdampf strömen läßt. Die herausgezogenen Härchen werden auf dem trocknen T. gegen den Strich aufgebürstet und durch große Handscheren oder durch scherenartige mechanische Vorrichtungen (Schermaschinen) zu gleicher und geringer Länge abgeschnitten, damit sie zusammen eine glatte, feine Oberfläche bilden (das Scheren). Das Ziel des Rauhens und Scherens kann aber nur durch einen stufenweisen Gang erreicht werden, weshalb beide Behandlungen je nach der Feinheit des Tuchs ein- bis fünfmal abwechselnd hintereinander vorgenommen werden. Die abgeschnittenen Härchen bilden die Scherwolle. Nach dem Scheren wird das T. zum drittenmal genoppt, dann dekatiert und gepreßt. Hinsichtlich des Färbens unterscheidet man in der Wolle, im Loden oder im T. gefärbtes. Ersteres ist aus gefärbter Streichwolle gefertigt, das lodenfarbige ist vor dem Walken gefärbt und das tuchfarbige nach dem Walken. Letzteres T. zeigt oft einen weißlichen Anschnitt und verliert die Farbe beim Gebrauch. Feine hellfarbige Tuche können aber in der erforderlichen Lebhaftigkeit nur im Stück gefärbt werden. Weiße Tuche werden geschwefelt und in Wasser mit abgezogenem Indigo gebläut, die schlechtesten aber in einer Brühe von Wasser und Schlämmkreide bearbeitet, so daß die nach dem Trocknen, Klopfen und Bürsten zurückbleibenden Kreideteilchen den gelblichen Stich der Wolle verdecken. Die schwarzen Tuche prüft man auf ihre Farbe mit verdünnter Salzsäure und unterscheidet Falschblau, das durch Behandeln mit der Säure ganz rot wird, Halbechtblau, welches einen violetten Schein bekommt, wenn der Grund mit Indigo angeblaut ist, und Ganzechtblau, welches durch die Säure nicht verändert wird, also mit reinem Indigo gefärbt worden ist. In der Tuchfabrikation nehmen neben Preußen und Sachsen, welche durch ihre ausgezeichneten Wollen begünstigt sind, Österreich, Frankreich, England und Belgien den ersten Rang ein. Von den preußischen Tuchen war vormals das Brandenburger Kerntuch sehr beliebt, die rheinpreußischen Tuche gehen als Niederländer. Holland liefert wenig, aber vortreffliches T. Österreich fertigt alle Sorten Tuche, vorzüglich viel farbige Tuche für den Orient. Die englische und belgische Tuchfabrikation erstreckt sich vorzugsweise nur auf die mittlern und ordinären Qualitäten. Vgl. Stommel, Das Ganze der Weberei der T.- und Buckskinfabrikation (2. Aufl., Düsseld. 1882); Ölsner, Lehrbuch der T.- und Buckskinweberei (Altona 1881, 2 Bde.); Behnisch, Handbuch der Appretur (Grünb. 1879).

Tuch, Johann Christian Friedrich, Orientalist, geb. 17. Dez. 1806 zu Quedlinburg, studierte in Halle, ward 1830 Privatdozent der Philosophie daselbst, 1841 Professor der Theologie zu Leipzig, später noch Domherr und Kirchenrat; starb daselbst 12. April 1867.

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Tuchel - Tudor.

Sein Hauptwerk ist der "Kommentar über die Genesis" (Halle 1838; 2. Aufl. von Arnold, das. 1871). Sonst sind zu erwähnen seine Abhandlungen über Ninive (Leipz. 1845), Christi Himmelfahrt (1857), Josephus (1859-60), Antonius Martyr (1864), zur Lautlehre des Äthiopischen u. a.

Tuchel, Kreisstadt im preuß. Regierungsbezirk Marienwerder, unweit der Brahe und an der Linie Konitz-Laskowitz der Preußischen Staatsbahn, hat eine evangelische und eine kath. Kirche, ein altes Schloß, ein katholisches Schullehrerseminar, ein Amtsgericht und (1885) 3061 meist kath. Einwohner. Östlich von T. erstreckt sich im Gebiet des Schwarzwassers und der Brahe die 112 km lange und 30-35 km breite, meist mit Kiefernwald bedeckte Tuchelsche Heide.

Tüchersfeld, Dorf im bayr. Regierungsbezirk Oberfranken, Bezirksamt Pegnitz, in dem engen, romantischen Tüchersfelder Thal der Fränkischen Schweiz, an der Püttlach, mit auf und unter den obeliskenartig aufsteigenden, seltsam gebildeten Kalkfelsen erbauten Häusern und (1885) 199 kath. Einwohnern.

Tuchfarblg heißt im Stück nach dem Walken gefärbtes Tuch.

Tuchleder, s. v. w. Ledertuch.

Tückebote, s. v. w. Irrlicht.

Tuckerman (spr. tockermän), Henry Theodore, amerikan. Schriftsteller, geb. 20. April 1813 zu Boston, besuchte 1833 Frankreich und Italien, 1837 England, Malta, Sizilien etc. und ließ sich 1845 in New York nieder, wo er 17. Dez. 1871 starb. Seit W. Irving hat kaum ein Amerikaner im anmutigen und gefälligen Genre der nationalen Schriftstellerei Größeres geleistet und als Kunstkritiker die Pflege der künstlerischen Interessen der Republik in höherm Grad gefördert als T. Er debütierte als Autor mit dem mehrfach aufgelegten "Italian sketch-book" (1835), dem nach seiner zweiten Reise "Isabel, or Sicily" (1839) folgte. Als gewiegter Kritiker that er sich dann hervor in den Werken: "Thoughts on the poets" (1846; deutsch, Marb. 1857); "Artist life, or sketches of American painters^ (1847); "Characteristics of literature" (1849-51, 2 Serien) und "The optimist", Essays (1850). Außerdem sind zu erwähnen: das Reiseskizzenbuch "A month in England" (1853); "The leaves from the diary of a dreamer" (1853); "A memorial of Horatio Greenough" (1853); "Biographical essays" (1857) und das treffliche "Book of the artists", Charakteristiken amerikanischer Künstler (1867); endlich eine Biographie des Novellisten I. P. Kennedy (1871). Auch Poetisches, z. B. das didaktische Gedicht "The spirit of poetry" (1851) und "Poems" (1864), hat T. veröffentlicht.

Tuckum, Kreisstadt in Kurland, westlich von Riga, mit welchem es durch eine Eisenbahn verbunden ist, mit hebräischer Kreisschule und (1885) 6678 Einw. Die vom Heermeister Gottfried von Rogge im 14. Jahrh. erbaute Ordensburg gleiches Namens ist längst in Trümmer gesunken. In der Nähe der Berg Hüning (250 m).

Tucopiainseln, drei östlich von dem Santa Cruz-Archipel gelegene kleine Inseln: Tucopia, Anuda oder Cherry und Fataka oder Mitre, zusammen 66 qkm (1,2 QM.) mit 650 polynesischen Einwohnern. Auf den T. lebte Martin Bucher, ein deutscher Matrose aus Stettin, 1813-26 mit einem indischen Gefährten.

Tucson (spr. töcks'n), Hauptstadt des nordamerikan. Territoriums Arizona, am Santa Cruz, einem Nebenfluß der Gila, in ergiebigem Bergbaurevier, mit (1886) 9000 Einw.

Tucuman (von tucma, "Baumwollland"), Binnenprovinz der Argentin. Republik, umfaßt 31,166 qkm (566 QM.) mit (1887) 210,000 Einw., ist einer der gesegnetsten Teile des Staats mit lieblichem Klima, im W. von der malerischen Sierra de Aconquija durchzogen, im O. aber fruchtbares, vom Rio Dolce bewässertes Gelände, wo Mais, Weizen, Zuckerrohr, Reis, Tabak, Kaffee gedeihen. Baumwolle wird jetzt nur wenig gebaut. Überhaupt sind 66,370 Hektar der Kultur gewonnen. Bedeutend ist auch die Viehzucht, und der nach einer ehemaligen Hacienda der Jesuiten genannte Tasikäse erfreut sich eines guten Rufs. Bergbau wird nicht getrieben, obgleich verschiedene Metalle vorkommen. - Die Hauptstadt T. liegt am Sil (obern Rio Dolce), 6 km vom Fuß des Gebirges, 450 m ü. M. und hat (1884) 26,300 Einw. Ihre öffentlichen Gebäude sind meist in sonderbar barockem Geschmack aufgeführt, dagegen sind viele der Privathäuser recht hübsch und zeugen von Wohlstand. An der Plaza Independenzia liegen die dorische Hauptkirche (1856 vollendet), das Cabildo (Regierungsgebäude), ein Klub und ein Franziskanerkloster, an der Plaza Urquiza die Gerichtshöfe und das Gefängnis. Ferner hat T. eine höhere Schule, ein Lehrerseminar, ein Theater, 2 Waisenhäuser, ein Hospital und ein Versorgungshaus. Die Industrie ist vertreten durch 7 Sägemühlen, 8 Kornmühlen und 3 Brauereien, und in der Umgegend liegen außer Orangewäldchen auch große Zuckerplantagen und Brennereien. T. wurde 1564 gegründet. Am 24. Sept. 1812 siegte Belgrano in der benachbarten Ebene über die Spanier, und 9. Juli 1816 erklärte der in T. eröffnete Kongreß die Unabhängigkeit der La Plata-Staaten.

Tudela, Bezirksstadt in der span. Provinz Navarra, links am Ebro (mit breiter Steinbrücke von 17 Bogen) und an den Eisenbahnen Saragossa-Alsasua und T.-Bilbao in fruchtbarer Ebene gelegen, mit sehenswerter romanischer Kathedrale, einem Instituto, gutem Weinbau, Fabrikation von Tuch, Seiden- und Thonwaren, lebhaftem Handel und (1878) 10,086 Einw. Südöstlich dabei das große Schleusenwerk am Ebro (Bocal del Rey), wo der Kaiserkanal von Aragonien beginnt. T. war von 1784 bis 1851 Bischofsitz. Die Stadt wurde 1141 von Alfons V. den Mauren entrissen. Hier 23. Nov. 1808 Sieg der Franzosen unter Lannes über die Spanier unter Palafox.

Tudor (spr. tjuhdor), engl. Dynastie, regierte von 1485 bis 1603, leitete ihren Ursprung von einem Walliser Edelmann, Owen ap Mergent (Meridith) ap T. (Theodor), ab, welcher 1422 Katharina von Frankreich, die Witwe Heinrichs V. von England, heiratete und dadurch der Stiefvater Heinrichs VI. von England wurde. Sein Sohn Edmund T., Graf von Richmond, vermählte sich 1455 mit Margarete von Beaufort, welche durch ihren Vater von Johann von Gent, dem Stammvater des Hauses Lancaster, abstammte, und der Sohn dieser Ehe, Heinrich T., Graf von Richmond, bestieg, nachdem er bei Bosworth 1485 dem König Richard III. aus dem Haus York Thron und Leben geraubt, als Heinrich VII. den englischen Thron, indem er zugleich durch seine Vermählung mit Elisabeth, der ältesten Tochter Eduards IV. aus dem Haus York, die Ansprüche der beiden Rosen in seiner Person vereinigte. Er hinterließ drei Kinder: Margarete, zuerst mit Jakob IV. von Schottland vermählt und durch ihn

Meyers Konv.-Lexikon, 4. Aufl., XV. Bd.

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Tudorblatt - Tugendbund.

Mutter Jakobs V. und Großmutter der unglücklichen Maria Stuart, nachher mit dem Grafen Douglas von Angus vermählt und durch ihn Mutter Margaretes, der Gemahlin des Grafen von Lennox, sowie Großmutter Heinrich Darnleys, des Gemahls der Maria Stuart, so daß also der Sohn dieser letztern, welcher als Jakob I. 1603 den englischen Thron bestieg, väterlicher- wie mütterlicherseits der Urenkel Margaretes, der Tochter Heinrichs VII., war; Heinrich, der seinem Vater als Heinrich VIII. (1509) in der Regierung folgte, welche nach seinem Tod (1547) nacheinander auf seine drei Kinder Eduard VI. (1547-53), Maria (1553-58) und Elisabeth (1558-1603) überging; Maria, zuerst mit dem König Ludwig XII. von Frankreich und nach dessen Tod 1515 mit Charles Brandon, Herzog von Suffolk, vermählt, durch welche Ehe sie Großmutter der unglücklichen Johanna Gray wurde. Mit Eduard VI. starb der letzte männliche T.; nach dem Tod seiner Schwester Elisabeth 1603 ging die Krone auf die Stuarts über.

Tudorblatt, ein der engl. Spätgotik eigentümliches, epheuähnliches Blatt, das in Firsten oder als Dachkamm oder als oberer Schmuck einer Krone häufig vorkommt (s. Abbild.). Als einzelnes Vierblatt gestaltet, heißt es auch Tudorblume.

[Tudorblatt.]

Tudorbogen, in der Baukunst ein gedrückter Spitzbogen, meist in England angewandt, deshalb auch englischer Spitzbogen genannt; s. Bogen, Fig. 9.

Tudorstil, in der engl. Baukunst die letzte Periode des gotischen Stils (ca. 1380-1540), s. v. w. Perpendikularstil (s. d.).

Tü-düc, Kaiser (Hoangti, d. h. Erdenwalter) von Anam, geb. 1830, war der zweite Sohn des Kaisers Thinutri und hieß eigentlich Hoang-Nham. Mit Übergehung seines ältern Bruders, Hoang-Bao, ward er von seinem Vater zum Nachfolger bestimmt und bestieg nach dessen Tod 1847 den Thron. Anfangs Freund der Christen, begann er sie 1848 zu verfolgen, als der französische Missionsbischof Lefèvre sich für seinen enterbten und in strenger Kerkerhaft gehaltenen Bruder erklärte. Lefèvre rief nun die Einmischung Frankreichs an, das 1856 einen Gesandten an T. schickte. Als dieser die Annahme eines Schreibens der französischen Regierung verweigerte, ja sogar den Gesandten nicht landen ließ, bemächtigten sich die Franzosen der Citadelle von Turan, räumten sie aber 1857 wieder. Da die Christenverfolgungen fortdauerten und ein spanischer Missionsbischof, Diaz, hingerichtet wurde, nahm ein französisch-spanisches Geschwader 1858 von neuem Turan und dann 1859 Saigon, das T. 1862 an Frankreich abtreten mußte. In einem spätern Vertrag vom 15. März 1874 ward er genötigt, die französische Schutzherrschaft anzuerkennen und den Franzosen die Häfen in Tongking zu öffnen. Als ein neuer Streit mit Frankreich auszubrechen drohte, starb T. 20. Juli 1883.

Tuff, in der Geologie oft gebraucht für lockere Absätze aus Wasser (wie Kalktuff, Kieseltuff), besser aber zu beschränken auf die Bezeichnung des erhärteten, ursprünglich in Aschenform ausgestoßenen Materials jetziger oder prähistorischer Vulkane (Diabastuff, Trachyttuff etc.).

Tüffer, Marktflecken in Steiermark, Bezirkshauptmannschaft Cilli, am linken Ufer des Sann und an der Südbahn, hat ein Bezirksgericht, ein Schloß, Burgruinen und (1880) 706 Einw. Am rechten Sannufer das Kaiser Franz-Josephsbad, mit drei indifferenten Thermen (35-39° C.) und Badehaus; unfern das Römerbad (slaw. Teplitz), in herrlicher Lage an der Südbahn, mit gleichartigen Thermen, gut eingerichteten Bädern, Kurhaus etc. In der Umgebung bedeutender Braunkohlenbergbau (im Becken von T.-Hrastnigg-Trifail, jährliche Ausbeute über 4 Mill. metr. Ztr.), Glas- und Chemikalienfabrik. Vgl. Brum, Das Mineralbad T. (Wien 1875).

Tuffkalk (Tuffstein), s. v. w. Kalktuff.

Tuffstein, s. v. w. Tuffkalk oder Kalktuff (s. d.), auch vulkanischer Tuff (s. Tuff).

Tuffwacke, s. v. w. Tuff.

Tugéla, Fluß in Südafrika, bildet die Grenze zwischen Natal und dem Zululand, mündet in den Indischen Ozean.

Tugend, der Etymologie nach s. v. w. Tauglichkeit, Tüchtigkeit, dem jetzigen Sprachgebrauch nach insbesondere diejenige Tüchtigkeit, Ordnung und Harmonie des geistigen Lebens, welche auf der zur Gewohnheit gewordenen Betätigung der sittlichen Freiheit und Thatkraft beruht. Der Begriff der T. entspricht durchaus dem Begriff des Sittengesetzes und der moralischen Pflicht. Da nun diese in einer Mehrheit von Normen bestehen, insofern das Wollen und Handeln des Menschen auf verschiedene Interessen gerichtet sein kann, so pflegt man zwischen der "T. im allgemeinen" und einzelnen "Tugenden" zu unterscheiden. Letztere lassen sich auf einige Hauptarten, die sogen. Kardinaltugenden (s. d.), zurückführen. Der Begriff der T. ist von den verschiedenen philosophischen Schulen immer nach dem bestimmt worden, was ihnen als der Ausdruck des sittlichen Ideals galt. Kant bestimmte die T. als moralische Stärke des Willens des Menschen in Befolgung seiner Pflicht oder in der Unterordnung der Neigungen und Begierden unter die Vernunft.

Tugendbund, der "sittlich-wissenschaftliche Verein", welcher sich im Frühjahr 1808 zu Königsberg durch den Zusammentritt einiger Männer (Mosqua, Lehmann, Velhagen, Both, Bardeleben, Baczko und Krug) bildete, 30. Juni vom König genehmigt wurde und sich zum Zweck setzte: die durch das Unglück verzweifelten Gemüter wieder aufzurichten, physisches und moralisches Elend zu lindern, für volkstümliche Jugenderziehung zu sorgen, die Reorganisation des Heers zu betreiben, Patriotismus und Anhänglichkeit an die Dynastie allenthalben zu pflegen etc. Diesen offenen Bestrebungen reihte sich die geheime Tendenz an, die Abschüttelung des französischen Jochs anzubahnen. In Schlesien und in Pommern fand die Idee Anklang, weniger in der Mark, am wenigsten in Berlin. Übrigens wirkte manches zusammen, was einer größern Ausbreitung des Vereins hinderlich ward. Viele ängstliche Vorsteher von Zivil- und Militärbehörden verboten ihren Untergebenen den Beitritt. Andern erschienen die Statuten zu weit aussehend und unpraktisch; am meisten schadete dem Verein aber der Umstand, daß Preußen sich nicht schon 1809 der Erhebung Österreichs anschloß, und daß die Schillsche Unternehmung, die mit Unrecht dem T. aufgebürdet wurde, mißlang. Die Zahl der Teilnehmer belief sich auf 300-400. Unter ihnen fanden sich Namen wie Boyen, Witzleben, Grolman,

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Tugendrose - Tula.

v. Thile, v. Ribbentrop, Merkel, Ladenberg, Eichhorn, Manso u. a., wogegen mehrere, welche man als Hauptträger der ganzen Idee zu betrachten pflegt, wie Stein, Niebuhr, Gneisenau, Scharnhorst, nie zum Verein gehört haben. Am 31. Dez. 1809 dekretierte der König auf Drängen Napoleons I. durch eine Kabinettsorder die Auflösung des Vereins. Später wurde der T. von der Reaktionspartei in Preußen wegen Beförderung der Demagogie verdächtigt. Vgl. Voigt, Geschichte des sogen. Tugendbundes (Berl. 1850); Baersch, Beiträge zur Geschichte des Tugendbundes (Hamb. 1852); Lehmann, Der T. (Berl. 1867).

Tugendrose, s. v. w. Goldene Rose.

Tuggurt, Hauptort der Oase Wad-Rir im algerischen Departement Konstantine, in ungesunder, sumpfiger Lage, ist eine der Hauptetappen der Wüste, hat große Haine von Dattelpalmen (170,000), lebhaften Handel und 6000 Einw. (meist Berber). T. ward 1854 von den Franzosen erobert.

Tugra (türk.), Handzeichen des Sultans auf offiziellen Aktenstücken, Münzen, auch als Insignie auf öffentlichen Gebäuden angebracht, besteht eigentlich aus künstlich verschlungenen Linien in der Form einer offenen Hand, von welcher drei Finger in die Höhe und je einer nach rechts und links laufen, enthält jetzt aber meist in verschlungenen Initialen die Namen des regierenden Fürsten und seines Vaters.

Tugraorden, türk. Orden, nach Vertreibung der Janitscharen von Sultan Mahmud II. bei Errichtung einer disziplinierten Armee gestiftet, besteht in einem goldenen, von Diamanten umgebenen Medaillon, in dessen Mitte die Tugra (s. d.) sich befindet.

Tuilerien (franz. Tuilerien, spr. tuile-), ehemaliger Palast in Paris, ward 1564 unter Katharina von Medici von Philibert Delorme im Bau begonnen und in den folgenden Jahrhunderten stückweise, nach oft veränderten Plänen, von verschiedenen Architekten vollendet, war zeitweilig Residenz, so Ludwigs XV. während seiner Minderjährigkeit und Ludwigs XVI. von 1789 bis 1792, dann ständige Residenz Napoleons I. und der folgenden Herrscher Frankreichs. Napoleon III. ließ die T. mit dem Louvre (s. d.) in Verbindung bringen. Ende Mai 1871 wurden die T. von den Kommunarden in Brand gesteckt und lagen lange in Ruinen. In neuester Zeit wurden der nördliche und südliche Flügel wiederhergestellt, wogegen die Reste des Haupttraktes 1883 gänzlich abgetragen wurden. Westlich von den T. liegt der vielbesuchte Tuileriengarten. Vgl. auch Paris, S. 722.

Tuisco (Tuisto), der erdgeborne Gott, welchen die alten Germanen nach Tacitus' Bericht ("Germania", Kap. 2) als den ersten Urheber ihres Volkes besangen. In seinem Namen liegt der Begriff des Zwiefachen, Zwiegeschlechtigen: er erscheint als eine zwitterhafte Gottheit, welche noch die männliche (zeugende) mit der weiblichen (empfangenden) Kraft in sich verbindet und so aus sich selbst den Mannus (s. d.), das erste Wesen in Menschengestalt, zeugt.

Tukan (Ramphastus L.), Gattung aus der Ordnung der Klettervögel und der Famtlie der Pfefferfresser (Ramphastidae), Vögel mit auffallend großem, am Grund sehr dickem, gegen das Ende hin stark Zusammengedrücktem, auf der Firste scharfkantigem Schnabel, dessen Wandungen sehr dünn sind und ein schmales, großmaschiges Knochennetz umschließen, so daß der Schnabel sehr leicht ist. Die Zunge ist schmal, bandartig, hornig, am Rand gefasert; die abgerundeten Flügel reichen nur bis zum Anfang des kurzen, breiten, stumpf gerundeten Schwanzes. Die starken, langzehigen Läufe sind vorn und hinten mit tafelförmigen Gürtelschildern versehen. Das Gefieder zeigt auf meist schwarzem Grund sehr lebhafte Farben; auch die Augen, Beine und der Schnabel sind glänzend gefärbt. Die Tukane leben in den südamerikanischen Urwäldern, nähren sich von Früchten und Fruchtkernen, richten in den Bananen- und Guavapflanzungen großen Schaden an, fressen auch Eier und junge Vögel, sollen zwei Eier in hohle Bäume oder Baumäste legen und werden ihres Fleisches und der Federn halber in Menge gejagt. Der Pfefferfresser (Toko, Ramphastus Toco L., s. Tafel "Klettervögel"), 58 cm lang, schwarz, an Kehle, Vorderhals, Wangen und Oberschwanzdeckfedern weiß, am Bürzel blutrot, mit orangerotem Schnabel, der an der Spitze des Unterkiefers feuerrot, an der Spitze des Oberkiefers schwarz ist, dreieckigem, gelbem Fleck vor dem Auge, blauem Augenring, dunkelgrünem Auge und hellblauem Fuß, bewohnt die höher gelegenen Teile Südamerikas von Guayana bis Paraguay, be^ sonders bewaldete Flußufer und die offene Savanne, welche er in kleinen Trupps durchschweift; er hält sich gewöhnlich hoch oben in den Waldbäumen auf, ist beweglich, scheu, neugierig und mordlustig. In der Gefangenschaft erscheint er sehr anziehend. In Europa sieht man oft mehrere Arten in den zoologischen Gärten. Man jagt die Tukane des Fleisches und der schönen Federn halber. Die Eingebornen erlegen sie mit ganz kleinen Pfeilen, welche mit äußerst schwachem Gift bestrichen sind, so daß der Vogel nur betäubt wird und, nachdem er seiner wertvollsten Federn beraubt ist, sich wieder erholt und davonfliegt, um später vielleicht abermals geschossen zu werden. Vgl. Gould, Monograph of the Ramphastidae (2. Aufl., Lond. 1854-55, 3 Tle.).

Tula, Zentralgouvernement Großrußlands, grenzt im N. an das Gouvernement Moskau, im O. an Rjäsan und Tambow, im S. an Orel, im W. an Kaluga, umfaßt 30,959,2 qkm (562,25 QM.). Das Land ist im allgemeinen eben und flach, mit nur einigen Hügeln an den Ufern der Oka und Upa. Der Untergrund ist devonischer Formation, an der Oka lehmiger, gelber und grünlicher Mergel, gemischt mit unreinem, sandigem Kalkstein; in den Flußthälern im südlichen Teil des Gouvernements tritt Kalkstein der obern Schicht der devonischen Formation zu Tage, und an der Upa und dem Osetr sind ergiebige Steinbrüche. Der Boden ist von sehr geringer Fruchtbarkeit, doch findet sich in mehreren Kreisen fruchtbare Schwarzerde (Tschernosem). Das Areal setzt sich zusammen aus 73,4 Proz. Acker, 10,5 Wald, 10,7 Wiese und Weide, 2,4 Proz. Unland. Von Flüssen sind erwähnenswert: die Oka (teilweise Grenzfluß gegen W. und N.), der Osetr, die Plawa, die Upa und der Don. Das Klima ist mild und gesund. Die Einwohnerzahl beläuft sich auf (1885) 1,409,432 (45 pro Quadratkilometer), die fast nur Großrussen sind. Die Zahl der Eheschließungen war 1885: 11,043, der Geburten 73,017, der Sterbefälle 56,589. Hauptprodukte sind: Getreide, Runkelrüben, Tabak, Ölpflanzen, während Flachs und Hanf minder gute Ernten geben. Die Ernte betrug 1887: 6 Mill. hl Roggen, 7-8 Mill. hl Hafer, 3,6 Mill. hl Kartoffeln, andre Cerealien in bedeutend geringerer Menge. Die Viehzucht wird im ganzen Gouvernement sehr schwach betrieben; seit neuester Zeit findet die Bienenzucht starke Verbreitung. Der Viehstand bezifferte sich 1883 auf 203,495 Stück Rindvieh, 380,622 Pferde, 780,935 grobwollige Schafe, 94,096 Schweine. Dagegen ist neben der Landwirtschaft die Fabrikthätigkeit sehr entwickelt. Sie geht (1884) in 558 gewerblichen Anstalten mit 11,790 Arbeitern vor sich und bringt für

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Tula - Tulipa.

28½ Mill. Rubel Waren hervor. Bemerkenswerte Industriezweige sind: Rübenzuckerfabrikation und Raffinerie (2,3 Mill. Rub.), Kupferverarbeitung (1 1/2 Mill.), Branntweinbrennerei (1,2 Mill. Rub.), Gewehr- und Patronenfabrikation, Lederindustrie, Getreidemüllerei, Schlosserindustrie, Stärkefabrikation, Verfertigung musikalischer Instrumente (besonders Harmoniken), Ziegeleien. Trotzdem suchen jährlich sehr viele Bauern in andern Gouvernements Arbeit. Der Handel vertreibt Getreide, Schweinsborsten, Runkelrüben, Eisen-, Stahl- und Bronzewaren und hat seinen Hauptsitz in der Stadt T. und in Bjelew. Bildungszwecken dienen (1885) 728 Elementarschulen mit 39,270 Schülern, 12 mittlere Lehranstalten mit 2572 Schülern und 5 Fachschulen mit 672 Lernenden (darunter ein geistliches Seminar, eine Feldscher- und eine Hebammenschule). Im Tulaischen befinden sich einige alte Erdwälle (Gorodischtschi) und Kurgane, Zeugen der mit den Litauern und Tataren hier geführten Kämpfe. T. zerfällt in zwölf Kreise: Alexin, Bjelew, Bogorodizk, Epifan, Jefremow, Kaschira, Krapiwna, Nowosil, Odojew, Tschern, T. und Wenew. Die gleichnamige Hauptstadt, an der Upa, Knotenpunkt der Eisenbahnen Moskau-Kursk und Wjasma-Rjaschsk, eine der gewerbthätigsten Städte des russischen Reichs, hat 28 Kirchen (darunter die Himmelfahrtskirche und die Allerheiligenkirche), 2 Klöster, und unter den sonstigen öffentlichen Bauten ragen hervor das Exerzierhaus und die Gouvernementsgebäude. Die Zahl der Einwohner betrug 1885: 63,928. Die Bedeutung der Stadt beruht vornehmlich auf der großen kaiserlichen Gewehrfabrik, die 1712 von Peter I. gegründet wurde, jetzt über 7000 Arbeiter beschäftigt und jährlich 70,000 Gewehre, eine große Menge blanker Waffen sowie treffliche andre Stahl- und Eisenwaren liefert. Die tulaischen Waren aus Stahl und Eisen (physikalische und mathematische Instrumente, Messer, Scheren, Zangen etc.), aus Weißkupfer und andern Kompositionen, vorzüglich dem sogen. Tulametall (s. Niello), wie Theemaschinen, Dosen und Galanteriewaren, sind berühmt. Ferner sind noch hervorzuheben die großen Gerbereien, Talgschmelzereien, Fabrikation von Seife, Kerzen, Siegellack etc. (im ganzen 133 Fabriken). T. ist Bischofsitz, hat ein klassisches Gymnasium, eine Realschule, ein Militärgymnasium, ein Mädchengymnasium, ein geistliches Seminar und mehrere andre Lehranstalten, ein Armen-, Zucht-, Arbeits- und Findelhaus, ein Arsenal, ein Museum einheimischer Industrieprodukte, ein Theater. Die Stadt wird zuerst im 12. Jahrh. erwähnt.

Tula, Stadt im mexikan. Staat Hidalgo, 2080 m ü. M., am Rio de T. und an der Eisenbahn nach Mexiko, angeblich die alte Hauptstadt der Tolteken, mit Baumwollfabrik und (1880) 5834 Einw.

Tulacingo (spr. -ssingo), Stadt im mexikan. Staat Hidalgo, 1820 m ü. M., in reizender Vega, hat eine Kathedrale, ein bischöfliches Seminar, eine Baumwollfabrik und (1880) 9739 Einw. im Munizipium.

Tulametall, s. v. w. Niello.

Tularesee, See im S. des nordamerikan. Staats Kalifornien, 1683 qkm groß, wird vom Kernfluß gespeist und hat durch einen Sumpf periodischen Abfluß zum St. Joaquinfluß.

Tulasne (spr. tülahn), Louis René, Botaniker, geb. 12. Sept. 1815 zu Azay le Rideau (Indre-et-Loire), war Aide-naturaliste am Museum der Naturgeschichte zu Paris, trat 1872 in den Ruhestand und starb 22. Dez. 1885 in Hyeres. Seine ersten Arbeiten bezogen sich auf Systematik der Phanerogamen (Leguminosen, Podostemaceen, Monimiaceen); dann veröffentlichte er mit seinem Bruder Charles T. (geb. 5. Sept. 1816 zu Langeais im Departement Indre-et-Loire) mykologische Arbeiten, durch welche die Kenntnis mehrerer Familien der Pilze, besonders der kleinern parasitischen Pilze, wesentlich vervollkommt, insbesondere die Pleomorphie der Fruktifikationsorgane und der Generationswechsel dieser Pilze, zumal der Pyrenomyceten und Diskomyceten, nachgewiesen wurden. Außer zahlreichen Abhandlungen schrieb er: "Fungi hypogaei" (Par. 1851) und "Selecta fungorum carpologia" (das. 1861-65, 3 Bde.).

Tulbau (Tulbend), s. v. w. Turban.

Tulcan, Stadt im südamerikan. Staat Ecuador, 2077 m ü. M., dicht bei der Grenze von Kolumbien, am Nordfuß des 3405 m hohen Passes Paramo de Balicho, mit 4000 Einw.

Tulcea, Stadt, s. Tultscha.

Tulipa L. (Tulpe), Gattung aus der Familie der Liliaceen, Zwiebelgewächse mit riemenförmigen oder lineal-lanzettlichen, häufig blaugrünen Blättern, einblütigem Stengel, sechsblätteriger, glockiger Blütenhülle u. oblonger oder verkehrt-eiförmiger, stumpf dreikantiger, vielsamiger Kapsel. Etwa 50 Arten, meist im Orient. T. silvestris L. (wilde Tulpe), mit breit lineal-lanzettlichen Blättern und gelben, äußerlich grünen, wohlriechenden Blüten, wächst in Süd- und Mitteleuropa und in Sibirien auf Waldwiesen und in Weinbergen. T. suaveolens Roth, mit sehr kurzem Stengel und roten, am obern Rand gelben, wohlriechenden Blüten, findet sich in Südeuropa und wird in mehreren Varietäten, auch mit gefüllten Blumen kultiviert; eine der beliebtesten Formen ist Duc van Toll. Auch von T. praecox Tenor, bei Neapel, und T. turcica W., in der Türkei, hat man Varietäten (von letzterer die Monströsen oder Perroquetten mit zerschlitzten Blumenblättern). Viel wichtiger aber ist T. Gesneriana L. (Gartentulpe), mit 30-45 cm hohem Schaft, eirund-lanzettlichen Blättern und ursprünglich karmesinroten, im Grund gelblichen Blüten. Sie ist in Südosteuropa, bis zum Altai und zur Dsungarei heimisch, kam durch Busbecq, den Gesandten Ferdinands I. in Konstantinopel, wo sie damals schon von den Türken kultiviert wurde, nach dem westlichen Europa, blühte 1560 in Augsburg, wurde von Gesner zuerst gezogen und beschrieben, kam 1573 an Clusius in Wien, 1577 nach England und Belgien und ward schon 1629 in 140 Spielarten kultiviert. 1634-40 erreichte in Haarlem die Tulpenliebhaberei ihren Gipfel, und man zahlte für eine einzige Zwiebel bis 13,000 holländ. Gulden; es gab Sammlungen mit mehr als 500 klassifizierten Varietäten. Gegenwärtig ist die Zahl der verbreitetern Varietäten verhältnismäßig niedrig. Man unterscheidet als Hauptvarietäten Früh- und Spättulpen. Die frühen Tulpen, mit kürzerm Stengel, blühen an einem warmen Standort schon im April oder noch früher und lassen sich sehr gut treiben. Ihre Hauptfarben sind: Weiß, Gelb, Rot und Purpurrot, einfarbig oder schön geflammt. Die Spättulpen teilen die holländischen Blumisten in einfarbige (Exspektanten oder Muttertulpen, welche anfangs nur eine Farbe haben, nach 2-4 Jahren aber nach und nach mehr Illuminationsfarben annehmen und aus den Samen neue bunte Sorten liefern) und bunte und gestreifte Tulpen. Nach der Beschaffenheit ihrer Zeichnung teilt man letztere in Baquetten, Bybloemen und Bizarden. Die gefüllt blühenden Varietäten werden von den Blumisten den einfachen nachgesetzt. Die Monströsen (Perroquet- oder Papa-